#1

westwärts

in Philosophisches und Grübeleien 12.08.2006 10:10
von Margot • Mitglied | 3.054 Beiträge | 3055 Punkte

    westwärts


    Vielleicht klingt heut der Lerche Ton ein wenig matter
    als gestern noch, da sie des Morgens Lieder sang.
    Und dort, die weisse Rose an dem morschen Gatter,
    erblühte tags zuvor mit grössrem Überschwang.

    Auch scheint es, dass der muntre Bach nun etwas stiller
    durch ein pastellgebleichtes Grün ins Nichts verrinnt;
    als wär der Glocke Klang mit einem Male schriller,
    beim kalten Stein, wo Eine ihre Netze spinnt.

    Vermutlich aber ist die Welt heut noch die gleiche
    und nur ich selber bin so anders, bin verzagt.
    Schlaf gut, mein Vater. Sieh! dort drüben bei dem Deiche,
    zieht schon der Vogelschwarm, noch eh der Morgen tagt.



    © Margot S. Baumann


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#2

westwärts

in Philosophisches und Grübeleien 12.08.2006 21:24
von Haselnuss (gelöscht)
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Hallo Margot!

Ich habe Deine Verse still gelesen, nicht vor mich hingemurmelt, wie es meine Gewohnheit bei 'Durchschnittspräsentationen' ist.

Sie 'greifen' - sehr. Ein zunächst fast oberflächliches Bild öffnet sich in Tiefen, lässt in der Fantasie Schemen erstehen, Stimmen laut werden, und zwingt fast zum fühlenden Mitdenken. Es ist, als hättest Du Dein Gedicht zielorientiert 'zurechtgeschnitzt' und bei jedem Ansatz Deine ganze Seele hineingelegt.

Vielleicht liegt's an Deiner Wortwahl, vielleicht auch an der Tageszeit, denn abends bin ich immer besonders sensibilisiert; mir ist ein wenig eng um die Brust geworden und ich weiß, dass ich diese Verse von Dir noch oft lesen werde.

Danke!

Liebe Grüße
von der Haselnuss

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#3

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in Philosophisches und Grübeleien 12.08.2006 22:59
von Margot • Mitglied | 3.054 Beiträge | 3055 Punkte
Hi Haselnuss

Was will man auf so ein dickes Lob antworten, ausser 'danke'?
Bei solchen Themen ist es immer schwierig, nicht zu rührselig und/oder zu elegisch zu werden. Der Grat ist manchmal recht schmal. Ich bin froh, wenn ich ihn, deiner Meinung nach, nicht verfehlt habe.

Vielen Dank für diese schöne Rückmeldung.

Beste Grüsse
Margot

P.S. Und danke zum 3. für die Nominierung.

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#4

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in Philosophisches und Grübeleien 13.08.2006 13:15
von Fabian Probst (gelöscht)
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Finde ich absolut stark geschrieben.

Deine Fähigkeit, Stimmungen einzufangen, ist bemerkenswert.
Dieses Gedicht fließt sehr schön dahin, wenn auch der Sprung vom Bach zur Glocke durch dieses "als wär" für mich etwas unschlüssig erscheint.

Was mir auch auffiel, ist, dass Zeile drei und vier eine Feststellung ist, wärend 1,2,5-8 allesamt Vermutungen dar stellen, was der Wendung am Ende besser entspricht.

Bis auf diese kleineren Kritiken, ein rundum überzeugendes Werk.

lg,Fabian


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#5

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in Philosophisches und Grübeleien 13.08.2006 13:56
von Margot • Mitglied | 3.054 Beiträge | 3055 Punkte
Hi Fabian

Lob macht mich immer etwas verlegen, auch wenn es mich natürlich sehr freut. Danke.

Die Zeile mit der Rose war zunächst eine Frage, damit auch sie eine Vermutung wird. Ich musste sie dann aber, des Metrums wegen, opfern und fand die Kurve zurück irgendwie nicht mehr. Mal sehen, ob ich’s evtl. noch anpassen kann. Stört es denn sehr?

