#1

Erlösung

in Liebe und Leidenschaft 15.01.2007 10:22
von Albert Lau (gelöscht)
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Erlösung


Blickdichte Himmel gedanklicher Blässe
bereiten mir morgens die finsterste Nacht.
Aus klammkalten Kuhlen zutage gebracht
feiert die Angst ihre schwärzeste Messe.

Fürchtet den Tag, dem kein Licht mehr beschieden,
der Leben nicht trennt vom erlösenden Tod,
des Schrecken nicht endet, der ewig bedroht,
was mir als einzige Hoffnung geblieben:

Als Funken ein Feuer in mir zu entfachen,
als Samen erschöpfendes Leben zu spenden,
Dämonen in gierige Fratzen zu lachen.

Als Stern unter Sternen selbst Sonnen zu blenden,
als Göttin selbst Götter verlegen zu machen
und sterblich mit mir diesen Weg zu beenden.

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#2

Erlösung

in Liebe und Leidenschaft 15.01.2007 12:00
von Margot • Mitglied | 3.054 Beiträge | 3055 Punkte
Hi Al

Ich lass das jetzt mal mit dem: Schön, Dich wieder zu lesen und wir haben Dich vermisst ... blabla...

Ein Sonett, wie nett, und gleich noch in der Liebesrubrik, und doch ist es alles andere, als schmalzig. Nein, meine Güte, das ist ja ganz schrecklich! Wieso steht das hier bzw. was bringt den Autor dazu, diesen Text in diese Rubrik zu stellen? Ich nehme an, das fusst daraus, dass es sich hier um Leidenschaft handelt. Ja, die Leidenschaft fürs Leiden und die „Hoffnung“ auf Erlösung. Ich schreibe das bewusst in Anführungszeichen, da der Tod diese Erlösung ist und der kommt ja sowieso einmal, da muss man gar nicht so sehr hoffen. *g

Ich erfasse das Gedicht und die Stimmung mehr gefühlsmässig und bildlich, als begrifflich, und diese Art gefällt mir. Wenn ich aber meinen Kopf einschalte, dann habe ich etwas Schwierigkeiten mit dem Text. Zunächst in S2/Z3 .... des Schrecken nicht endet .... das ergibt keinen Sinn. Ist das ein Tippfehler und wenn nein, würdest Du mir das erklären?
Dann diese Als-Vergleiche. Die finde ich originell, aber worauf beziehen sie sich? Auf die Hoffnung? Hofft das lyr. Ich, dass es ein Funken bleibt, der .... dass es ein Samen ist, der ..... etc. ist das so zu verstehen? Ja, ich denke. Vermutlich fehlt da einfach ein ‚ist’ nach dem geblieben. Just?

Was ich ganz klasse finde, ist die 1. Str. Die zieht einem sofort rein und vermittelt eine tolle Stimmung. Blickdichte Blässe, klammkalte Kuhlen .... Wow, was für eine Zungenmassage!
Wo ich Mühe habe, ist diese Aufforderung in der zweiten S. Das klingt mir zu sehr nach Prophet und ich weiss selber, wovor ich mich fürchten muss ....

Soweit von mir.
Gruss
Margot

P.S. Ah, ja, das ‚erschöpfende’ Leben. Lach, das kann man so doch nicht schreiben, oder? Schöpferisches Leben oder so, aber erschöpft als Synonym für schöpferisch? Ne, nicht wirklich... *g




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#3

Erlösung

in Liebe und Leidenschaft 15.01.2007 14:50
von Knud_Knudsen • Mitglied | 994 Beiträge | 994 Punkte
Hi Al,
ich kann Marg nur sehr bedingt zustimmen. Ein schönes Sonett (klassisch)
Ein Liebessonett wie ich empfinde. Aber konkret nun:

Formalitäten spare ich mir bei Dir, dass ist unnötig)
Die erste St. beschreibt eine hoffnungslose Depression des lyrI. Es beschreibt sein momentanes Dasein.

Zitat:


Blickdichte Himmel gedanklicher Blässe
bereiten mir morgens die finsterste Nacht.
Aus klammkalten Kuhlen zutage gebracht
feiert die Angst ihre schwärzeste Messe.




Hier beeindruckt mich die Wortpräsenz, herrliche Metaphern.
"Blickdichte des Himmels","Blässe der eigenen Gedanken"
"die klammkalten Kuhlen" lassen mich frösteln.
sehr schön.

Die zweit S zeigt den Blick des lyr.I auf seine Zukunft. (was erwartet es von dieser.

