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Vergangene Nacht
Heftige Schläge erschüttern das Tor,
ehe dem Morgen die Dämmerung graut.
Rostig und schwer geht es auf und es schaut
zweifelnd und zögernd ein Junge hervor.
„Auf“, schreit ein Mann, „leih mir Auge und Ohr!“
- und seine Stimme klingt seltsam vertraut -
„Schau in die Ferne und höre wie laut,
rufen sie unseren Namen im Chor.“
Ehe das Kind noch begreift was geschieht,
ist’s in den Mantel des Fremdlings getaucht,
spürt wie ein Stich ihm das Leben entzieht.
Stumm ist sein Schrei, seine Kraft ist verbraucht;
erst als die Nacht vor dem Morgenrot flieht,
regt sich ein Wind, der die Anklage haucht.
Heftige Schläge erschüttern das Tor,
ehe dem Morgen die Dämmerung graut.
Rostig und schwer geht es auf und es schaut
zweifelnd und zögernd ein Junge hervor.
„Auf“, schreit ein Mann, „leih mir Auge und Ohr!“
- und seine Stimme klingt seltsam vertraut -
„Schau in die Ferne und höre wie laut,
rufen sie unseren Namen im Chor.“
Ehe das Kind noch begreift was geschieht,
ist’s in den Mantel des Fremdlings getaucht,
spürt wie ein Stich ihm das Leben entzieht.
Stumm ist sein Schrei, seine Kraft ist verbraucht;
erst als die Nacht vor dem Morgenrot flieht,
regt sich ein Wind, der die Anklage haucht.
Mord. Blut. Spannung. Ja, das gefällt mir sehr. Schön verdichtet, in entlehnter Sprache - was keine negative Kritik ist.
Rostig und schwer, zweifelnd und zögernd, seine Stimme klingt seltsam vertraut - ah, das sind gut vermittelte Details.
Es erinnert mich etwas an Liliencron, oder den Erlkönig. Diese vibrierende Düsternis zum Tagesgrauen.
Nun habe ich dummerweise das Gefühl, das sich diese Anekdote auf irgendein Geschehen bezieht, dass die Allgemeinbildung zu wissen fordert. Da muß ich leider passen. Insbesondere das ihre Namen im Chor gerufen werden verweist mich scheinbar in die Historie. Ein Königsmord vielleicht, Ich warte, bis berufenere den Hinweis liefern. Halt, nein. ich hab's du Herzausreisser. Klasse, ich bin gar nicht so doof rttr rttr ttt ttt..
Von wegen poesielos.
LG
Ulrich
Rostig und schwer, zweifelnd und zögernd, seine Stimme klingt seltsam vertraut - ah, das sind gut vermittelte Details.
Es erinnert mich etwas an Liliencron, oder den Erlkönig. Diese vibrierende Düsternis zum Tagesgrauen.
Nun habe ich dummerweise das Gefühl, das sich diese Anekdote auf irgendein Geschehen bezieht, dass die Allgemeinbildung zu wissen fordert. Da muß ich leider passen. Insbesondere das ihre Namen im Chor gerufen werden verweist mich scheinbar in die Historie. Ein Königsmord vielleicht, Ich warte, bis berufenere den Hinweis liefern. Halt, nein. ich hab's du Herzausreisser. Klasse, ich bin gar nicht so doof rttr rttr ttt ttt..
Von wegen poesielos.
LG
Ulrich
#3
von Margot • Mitglied | 3.054 Beiträge | 3055 Punkte
Vergangene Nacht
in Düsteres und Trübsinniges 18.05.2007 14:30von Margot • Mitglied | 3.054 Beiträge | 3055 Punkte
Ulrich wird immer gewitzter!
Hi Bänkelsänger
Orbis Naiv? Ja, möglich. Leider habe ich das Buch nicht gelesen, von daher kann ich nicht eruieren, ob Du hier den Inhalt, oder einen Teil davon, verdichtet hast.
