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Neben dem Kartoffelkeller
#1
von Krabü2 (gelöscht)
Neben dem Kartoffelkeller
in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 07.04.2006 09:44von Krabü2 (gelöscht)
Neben dem Kartoffelkeller
Ich sehe, wie meine Mutter am Gasherd schwitzt und weiß, dass wir wieder Bregen essen müssen. Bregen mit Bratkartoffeln. Sie wischt sich den Schweiß von der Stirn und in die Haare, und manchmal, wenn sie schmutzige Hände hat vom Kartoffelschälen oder davon, dass sie Leber in Mehl gewendet hat, putzt sie ihre Hände am Kittel oder an der Schürze ab. Ich finde das alles eklig. Ich weiß nicht, ob mein Vater das auch eklig findet, ich weiß bloß, dass sie ohne einander glücklicher wären, die Beiden - weil er nur zu den Essenszeiten und zum Schlafen nach oben in unsere Wohnung kommt. 'Na los doch, hol' Deinen Vater', herrscht sie mich an. Ob sie mir wohl ansieht, wie ich übers Hausfrau-Sein denke?
Ich antworte nicht, weil ich in diesem Zustand nicht sprechen kann. Ich sage auch wieder nicht, dass ich immer Angst habe im Keller. Ich gehe einfach, denn ich weiß, dass ich keine Wahl habe. Keine Wahl, auch nicht zwischen Vater und Mutter, auch nicht, was das Verbleiben hier betrifft. Ich kann eh nicht fort. Draußen lauert allerlei Gefahr, das hat sie mir gesagt. Ich weiß nicht, was sie darunter versteht, denn hier lebe ich auch in Gefahr. Ich verachte sie. Sie sucht so lange nach meinen Tagebüchern, dass ich nicht mehr weiß, wohin damit. Bis ich nicht mehr weiß, wie ich existieren soll ohne meine geheimen Gedanken. Weil meine eigene Mutter mich doch nie versteht und aus lauter Verhärmtheit, wie mein Vater sagt, sich über meine Gedanken aufregt oder auch einfach nur lacht - ich habe das Wort 'Verhärmtheit' von ihm. Von ihm habe ich auch die Uhr zu lesen gelernt und das Einmaleins – bis auf sieben mal acht, damit habe ich manchmal noch Probleme, und dann rastet selbst er aus. Nicht, dass er schreit wie sie, aber er wird sofort ungeduldig, und ich merke dann, dass ich ganz besonders aufpassen und mich besser konzentrieren muss.
All das denke ich, während ich die Treppen runtergehe, ich muss laufen jetzt, weil im Treppenhaus nach eineinhalb Minuten das Licht ausgeht...
Erdgeschoss. Das habe ich geschafft.
Die Treppe zum Keller ist schon dunkel genug. Hier schlägt mein Herz wieder schneller, hier empfinde ich auch diese Fremdheit zwischen meinen Eltern ganz deutlich. Vielleicht ist es auch noch schlimmer geworden, seit wir wissen, dass ich einen Halbbruder habe?!
Die Tür zum Keller ist aus Holzlatten und hat rostige Scharniere, quietscht aber nur leise.
Dunkel. Stockdunkel. Kein Glimmen fernen Lichts. Ich taste, taste wie wild, haue mit flacher Hand immer wieder an die Wand, bis ich endlich diesen Schalter treffe. Nein, es bringt nichts, ich muss da durch. Ich taste mich an der Wand entlang. Das habe ich schon oft gemacht. Bis zum Ende des Ganges. Vorsicht vor Mäusen oder Kartoffelkäfern... damit mein Herz nicht stehenbleibt, wenn etwas flitzt oder quiekt. Ich atme tief und doch pocht mir das Herz, immer an der Wand entlang, bis ich einen ganz schwachen Schein wahrnehme und ahne, dass ich es gleich geschafft habe. Jetzt. Nur noch die Steinstufe vor der Tür, die mein Vater gemeinsam mit einem Nachbarn gegen das Hochwasser gemauert hat – und nicht vor dem Herzsprung rufen, er will nicht erschreckt werden. 'Papa?' - flüstere ich. Wie immer sitzt er da, gleich neben dem Holz- und Kohlenkeller, in dem auch der Kartoffelverschlag steht, in unserem zweiten Kellerraum, bei Kerzenlicht an seinem Schreibtisch. Hier steht auch das Eingemachte. Hier hat er tapeziert und hierher zieht er sich zurück zum Schreiben. Ein heiliger Ort. Sein Zuhause. 'Papa? - Das Essen ist fertig, Du sollst hochkommen'. Er sitzt dort, hat die Hornbrille auf und schreibt konzentriert. Hier höre ich keine bösen Worte. Er lächelt. Er kommt dann.. sagt er, und das bedeutet, ich muss allein den dunklen Weg zurück.