Zitat:


Fürchtet den Tag, dem kein Licht mehr beschieden,
der Leben nicht trennt vom erlösenden Tod,
des Schrecken nicht endet, der ewig bedroht,
was mir als einzige Hoffnung geblieben:





Es sieht Tage ohne Licht,Leben und Tod sind nicht mehr trennbar. Wow, das gefällt mir, es ist so dumpf, so verzweifelt, so hoffnungslos. Es verliert sogar noch die letzte Hoffnung eine Erlösung im Tod.

und dann der Wandel des Sonetts, nicht ganz sauber im klassischen Sinn. Hier beschreibt das lyr.I. seine Vorstellung von der Lösung, durch den eigenen Tod gottgleich zu werden, das "irdische Jammertal hinter sich zu lassen und dann entleibt wie eine Göttin die Dämonen auch sterblich zu machen, so wie vielleicht die reale leibliche Göttin die dieses auslöste.
Ein schöner, tiefer Text eines verzweifelt Liebenden. Gern gelesen.
Gruss
Knud

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#4

Erlösung

in Liebe und Leidenschaft 16.01.2007 09:33
von Erebus (gelöscht)
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Jau Herr Lau -

...mittlerweile erkenne auch ich Sonette.
Das Reimschema der Terzette (Zickzackreim) empfinde ich als Besonderheit, da Sie hier die beiden schlegelschen Idealformen mischen, die laut Wiki abba–abba-cdc–dcd oder abba–cddc–eef–ggf lauten.
Das wird vermutlich unreflektiert geboren sein. Um nicht unbedarft zu erscheinen, will ich dennoch die Frage stellen, ob ggf. der Hybrid die idealste Idealform darstellt ?

S1 weiss zu beeindrucken, vor allem Z1 und Z3, die beiden anderen Zeilen fallen dagegen (Z2) durch die Gebräuchlichkeit der Bilder (Z4 deutlich) ab.
Das LI erwacht in die Morgenkatasstrophe, die es aus sich selbst gebiert und jammert.
Es scheint das Unheil derart an die Substanz zu gehen, das es dies nicht alleine zu tragen vermag und die eigene Atomität verkennend zum Berge schreitet um zu Künden. Einen Übersprungreaktion ?

Die Menschheit habe zu fürchten diesen Tag - ein wahres Armageddon -
an dem das LI eine ewige Bedrohung wahrnimmt, gegen seine Letzte Hoffnung. Wo sind da die kausalen Zusammenhänge ?

Die Hoffnung wird in den beiden Terzetten en Détail vefeinert vorgestellt:

Zum einen schwebt dem LI vor als Funke ein Feuer zu entfachen, zum anderen gärtnernd Planzen zu säen, die sehr bald erschöpft sind, sodann will es Dämonen anlachen.

Dann verwirren sich jedoch im zweiten Terzett die Zusammenhänge.
Das LI will als Stern unter Sternen Sterne blenden, ein sicherlich schwieriges Unterfangen mit ungewissen Ausgang, denn : machen sich Sterne etwas aus blendenden Sternen ?
Sinn und Zweck jedes Blendertums ist ja das Ankommen. Was, wenn es nicht gelingt?
Da bleibt alternativ oder parallel noch die Geschlechtsumwandlung - halt, nein, da bin ich mir nicht sicher, ob sich das LI von vornherein geschlechtlich spezifizierte.
Ja, da wirkt die Konfusion! Das LI will die Götter verlegen machen, nun ebenfalls als Göttin, ich frage mich wie, kennt es denn die richtigen Zoten?
Letztlich jedoch möchte es die Göttlichkeit wieder ablegen und in allen Facetten einer multiplen Persönlichkeit gleichzeitig abtreten.
Also eine Theaterveranstaltung beenden.
Was, so frage ich mich, passiert, wenn die verflixten Sterne nicht reagieren - habe ich dann wirklich den Weltuntergang zu befürchten ? Da überhöht der Dichter gewaltig und nazarenert in bester Manier im Klassischen.
Was ich nicht gelungen finde.

Wie gesagt, diese beiden Zeilen aus S1 sind wirklich sehr gelungen und entschädigen. Für alles ?
Schade, das der Rest nicht dabei bleibt.
Der Sinn erschließt sich letztendlich auch:
Erlösung aus der Dunkelheit in ein Supermannsein - um ein Superweib zu betören ? Dies schaffe ich nur unter Zuhilfenahme der Rubrik. Dann gelange ich allerdings in recht triviale, wenn auch irgendwie niedliche Zusammenhänge.

Mit verdichtetem Gruß

Ulrich

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#5

Erlösung

in Liebe und Leidenschaft 16.01.2007 10:36
von Albert Lau (gelöscht)
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Guten Tag!

Vielen Dank für die detaillierten Kommentare!