Anyway … ich könnte hier zwei Interpretationen liefern, wobei ich eine nur unter Folter öffentlich machen würde… *g … aber die erste schmeiss ich Dir locker hin:
Mir, die ja ein Faible für Ritterfilme hat, tut sich da eine Szene auf: Highlands, stürmische Nacht, die Wellen brechen an die felsige Küste. Ein Mann, womöglich ein Verwandter (seltsam vertraute Stimme), ist anscheinend auf der Flucht vor den wilden Horden, die brandschatzen und auf Rache aus sind. Irgendein Zwist unter Erbberechtigten. Er sucht Zuflucht in einer Burg, die ihm gewährt wird. Doch er ist ein Verräter und meuchelt den (königlichen) Bengel. Drama! Drama!
Mir gefallen solche Erzählungen. Auch wenn meine Interpretation womöglich – nein, sicher sogar – (etwas) übers Ziel hinausschiesst, mag ich doch die Stimmung, die Du mit dem Text vermittelst.
Am Korsett entlanggedichtet, wie immer, makellos. Jedoch ist die zweimalige Erwähnung des kommenden Morgens (S1/Z2 und S4/Z2) etwas üppig und Munchs Oxymoron gefällt mir auch bei Dir nicht.
syk
Margot
Hi Bänkelsänger
Orbis Naiv? Ja, möglich. Leider habe ich das Buch nicht gelesen, von daher kann ich nicht eruieren, ob Du hier den Inhalt, oder einen Teil davon, verdichtet hast.
Anyway … ich könnte hier zwei Interpretationen liefern, wobei ich eine nur unter Folter öffentlich machen würde… *g … aber die erste schmeiss ich Dir locker hin:
Mir, die ja ein Faible für Ritterfilme hat, tut sich da eine Szene auf: Highlands, stürmische Nacht, die Wellen brechen an die felsige Küste. Ein Mann, womöglich ein Verwandter (seltsam vertraute Stimme), ist anscheinend auf der Flucht vor den wilden Horden, die brandschatzen und auf Rache aus sind. Irgendein Zwist unter Erbberechtigten. Er sucht Zuflucht in einer Burg, die ihm gewährt wird. Doch er ist ein Verräter und meuchelt den (königlichen) Bengel. Drama! Drama!
Mir gefallen solche Erzählungen. Auch wenn meine Interpretation womöglich – nein, sicher sogar – (etwas) übers Ziel hinausschiesst, mag ich doch die Stimmung, die Du mit dem Text vermittelst.
Am Korsett entlanggedichtet, wie immer, makellos. Jedoch ist die zweimalige Erwähnung des kommenden Morgens (S1/Z2 und S4/Z2) etwas üppig und Munchs Oxymoron gefällt mir auch bei Dir nicht.
syk
Margot
MMMh schön,
abba abba cdc dcd, nicht Endecasillabi, nicht Blankvers, aber wir haben da einen netten, singenden vierfüßigen Daktylus. Mittelzäsuren sind weitgehend vorhanden, auch eine Scheitel-Zäsur vor den Terzetten, die nach der Steigerung in den Quartetten wie ein Abgesang wirken...
Das ist so nett, wenn einer das kann, balladenhaft gestrickt, musste auch sofort an den Erlkönig denken.
Nicht gerade moderne Lyrik, aber ein in seiner Art schönes und gelungenes Ding!
WKBär
abba abba cdc dcd, nicht Endecasillabi, nicht Blankvers, aber wir haben da einen netten, singenden vierfüßigen Daktylus. Mittelzäsuren sind weitgehend vorhanden, auch eine Scheitel-Zäsur vor den Terzetten, die nach der Steigerung in den Quartetten wie ein Abgesang wirken...
Das ist so nett, wenn einer das kann, balladenhaft gestrickt, musste auch sofort an den Erlkönig denken.
Nicht gerade moderne Lyrik, aber ein in seiner Art schönes und gelungenes Ding!
WKBär
#5
von Arno Boldt • | 2.760 Beiträge | 2760 Punkte
Vergangene Nacht
in Düsteres und Trübsinniges 18.05.2007 14:36von Arno Boldt • | 2.760 Beiträge | 2760 Punkte
Hi Al.