Der Bach und die Glocke sind aus einer Erinnerung heraus entstanden. Auf einem kleinen Friedhof, in der Nähe von Aberdeen (Schottland), verschwindet hinter dem Glockenturm ein kleiner Fluss plötzlich im Boden. Das ‚als’ bezieht sich auf ‚auch scheint es’ … ist das zu umständlich formuliert? Ich dachte, das würde so gehen.


Danke fürs feedback und die Denkanstösse.

Beste Grüsse
Margot

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#6

westwärts

in Philosophisches und Grübeleien 13.08.2006 14:13
von Fabian Probst (gelöscht)
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Klar geht das so!

Ich bezeichne meinen Kommentar mal ganz frech als Kritik auf höherem Niveau.

Es macht uns ja keinen Spaß, nur zu loben, oder?

Da habe ich mir eben zwei Stellen raus gesucht, die man auf verschiedene Arten deuten kann. Aber wir wollen ja auch keine Silbertablette (tabletts?) serviert bekommen.

Um es mal auf die österreichische Art zu sagen:
Passt schon!

Dazu fällt mir etwas ein, was ich mal geschrieben habe (um das mit dem Verständnis deutlich zu machen):

....

Mir fehlt die Bindung;
will ich doch lernen,
loszulassen.

Da habe ich auch überlegt, ob man es überhaupt verstehen kann, dass hier (Mir fehlt die Bindung) das "Vermissen" gemeint ist, und nicht das bloße "Nichthaben".
Das sind ja zwei verschiedene Bedeutungen.

Mir war klar, dass man beim lesen eben normalerweise zweiteres daraus lesen und den Sinn nicht ganz einfangen würde.
Da war ich echt in der Zwickmühle ob ich nicht

Du fehlst mir, Bindung;
will ich doch lernen,
loszulassen.

hätte schreiben sollen.
Aber dann dachte ich, ein bisschen Umstand ist auch nicht schlecht.

War das jetzt überhaupt plausibel? *koppkratz*

lg,Fabian

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#7

westwärts

in Philosophisches und Grübeleien 13.08.2006 15:45
von Margot • Mitglied | 3.054 Beiträge | 3055 Punkte
Lach, ja, ich hab's geschnallt!

Gut, dann bin ich beruhigt und kann friedlich schlafen, weil ich mich auf des Lesers Gespür verlassen kann.

Danke, Fabian.

Verzwickte Grüsse
Margot

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#8

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in Philosophisches und Grübeleien 15.08.2006 22:31
von Ulli Nois | 554 Beiträge | 554 Punkte
Hi Margot,

dieses Gedicht läßt mich etwas zwiespältig zurück. Wäre es die Übersetzung einer schottischen Weise aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert, wäre mein Lob überschwänglich. Da ich von der Autorin aber zu wissen meine, dass sie in der Gegenwart lebt, hadere ich schon gleich einmal mit den altdeutschen Genitiven "der Lerche Ton", "des Morgens Lieder", "der Glocke Klang"... Ich finde, du raubst mit diesem doch wohl absichtlichen Rückfall in frühere Sprachstufen - oder spricht frau in der Schweiz noch heute so? - dem Gedicht die Gegenwart. Es stört mich wie auf alt getrimmte Fotos oder barocke Putten in Wohnzimmern. Das Gedicht hat diese Patina nicht nötig. Ohne die altrosane Einfärbung wäre der Text eindringlicher, um nicht zu sagen "authentischer" - Ende meiner Geschmacksausführungen.

Vielleicht liegt es am Thema - das Sterben des Vaters -, das dem Ich so nahe geht, dass es dieses (sprachlich) in die Ferne rückt und romantisch verklärt. Man kann die ersten Strophen als derart "stimmungsvolle" Beschreibung der Natur in ihrer Vergänglichkeit lesen, dass man die tragische Pointe beinahe verpasst. Das persönliche Sterben geht in der allgemeinen Untergangsbeschreibung, der Westwärts-bewegung der Natur, beinahe unter. Du schreibst selbst, wie schwer es ist, bei so einem Thema nicht "rührselig" zu werden und bist vielleicht deshalb "elegisch" geworden. Das Sterben des Vaters ist etwas sehr "persönliches". In diesem Gedicht bleibt es bei einer Andeutung.

