#1

Attentäter

in Gesellschaft 15.12.2005 14:28
von Mattes | 1.141 Beiträge | 1141 Punkte
Attentäter


Als Anatol alleine, abends
an der Moskwa, Brecht zitierend,
im gelobten Land flanierend
Neunzehnsechsunddreißig, haben s',

mühsam Kommunismus mimend,
attentatsverdächtig, lachhaft,
ihn erschossen in der U-Haft.
So, wie es den Zeiten ziemend,

kam Karolas Knastkarriere:
Kind und Kegel einkassiert,
im Gulag ist sie krepiert
nach 5 Jahren. Die Premiere

in den fernen U.S.A.
eines Stücks im selben Jahr
zeigt des Dichters Pose klar:
Jener Herr war bourgeois.

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#2

Attentäter

in Gesellschaft 17.12.2005 12:51
von levampyre (gelöscht)
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hi q,

okay, ich habe zunächst ne weile gebraucht, um hinter die grammatik zu steigen. die einzige lösung, die mir sinnvoll erscheint, wäre jene, die S1V4 in haben s' umändert. (haben's macht keinen sinn.) dann hieße das, dass unbestimmte sie den anatole 1936 in der u-haft erschossen haben, während er in moskau flanierend brecht zitiert. anatole france der autor und freiheitskämpfer, war bourgois, ist aber bereits 1924 gestorben. brecht paßt besser in die zeit. wer karola ist, habe ich bisher nicht rausbekommen, aber anscheinend scheint sie als zwansarbeiterin gestorben zu sein. wann? wer weiß, daher ist es natürlich auch schwer rauszubekommen, welches in den usa uraufgeführte stück hier gemeint ist.

letztlich bekomme ich noch keinen sinnvollen zusammenhang in diesen text, inahltlich, obwohl ich seit gestern daran nage. ich verstehe auch nicht, wie dieses stichwortpotpourri nun auf den bourgoisen schluss hinausläuft. ich verbleibe mich wundernd. lg

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#3

Attentäter

in Gesellschaft 17.12.2005 13:48
von Margot • Mitglied | 3.054 Beiträge | 3055 Punkte
Hi Mattes

Wenn mich nicht alles täuscht, handelt es sich bei den Protagonisten hier um Anatol Becker und Carola Neher (Ehefrau des Dichters Klabund). Von welcher Premiere du hier sprichst, weiss ich leider auch nicht. Sie spielte zwar die Polly aus Brechts Dreigroschenoper, aber ob die damals in Amerika zu sehen war? Ich kann mich nicht mehr erinnern. Deren traurige Lebensgeschichte kann man googeln. Ich kenne sie auch "bloss", weil ich Klabund sehr mag.

Ich musste es auch mehrmals lesen, bevor die stark abgehackten Zeilen sich zusammenfügten. Das ist immer etwas das Risiko, wenn man so Blitzlichter setzt, dass der Leser darüber hinwegfegt, ohne den Sinn zu verstehen. Und hier, wenn man die Geschichte darum herum nicht kennt, ist es noch schwieriger, dem Ganzen zu folgen. Aber ein bisschen Rätseln ist ja auch ganz schön.

Gruss
Margot

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#4

Attentäter

in Gesellschaft 17.12.2005 17:20
von Knud_Knudsen • Mitglied | 994 Beiträge | 994 Punkte
Hi Mattes,
dieser erzählende, lyrische Stil gefällt mir gut und das Tempo lässt die Umwälzungen jener Zeit ahnen. (wenn auch nicht leicht zu lesen)
Zum Inhalt:
Ich glaube Brecht erkannt zu haben. Er der Bougeois, Fabrikantensohn aus Augsburg. Carola diente im als Vorlage zu Mutter Courage und ihre Kinder und wurde 1940 in seinem Exil uraufgeführt.
Gern gelesen
Gruss
Knud

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#5

Attentäter

in Gesellschaft 17.12.2005 23:20
von levampyre (gelöscht)
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nur wurde die mutter courage 1939 in zürich uraufgeführt und nicht in den usa, wo brecht zwar im exil war, aber ich glaube erst nach 1939. vorlage der mutter courage war ein roman von grimmelshausen und eine figur namens lotta irgendwas aus einer schwedischen geschichte und keine carola. auch ein anatol paßt nicht in diesen zusammenhang. und ist es denn passend, brecht, den marxisten, als bourgois zu bezeichnen? ich glaube, das hätte ihm selbst nicht gepaßt: http://www.urbandictionary.com/define.php?term=bourgeouis&defid=550857

brecht ist teil der lösung, aber sicher nicht der schlüssel.

