#1

Deutschland, auf Anhieb

in Diverse 28.05.2006 08:39
von Ulli Nois | 554 Beiträge | 554 Punkte
Deutschland, auf Anhieb


Auf Anhieb
schlüg ich dem Deutschen
aufs Maul

Den zweiten Schlag
gleich hinterher
bevor so ein Maul
sich auftut
zur endlosen Rechtfertigung

Im Anhieb
fällt mir die Schlaghand
Ins Wort

Und ich beiße mir
selbst
auf die Zunge


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#2

Deutschland, auf Anhieb

in Diverse 28.05.2006 10:55
von Gemini • Long Dong Silver | 3.094 Beiträge | 3130 Punkte
Hallo Ulli

Sollte es nicht umgekehrt sein, sodass das Wort in die Schlaghand fällt?
So sehe ich da keinen Sinn.
Es ist wohl auch Insiderwissen notwendig um diese Zeilen entsprechend zu verstehen.

LG Gem

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#3

Deutschland, auf Anhieb

in Diverse 28.05.2006 12:31
von Krabü2 (gelöscht)
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Hi Ulli,
ich seh herin die allgemeine Aufgeputschtheit bei Fußballspielen, jetzt, zur WM, sicher noch viel ärger, Gewaltbereitschaft überall von Dumpfbacken von allerorts. Die Schlaghand, die ins Wort fällt, sehe ich als Hieb, noch bevor jemand etwas äußern kann. Solche Events dienen also nicht der Völkerverständigung, sondern des Kräftemessens - und wenn dann noch die 'falsche' Mannschaft gewinnt, dann geht's möglicherweise so richtig heiß her. Ein Gewaltbereiter fängt sich hier ratzfatz selbst eine ein - oder zwei und hält dann lieber das Maul. Genau das stelle ich mir unter diesen Blödmännern vor - die frau ja auch schon bei Länderspielen in der U-Bahn fürchtet...
Es erinnert mich an Dein Gedicht von den Jugendlichen, da hatte ich auch gleich bestimmte Szenen vor Augen.
Ich hab das gern gelesen...
LG Uschi

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#4

Deutschland, auf Anhieb

in Diverse 28.05.2006 16:42
von Wilhelm Pfusch • Administrator | 2.006 Beiträge | 2043 Punkte
Deutsche Vergangenheitsbewältigung mal anders - Schlag auf Schlag wird dem Protagonisten klar, dass der Hass, der aus ihm wallt, nicht nur dem Objekt seines Hasses, sondern auch ihm selbst die Sprache verschlägt.
Er bemerkt, dass er sich auf die Ebene dessen herablässt, was er so sehr hasst und was er vor allem an sich selbst hasst. Da die Auswirkungen dieselben sind, hat er sich am Ende selbst die Sprache verschlagen - Eine Art Teufelskreis.

Das Gedicht ist durchzogen von schlagfertigen Wortspielen, die eher Seitenhiebe sind, und kann so mit Augenzwinkern wahrgenommen werden - muss es aber nicht.

Es scheint mir ausßerdem von der von dir so geliebten großartigen Diskussion in der Plauderecke inspiriert

Grüßle,

Willi

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#5

Deutschland, auf Anhieb

in Diverse 28.05.2006 23:24
von Ulli Nois | 554 Beiträge | 554 Punkte
Hallo ihr drei,

der Willi hats am besten getroffen, der scheint sich damit auszukennen!
Nur in seiner Vermutung, was die Inspirationsquelle betrifft, liegt er falsch. Ich habe das Gedicht vor genau 20 Jahren in Japan geschrieben. Es kann freilich kein Zufall sein, dass es mir heute morgen beim Aufwachen in den Sinn kam. Denn ich neige gelegentlich zu rassistischen Gefühlen gegenüber Deutschen und habe in der Folge davon mich gelegentlich in mich selbst verbissen. Oder wie Will so schön sagt: es ver-schlägt einem die Sprache.

"Die Schlaghand, die ins Wort fällt" hat Gemi und Uschi ziemlich in die Irre geführt. Aber nehmt das mal ganz wörtlich: Die schon zum Schlag erhobene Hand fällt ins Wort, fällt in die Sprache: d.h. sie wird Teil meines Sprechens und ich muss erkennen, dass ich selbst der Maulheld bin, gegen den ich zu kämpfen meine. Die in der spontanen Wut phantasierte Gewalt gegenüber dem dummen Deutschen verpufft zu einem kleinen Zungenbeißerchen.