Doch, auch mich rührt das Gedicht. Vielleicht weil ich mir das Persönliche dazudenke. Sonst wäre es mir zu schöngedichtet. Da ich auch gerade ein paar schottische Friedhöfe kennengelernt habe, kann ich die Naturbilder gut nachempfinden, bis auf das "pastellgebleichtes Grün" - was ich da an Grün sah, war satt und saftig und alles andere als pastellweich - aber ich verstehe was du meinst.

Gut gefällt mir, dass es "Eine" ist, die spinnt.

Lieben Gruß, Ulli

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#9

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in Philosophisches und Grübeleien 15.08.2006 22:48
von Fabian Probst (gelöscht)
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also ich persönlich finde den Genitiv absolut nicht anachronistisch und in Maßen ist er ein sehr gutes Stilmittel für ein Gedicht.
Gerade in klassischen Gedichten passt das doch wunderbar.
Und, um auf die Frage mit dem Sprechen in der Schweiz einzugehen: Ich denke auch nicht, dass man dort in Reimen redet.

lg,Fabian

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#10

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in Philosophisches und Grübeleien 16.08.2006 09:17
von Margot • Mitglied | 3.054 Beiträge | 3055 Punkte
Hi Ulli

Dein Kommentar lässt mich jetzt auch zwiespältig zurück. Auf der einen Seite würdest du in Jubel ausbrechen, wenn ich es vor 150 Jahren geschrieben hätte, auf der anderen Seite rügst du das Altertümliche im Text. Im Endeffekt ist es aber das gleiche Gedicht, ob jetzt 1850 oder 2006 gedichtet.

Wie du selber anmerkst, benutze ich den „altertümlichen“ Genitiv - sogar dreimal. Es könnte also durchaus sein, dass ich das bewusst getan habe, um eine vergangene Epoche zu beschreiben. Denn, obwohl ich es vor ein paar Tagen geschrieben habe, wollte ich – verwegen, wie ich bin – ein Abschiedsgedicht verfassen, das nicht gestern auf dem Zentralfriedhof spielt. Von daher hat es also funktioniert. Gut. Ich stehe nämlich dazu, dass mich altmodische Texte faszinieren und ich immer wieder selber so dichte, einfach, weil es mir Spass macht. Du bist aber nicht der erste, der mir vorwirft, ich wäre in der Zeit der Brontës stecken geblieben und heute müsste man doch..... sollte man doch....... ! Denn sonst sei man ...... und würde nicht ...... Aber weisst du was, lieber Ulli, das ist mir komplett egal. Ich dichte nicht nach der Mode und hatte schon immer eine Aversion gegen, das *was-man-so-tun-muss*.

Du kannst das Gedicht kitschig, elegisch, pathetisch oder sogar Scheisse finden, da sage ich danke und versuche, es das nächste Mal besser zu machen, aber du lässt mich die Stirn runzeln, wenn du mir vorwirfst, ich würde nicht modern dichten. Ich habe schon so viel „modernen“ Schrott gelesen, da könnte ich locker eine Recyclingfabrik eröffnen. Also lass mir mein Altertum, ich lasse dir/euch die Moderne.

Danke für den Kommentar und lieben Gruss zurück.
Margot


P.S. Und wir sprechen in unseren tiefen Tälern und hinter den sieben Bergen immer noch wie zu Gotthelfs-Zeiten. Seid also milde.

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#11

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in Philosophisches und Grübeleien 16.08.2006 09:34
von sEweil (gelöscht)
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So hat er deinen Kommentar nun aber auch nicht verdient.
Er hat klar offen gelegt, worums ihm ging und sollte er dir dabei auf den Schlips getreten sein, dann sicherlich nicht absichtlich.

Denn eines sei gesagt. Ulli hat recht, wenn er sagt, dass der Text eben wegen besagter Sprache weiter weg ist vom Leser.
Und der Grund ist ganz klar, dass wir im Jetzt leben und diese Sprache nicht mehr so gesprochen wird, sodass es eher verklärt wirkt, als dass man sich als Leser voll hineinversetzen könnte.

Dir will keiner vorschreiben, wie du zu dichten hast. Aber so wie es eine Kritik am Inhalt gibt, so gibt es auch eine Kritik an der Sprache und die ist vollkommen in Ordnung so.