Der Text erinnert mich an ein Anfang April gesteinigtes 17jähriges Mädchen, dass in einen Jungen einer anderen Religion verliebt war - auch, wenn es in deinem Text um einen Jungen geht. Der Onkel des Mädchens soll für ihre Auslieferung an den Mob von ca. 100 Männern verantwortlich sein, der es steinigte. Nach ca. einer halben Stunde war sie (endlich) tot.. na ja.. bleiben wir bei deinem Text:
Ich frage mich, warum die Stimme vertraut klang und dann aber in seinem Mantel - dem Mantel eines Fremdlings - getaucht ist? Oder habe ich falsch gelesen? Der Junge war verzweifelt, weil er wusste, was passieren könnte.. und kam sicher nur wg. der vertrauten Stimme raus. Und mit dem "Auge und Ohr leihen", wenn wir das nicht metaphorisch sehen, könnte der Junge nicht wahrnehmen, dass es ein Fremder ist.
Ein anderer Grund, weshalb es dann ein Fremder war und er es nicht bemerkt hat, fällt mir nicht ein. Die beginnende Dämmerung kann ja keine Dunkelheit mit sich führen, die eine Unkenntlichkeit hervorruft.
Soweit ein kleiner Gedanke.
BG,
AB.
Der Text erinnert mich an ein Anfang April gesteinigtes 17jähriges Mädchen, dass in einen Jungen einer anderen Religion verliebt war - auch, wenn es in deinem Text um einen Jungen geht. Der Onkel des Mädchens soll für ihre Auslieferung an den Mob von ca. 100 Männern verantwortlich sein, der es steinigte. Nach ca. einer halben Stunde war sie (endlich) tot.. na ja.. bleiben wir bei deinem Text:
Ich frage mich, warum die Stimme vertraut klang und dann aber in seinem Mantel - dem Mantel eines Fremdlings - getaucht ist? Oder habe ich falsch gelesen? Der Junge war verzweifelt, weil er wusste, was passieren könnte.. und kam sicher nur wg. der vertrauten Stimme raus. Und mit dem "Auge und Ohr leihen", wenn wir das nicht metaphorisch sehen, könnte der Junge nicht wahrnehmen, dass es ein Fremder ist.
Ein anderer Grund, weshalb es dann ein Fremder war und er es nicht bemerkt hat, fällt mir nicht ein. Die beginnende Dämmerung kann ja keine Dunkelheit mit sich führen, die eine Unkenntlichkeit hervorruft.
Soweit ein kleiner Gedanke.
BG,
AB.
http://arnoboldt.wordpress.com/
Upps, das ging schnell, Mord und Totschlag zieht wohl besser, als Gehirnkrebs!? Sorry, den musste ich mir gönnen. Dabei ist diese Geschichte nur eine Allegorie und reinste Phantasie, insofern kann deine Allgemeinbildung wieder ganz ruhig sein.
Ich halte das nicht für Poesie. Auch wenn das Ganze eine Metapher ist, so gibt es darin für das gewählte Geschehen keine sprachliche Umschreibung, sondern nur Beschreibung. Die wenigen Umschreibungen sind sprachliches Allgemeingut.
Orbis Naiv? Nein, dieses Mal nicht. Der Titel bezieht sich auf Baudelaire, wobei die Übersetzung vielleicht (wahrscheinlich) falsch ist. Wie auch immer, ich würde gerne die andere Interpretation hören, denn diese liegt in der ersten Sinnebene und die ist so oder so offensichtlich.
Doppelt genäht hält besser, ich hielt die zwiefache Erwähnung für wichtig und richtig aber man soll mehr darüber nachdenken, was andere davon halten könnten. Bei Edvard war ich 100-%ig sicher, dass du reagieren würdest, daher habe ich nicht den starren Blick gewählt, ätsch. Außer dir fahren alle auf Oxymoren ab, vermutlich weil sie so schön einfach zu erkennen sind. Nein, nein, hier ist es einfach ein stummer Schrei, ich kann es nicht ändern, auch wenn es dir geradezu eindimensional erscheint.
Endecasillabi, Blankvers? Hm, du schreibst doch selbst, dass es ein Vierheber ist. Egal. „Nett“ ist ein Schimpf- und Schmähwort, vielleicht habe ich es verdient. Ich bin nur heilfroh, dass du nicht das „wenn“ fettgedruckt hast, selbst wenn es nur versehentlich gewesen sein sollte.
Moderne Lyrik? Die ist schon nicht mehr up-to-date. Postmodern ist es auf jeden Fall!
