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Central Park I
#1
von Roderich (gelöscht)
Central Park I
in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 07.09.2006 18:54von Roderich (gelöscht)
[b]Central Park I[/b]
Es ist früh am Morgen – die Einzigen, die im Central Park spazieren gehen, sind Hundebesitzer, die müde ihren stets nach links und rechts schnüffelnden Hunden hinterher trotten. Und ein grauer Mittfünfziger sowie dessen Tochter, vielleicht Mitte Zwanzig, vielleicht auch jünger. Beide halten einen Starbucks-Becher umklammert, sie schlendern langsam durch den Park ohne ein Wort zu reden. Ihre Schritte sind schwer, es sieht so aus, als hätten sie keine angenehme Nacht hinter sich. Bei einer abseits gelegenen Parkbank halten sie, sie setzen sich, der Vater an das rechte Ende der Bank, die Tochter an das linke Ende. Gedankenverloren schlürfen sie ihren langsam kalt werdenden Kaffee und blicken den geschäftig umher flitzenden Eichhörnchen zu, die jetzt noch ungestört ihren immens wichtigen Aufgaben nachgehen können, ehe der Park von sonnensüchtigen New Yorkern und eichhörnchensüchtigen Touristen bevölkert wird.
Setzen wir uns ein Weilchen zu den beiden.
Die Stille wird langsam unerträglich, auch die Eichhörnchen verschwinden aus der Sichtweite, um in den Baumkronen umherzuwieseln und so bricht der Vater das Schweigen. Seine Stimme ist leise, schafft es kaum, sich über die endlos lange Bank bis zu seiner Tochter durchzukämpfen.
„Was willst du nun tun?“
Die Tochter zuckt hilflos mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Ich bin ja gerade zu dir gekommen, weil du mir vielleicht helfen kannst.“
„Weiß es Andy schon?“
„Nein. Es ist auch noch zu früh. Ich kann es ihm nicht sagen, solange ich nicht weiß, was ich machen will.“
„Ich habe dir immer schon gesagt, dass das mit Andy kein gutes Ende nehmen wird.“ Der Vater seufzt schwer und eine Weile schweigen beide wieder.
Dann die Tochter vehement: „Eines ist klar, ich kann mir weder die Abtreibung leisten noch das Kind zu behalten.“ Ihr Tonfall wechselt abrupt ins Flehentliche: „Bitte, Daddy, du musst mir helfen. Ich weiß, es geht euch nicht so gut, seit Mom krank ist und ihr habt selbst finanzielle Probleme, aber irgendeine Lösung wird dir doch schon einfallen, oder?“
In ihren graublauen Augen sammelt sich Wasser, das – wenn man genau hinblickt – das Grün des Blätterdaches über ihnen reflektiert. Der Wind spielt leicht mit ihren langen, blonden Haaren, ihr kleiner Ausbruch hat die Wangen erröten lassen und ja, sie ist hübsch. In diesem Moment der Verzweiflung ist sie sogar anbetungswürdig. Aber lassen wir uns davon nicht mitreißen. Wir sind nur nüchterne Beobachter, wir greifen nicht in das Geschehen ein, wir reichen ihr kein Taschentuch in diesem Moment der Schwäche, in dem man sich durchaus in die sie, die verzweifelte Schöne, verlieben könnte, wenn man nicht aufpasst.
„Shauna, wenn ich eine Lösung wüsste, hätte ich sie dir gestern schon gesagt. Aber es sind nun einmal harte Zeiten für uns, da kann man nichts machen. So gerne ich dir auch helfen würde, aber ich sehe keine Möglichkeit. Nicht die einer Abtreibung und auch nicht die Möglichkeit, das Kind für dich durchzufüttern. Ich kann das deiner Mutter einfach nicht zumuten, nicht jetzt und nicht in einem Jahr. Wir hoffen alle, dass sie sich bald wieder erholt, aber wir müssen auch die Möglichkeit ins Auge fassen, dass sie sich nie mehr ganz erholen wird.“
Die Stimme des Vaters versandet in den Tiefen seines Kummers. Und wieder schweigen beide, während ein weiteres Eichhörnchen munter über die Wiese hüpft.