Zitat:

Dein Kommentar lässt mich jetzt auch zwiespältig zurück. Auf der einen Seite würdest du in Jubel ausbrechen, wenn ich es vor 150 Jahren geschrieben hätte, auf der anderen Seite rügst du das Altertümliche im Text. Im Endeffekt ist es aber das gleiche Gedicht, ob jetzt 1850 oder 2006 gedichtet.




Siehe oben.

Excuse misch Ulli.

LG, MfG,
Thomas

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#12

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in Philosophisches und Grübeleien 16.08.2006 10:26
von Margot • Mitglied | 3.054 Beiträge | 3055 Punkte
Hi sEweil

Ich glaube, dass Ulli meine Antwort schon so versteht, wie ich es gemeint habe. Und verdient oder nicht, das spielt doch wohl keine Rolle. Es nervt mich einfach, wenn man mir fehlende Äpfel vorhält, wenn ich über Birnen schreibe. Das darf man auch ruhig merken, wieso auch nicht? Ihr „kennt“ mich lange genug, um zu wissen, dass ich nicht die bin, die auf Kuschelkritiken steht und über Offenheit habe ich mich noch nie beklagt. Würde er/du mir gegenübersitzen, würde ich nicht anders argumentieren. Wo ist das Problem?

Nähe zum Leser? Lach .... welchen Leser denn? Einer, der auf moderne Gedichte steht, liest nicht Baumann. Der will weder mir, noch meinen Gedichten nahe sein, weil es nicht seine Kragenweite ist.

Stell dir vor, du liest ein modernes Gedicht und jemand bemängelt das schlechte Metrum, den holpernden Rhythmus, die freie Form, die Gossensprache, die fehlenden Reime etc. etc.. Würdest du da nicht auch die Stirne runzeln? Also ich schon. Äpfel/Birnen, you know? Kann und sollte man nicht vergleichen.

Aber gut, ich entschuldige mich für meine offenen Worte, wenn dir dann wohler ist. Kein Problem.

Die Vögel ziehen,
adios
Margot



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#13

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in Philosophisches und Grübeleien 16.08.2006 12:13
von Fabian Probst (gelöscht)
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Zitat:

sEweil schrieb am 16.08.2006 09:34 Uhr:

Denn eines sei gesagt. Ulli hat recht, wenn er sagt, dass der Text eben wegen besagter Sprache weiter weg ist vom Leser.
Und der Grund ist ganz klar, dass wir im Jetzt leben und diese Sprache nicht mehr so gesprochen wird, sodass es eher verklärt wirkt, als dass man sich als Leser voll hineinversetzen könnte.





Also schließe ich daraus, dass ihr denkt, man hätte früher tatsächlcih in Reimen gesprochen?

Ihr denkt also auch, Rilke hat am Frühstückstisch zu wem auch immer gesagt: "Schmeckt dir auch des Eis Dotter gar so gut wie mir?"

Das ist und war immer ein künstliche Sprachform.

Ich lese viele Dichter, die heute schreiben, aber im klassischen Stil. Und dort ist der Genitiv nicht weg zu denken.

lg,Fabian

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#14

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in Philosophisches und Grübeleien 16.08.2006 14:16
von sEweil (gelöscht)
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Margot.:
Du malst zu sehr schwarz/weiß.
Moderne - nicht moderne. Es gibt auch Gedichte, die eine klassische Form haben, aber keine klassische Sprache sondern eine Zeitgenössische.
Das ist es, wovon ich rede. Nicht von formlosen, abgehackten "modernen" Gedichten, wie du sie in einen Topf wirfst.
Das sind keine Äpfel und Birnen.
Ich hoffe du verstehst was ich meine.

Fabian:


Zitat:

Also schließe ich daraus, dass ihr denkt, man hätte früher tatsächlcih in Reimen gesprochen?

Ihr denkt also auch, Rilke hat am Frühstückstisch zu wem auch immer gesagt: "Schmeckt dir auch des Eis Dotter gar so gut wie mir?"

Das ist und war immer ein künstliche Sprachform.




