Rainer Maria Rilke (1875 - 1926)

#22

Rainer Maria Rilke (1875 - 1926)

in Rumpelkammer 11.04.2006 19:23
von Margot • Mitglied | 3.054 Beitr�ge | 3055 Punkte

Die Nacht ist wie ein grosses Haus.
Und mit der Angst der wunden H�nde
reissen sie T�ren in die W�nde -
dann kommen G�nge ohne Ende,
und nirgends ist ein Tor hinaus.

#23

Rainer Maria Rilke (1875 - 1926)

in Rumpelkammer 14.04.2006 00:07
von Margot • Mitglied | 3.054 Beitr�ge | 3055 Punkte

Vorfr�hling (1924)

H�rte schwand. Auf einmal legt sich Schonung
an der Wiesen aufgedecktes Grau.
Kleine Wasser �ndern die Betonung.
Z�rtlichkeiten, ungenau,

greifen nach der Erde aus dem Raum.
Wege gehen weit ins Land und zeigens.
Unvermutet siehst du seines Steigens
Ausdruck in dem leeren Baum.

#24

Rainer Maria Rilke (1875 - 1926)

in Rumpelkammer 15.04.2006 11:28
von Margot • Mitglied | 3.054 Beitr�ge | 3055 Punkte

Die Erblindende

Sie sa� so wie die anderen beim Tee.
Mir war zuerst, als ob sie ihre Tasse
ein wenig anders als die andern fasse.
Sie l�chelte einmal. Es tat fast weh.

Und als man schlie�lich sich erhob und sprach
und langsam und wie es der Zufall brachte
durch viele Zimmer ging (man sprach und lachte),
da sah ich sie. Sie ging den andern nach,

verhalten, so wie eine, welche gleich
wird singen m�ssen und vor vielen Leuten;
auf ihren hellen Augen die sich freuten
war Licht von au�en wie auf einem Teich.

Sie folgte langsam und sie brauchte lang
als w�re etwas noch nicht �berstiegen;
und doch: als ob, nach einem �bergang,
sie nicht mehr gehen w�rde, sondern fliegen.

#25

Rainer Maria Rilke (1875 - 1926)

in Rumpelkammer 20.02.2007 19:12
von Margot • Mitglied | 3.054 Beitr�ge | 3055 Punkte

Sp�therbst in Venedig

Nun treibt die Stadt schon nicht mehr wie ein K�der,
der alle aufgetauchten Tage f�ngt.
Die gl�sernen Pal�ste klingen spr�der
an deinen Blick. Und aus den G�rten h�ngt
der Sommer wie ein Haufen Marionetten
kopf�ber, m�de, umgebracht.
Aber vom Grund aus alten Waldskeletten
steigt Willen auf: als sollte �ber Nacht
der General des Meeres die Galeeren
verdoppeln in dem wachen Arsenal,
um schon die n�chste Morgenluft zu teeren
mit einer Flotte, welche ruderschlagend
sich dr�ngt und j�h, mit allen Flaggen tagend,
den gro�en Wind hat, strahlend und fatal.

#26

Rainer Maria Rilke (1875 - 1926)

in Rumpelkammer 20.02.2007 19:14
von Margot • Mitglied | 3.054 Beitr�ge | 3055 Punkte

Erinnerung

Und du wartest, erwartest das Eine,
das dein Leben unendlich vermehrt;
das M�chtige, Ungemeine,
das Erwachen der Steine,
Tiefen, dir zugekehrt.

Es d�mmern im B�cherst�nder
die B�nde in Gold und Braun;
und du denkst an durchfahrene L�nder,
an Bilder, an die Gew�nder
wiederverlorener Fraun.

Und da wei�t du auf einmal: das war es.
Du erhebst dich, und vor dir steht
eines vergangenen Jahres
Angst und Gestalt und Gebet.

#27

Rainer Maria Rilke (1875 - 1926)

in Rumpelkammer 20.02.2007 20:32
von Fabian Probst (gel�scht)

Boah, der Sp�therbst ist ultra genial. Den kannte ich nicht.

Die Erblindete zeigt, dass solche Wiederholungen ("und langsam und" und "wie die anderen/ als die andern)durchaus gebr�uchlich sind. Bei uns Amatueren w�rde man das als ungelenk ankreiden. Obwohl ich Letzteres auch hier nicht so sch�n finde.
In einem anderen Forum sagte man mir mal, dass "man" auch nicht gerade elegant sei. Aber das fand ich immer nur bedingt.