Ich gebe zu, ein bißchen vertrackt. Uschi, nicht dass du mich im Fernsehem unter den Hooligans suchst! Auch damals als ich jung war und noch voller Testosteron, hätte ich Deutsche nur im Konjunktiv geschlagen.
Das war halt das, was mir "auf Anhieb" zu den Deutschen einfiel. Wirft das nicht auch ein Licht auf die deutsche Natur respektive deutsche Sprache, dass sie als Synonym für "ohne langes Überlegen" gleich an Hiebe denkt?

Aber ich halt schons Mäulle,

Ulli

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#6

Deutschland, auf Anhieb

in Diverse 29.05.2006 00:02
von Wilhelm Pfusch • Administrator | 2.006 Beiträge | 2043 Punkte
...oder den wunderbaren französischen Esprit mit "Schlagfertigkeit" übersetzt.

Tja Ulli, wir waren ein martialisches Volk und unsere Sprache schlägt uns immer wieder vor uns daran zu erinnern - das könnte den einen oder anderen Pazifisten umhauen.

Nun zum eigentlichen Grund der Antwort: Autobiographische Züge! Wie lieben wir doch diesen Begriff!
Denn der einschlägigen Stellungnahme des Autors entnommen lassen sich solche durchaus diesem Gedicht zurechnen.

Ist es am Ende der Autor selbst, dem das Deutschsein ein innerer Konflikt ist?

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#7

Deutschland, auf Anhieb

in Diverse 29.05.2006 00:10
von Ulli Nois | 554 Beiträge | 554 Punkte
Nun Herr Pfuschle,

ein-schlägig ist schon der richtige Hinweis. Es war ein Mal. Innerer Konflikt wäre schon zuviel gesagt. Der AuTor hat einmal Au geschrien und ist ein Tor geblieben...

Guts Nächtli!

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#8

Deutschland, auf Anhieb

in Diverse 29.05.2006 00:40
von Wilhelm Pfusch • Administrator | 2.006 Beiträge | 2043 Punkte
Und wenn der Au-Tor diesen Schlagschuss auf das Tor seiner Seele mit schmerzhaften Folgen abfing und seither nie wieder ausholte?

Schließlich ist das Thema Nationalstolz für ihn immer noch schmerzhaft - aber nun werde ich persönlich.

Auch von mir ein Guts Nächtle


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#9

Deutschland, auf Anhieb

in Diverse 29.05.2006 00:46
von Krabü2 (gelöscht)
avatar
Hi Ulli,

Du schreibst: Uschi, nicht dass du mich im Fernsehem unter den Hooligans suchst!
Dir trau' ich doch alles zu ;-)
LG - U

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#10

Deutschland, auf Anhieb

in Diverse 29.05.2006 07:47
von GerateWohl • Mitglied | 2.015 Beiträge | 2015 Punkte
Hallo Ulli,

warum so negativ? Du bist doch Deutschland.
ich dachte gleich an "Wer von Euch ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein".
Es hätte ja fast noch besser gepasst, wenn das Ich sich am Schluss nicht auf die Zunge bisse, sondern sich das Aufs-Maul-Hauen aus dem Kopf schlagen würde, wo die Hand doch schon mal erhoben ist.
Inhaltlich kann ich mit diesem deutschen selbstgerichteten Masorassismus wenig anfangen. Ich habe das Gedicht aber auch weniger drastisch empfunden als Willi. Ich finde, dass aus den Zeilen eine große Prägnanz und Kraft spricht, was mir gut gefallen hat. Ich habe das mit dem Schlagen auch nicht so wörtlich genommen, da das Auf-die Zunge-Beißen am Schluss auch eher auf eine intellektuelle Auseinandersetzung anspielt.
Ich überlege gerade, ob Gemini nicht mal was ähnliches über Östereicher verfasst hat. Mir war da so.
Hat auf jeden Fall Biss Dein Gedicht.

Lieben Gruß,
GW

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#11

Deutschland, auf Anhieb

in Diverse 10.06.2006 19:07
von Ulli Nois | 554 Beiträge | 554 Punkte
Nur um gröbsten Mißverständnissen vorzubeugen:

Der AuTor hat sich über Costa Ricas Tore gefreut, aber noch mehr über die seiner Landes- und Sprachgenossen.

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