Wie kommst du darauf, dass ich das denken würde? Nagut, ich schreib "gesprochen", tut leid, aber nein, das denke ich nicht.

Sprechen die Leute denn heute auch so, wie die Gedichte geschrieben werden? War das jemals wirklich so der Fall?
Es ist auch heute noch eine künstliche Sprachform, wenn auch nicht immer so differenziert.

Damals lasen die Leute so etwas und es gefiel ihnen - so deute ich auch Ullis Begeisterung, wenn es vor 150 Jahren geschrieben worden wäre und er damals gelebt hätte.

Ich will euch den Genitiv doch nicht abschaffen.

so long
Thomas

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#15

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in Philosophisches und Grübeleien 17.08.2006 18:24
von Ulli Nois | 554 Beiträge | 554 Punkte

Zitat:

Margot schrieb am 16.08.2006 10:26 Uhr:

Ich glaube, dass Ulli meine Antwort schon so versteht, wie ich es gemeint habe.





Ich glaube auch. Klare Worte kann ich gut vertragen. Differenzierte noch besser. Also ich glaube zu verstehen, dass dir der Vorwurf, unmodern zu schreiben, langsam auf den Senkel geht. Und das alles, was nach diesem Vorwurf klingt, in dir kleine Tretminen hochgehen läßt.

Aber ich verstehe nicht, wie du auf mich reagierst, als würde ich die Früchte der Frau Baumann insgesamt madig reden. Ich habe sie an vielen Stellen für ihre Schönheit, Schmackhaftigkeit, Intensität etc. gelobt und gepriesen. Ich mag nur jene Birnen nicht so gerne, von denen ich meine, dass sie mit einem für mich unnatürlich glänzenden 19. Jahrhundert-Wachs eingerieben sind. Ich halte dir keine fehlenden Äpfel vor, d.h. habe weder hier noch woanders jemals ein sog. "modernes" Gedicht von dir verlangt. Es geht allein darum, dass bestimmte Wendungen von dir eine sprachliche Distanz herstellen, von der ich glaube, dass andere sie auch empfinden.


Zitat:

Nähe zum Leser? Lach .... welchen Leser denn? Einer, der auf moderne Gedichte steht, liest nicht Baumann. Der will weder mir, noch meinen Gedichten nahe sein, weil es nicht seine Kragenweite ist.



Ich lese Baumann und ich lese moderne Gedichte und finde hier wie dort Gedichte, die mir näher gehen und Gedichte, die sich mir eher verschließen. Das liegt sicher zu einem großen Teil an mir. Ich will dir nicht absprechen, dass zu dir und deinem "Ton" der besagte Genitiv gehört. Mich befremdet er, er wirkt auf mich unpersönlich, floskelhaft, vielleicht ähnlich wie dich die Abkürzung LG befremdet.

Ich sage noch einmal: vielleicht ist es mein Problem. Andere finden sich in deinem Gedicht offenbar besser zurecht, wobei mir auffällt, dass kein anderer Kommentator das Thema "Sterben des Vaters" erwähnt. Habe ich da vielleicht etwas mißverstanden? Übrigens, Fabian, ist es nicht der Genitiv an sich, die mich in Distanz bringt, sondern nur die Genitiv-Inversion.

Beim Lesen eines Gedichtes möchte ich dem Schreiber tatsächlich näher kommen, Margot. Ich weiss nicht, warum du mir das absprichst. Das Gedicht "westwärts" wäre mir näher gegangen, wenn ich im Tonfall der romantischen Naturbeschreibung mehr Eigenes, Persönliches empfunden hätte. Ich konnte es nicht. Das ist alles, was ich sagen wollte.

Lieben Gruß, Ulli

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#16

westwärts

in Philosophisches und Grübeleien 30.08.2006 12:01
von Margot • Mitglied | 3.054 Beiträge | 3055 Punkte

Zitat:

Margot.:
Du malst zu sehr schwarz/weiß.
Moderne - nicht moderne. Es gibt auch Gedichte, die eine klassische Form haben, aber keine klassische Sprache sondern eine Zeitgenössische.
Das ist es, wovon ich rede. Nicht von formlosen, abgehackten "modernen" Gedichten, wie du sie in einen Topf wirfst.
Das sind keine Äpfel und Birnen.
Ich hoffe du verstehst was ich meine.



