#1

Meine Sprache ist das Verstummen

in Düsteres und Trübsinniges 04.11.2005 13:07
von Ulli Nois | 554 Beiträge | 554 Punkte
Meine Sprüche sind brüchig geworden
Wortscherben, die dich verletzen

Der Leim meiner Verse
klebt mir noch an den Lippen
Ein lästiger Mundfortsatz
der nicht hält, was er spricht

Mein Schweigen sagt dir nicht zu

Das Ausbleiben der Liebe
kann keine Sprache erfüllend erklären
Ein stotterndes Herz
wird durch kein Zauberwort geheilt

Was ich auch sage
die Verzweiflung fliegt nicht davon
Spreizt sich in jedem Wort
jedem Nichtwort

Meine Sprache schlägt mit den Flügeln
hebt an
und sinkt unter den Boden

Meine Sprache
ist das Verstummen

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#2

Meine Sprache ist das Verstummen

in Düsteres und Trübsinniges 09.11.2005 13:56
von kein Name angegeben • ( Gast )
Hi Ulli,

zunächst mal, heißt es "leine" im 4. Abschnitt, oder eher "keine"?

Das Schweigen der Lämmer. Manchmal ist es wirklich "Gold" zu schweigen. Und ich persönlich finde Schweigen durchaus anziehend, da dies auf Überlegung oder Tiefe hindeuten kann (Verletzbarkeit?). Hm, so langsam erkenne ich meine Neigungen...
Oje, Ulli, ist mein indirekter Gefühlsquerulant. Lol

Sehr tiefsinnige Gedanken schwingen in der Aussage Deines "Schweigensgedichtes" mit!

Bin wiedermal beeindruckt!

LG

Süßchen

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#3

Meine Sprache ist das Verstummen

in Düsteres und Trübsinniges 09.11.2005 20:36
von Ulli Nois | 554 Beiträge | 554 Punkte
Hi Süßchen,

danke für dein aufmerksames Lesen. Natürlich sollte es "keine" heißen. Ich war nicht aufmerksam.

Als ich das Gedicht schrieb, es ist schon ein paar Jahre her, war ich mit meiner Sprache wirklich am Ende. Leider / oder zum Glück konnte ich mit meinem Schweigen der Sprache nicht entkommen. Auch was du schweigst, wird gedeutet, beredet, in Sprache geholt. Uff. Deshalb bin ich doch wieder ins Reden und Schreiben gekommen. Einmal damit ich nicht ganz den Auslegungen anderer ausgeliefert bin. Und vor allem, um den Stuß, den ich so von mir gebe, in etwas weniger Stuß zu verwandeln.

Dein indirekter Gefühlsquerulant

P.S. Was ist das überhaupt?


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#4

Meine Sprache ist das Verstummen

in Düsteres und Trübsinniges 10.11.2005 19:40
von kein Name angegeben • ( Gast )
Hi Ulli,

ich hab das mal so erfunden, was für mich bedeutet, dass Du der Gefühlskritikpunkt meines Inneren sein könntest (zumal Du viele Bedenken und Hintergrundgedanken bei mir aufwirfst, was meine Beweggründe anbelangt) und dies eher unbewusst von Deiner Seite aus geschieht!

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#5

Meine Sprache ist das Verstummen

in Düsteres und Trübsinniges 14.11.2005 10:15
von Don Carvalho • Mitglied | 1.880 Beiträge | 1880 Punkte
Hallo Ulli,

lustig, bei Gemini habe ich kürzlich auch etwas von verletzenden Wortscherben gelesen... die Wirkungen unserer Worte scheinen wir alle schon in dieser Richtung kennengelernt zu haben^^.

Ich finde Du verwendest hier viele tolle Formulierungen: die mit den Flügeln schlagende Sprache, die sich in jedem Nichtwort spreizende Verzweiflung oder die brüchig gewordene Sprache. Titel bzw. den letzten Satz finde ich ebenso klasse, wenn auch ziemlich deprimierend. Teilweise finde ich, Du hättest einige Stellen noch etwas mehr verdichten können, um sie intensiver zu gestalten, so sind mir Deine Zeilen insgesamt etwas zu prosaisch. Beim Zauberwort bin ich mit selbst noch nicht einig: mir gefällt der Verweis auf Eichendorff und somit auf die romantische Dichtung, finde dieses Bild jedoch auch sehr kitschig. Vielleicht aber sogar weniger wegen des Zauberwortes, sondern eher in diesem Zusammenhang mit dem stotternden Herzen. Hm, wie gesagt, hier tu ich mich ein wenig schwer...

Inhaltlich spricht mich Dein Werk an, diese innere Zerissenheit des lyrischen Ichs wird überzeugend transportiert: Die Sprachlosigkeit, weil es eben keine wirklich die Situation treffende Wörter (nur eben das Gegenüber treffende Wörter ) gibt und die Erkenntnis, dass eben dies mehr aussagt, als alles andere.

Der letzte Satz hallt wirklich nach. Alleine schon deshalb gern gelesen,


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#6

Meine Sprache ist das Verstummen

in Düsteres und Trübsinniges 14.11.2005 16:42
von Ulli Nois | 554 Beiträge | 554 Punkte
Verehrter Don Carvalho!

(ein flapsiges "Hi" oder "Hallo" verbietet sich bei diesem Namen wohl)

Ich danke zunächst für den Willkomensgruß an anderer Stelle (auch dort werde ich noch antworten)und freue mich über die mehrfache Zuwendung.

Ich selbst habe zu diesen Zeilen (auch zu der Situation, die ein paar Jahre alt ist) inzwischen etwas kritische Distanz bekommen und würde heute versuchen, weniger pathetisch, sprich: selbst-mitleidig, zu formulieren... Das stotternde Herz würde wohl bleiben, weil das eine physische Erfahrung ist, für die ich noch keinen besseren Ausdruck gefunden habe. Aber das Zauberwort... ? Die Frage ist ja, ob Worte überhaupt heilen können. Wenn sie es könnten, wären es wirklich Zauberworte. Ich meine, sie können zumindest auf den Weg der Heilung bringen, können Gefühlsumschwünge auslösen und haben (zumindest bei mir) als Langzeitmedikamente erstaunliche Wirkungen. Das sprachverzweifelte Ich von damals glaubte allerdings, es könne ihm überhaupt keine Sprache mehr helfen, und da muss man sich doch wundern, warum es seine Depression so bildreich in Worte setzt.

Der letzte Satz hallt nach, schreibst du. Das sollte er auch. Er hat tatsächlich etwas von einem Paukenschlag, bei aller Resignation etwas Trotziges, beinah Triumphierendes. Ich finde diesen Abgang der Sprache nicht ganz glaubwürdig. Er ist etwas zu laut. Ein wirkliches Verstummen kommt gebrochener daher ...

Und so ganz nachhaltig war mein Verstummen dann ja auch nicht, wie du lesen und hören kannst...


Beste Grüße

Ulli Nois.


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#7

Meine Sprache ist das Verstummen

in Düsteres und Trübsinniges 16.11.2005 10:20
von Don Carvalho • Mitglied | 1.880 Beiträge | 1880 Punkte

Zitat:

Ulli Nois schrieb am 14.11.2005 16:42 Uhr:
Verehrter Don Carvalho!




Das lob ich mir, der Mann hat Respekt !

Aber ein schlichtes "Hi Don" tut es auch ^^...

Don

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