„Was ist mit Andy? Hat er denn keine Familie, die ihm aushelfen kann?“
Sie lacht trocken auf. „Andy? Das letzte Mal, als er seine Familie besucht hat, wollte sein Vater die Schrotflinte aus dem Keller holen um ihn zu vertreiben. Nein, darauf kann ich nicht hoffen.“
„Er hat dich ganz schön in die Scheiße geritten. Dieser verdammte Junkie!“ Die Stimme des Vaters ist nun bitter, die Finger verkrampfen sich und langsam zerdrückt er den inzwischen leeren Starbucks-Becher. Dann dreht er den deformierten Becher, betrachtet sein Kunstwerk, blickt wieder auf die Eichhörnchen, die weiterhin fleißig Nüsse sammeln und meint nach einer Weile: „Ich rede mit Steve.“
„Deinem Chef?“
„Ja, vielleicht kann ich ihm einen Vorschuss abluchsen. Ich kann dir nichts versprechen – du weißt nicht, wie geizig Steve ist, er ist ein alter Sparer, der jeden Cent dreimal umdreht, ein Sammler wie die Eichhörnchen hier – aber vielleicht erwische ich ihn am richtigen Fuß.“
Er steht auf, wirft seinen Becher in den Mülleimer neben der Parkbank, blickt nach oben, wo sich die Sonnenstrahlen langsam durch das Blätterdach durchkämpfen. „Hast du Hunger?“
„Ja, schon ein bisschen.“
„Gut. Holen wir uns ein Sandwich und setzen wir uns auf die Wiese. Es wird ein schöner Tag heute. Sie haben 80 Grad angesagt.“
Und während sich die beiden Richtung Seventh Avenue begeben, schlendern wir weiter durch den Park, der langsam zum Leben erwacht. Ja, der Vater hat Recht: Es wird ein schöner Tag.
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Es ist früh am Morgen – die Einzigen, die im Central Park spazieren gehen, sind Hundebesitzer, die müde ihren stets nach links und rechts schnüffelnden Hunden hinterher trotten. Und ein grauer Mittfünfziger sowie dessen Tochter, vielleicht Mitte Zwanzig, vielleicht auch jünger. Beide halten einen Starbucks-Becher umklammert, sie schlendern langsam durch den Park ohne ein Wort zu reden. Ihre Schritte sind schwer, es sieht so aus, als hätten sie keine angenehme Nacht hinter sich. Bei einer abseits gelegenen Parkbank halten sie, sie setzen sich, der Vater an das rechte Ende der Bank, die Tochter an das linke Ende. Gedankenverloren schlürfen sie ihren langsam kalt werdenden Kaffee und blicken den geschäftig umher flitzenden Eichhörnchen zu, die jetzt noch ungestört ihren immens wichtigen Aufgaben nachgehen können, ehe der Park von sonnensüchtigen New Yorkern und eichhörnchensüchtigen Touristen bevölkert wird.
Setzen wir uns ein Weilchen zu den beiden.
Die Stille wird langsam unerträglich, auch die Eichhörnchen verschwinden aus der Sichtweite, um in den Baumkronen umherzuwieseln und so bricht der Vater das Schweigen. Seine Stimme ist leise, schafft es kaum, sich über die endlos lange Bank bis zu seiner Tochter durchzukämpfen.
„Was willst du nun tun?“
Die Tochter zuckt hilflos mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Ich bin ja gerade zu dir gekommen, weil du mir vielleicht helfen kannst.“
„Weiß es Andy schon?“
„Nein. Es ist auch noch zu früh. Ich kann es ihm nicht sagen, solange ich nicht weiß, was ich machen will.“
„Ich habe dir immer schon gesagt, dass das mit Andy kein gutes Ende nehmen wird.“ Der Vater seufzt schwer und eine Weile schweigen beide wieder.
