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Hitzige Nacht (4)
Hitzige Nacht (4)
in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 12.05.2007 11:11von Joame Plebis • | 3.690 Beiträge | 3826 Punkte
Hitzige Nacht - Kapitel 4
Wie in Zeitlupe ließ Rosa sie die Türschnalle los und Überraschung zeigte sich auf ihrem Gesicht.
Niemals hätte sie erwartet, Hein gegenüberzustehen.
Er machte heute einen besonders gepflegten Eindruck. Seine glatt rasiertes Gesicht und
das hellblaue bügelfrische Hemd trugen dazu offensichtlich bei.
Etwas verlegen lächelte er:
"Nachdem ich mich schon von allen hier im Haus verabschiedet habe, will ich auch Ihnen,
Frau Rosa, alles Gute wünschen. - Ich werde wegziehen."
Ein bedauerndes 'Ach' quoll aus den Lippen von Rosalia.
"Wollen Sie nicht hereinkommen, Hein?" Sie öffnete bei diesen Worten die Tür vollends und machte eine einladende Handbewegung.
"Nein, vielen Dank, ich will jetzt endlich losfahren und habe mich schon verspätet. Sonst könnte es sein und ich bleibe doch noch hier."
"Schreiben Sie einmal, Hein! - Ich weiß gar nicht, wohin Sie übersiedeln. Ihr Umzug kam für mich überraschend. Vermutlich in eine noch schönere Gegend, die Sie nach so vielen Jahren gegen diese gemütliche Familie hier eintauschen und uns verlassen."
"Ich habe mich noch nicht ganz festgelegt. Zuerst einmal geht es einige Tage in eine Waldgegegend, wo ich so quasi Urlaub mache, damit meine Gedanken klarer werden. Gelegentlich werde ich schon von mir hören lassen! Alles Gute - Sie waren viele Jahre eine freundliche Nachbarin!"
Rosalia hob die Hand zum Gruß, trat aus auf den Flur und blickte ihm gedankenvoll nach als er die Stufen hinabging.
- - -
Etwas anders als geplant war es gekommen und die von ihm angekündigte Erholung in Waldnähe hatte nicht stattgefunden. Er saß schon wenige Tage später in einer Kleinstadt auf einem Drehstuhl vor seinem PC und erholte sich von den vielen Handgriffen, mit denen er sein neues Zuhause wohnlich gestaltet hatte.
Gemütlich und zweckmäßig war alles. Doch wie emsig er gearbeitet hatte, alles so zu gestalten und wie viele Handgriffe es gekostet hatte,
daß er sich nun gemütlich zurücklehnen konnte, das sah man nicht.
Frisch duftenden Kaffee hatte er sich zubereitet, an dem er zeitweise nippte. Sein Augenmerk galt dem Mikophon, das er schon in die richtige Position gebracht hatte, um endlich mit den Aufzeichnungen zu beginnen.
Aus einer Laune heraus hatte er sich einmal vorgenommen, sein bisheriges Leben zu erzählen, das aber aus Zeitmangel immer wieder aufgeschoben. Jetzt wollte er endlich damit beginnen, ganz frei und ungezwungen.
Er räusperte sich einmal kurz und begann zu sprechen:
"Meine Mutter hat mir erzählt, es war an diesem Wintertag im Dezember ein Gewitter. Ich hatte ihr viele Schmerzen bereitet, sowohl vor als auch während der Geburt.
Im letzten Moment hatte ich mich in ihrem Körper gedreht, in der ich bis zur letzten Minute in der sogenannten Steißlage befunden hatte.
Kalt soll ich gewesen sein, so daß mich die Hebamme mitleidig auf eine Wärmeflasche legte."
Er drückte die Pausetaste und nahm einen Schluck Kaffee .....
---
Spät war es geworden. Er hatte seine Aufzeichnung fortgesetzt; seine ersten Kindheitserinnerungen beschrieben, wobei immer wieder neue Gedanken gekommen und längst verloren geglaubte Bilder schemenhaft in ihm aufstiegen waren.
Er merkte alsbald, wie schwierig es war, seine Vergangenheit zu beschreiben und dabei eine gewisse zeitliche Ordnung einzuhalten; ständig hatte er etwas hinzuzufügen.
