#1

Morgenrot am Jagen 78

in Natur 23.01.2007 10:49
von Albert Lau (gelöscht)
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Morgenrot am Jagen 78

Vivat, crescat floreatque


Aus welkem Laub am Waldesrand
geht übers Feld ein müder Blick.
Der hat das Morgenrot erkannt,
bevor es glitzernd, Stück um Stück

an filigranen Körpern Glanz
im Tau zerbricht und rasch entweicht
im Dunst und dieser zarte Tanz
dann jenes Augenpaar erreicht.

Das sieht, was über Halme steigt
und furchtsam neuen Tag begrüßt,
was seit Johannis knospend zweigt
und Winters Bitterkeit versüßt.

Doch weil es knurrt und scharrt im Laub
erstarrt die ganze Szenerie,
denn noch ist Nacht nicht Tages Raub,
noch ist die Jagd nicht Nostalgie.

Bevor zur Tat der Wille reift,
schaut es für den Moment so aus,
als ob der Tod das Leben streift,
dann bricht die Sonne voll heraus

und endlich schweigt das Laub, die Nacht
vergeht ganz leise. Unbekannt
bleibt die Gefahr. Doch mit Bedacht
geht mancher Blick zum Waldesrand.

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#2

Morgenrot am Jagen 78

in Natur 23.01.2007 11:31
von Erebus (gelöscht)
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Hallo Albert,

nachdem ich für mich den Titel klären konnte, entsteht aus Deinem Gedicht ein sehr gelungenes und schönes Bild, die Skizze eines Tagerwachens.
Ich kann den Strophen folgend den Blick heben und die Szene betrachten.
Als besonders schön empfinde ich die Nennung der Details in Tau und Halm. ..
Die Verweise auf die Jagd ignorierte ich weitgehend, um die Schönheit nicht zu stören - ich wies ihnen keine tiefere Bedeutung zu - möglicherweise ein Fehler.
Aber ich will auch das nennen, was mich -nur leicht- behindert:

Das ist der Anflug der "Was-auch-Immer"-Schaft im Lateinisierten - als Stilmittel ?
Zum Anderen die Hubertus-Esoterik des Titels. Aber, das war nur der erste Eindruck, dass sei auch gesagt.
Nachdem ich in Wiki das Bild eines "Jagensteins" sah, ging dies Letztere für mich doch sehr gut auf.
Und zum Dritten lässt Du den Leser zweimal zur Nacht zurückkehren (S4, S6). Ich hatte für mich jeweils schon den Tag begonnen, das störte mich in S6 dann doch.

Mit dem abschließenden bedachtvollen Blick gelingt es Dir ganz vorzüglich, den beschriebenen Moment für ein Weiters zu öffnen.

Es hat mich gefreut, Deinen Text zu lesen und zu kommentieren: es lebe, wachse und gedeihe !

Lieber Gruß

Ulrich

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#3

Morgenrot am Jagen 78

in Natur 23.01.2007 11:54
von Albert Lau (gelöscht)
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Hallo Erebus,

vielen Dank für deinen Kommentar.

Die "Was-Auch-Immer"-Schaft ist nichts weiter, als eine Zueignung, aber ich gebe zu, dass sie sehr -schaftig herüberkommt. Das bedauere ich.

Das mit der Hubertus-Esoterik kann ich nachvollziehen, wenn einem die Bezeichnung "Jagen" nur in der naheliegendsten Bedeutung bekannt ist. Zunächst wollte ich das Gedicht nur "Jagen 78" benennen, aber das wäre noch hubertischer gewesen.

Das mit der "Nacht" ist ein sehr berechtigter Anwurf, sogar doppelt und dreifach. In dem Gedicht sollte es vorrangig um den Tagesanbruch und mithin fort vom lyrI gehen. Und doch konnte ich als Autor mich nicht von ihm trennen und das ist schade. Es ist zwar im Sinne eines Psychogrammes nicht verkehrt, jedoch bestimmt für das Gedicht, für den Leser nicht optimal. Als ich jetzt überlegte, musste ich feststellen, dass die (doppelte) Rückkehr in S6 sogar reimgeschuldet ist, weil es relativ lange und hartnäckig der Tag war, der leise begann. Das ist dreifach peinlich, zumal diese Rückkehr nicht erforderlich war, da ich schließlich in der Conclusio den Kreis vollende.

So geht mir das mit meinen programmatischen Versuchen leider allzu häufig. Ich bilde mir ein, es geht mir besser, wenn ich frei assoziiere und später erst Grund hineinbringe.

Vielen Dank für deine Denkanstöße.

Digitale Grüße!

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#4

Morgenrot am Jagen 78

in Natur 26.01.2007 16:52
von Fabian Probst (gelöscht)
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ich kann nur sagen, dass sich dieses Gedicht von Strophe zu Strophe steigert, die letzten drei finde ich richtig klasse.