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#6

Attentäter

in Gesellschaft 18.12.2005 10:25
von Mattes | 1.141 Beiträge | 1141 Punkte
Hallo Ihr! Danke fürs Lesen und Rätseln. Ja, es geht um Anatol Becker und Karola Neher, die heute so ziemlich kein Schwein mehr kennt, obwohl oder weil sie wahre Idealisten waren und der Herr Brecht mit warmem und sicherem Arsch in Los Angeles saß und sich ob der Uraufführung von Galileo Galilei wahrscheinlich noch wie ein ähnlicher Weltbildwälzer fühlte, während seine ehemalige Geliebte im gelobten Land mit Typhus im fünften Gulag hintereinander verreckte. Sie war als Verräterin und Konterrevolutionärin verhaftet worden, als sie in den Gefängnissen Moskaus nach ihrem Mann suchte, der kurz zuvor kassiert worden war. Fünf Jahre hatte Brecht Zeit ein Wort für sie einzulegen und tat es nicht, dieses ausgesprochene Stück Scheiße. Das glaube ich allerdings auch, dass es Bertelchen nicht gepasst hätte, als bourgeois bezeichnet zu werden.

Danke für die Korrektur des Apostrophes, da habe ich gefehlt.

Digitally Yours
Mattes

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#7

Attentäter

in Gesellschaft 18.12.2005 10:45
von Margot • Mitglied | 3.054 Beiträge | 3055 Punkte
Warum hat er geschwiegen? Walter Held hatte ihn sogar in der niederländischen Exil-Zeitschrift "Unser Wort" deswegen öffentlich angeprangert. Wahrscheinlich war es einfach Angst, oder verletzte Eitelkeit, weil sie Brechts Heiratsantrag abgelehnt hatte. Man kann darüber nur spekulieren. Feige war es auf alle Fälle. Aber, sind wir so sicher, dass wir es anders gemacht hätten?

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#8

Attentäter

in Gesellschaft 18.12.2005 12:35
von Knud_Knudsen • Mitglied | 994 Beiträge | 994 Punkte

@LV
Ja mit der Uraufführung, da habe ich mich geirrt. Der Stoff würde allerdings passen.
Aber Brecht war wohl, genau wie sein geistiger Übervater Karl Marx der aus der selben reichen Grossbürgerschicht kam, innerlich immer ein B. geblieben. Denn aus warmem Nest lässt es sich vortrefflich furzen.

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#9

Attentäter

in Gesellschaft 18.12.2005 23:49
von levampyre (gelöscht)
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okay, ich danke für die aufklärung, da lernt man noch was dazu bei euch. also ist der letzte vers eindeutig ein affront gegenüber brecht, dessen freigheit hier verurteilt wird.

zu diesem vers noch ein hinweis. vielleicht ist es beabsichtigt, vielleicht auch nicht, ich merke es einfach mal an. das französische wort "bourgeois" ist von der phonologie her eher zweisilbig und hinten betont. damit bekommt der vers ein anderes metrum, als seine vorgänger: XxXxxX. so zumindest nach meinem empfinden. was sagen die schweizer unter uns dazu? ich hätte wohl etwas wie "jener herr, er war bourgeois" geschrieben, um das auszugleichen. lg

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#10

Attentäter

in Gesellschaft 19.12.2005 10:07
von Margot • Mitglied | 3.054 Beiträge | 3055 Punkte
bourgeois spricht man "burschwa" aus (mit einem leicht rollenden ch nach dem r), also zweisilbig.

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#11

Attentäter

in Gesellschaft 19.12.2005 10:29
von Mattes | 1.141 Beiträge | 1141 Punkte

Zitat:

Margot schrieb am 18.12.2005 10:45 Uhr:
Aber, sind wir so sicher, dass wir es anders gemacht hätten?


Keine Ahnung aber darum geht es ja auch gar nicht. Jedenfalls saß Brecht mit seinem Hintern im Trockenen und lief keinerlei echte Gefahr und zweitens hätte er wohl zumindest sein Werken und Wirken anders ausríchten können. Wenn überhaupt geht es auch nur darum, mit Denkmälern vorsichtig zu sein und Autor und Werk immer hübsch zu trennen.


Zitat:

Margot schrieb am 19.12.2005 10:07 Uhr:
bourgeois spricht man "burschwa" aus (mit einem leicht rollenden ch nach dem r), also zweisilbig.


Weia, habe ich also wieder einmal gefehlt. Ich bin ganz offensichtlich nicht sonderlich frankophon. Allerdings fühle ich mich mit der Mehrzahl meiner monoglotten Mitbürger (welch' treffliche Aliteration!) in der Aussprache einig, so dass ich mir auch diese dichterische Freiheit noch gestatten werde, wenn mir nicht wider erwarten noch etwas deutlich besseres einfällt.

Ich danke ebenfalls für die Aufklärung.

edit: Jetzt habe auch ich einmal im Duden nachgeschaut und siehe da: Zumindest in Deutschland wird es offenbar so ausgesprochen: burschoa ! (Das "sch" ist eigentlich durchgestrichen, da natürlich weich ausgeprochen wird. btw: Kann man hier durchstreichen?)

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