#1

So wird's gemacht

in Gesellschaft 23.02.2007 11:43
von Albert Lau (gelöscht)
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So wird's gemacht


Betrifft es mich? Das tut es nicht?
Oh, müssen wir darüber reden?
Hier wird die Kür ganz schnell zur Pflicht,
ich zieh den Schuh nicht an, nicht jeden.
Nein, nur den Schuh, der mir auch passt.



Herr Bürgermeister! Oh, wie schön,
dass ich sie treffe. Gestern Abend,
ich weiß, wir haben uns gesehn,
doch heute muss ich noch mal fragen.

Denn wir berieten als Gemeinde,
wo wir den Giftmüll deponieren.
Ich machte sie mir dort zum Feinde,
weil ich und andre opponieren,

den Müll schlechthin zu produzieren.
Selbst wenn der Wohlstand dadurch leidet,
ist’s besser, diesen zu riskieren
und lernen, wie man Müll vermeidet.

Doch die Gemeinde hat entschieden,
zu Lasten aller wird gebaut.
Zum Wohle Einzelner hienieden,
wird die Bilanz total versaut

und jener Müll sozialisiert.
Der Bürger muss Gefahren dulden,
der vom Ertrag kaum profitiert,
im Gegenteil: Er hat noch Schulden.

Als ich darob Verlangen spürte,
nicht nur das Werk zu bilanzieren,
was prompt zur Überschuldung führte,
da wollten Sie mich korrigieren:

So könne man das nicht betrachten,
der Nutzen wäre vielerlei.
Und jene, die Gewinne machten,
riskierten Kapital dabei.

Schon recht, sag ich, ich neide nicht
den Unternehmern den Gewinn.
Das ist die Kür, jedoch die Pflicht,
ist die Versicherung darin.

Das darf nicht sein, dass Spiegeltricks,
wie Rechtsform, Manipulation,
den Opfern wütenden Geschicks
nichts bringt, als Schaden, Spott und Hohn.

Ach was, sagt da der brave Mann,
wenn sie die Umwelt bilanzieren,
dann hängen Soll und Haben an.
Das ändert nichts, wenn sie saldieren,

doch die Idee, phänomenal:
Das eingebrachte Geld rentiere,
da Umwelt fremdes Kapital,
drei Mal so gut. Ich gratuliere!
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#2

So wird's gemacht

in Gesellschaft 23.02.2007 12:56
von Margot • Mitglied | 3.054 Beiträge | 3055 Punkte
Klasse! Darf ich das an der nächsten Gemeindeversammlung vortragen? Wobei es die Meisten wohl eh nicht verstünden .... *g

Gefällt mir ausgezeichnet. Sehr locker geschrieben, was - bei der Länge - keine Selbstverständlichkeit ist. Bisschen Ironie ist auch dabei, so dass die Botschaft nicht mit erhobenem Zeigefinger daher kommt. Ich würde evtl. noch die 'sies' alle gross schreiben. Ansonsten gibt's nichts zu meckern.

Gruss
Margot

Die Frau in Rot

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#3

So wird's gemacht

in Gesellschaft 23.02.2007 13:43
von Fabian Probst (gelöscht)
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sehr schön geschrieben, flüsige Reime und flotter Lesefluss. Das erwarte ich auch von dir.

Die Konklusion ist OK, jedoch wirft sie mich nicht um. Ich habe die letzten drei Strophen drei mal gelesen, weil ich erst gar nicht verstand, dass es einfach nur um Betrug geht, der noch mehr Geld brächte. ich hatte da doch mehr erwartet, eine überraschendere Wende.

Gruß, Fabian
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#4

So wird's gemacht

in Gesellschaft 23.02.2007 13:49
von Don Carvalho • Mitglied | 1.880 Beiträge | 1880 Punkte
Hallo Albert,

Dein Gedicht ist sehr lang und ich habe es doch bis zum Ende gelesen - das sagt eigentlich schon alles .