Gru�, Fabian

#28

Rainer Maria Rilke (1875 - 1926)

in Rumpelkammer 20.02.2007 21:31
von Nonverbal • Mitglied | 407 Beitr�ge | 407 Punkte

wow was rilke f�r tolle gedichte geschrieben hat, echt beneidenswert.

#29

Rainer Maria Rilke (1875 - 1926)

in Rumpelkammer 23.02.2007 22:08
von Margot • Mitglied | 3.054 Beitr�ge | 3055 Punkte

Die Irren

Und sie schweigen, weil die Scheidew�nde
weggenommen sind aus ihrem Sinn,
und die Stunden, da man sie verst�nde,
heben an und gehen hin.
N�chtens oft, wenn sie ans Fenster treten:
pl�tzlich ist es alles gut.
Ihre H�nde liegen im Konkreten,
und das Herz ist hoch und k�nnte beten,
und die Augen schauen ausgeruht
auf den unverhofften, oftentstellten
Garten im beruhigten Geviert,
der im Widerschein der fremden Welten
weiterw�chst und niemals sich verliert.

#30

Rainer Maria Rilke (1875 - 1926)

in Rumpelkammer 09.03.2007 02:13
von Fabian Probst (gel�scht)

Herbsttag

Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr gro�.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren la� die Winde los.

Befiehl den letzten Fr�chten voll zu sein;
gieb ihnen noch zwei s�dlichere Tage,
dr�nge sie zur Vollendung hin und jage
die letzte S��e in den schweren Wein.

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Bl�tter treiben.

#31

Rainer Maria Rilke (1875 - 1926)

in Rumpelkammer 09.03.2007 09:46
von Alcedo • Mitglied | 2.708 Beitr�ge | 2838 Punkte

den Herbsttag hatte zu meinem Erstaunen sogar einmal der Wickert bei den Tagesthemen vorgetragen (nat�rlich erst vor dem Wetter, aber trotzdem).

FR�HLING
f�r Katharina Kippenberg

Nicht so sehr der neue Schimmer tats,
da� wir meinen, Fr�hling mitzuwissen,
als ein Spiel von sanften Schattenrissen
auf der Kl�rung eines Gartenpfads.

Schatten eignet uns den Garten an.
Bl�tterschatten lindert unsern Schrecken,
wenn wir in der Wandlung, die begann,
uns schon vorverwandelter entdecken.

e-Gut

#32

Rainer Maria Rilke (1875 - 1926)

in Rumpelkammer 09.04.2007 13:14
von Alcedo • Mitglied | 2.708 Beitr�ge | 2838 Punkte

Da hat man zu b��en... Det b�des der for -

Da hat man zu b��en jahrelang
f�r der Freude k�rzeste Spende;
man l�chelt es aus im Augenblick
und weints nicht in Jahren zu Ende.
Kummer rinnt, es rinnt Gram aus roten Rosen.

Man rollt auf dem goldenen Gl�cksrad einher
blindsicher sich`s zu gestalten;
doch des Kummers Fuder, knechtend und schwer
erwartet uns dort, wo wir halten.
Kummer rinnt, es rinnt Gram aus den roten Rosen.

In Lust wird gelebt wie halb im Traum,
doch der Kummer mit wachen Augen
hat keine Tr�ume und schaut auf dich
mit Augen wie Str�me die saugen.
Kummer rinnt, es rinnt Gram aus (der R�te der) Rosen.

Kein L�cheln bringt deinen Tag zu Bett
aber die Tr�nen sind munter
Im L�cheln ergl�nzt, was ist , im Gewein
geht Gewesenes dunkelnd unter.
Kummer rinnt, es rinnt Gram aus (der R�te der) Rosen.

von Jens Peter Jacobsen
(�bersetzt aus dem D�nischen von Rainer Maria Rilke)

e-Gut

#33

Rainer Maria Rilke (1875 - 1926)

in Rumpelkammer 18.07.2007 17:28
von Margot • Mitglied | 3.054 Beitr�ge | 3055 Punkte

Aus dem 'Stundenbuch'

Wenn es nur einmal so ganz stille w�re.
Wenn das Zuf�llige und Ungef�hre
verstummte und das nachbarliche Lachen,
wenn das Ger�usch, das meine Sinne machen,
mich nicht so sehr verhinderte am Wachen -

Dann k�nnte ich in einem tausendfachen
Gedanken bis an deinen Rand dich denken
und dich besitzen (nur ein L�cheln lang),
um dich an alles Leben zu verschenken
wie einen Dank.