Fremd, Arno, weil nie zuvor begegnet, nicht in dieser Form. Und dennoch seltsam vertraut, ja. Der Junge kam hervor, weil sein Name gerufen wurde. Und es war Sack-Nacht, nur damit das klar ist (ehe dem Morgen die Dämmerung graut).
Vielen Dank für die Rückmeldungen!
DG
Mattes
Ich halte das nicht für Poesie. Auch wenn das Ganze eine Metapher ist, so gibt es darin für das gewählte Geschehen keine sprachliche Umschreibung, sondern nur Beschreibung. Die wenigen Umschreibungen sind sprachliches Allgemeingut.
Orbis Naiv? Nein, dieses Mal nicht. Der Titel bezieht sich auf Baudelaire, wobei die Übersetzung vielleicht (wahrscheinlich) falsch ist. Wie auch immer, ich würde gerne die andere Interpretation hören, denn diese liegt in der ersten Sinnebene und die ist so oder so offensichtlich.
Doppelt genäht hält besser, ich hielt die zwiefache Erwähnung für wichtig und richtig aber man soll mehr darüber nachdenken, was andere davon halten könnten. Bei Edvard war ich 100-%ig sicher, dass du reagieren würdest, daher habe ich nicht den starren Blick gewählt, ätsch. Außer dir fahren alle auf Oxymoren ab, vermutlich weil sie so schön einfach zu erkennen sind. Nein, nein, hier ist es einfach ein stummer Schrei, ich kann es nicht ändern, auch wenn es dir geradezu eindimensional erscheint.
Endecasillabi, Blankvers? Hm, du schreibst doch selbst, dass es ein Vierheber ist. Egal. „Nett“ ist ein Schimpf- und Schmähwort, vielleicht habe ich es verdient. Ich bin nur heilfroh, dass du nicht das „wenn“ fettgedruckt hast, selbst wenn es nur versehentlich gewesen sein sollte.
Moderne Lyrik? Die ist schon nicht mehr up-to-date. Postmodern ist es auf jeden Fall!
Fremd, Arno, weil nie zuvor begegnet, nicht in dieser Form. Und dennoch seltsam vertraut, ja. Der Junge kam hervor, weil sein Name gerufen wurde. Und es war Sack-Nacht, nur damit das klar ist (ehe dem Morgen die Dämmerung graut).
Vielen Dank für die Rückmeldungen!
DG
Mattes
#7
von GerateWohl • Mitglied | 2.015 Beiträge | 2015 Punkte
Vergangene Nacht
in Düsteres und Trübsinniges 18.05.2007 23:09von GerateWohl • Mitglied | 2.015 Beiträge | 2015 Punkte
Hallo Mattes,
ich bin auch etwas verunsichert aufgrund des mir unbekannten möglichen aktuellen Bezug.
Doch was ich sagen kann, dass ich das Werk atmosphärisch, wie auch von der Sprache einnimmt. Die erste Strophe schon baut eine fein gruselige Stimmung auf.
Der Inhalt erschließt sich mir allerdings nicht gänzlich. Ich bin erninnert an irgendwelche Märchen, ohne, dass ich sie zuordnen könnte. Dann sind da noch die Dementoren von Harry Potter. Irgend sowas.
Die Gruseligkeit der Situation ergibt sich für mich aber bis zum gewissen Grad daraus, dass die Situation etwas unklar ist, was mich aber nicht stört. Im Gegenteil.
Der Junge öffnet ein rostiges Tor. Könnte eine Stadt oder ein Schloss sein. Diese Situation ist schon reichlich ungewöhnlich, dass solche Tore von Jungen geöffnet werden.
Die Stimme des Mannes klingt vertraut. Das ganze hat etwas von einem Besuch des Sensenmannes, der an die Tür klopft wie bei "The Meaning of Life".Aber der Mann ist nicht der Sensenmann der eigentlich Pate steht für einen natürlichen Tod normalerweise.
Wobei der Mann ja möglicherweise wie beim Sensenmann auch, eher nur ein Bote, ein Überbringer ist, der Entscheider und ggf. der Vollstrecker jemand anderes. Somit würde die am Schluss erwähnte Anklage sich nicht gegen den Mann, sondern den Mörder richten.