Lass mich die Farben gebrauchen, die mich ansprechen und meine Suppe in Töpfen rühren, die kommod sind.

Hi Ulli, hi sEweil

Ich weiss, was zeitgenössische Sprache ist, danke, es war aber nicht meine Intention, ein klassisches, zeitgenössisches Gedicht zu schreiben. Vielleicht ist das nicht relevant für die Kritiker, aber da ich noch lebe und über meine Texte palavern kann, ist es mir auch ein Anliegen, über Autorenintention zu sprechen.

Ich werde aber einem Zeitgenosse nicht sagen: Hey, das klingt mir viel zu neumodisch und umgangssprachlich! Sondern ich überlege, wieso der jetzt vom Ficken schreibt und nicht vom Hinsinken. Und dann überlege ich, wieso er diese Sprache gewählt hat und was er damit vermitteln will .... Diese Aspekte haben jetzt eben wirklich rein gar nichts damit zu tun, ob mir Neues oder Altes gefällt, sondern sind reine, nüchterne Überlegungen über den Text und ob er seinen Zweck erfüllt.

Ja, Ihr habt Recht, ich kann diese ewigen *Ey Alte, was sprichste denn für ne altmodische Sprache, ey!?* – Kommentare nicht mehr lesen. Ich bin lange genug im „Geschäft“, um zu wissen, dass ich viel mehr Erfolg sprich Verkaufszahlen hätte, wenn ich verquirlte Scheisse in Umgangssprache verfassen würde. Darauf steht man heute, vor allem hier in der CH und da flippen die Tröpfe fast aus und überschlagen sich, wenn sie so etwas lesen. Denn, das muss sicher gut sein, wenn sie es nicht schnallen.
Aber, und das hat jetzt nichts mit Euren bzw. meinen Vorlieben zu tun, kann ich es wirklich nicht nachvollziehen, Ulli, wenn Du so etwas schreibst:
Zitat:

Wäre es die Übersetzung einer schottischen Weise aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert, wäre mein Lob überschwänglich. Da ich von der Autorin aber zu wissen meine, dass sie in der Gegenwart lebt, hadere ich ......


Weil, das ist wirklich das Dümmste, das ich je gelesen habe. Sorry, wenn ich Dich dadurch verletze oder vergraule, das ist sicher nicht meine Absicht, schliesslich liest Du auch Bauman. Aber ich kann das, beim besten Willen, nicht akzeptieren. Ich habe jetzt eine Weile verstreichen lassen, bevor ich auf eure Posts geantwortet habe. Einfach, weil ich manchmal etwas aufbrause, wenn mir was gegen den Strich geht und es dann im Nachhinein bereue. Aber ich kann mich diesem Satz noch von so verschiedenen Richtungen nähern, ich finde ihn immer noch .....

Aber, man muss ja nicht immer gleicher Meinung sein, das wäre ja öde. Und wenn ich Euch, als meine Kritiker, jetzt vergrault habe, dann muss ich halt damit leben. Aber ich kann nicht, aus lauter Harmoniebedürfnis, etwas annehmen, das mir so gegen den Strich geht.

Grüsse
Margot

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#17

westwärts

in Philosophisches und Grübeleien 30.08.2006 12:51
von Mattes | 1.141 Beiträge | 1141 Punkte
Hallo Margot!

Das Gedicht gefällt mir gut. Es ist hervorragend gearbeitet, stimmig in Form und Sprache und aus einem Guss. Es fängt bei A an und hört bei Z auf, bereitet ein Bild vor und schließt es kunstvoll ab. Ich stimme dir zu, dass es keine Rolle beim Gefallen spielt, ob ich es gestern bei Rilke oder heute bei Baumann entdeckte. Spielt es auch nicht. Das größte Lob, welches ich abgeben kann, ist, dass es mich, hätte ich es gestern bei Rilke entdeckt, in keiner Weise überrascht hätte.