@Margot: Gerade bei deiner Fraktion hätte ich unterstellt, dass die Hoffnung auf Endlichkeit keineswegs so selbstverständlich ist, wie du das hier hinstellst. Klar kommt der Tod und das Ende des irdischen Daseins. Aber was kommt dann? Das lyrI sagt, zumindest zunächst: Hoffentlich nichts, das wäre die wahre Erlösung.
Schade, dass das Gedicht durchfällt, sobald du den Kopf einschaltest. Aber S2Z3 kann ich dir erklären: „fürchtet den Tag, ... des(sen) Schrecken nicht endet“. Klar? Und weiter: „als...Hoffnung verblieben: als Funken ... als Samen ... als Stern ... als Göttin“. Eine simple Aufzählung.

Die zweite Strophe ist übrigens keine Aufforderung, da steht ja auch kein Ausrufezeichen. Es bezieht sich auf die Angst der zweiten Strophe. Die fürchtet den endlosen Tag, der die einzig verbliebene Hoffnung bedroht. Funktioniert nicht, gefällt daher auch nicht, Pech für mich. Und das „erschöpfende Leben“ funktionierte auch nicht? Bad luck! Dann bleibt der Wunsch des lyrI unerhört, ein wahrhaft erschöpfendes Leben zu führen: Ausgefüllt und ausgeschöpft, zu erschöpft für ewiges Leben.

@Knud: Ja, ein Liebessonett, danke Knud! Vielleicht ist die Wendung von den Quartinen, die du inhaltlich beschreibst, als hättest du sie geschrieben, zu den Terzinen nicht klassisch, ich empfand es aber als antithetisch genug, um zum Sonett zu greifen. In den Terzinen redet das lyrI für mein Empfinden klar nicht von sich selbst, sondern von einem lyrDu, welches das Feuer entfachen soll, um gemeinsam auszubrennen. Ja, das ist auch verbraucht, ich weiß.

@Erebus: Klassisch ist dieses Sonett mit abba-cddc-efe-fef ohnehin nicht und eine Idealform sicher auch nicht. Unreflektiert mache ich beim Dichten eigentlich nichts, wenn ich jedoch feststelle, dass die Form mir Schwierigkeiten bei dem bereitet, was ich ausdrucken möchte, dann verlasse ich sie bzw. biege sie mir zurecht. Ich denke, dieses Sonett ist als solches noch kenntlich genug und insofern habe ich es nicht allzu sehr verbogen.

Die Bilder in S1 sind sicher geschmäcklerisch, ich bin z.B. bis heute mit den klammkalten Kuhlen nicht sonderlich glücklich, empfinde dafür Z2 gar nicht so abgeschmackt. Ganz sicher richtig liegst du auch nach meiner Meinung mit Z4, die ist schwach.

Ansonsten bin ich bei dir mit diesem Gedicht voll auf die Fresse geflogen, so ist das nun einmal. Wer sich nicht ausdrücken kann, muss damit leben, fehlverstanden zu werden. Ich bitte nur darum, mir abzunehmen, dass ich die von dir beschriebenen Stupiditäten nicht im Sinn hatte, wenn auch die Liebeserklärung in den Terzinen sicher eine eher kindliche ist, den Schuh muss ich mir anziehen. Aber Supermann, Superweib? Da fühle ich mich dann doch gröblich missverstanden.

Nochmals Dank!

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#6

Erlösung

in Liebe und Leidenschaft 16.01.2007 11:21
von Margot • Mitglied | 3.054 Beiträge | 3055 Punkte
Der Herr!

Ach, meine Fraktion ... lach. Nun ja, ich will hier ja nicht missionieren bzw. meine Überzeugung verbreiten.
Und es fällt auch nicht durch – sei nicht so empfindlich! – ich schrieb nur, ich hätte Verständigungsprobleme. Die hast Du mir jetzt erklärt und die Nebel lichten sich, danke.
Zuweilen lese ich etwas schnell und mir entgehen dadurch oftmals gewisse Raffinessen, die ein Text beinhaltet. Ein altes Übel, ich weiss... aber zum Glück können wir ja darüber diskutieren und ich lasse mich gerne aufklären. *g
Und jetzt habe ich mal keine Liebeserklärung heraus gelesen und schon liege ich falsch! grrrr .... Ich sollte mehr auf mein Gefühl vertrauen und vermutlich den Kopf (wieder) ganz ausschalten!

kah
Margot


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#7

Erlösung

in Liebe und Leidenschaft 26.02.2007 14:17
von Albert Lau (gelöscht)
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Auch hier hatte ich schon einmal eine Antwort begonnen und dann voller Zweifel doch unterlassen, da mir ja gar keine Frage gestellt wurde. Und doch hätte ich wohl reagieren sollen, denn wie könntest du falsch liegen, Marge? Ich dachte, in den Foren soviel gelernt zu haben, dass es nur textnahe und textferne Interpretationen gäbe, aber doch keine falschen!?

Ausschalten würde ich den Kopf nicht, im Zweifel aber dem Gefühl vertrauen. Da verzeiht man sich einen Fehlschluss leichter.
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