Hallo Velazquez
gefällt mir ausgesprochen gut und da ich rein gar nichts an diesem Text auszusetzen habe, versuche ich mich mal - im Schweiße meines Angesichts - an einer Interpretation.
Zitat: |
Ich ritze Text
da muss irgendwo Haut sein
zwischen den Zeilen und Sätzen
Also schneide ich vorsichtig
Silbe für Silbe
zwischen Wortfleisch und Buchstabenhärchen
weil ich mir vorstelle
es müsse etwas übrigbleiben
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Die erste Zeile impliziert wohl gewollt ein verletzendes Verhalten. Nichts anderes tue ich in diesem Moment: ich schneide mir die Strophen zurecht, um sie abzutasten. Auch hier muss Haut sein, etwas das fühlbar ist und empfindsam, unter der oberflächlichen Hornschicht aus Buchstaben, die etwas beschreiben, was unter unbelebten Lettern verborgen ist.
Just in diesem Moment des Suchens verletze ich den Text eben dadurch, dass ich ihn mehr oder minder seziere.
Man geht weiter in die Tiefe und sucht nach der schweißnassen Essenz.
Das kann sich auf das Verstehen und Interpretieren fremder Texte beziehen - wie in meinem Fall jetzt -, aber nach den ersten beiden Strophen ebenso das kritische Nachbereiten eigener Texte meinen.
Zitat: |
Denn jedesmal wenn ich mit feuchten Händen
tiefre Schnitte mache
kann ich riechen
dass sie da ist
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Hier denke ich, ist der Übertrag zu finden: Man stellt sich etwas vor und denkt sich intensivst hinein (vgl. feuchte Hände). Das, was ein Schreiber mit seinen Zeilen hinterlegt hat, mit ihnen beschreibt, scheint hier ausgemacht worden zu sein. Die Hände des Lesers beginnen, zu schwitzen und immitieren, kopieren so in abgemilderter Form etwas - machen die Zeilen vielleicht nur durch diese seichte Annäherung verständlich.
Sehen kann man jedoch nichts, man riecht lediglich (Übertrag: der Autor bebildert mit seinen Worten einen Vorgang oder eine Empfindung. Der Leser jedoch hat kein direktes Erleben dieser Situationen oder Emotionen, sondern ein indirektes - ein versuchtes und buchstäbliches Nachempfinden)
Was man dort "vorfindet", ist aber in dem hier beschriebenem Falle eher pathologisch. Scheinbar entdeckt man bei den Harrwurzeln etwas Krankhaftes, etwas, das imstande ist, zu isolieren. Die Anhidrose im Wort verbirgt eine (emotionale oder schaffenstechnische) Hyperhidrose.
Soweit in Kürze zu meiner Leseweise
Danke für's Lesen lassen.
Liebe Grüße
apple