Und das ist natürlich auch das giftigste Lob, denn dafür brauchte es Baumann nicht. Baumann hat wieder einmal bewiesen, dass sie es kann und wie! Ich werde es aber nicht in Erinnerung behalten. Ich weiß ja, dass die Baumann das kann. Ich erblasse auch jedes Mal pflichtschuldig vor Neid. So ein Buch voll davon würde ich mir aber dennoch nicht kaufen, weil ich meine Gesamtausgabe Rilke noch nicht einmal ganz gelesen habe.

So eines wie dieses hier aber, so eines würde ich mir glatt kaufen, denn das ist mindestens ebenso gut gemacht, ebenso klassisch bis romantisch und streng in der Form, aber das hätte kein Rilke so schreiben können, das finde ich unmöglich bei jemand anderem.

Die romantischen Fingerübungen sind dennoch nett und ich lese sie immer wieder gern. Übrigens: „Modern“ ist es wirklich nicht, du bist längst einen Schritt weiter und im Gegensatz zu deinen Kritikern längst in der Postmoderne angekommen und in der ist auch so ein Stil absolut up-to-date. Nur inhaltlich dürfte es für meinen Geschmack – und ich glaube auch für den der Postmoderne – kontemporärer sein. Nicht, dass nicht auch heutzutage gestorben würde und die Überlebenden trauerten, nur ist die Welt außerhalb Baumanns eben nicht so dörflichen Charakters. Warum das aber in der Schweiz, die nach deutscher Vorstellung ein einziges Almdorf ist, nicht goutiert wird, verstehe ich überhaupt nicht. Panik vor dem Vorurteil? Zwangsmoderne?

Ansonsten: Mach doch dein Ding, wirst schon sehen, was du davon hast.

Digitale Grüße
Mattes


P.S.: Warum hast du den Titel klein geschrieben?

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#18

westwärts

in Philosophisches und Grübeleien 30.08.2006 14:33
von Margot • Mitglied | 3.054 Beiträge | 3055 Punkte

Zitat:

Mach doch dein Ding, wirst schon sehen, was du davon hast.

Ich hoffe, doch noch zu Lebzeiten!


Hi Mattes

Natürlich ist mir vollkommen klar, dass dieses Gedicht niemanden (hier) vom Hocker reisst, schon daher, weil ich es geschrieben habe und man von mir wahrscheinlich (zu recht vielleicht) mehr erwartet. Aber, wie Du sagst, ist es gutes Handwerk und davon ist man am Abend auch müde.

Ich weiss auch, dass meine zeitgenössischen Werke (hier) mehr Anhänger haben, doch die Foren-Lyrikwelt ist nicht gleich Käuferwelt. Das sind, und wir sollten das nie vergessen, zwei paar Schuhe. Trotzdem notiere ich Deine Vorbestellung für meinen nächsten Band natürlich gerne.

Und ob ich einen Schritt weiter bin, das glaube ich nicht. Obwohl es natürlich seinen Reiz hat, zu denken, man würde später über mich sagen: Sie war, zu ihrer Zeit, so altmodisch, dass sie schon wieder modern war!

Warum hier (CH) Klassik so verteufelt wird? Ich habe keine Ahnung, glaube aber auch, dass es mit der Angst zusammenhängt, bieder, brav und langweilig zu gelten. Eine Flucht nach vorn, weg von dem Klischee: Schweiz = heile Welt.

Besten Dank also für die Kritik und ich grüsse Dich auch digital. *g
Margot

P.S. Titel: Klein, weil ..... keine Ahnung.... es schien mir so passender

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#19

westwärts

in Philosophisches und Grübeleien 30.08.2006 22:21
von Joame Plebis | 3.690 Beiträge | 3826 Punkte
Hallo Margot!

Ich war gerade dabei einiges hier im Forum durchzulesen, nicht vieles gefiel.
Zu Dir:
Das Lob will ich beiseite lassen - Deine Schränke sind schon übervoll davon - , so teile ich Dir nur mit, wie wohltuend es ist, ein normales Gedicht zu lesen.

Mit Hochachtung
Joame

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#20

westwärts

in Philosophisches und Grübeleien 31.08.2006 12:41
von Margot • Mitglied | 3.054 Beiträge | 3055 Punkte
Normal? Bitte keine Beleidigungen!

Danke Joame, freut mich, wenn es Dir zusagt.

Beste Grüsse
Margot

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