Mein Vater und meine Mutter sollen sich mal beim Tanzen kennengelernt haben - ob das stimmt? Nach oben fällt mir der Weg etwas leichter....
Ich sehe, wie meine Mutter am Gasherd schwitzt und weiß, dass wir wieder Bregen essen müssen. Bregen mit Bratkartoffeln. Sie wischt sich den Schweiß von der Stirn und in die Haare, und manchmal, wenn sie schmutzige Hände hat vom Kartoffelschälen oder davon, dass sie Leber in Mehl gewendet hat, putzt sie ihre Hände am Kittel oder an der Schürze ab. Ich finde das alles eklig. Ich weiß nicht, ob mein Vater das auch eklig findet, ich weiß bloß, dass sie ohne einander glücklicher wären, die Beiden - weil er nur zu den Essenszeiten und zum Schlafen nach oben in unsere Wohnung kommt. 'Na los doch, hol' Deinen Vater', herrscht sie mich an. Ob sie mir wohl ansieht, wie ich übers Hausfrau-Sein denke?
Ich antworte nicht, weil ich in diesem Zustand nicht sprechen kann. Ich sage auch wieder nicht, dass ich immer Angst habe im Keller. Ich gehe einfach, denn ich weiß, dass ich keine Wahl habe. Keine Wahl, auch nicht zwischen Vater und Mutter, auch nicht, was das Verbleiben hier betrifft. Ich kann eh nicht fort. Draußen lauert allerlei Gefahr, das hat sie mir gesagt. Ich weiß nicht, was sie darunter versteht, denn hier lebe ich auch in Gefahr. Ich verachte sie. Sie sucht so lange nach meinen Tagebüchern, dass ich nicht mehr weiß, wohin damit. Bis ich nicht mehr weiß, wie ich existieren soll ohne meine geheimen Gedanken. Weil meine eigene Mutter mich doch nie versteht und aus lauter Verhärmtheit, wie mein Vater sagt, sich über meine Gedanken aufregt oder auch einfach nur lacht - ich habe das Wort 'Verhärmtheit' von ihm. Von ihm habe ich auch die Uhr zu lesen gelernt und das Einmaleins – bis auf sieben mal acht, damit habe ich manchmal noch Probleme, und dann rastet selbst er aus. Nicht, dass er schreit wie sie, aber er wird sofort ungeduldig, und ich merke dann, dass ich ganz besonders aufpassen und mich besser konzentrieren muss.
All das denke ich, während ich die Treppen runtergehe, ich muss laufen jetzt, weil im Treppenhaus nach eineinhalb Minuten das Licht ausgeht...
Erdgeschoss. Das habe ich geschafft.
Die Treppe zum Keller ist schon dunkel genug. Hier schlägt mein Herz wieder schneller, hier empfinde ich auch diese Fremdheit zwischen meinen Eltern ganz deutlich. Vielleicht ist es auch noch schlimmer geworden, seit wir wissen, dass ich einen Halbbruder habe?!
Die Tür zum Keller ist aus Holzlatten und hat rostige Scharniere, quietscht aber nur leise.
Dunkel. Stockdunkel. Kein Glimmen fernen Lichts. Ich taste, taste wie wild, haue mit flacher Hand immer wieder an die Wand, bis ich endlich diesen Schalter treffe. Nein, es bringt nichts, ich muss da durch. Ich taste mich an der Wand entlang. Das habe ich schon oft gemacht. Bis zum Ende des Ganges. Vorsicht vor Mäusen oder Kartoffelkäfern... damit mein Herz nicht stehenbleibt, wenn etwas flitzt oder quiekt. Ich atme tief und doch pocht mir das Herz, immer an der Wand entlang, bis ich einen ganz schwachen Schein wahrnehme und ahne, dass ich es gleich geschafft habe. Jetzt. Nur noch die Steinstufe vor der Tür, die mein Vater gemeinsam mit einem Nachbarn gegen das Hochwasser gemauert hat – und nicht vor dem Herzsprung rufen, er will nicht erschreckt werden. 'Papa?' - flüstere ich. Wie immer sitzt er da, gleich neben dem Holz- und Kohlenkeller, in dem auch der Kartoffelverschlag steht, in unserem zweiten Kellerraum, bei Kerzenlicht an seinem Schreibtisch. Hier steht auch das Eingemachte. Hier hat er tapeziert und hierher zieht er sich zurück zum Schreiben. Ein heiliger Ort. Sein Zuhause. 'Papa? - Das Essen ist fertig, Du sollst hochkommen'. Er sitzt dort, hat die Hornbrille auf und schreibt konzentriert. Hier höre ich keine bösen Worte. Er lächelt. Er kommt dann.. sagt er, und das bedeutet, ich muss allein den dunklen Weg zurück.