Dann die Tochter vehement: „Eines ist klar, ich kann mir weder die Abtreibung leisten noch das Kind zu behalten.“ Ihr Tonfall wechselt abrupt ins Flehentliche: „Bitte, Daddy, du musst mir helfen. Ich weiß, es geht euch nicht so gut, seit Mom krank ist und ihr habt selbst finanzielle Probleme, aber irgendeine Lösung wird dir doch schon einfallen, oder?“
In ihren graublauen Augen sammelt sich Wasser, das – wenn man genau hinblickt – das Grün des Blätterdaches über ihnen reflektiert. Der Wind spielt leicht mit ihren langen, blonden Haaren, ihr kleiner Ausbruch hat die Wangen erröten lassen und ja, sie ist hübsch. In diesem Moment der Verzweiflung ist sie sogar anbetungswürdig. Aber lassen wir uns davon nicht mitreißen. Wir sind nur nüchterne Beobachter, wir greifen nicht in das Geschehen ein, wir reichen ihr kein Taschentuch in diesem Moment der Schwäche, in dem man sich durchaus in die sie, die verzweifelte Schöne, verlieben könnte, wenn man nicht aufpasst.
„Shauna, wenn ich eine Lösung wüsste, hätte ich sie dir gestern schon gesagt. Aber es sind nun einmal harte Zeiten für uns, da kann man nichts machen. So gerne ich dir auch helfen würde, aber ich sehe keine Möglichkeit. Nicht die einer Abtreibung und auch nicht die Möglichkeit, das Kind für dich durchzufüttern. Ich kann das deiner Mutter einfach nicht zumuten, nicht jetzt und nicht in einem Jahr. Wir hoffen alle, dass sie sich bald wieder erholt, aber wir müssen auch die Möglichkeit ins Auge fassen, dass sie sich nie mehr ganz erholen wird.“
Die Stimme des Vaters versandet in den Tiefen seines Kummers. Und wieder schweigen beide, während ein weiteres Eichhörnchen munter über die Wiese hüpft.
„Was ist mit Andy? Hat er denn keine Familie, die ihm aushelfen kann?“
Sie lacht trocken auf. „Andy? Das letzte Mal, als er seine Familie besucht hat, wollte sein Vater die Schrotflinte aus dem Keller holen um ihn zu vertreiben. Nein, darauf kann ich nicht hoffen.“
„Er hat dich ganz schön in die Scheiße geritten. Dieser verdammte Junkie!“ Die Stimme des Vaters ist nun bitter, die Finger verkrampfen sich und langsam zerdrückt er den inzwischen leeren Starbucks-Becher. Dann dreht er den deformierten Becher, betrachtet sein Kunstwerk, blickt wieder auf die Eichhörnchen, die weiterhin fleißig Nüsse sammeln und meint nach einer Weile: „Ich rede mit Steve.“
„Deinem Chef?“
„Ja, vielleicht kann ich ihm einen Vorschuss abluchsen. Ich kann dir nichts versprechen – du weißt nicht, wie geizig Steve ist, er ist ein alter Sparer, der jeden Cent dreimal umdreht, ein Sammler wie die Eichhörnchen hier – aber vielleicht erwische ich ihn am richtigen Fuß.“
Er steht auf, wirft seinen Becher in den Mülleimer neben der Parkbank, blickt nach oben, wo sich die Sonnenstrahlen langsam durch das Blätterdach durchkämpfen. „Hast du Hunger?“
„Ja, schon ein bisschen.“
„Gut. Holen wir uns ein Sandwich und setzen wir uns auf die Wiese. Es wird ein schöner Tag heute. Sie haben 80 Grad angesagt.“
Und während sich die beiden Richtung Seventh Avenue begeben, schlendern wir weiter durch den Park, der langsam zum Leben erwacht. Ja, der Vater hat Recht: Es wird ein schöner Tag.
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