Besonders dort wird fast in Rilkscher Manier eine extrem dichte Stimmung erzeugt. Die Beschreibung gelingt wirklich extrem gut und ist sprachlich n meinen Augen hier nicht zu verbessern, was in den ersten drei Strophen nach meinem Geschmack nicht ganz so gut gelingt, wenngleich das Niveau insgesamt sehr hoch ist. Bei Formulierungen, wie "der Morgenröte schon erkannt" vermisst man automatich ein "hat", außerdem wäre es besser im Präsens formuliert. Vielleicht täusch ich mich da aber auch.

Ich kam ünber die Vorschläge zur Dickfischwahl hier her und kann mich der Entscheidung nur anschließen.
Das wird aber seit langem mal wieder richtig spannend.

Gruß, Fabian

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#5

Morgenrot am Jagen 78

in Natur 28.01.2007 21:26
von Alcedo • Mitglied | 2.708 Beiträge | 2838 Punkte
hallo Albert

ich habe hier große Probleme mit der Überschrift, speziell mit der Ziffer. Kaliber kanns nicht sein, eine Smith&Wesson 78G wohl auch nicht.
bleibt mir nur eine Jahreszahl. immerhin.
wenns was anderes sein sollte, würde ich das gerne wissen.

aus den Versen lese ich eine Hochstandperspektive. die filigranen Kondenskörper für Tautropfen könnten der Vergrößerung eines Feldstechers oder eines Zielfernrohres entsprechen. bei der restlichen Szenerie gestehe ich, das ich jeden Moment das Auftauchen des Geweihträgers mit dem Kreuz erwartet habe. und am Ende scheint es mir als sei er dagewesen, nur hab ichs nicht bewusst wahrgenommen. in der vorletzten Strophe deute ich den Willen zur Tat als unterlassenes Betätigen des Abzugs. und der Hirsch hat die Gefahr nicht erkannt, weidet aber mit Argwohn weiter auf der Lichtung.
das gefällt mir. mein Lesegewinn ist geschöpft.

nur die Zeile mit der Nostalgie kommt mir noch als Fremdkörper zwischen den restlichen Zeilen vor, analog zur Titelziffer.

Gruß
Alcedo


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#6

Morgenrot am Jagen 78

in Natur 29.01.2007 10:08
von Albert Lau (gelöscht)
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Danke. Der Finger ist in der Wunde, Fabian, keine Frage. Vermutlich dachte ich, ich könnte mich herummogeln. In der ursprünglichen Fassung hieß es "gekannt", später erschien mir das aber zu überheblich, zu abgefuckt und wollte mir nicht mehr schmecken, denn jedes Morgenrot ist doch wieder einzigartig.

Auch wenn mir das grammatikalisch erforderliche "hat" in Gedichten verzichtbar erscheint, bleibt doch die Tatsache, dass es so, wie es da steht, nicht bleiben kann. Ich gehe jetzt mal eine Notlösung ein, vielleicht fällt mir aber noch Besseres ein.

Die Überschrift, lieber Alcedo, ist, wie auch der Untertitel, Teil der Zueignung und mag daher verwirrend erscheinen. Auf der ersten Sinnebene handelt es sich schlicht und ergreifend um den Jagen (Forstverwaltungsabschnitt Berlin) Nr. 78, in dem der Autor ein Morgenrot nachempfindet. Daran ist nichts Seltsames.

Das Innehalten beim sinnbildlichen Abzug und den verbleibenden Argwohn der Beute hast du herausgelesen, das freut mich, auch wenn ich keinen Jäger und keinen Bock vor meinem geistigen Auge hatte.

Das mit der Nostalgie ist leicht erklärt: Solange die Nacht nicht komplett vorüber ist, solange besteht die Möglichkeit des Zugriffs. Sobald das Morgenrot aber dem Tage Geltung verschafft hat, bleibt nur die Erinnerung an die Jagd, dann ist es nur noch Nostalgie (schwärmerisch romantisierende Rückerinnerung).

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#7

Morgenrot am Jagen 78

in Natur 13.02.2007 15:35
von Fabian Probst (gelöscht)
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wie wäre es mit

"durchstreift das morgenrote Land"

Land hat zwar immer etwas von "Märchenstunde", aber ich finde es in Verbindung mit Morgen und rot gar nicht so schlecht. Jedenfalls besser als deine Notlösung.

Eine Frage habe ich noch: S2/Z2: "an filigranen Körpern Glanz"

lese ich es falsch, oder muss es nicht "an filigraner Körper Glanz" heißen? Es geht doch um das Zerbrechen des Morgenrotes, oder nicht?

Gruß, Fabian

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#8

Morgenrot am Jagen 78

in Natur 26.02.2007 14:44
von Albert Lau (gelöscht)
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Hallo Fabian!

Ich war wohl sehr unaufmerksam in letzter Zeit, ich bitte um Entschuldigung. Auch erbitte ich Verzeihung, dass mir meine Notlösung besser, als die von dir angebotene Alternative gefällt. Da muss ich gelegentlich noch weiter denken.

Was S2Z2 angeht, ist das schon in Ordnung: Das Morgenrot zerbricht den/seinen Glanz an den filigranen Körpern und daher benötige ich auch das Morgenrot als Substantiv und nicht als Adjektiv. Dennoch vielen Dank für dein Interesse und deine Mithilfe!

Digitale Grüße
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