Mein Vater und meine Mutter sollen sich mal beim Tanzen kennengelernt haben - ob das stimmt? Nach oben fällt mir der Weg etwas leichter....
#3
von Ruevian (gelöscht)
Neben dem Kartoffelkeller
in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 07.04.2006 17:30von Ruevian (gelöscht)
Hab ich gern gelesen. Du hast ein paar gute Ideen reingebracht, zum beispiel die sache mit dem einmaleins, fand ich klasse. Dann auch die Spannung, die aufgebaut wurde. Hätte jetzt eigentlich damit gerechnet, dass die Frau ihren Mann rausgeschmissen hat und er nun im Keller hausen muss. Dass er sich dort allerdings zum Schreiben zurückzieht...fand ich gut, diese kleine Überraschung am Schluss.
Der Schluss selbst ist aber ziemlich abrupt. Du bist mitten in der Geschichte und dann kommen zwei Sätze und aus. Auch finde ich, dass dieser Zusammenhang mit dem Kennenlernen der Eltern beim Tanzen total alleine und zusammenhanglos dasteht. Passt irgendwie nicht rein, entweder es kommt noch was dazu oder es bleibt draußen!
Der Schluss selbst ist aber ziemlich abrupt. Du bist mitten in der Geschichte und dann kommen zwei Sätze und aus. Auch finde ich, dass dieser Zusammenhang mit dem Kennenlernen der Eltern beim Tanzen total alleine und zusammenhanglos dasteht. Passt irgendwie nicht rein, entweder es kommt noch was dazu oder es bleibt draußen!
#4
von Krabü2 (gelöscht)
Neben dem Kartoffelkeller
in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 07.04.2006 22:12von Krabü2 (gelöscht)
Hallo Ihr Beiden,
ich danke Euch für das Lesen und die Kommentare. Ich werde über beide nachdenken und mal sehen. Ja, Du hast natürlich Recht, Ruevian, irgendwo... denn ich wusste keinen Schlusssatz. Merkt man wohl, was? *smile*
Vielen Dank!
Liebe Grüße, Uschi
ich danke Euch für das Lesen und die Kommentare. Ich werde über beide nachdenken und mal sehen. Ja, Du hast natürlich Recht, Ruevian, irgendwo... denn ich wusste keinen Schlusssatz. Merkt man wohl, was? *smile*
Vielen Dank!
Liebe Grüße, Uschi
#5
von Gemini • Long Dong Silver | 3.094 Beiträge | 3130 Punkte
Neben dem Kartoffelkeller
in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 07.04.2006 22:13von Gemini • Long Dong Silver | 3.094 Beiträge | 3130 Punkte
Hallo Ruevi
Dass der Satz mit dem Tanz nur kurz angeführt und nicht näher darauf eingegangen wird, soll die innere Leere verdeutlichen, die in der Protagonistin herrscht.
Die Figur hat sich der herrschenden Situation ergeben und denkt gar nicht mehr an schönere Zeiten. Es ist nur ein kurzes Aufflackern, welches aber in der lieblosen Realität keine Berechtigung mehr hat und sofort wieder in Vergessenheit gerät.
LG Gem
Dass der Satz mit dem Tanz nur kurz angeführt und nicht näher darauf eingegangen wird, soll die innere Leere verdeutlichen, die in der Protagonistin herrscht.
Die Figur hat sich der herrschenden Situation ergeben und denkt gar nicht mehr an schönere Zeiten. Es ist nur ein kurzes Aufflackern, welches aber in der lieblosen Realität keine Berechtigung mehr hat und sofort wieder in Vergessenheit gerät.
LG Gem
#6
von Olaf Piecho (gelöscht)
Neben dem Kartoffelkeller
in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 10.04.2006 12:48von Olaf Piecho (gelöscht)
acht ja, die Kartoffelkellergeschichten...
Liebe Uschi,
schön, dass du die Geschichte mal wieder aus dem Keller hervorgeholt hast. Ich mochte sie, mag sie noch immer.
Grüße von Olaf
Liebe Uschi,
schön, dass du die Geschichte mal wieder aus dem Keller hervorgeholt hast. Ich mochte sie, mag sie noch immer.
Grüße von Olaf
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