Ehe er zu Bett ging, entsann er sich als Blumenfreund noch seiner neuen bunten Mitbewohner und konnte nach längerem Betrachten der so genügsamen Pflanzen nicht umhin und 'beglückte' noch jede mit einer Extragabe Wasser.
Die Begonien mit ihrer Blütenpracht standen vorläufig noch im Wohnzimmer und erfreute sich daran. Schon morgen würde er sie auf die Terasse stellen. Nun hatte er ihnen einen Platz gleich neben seiner Orchidee gegeben.
Diese versorgte er mit einigen Tropfen destillierten Wassers, da ihm bekannt war, wie empfindlich Orchideen Kalk gegenüber sind.
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Er war kein Langschläfer, begnügte sich mit einigen Stunden Schlaf . Meist wurde er nach einer Stunde wach, stapfte ins Bad, oft noch in die Küche, wo er einen Schluck Wasser trank. Gelegentlich las er auch einige Zeilen oder schrieb selbst einige Gedanken nieder, ehe er sich wieder ins Bett legte und seinen Träumen hingab.
Selten fühlte er sich ausgeruht, wobei ihm klar war, daß es auch an seinem gestörten Schlafrhythmus lag.
Auch heute fühlte er sich wie gerädert, was aber seine Laune nicht beeinträchtigte. Vergnüglich warf er einen flüchtigen Blick in den Spiegel, während er noch seine Hände trocknete. Er schulterte sich eine kleine Ledertasche über, in der er für ihn wesentliche Utensilien mit sich führte. Nachdem er die Wohnungstür verschlossen hatte, steckte er auch den Schlüssel hinein und zog den Zip zu.
Es drängte ihn in das Zentrum der kleinen Stadt. Aufmerksamen Auges und dadurch auch langsameren Schrittes als es sonst seine Art war, ging er in die ihm bereits bekannte Richtung.
Für einen Touristen hätte man ihn halten können, wie er Torbögen und Erker betrachtete
und auf seinem Weg, die an einige Brunnen vorbeiführte, diese länger sinnend ansah, weil sie seine Aufmerksamkeit erregten.
Einen Platz von der Größe eines Fußballfeldes hatte er mittlerweile erreicht; hier herrschte kein Verkehr.
Es war offensichtlich das Stadtzentrum: eine Fußgängerzone mit einigen Bänken, kleineren Geschäften, Kaffeehäuser und Eisdielen. Auch hier erblickte er einen Brunnen, an dem auf Knopfdruck für einige Sekunden Wasser floß, das als Trinkwasser gekennzeichnet war.
Drei Kastanienbäume standen in der Nähe. Der braunen Holzbank unter einem dieser Bäume strebte er zu.
Mit einem Seufzer der Erleichterung nahm er Platz, streckte die Beine von sich und blinzelte zum fast wolkenlosen Himmel hinauf.
Es war nicht seine Art, untätig zu sein. Stets hatte er neue Ideen und war beschäftigt. So konnte er auch jetzt nicht lange untätig nur Beobachter sein, sondern kramte aus seiner Tasche kurz entschlossen einen Stift und Papier hervor. Er wollte einige Gedanken niederschreiben; wann sonst, wenn nicht jetzt, hatte er Zeit dazu.
Niemandem bisher hatte er erzählt, daß er gelegentlich reimte.
Es war kein mühevolles Reimen, sondern die Gedanken in seinem Kopf waren einfach da - manchmal in Reimform. Nicht oft schrieb er etwas nieder, doch heute war ihm danach zumute.
Er hielt sich für keinen Dichter, nahm auch nicht an, etwas Wertvolles zu schaffen; es bereitete ihm einfach ein so ähnliches Gefühl wie Freude oder Genugtuung.
Sein Blick streifte die Fassaden, glitt über die Menschen und beobachtete das Treiben. 'Jetzt ist die Gegenwart' dachte er bei sich. Nach einer Minute nickte er unmerklich und sagte halblaut 'Nein, jetzt ist sie!'.
Den Bleistift zwschen den Fingern, der ihm oft lieber als ein Kugelschreiber war, dabei ein mehrfach gefaltetes Papierblatt vor sich.
So saß er da und horchte in sich hinein, während seine Augen das Geschehen um ihn herum wahrnahmen, doch in unbestimmte Weite gerichtet schienen.
© Joame Plebis
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