Deine Zeilen kommen sehr unverkrampft daher und zaubern mir als Leser manches Mal ein schiefes Lächeln ins Gesicht. Die Idee, dass die Gewinnmaximierung letztlich nur zustande kommt, weil man für die Umweltprobleme andere zahlen lässt, was sich eben nicht negativ auf die Bilanz auswirkt, gefällt. Eigentlich logisch, aber schön zu Papier gebracht. Das Metrum hakt nirgends und die Reime sind gelungen, einzig die Assonanz zu Beginn fällt ein wenig aus dem Rahmen. Zwei Kleinigigkeiten sind mir aufgefallen:

Strophe 3 (ich habe den "Vorspann" nicht mitgezählt):
Selbst wenn der Wohlstand dadurch leidet,
ist's besser, diesen zu riskieren
und lernen, wie man Müll vermeidet.

Das fehlende "zu" in der letzten Zeile stört mich, vielleicht ersetzt Du das "und" lieber durch ein Komma und fügst das "zu" hin"zu"?

In Strophe 4 Ende Zeile 3 ist das Komma überflüssig.

In Strophe 9 musste ich übrigens unwillkürlich an Shakespeares Sein oder Nichtsein denken:
"Obs edler im Gemüt, die Pfeil und Schleudern
Des wütenden Geschicks erdulden oder,
Sich waffnend gegen eine See von Plagen,
Durch Widerstand sie enden?"
Passt ja auch hier: erdulden oder sich wehren, das ist in Deiner Gemeinde die Hamlet-Frage...

Gefällt mir,

Don

Des Paten Missetaten

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#5

So wird's gemacht

in Gesellschaft 23.02.2007 17:10
von Knud_Knudsen • Mitglied | 994 Beiträge | 994 Punkte
hi Al,
auch mein Gefallen ist Dir sicher. Schön ironisch auf den Punkt. Da kann man sicher annehmen, dass Müllverbrennungsanlagen immer eine
positive Bilanz generieren. Alle, ausser den Betroffnen, sind hoch zufrieden, solange die Müllmenge nicht sinkt.
Mit einem Augenzwinkern,
Gruss
Knud
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#6

So wird's gemacht

in Gesellschaft 26.02.2007 22:28
von Erebus (gelöscht)
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Hallo Albert,

ich muß noch was tun, um auf Level 8 zu kommen.
Dies vielgerühmte Stückchen wollte ich ursprünglich unkommentiert lassen, aber jeder soll sein Päckchen tragen.

Andernortes wird so etwas als gelungene Büttenrede bezeichnet, warum nicht auch hier.
Es ist eloquenter als manches vercruxte Stück, aber genauso dürftig, was meinen Appetit auf Lyrik betrifft.
Nichts mehr.

Gruß

Ulrich
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#7

So wird's gemacht

in Gesellschaft 28.02.2007 00:08
von Joame Plebis | 3.690 Beiträge | 3826 Punkte
Hellau! Habe ich mich etwa verspätet?
Jetzt ganz ernsthaft:

Ich las es bereits, sah gar nicht näher hin, von wem es ist
und dachte, es sei von irgendjemanden;
nebenbei dachte ich mehr, daß es frei weg geschrieben ist
und ganz in meinem Sinne.

Diese Art von Gedichten hat mich stets schon fasziniert.
Wer derartigen Inhalt in dokumentierender Form schreibt,
wird nicht mehr als einen raschen Seitenblick auf seine Zeilen ernten.
Wogegen in dieser Form die Aufmerksamkeit etwss mehr angezogen und wird.

Inhaltlich brauche ich ja nichts zu kommentieren,
das wäre auch ein schlechtes Zeugnis für den Schreiber.

Ich differenziere schon, ob jemand hier ein Werk
glänzend darzustellen will oder ob es ihm ein Bedürfnis ist.

In diesem Fall hat der Kritiker der Mißstände auch
Talent und hat dadurch die Möglichkeit, es anderen
auf amüsante Weise zur Kenntnis zu bringen,
wofür üblicherweise der Massenmensch, man könnte ihn auch
als Küche-Zimmer-Mensch bezeichnen, kein Interesse hat.

Durch dichterische Tätigkeit ein Anliegen ausdrücken,
ob nun Umwelt oder Gesellschaft betreffend,
ist eine doppelt produktive und dankbare Aufgabe.
Und obendrein kann man sich auch noch freuen, wenn es richtig gelungen ist.

Ja, das dachte ich so - dann sah ich von wem es ist
und denke noch immer so.

Gruß von Joame

p.s.:(Ein Bayer würde sagen:
Is ma wurscht wer's Bier serviert, hauptsoch g'schmeckt hot's!)
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