#34

Rainer Maria Rilke (1875 - 1926)

in Rumpelkammer 29.07.2007 19:27
von bipontina (gel�scht)

Ich habe mir vor vielen Jahren schon Rilke-Verse ins Poesiealbum gew�nscht.
Was mich immer noch �berw�ltigt, ist "Fr�her Apoll" und die Strophe "Erneue ihn mit einer reinen Speise.." aus dem "Stundenbuch". Und nat�rlich der "Cornet".

#35

Rainer Maria Rilke (1875 - 1926)

in Rumpelkammer 29.07.2007 20:24
von Haselnuss (gel�scht)

Hallo, bipontina,
mit Versen wie Rilke kann ich nicht dienen. Aber mit einem Seitenblick auf meinen zwangsweise gelesenen Zeitungsstapel:

Der Apoll am fr�hen Morgen
schien noch jung und ohne Sorgen.
Wein genoss er dann, der Gute,
blies in seine Fl�ster-Tute,
Hinz und Kunzen zu verw�hnen
mit absonderlichen T�nen.

Ich h�tt' ihm, Text-Bild bezwungen,
keine Federn ausbedungen.
Oder dachte jener Schreiber,
Traum ist auch Entwicklungsleiter?

Lieben Gru�,
Haselnuss

#36

Rainer Maria Rilke (1875 - 1926)

in Rumpelkammer 29.07.2007 21:11
von bipontina (gel�scht)

ooooch, wie eklig kannst Du sein! schreiber/leiter ist wohl gewollt?
Ich kann auch eklig sein als Anwalt Rilkes: Was k�mmert es die stolze Eiche, wenn sich das Borstenvieh dran wetzt...
hahaha, aber ich hab auch schon ein gro�es Glas Rotwein intus, sonst w�re ich nicht so wagemutig, liebe Hselnuss.

lieben Gru� von bipontina

#37

Rainer Maria Rilke (1875 - 1926)

in Rumpelkammer 29.07.2007 21:51
von Haselnuss (gel�scht)

Hallo, Bipontina,

du willst mir doch jetzt nicht erz�hlen, dass du die Person bist, die...? Ich w�rde das Bild aus der Zeitung, auf das ich meine Verse bezog, hier ja gerne einstellen, aber dann m�sste ich erst den Verlag um Erlaubnis bitten.
Warum hast du meine Verse eigentlich auf dich bezogen? Du, ich habe keine Lust, mich mit dir zu streiten. Und ja, die Zeitung muss ich lesen, ob ich will oder nicht. Und jetzt unterstelle mir bitte keine Sehnsucht.

Lieben Gru�,
Haselnuss

#38

Rainer Maria Rilke (1875 - 1926)

in Rumpelkammer 29.07.2007 22:31
von GerateWohl • Mitglied | 2.015 Beitr�ge | 2015 Punkte

Die Haselnuss schaut mal wieder rein. Na sowas.
Dass Du Zeitung lesen musst tut mir leid. Ich bitte Dich aber Deine Plaudereien in der Plauderecke abzuhalten. Da sind diese Willkommen.
Dieser Faden hier hingegen ist eigentlich f�r Verse und Informationen um das Werk von Rilke gedacht.

Gru�,
GerateWohl

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#39

Rainer Maria Rilke (1875 - 1926)

in Rumpelkammer 30.07.2007 22:51
von Haselnuss (gel�scht)

Zitat:

Dieser Faden hier hingegen ist eigentlich f�r Verse und Informationen um das Werk von Rilke gedacht.

Gru�,
GerateWohl

Freilich, ich sehe es, Herr Moderator. Ich werde es mir durch den Kopf gehen lassen. Du redest von plaudern? Was, um Himmels willen, ist das denn?

Gru� zur�ck,
Haselnuss

PS: Ja, mei; das verdammte Blatt liegt ja noch immer da und glotzt mich an.

#40

Rainer Maria Rilke (1875 - 1926)

in Rumpelkammer 31.07.2007 08:33
von bipontina (gel�scht)

hallo, haselnuss,
wir haben wohl aneinander vorbeigeschrieben? i c h dachte, du wolltest Rilke parodieren, hab nichts auf mich bezogen, und das mit dem Wein stimmt leider. Streiten will ich mich schon g a r nicht: ich bin harmonies�chtig!

lieben Gru�
bipontina