Aber würde der Sensenmann Auge und Ohr fordern? Er stellt es in der 2. Strophe auch tendenziell ja so da, als säße er mit dem Jungen in einem Boot ("rufen sie unseren Namen"). Dieser Satz deutet übrigens darauf hin, dass der Junge und der Mann den gleichen Namen haben, oder gar denselben.
Also könnten Sie entweder verwandt sein oder irgendwie identisch. Ich tippe mal auf ersteres.
Eine mögliche Auslegung wäre noch Kindesmissbrauch. Da mag ich jetzt aber gar nicht so genau drüber nachdenken, ehrlich gesagt.
Der Text spricht mich jedenfalls in seiner Art sehr an, zumal ich ja eh in ermangelung entsprechenden Talents stets große Ehrfurcht vor Sonetten habe. Wenn sie dann auch noch so ein schön dazu stimmiges, gruseliges Achrostichon besitzen, bin ich hocherfreut. So gänzlich verstehen tue ich das Werk nicht, macht mir aber gerade nichts aus.
Viele Grüße,
GW
ich bin auch etwas verunsichert aufgrund des mir unbekannten möglichen aktuellen Bezug.
Doch was ich sagen kann, dass ich das Werk atmosphärisch, wie auch von der Sprache einnimmt. Die erste Strophe schon baut eine fein gruselige Stimmung auf.
Der Inhalt erschließt sich mir allerdings nicht gänzlich. Ich bin erninnert an irgendwelche Märchen, ohne, dass ich sie zuordnen könnte. Dann sind da noch die Dementoren von Harry Potter. Irgend sowas.
Die Gruseligkeit der Situation ergibt sich für mich aber bis zum gewissen Grad daraus, dass die Situation etwas unklar ist, was mich aber nicht stört. Im Gegenteil.
Der Junge öffnet ein rostiges Tor. Könnte eine Stadt oder ein Schloss sein. Diese Situation ist schon reichlich ungewöhnlich, dass solche Tore von Jungen geöffnet werden.
Die Stimme des Mannes klingt vertraut. Das ganze hat etwas von einem Besuch des Sensenmannes, der an die Tür klopft wie bei "The Meaning of Life".Aber der Mann ist nicht der Sensenmann der eigentlich Pate steht für einen natürlichen Tod normalerweise.
Wobei der Mann ja möglicherweise wie beim Sensenmann auch, eher nur ein Bote, ein Überbringer ist, der Entscheider und ggf. der Vollstrecker jemand anderes. Somit würde die am Schluss erwähnte Anklage sich nicht gegen den Mann, sondern den Mörder richten.
Aber würde der Sensenmann Auge und Ohr fordern? Er stellt es in der 2. Strophe auch tendenziell ja so da, als säße er mit dem Jungen in einem Boot ("rufen sie unseren Namen"). Dieser Satz deutet übrigens darauf hin, dass der Junge und der Mann den gleichen Namen haben, oder gar denselben.
Also könnten Sie entweder verwandt sein oder irgendwie identisch. Ich tippe mal auf ersteres.
Eine mögliche Auslegung wäre noch Kindesmissbrauch. Da mag ich jetzt aber gar nicht so genau drüber nachdenken, ehrlich gesagt.
Der Text spricht mich jedenfalls in seiner Art sehr an, zumal ich ja eh in ermangelung entsprechenden Talents stets große Ehrfurcht vor Sonetten habe. Wenn sie dann auch noch so ein schön dazu stimmiges, gruseliges Achrostichon besitzen, bin ich hocherfreut. So gänzlich verstehen tue ich das Werk nicht, macht mir aber gerade nichts aus.
Viele Grüße,
GW
_____________________________________
Hi GW,
Kindesmissbrauch, ja, ja, aber nicht so, wie jetzt vordergründig befürchtet. Für die von die aufgezeigten Möglichkeiten bin ich dankbar, auch wenn du dich von den intendierten sogleich wieder entferntest. Nein, ich freue mich über den relativen Anklang, den das Werk findet und bin zugleich tief frustriert, da es aus ja eher aus meiner Art schlägt.
Danke für das Feedback.
Mattes
Kindesmissbrauch, ja, ja, aber nicht so, wie jetzt vordergründig befürchtet. Für die von die aufgezeigten Möglichkeiten bin ich dankbar, auch wenn du dich von den intendierten sogleich wieder entferntest. Nein, ich freue mich über den relativen Anklang, den das Werk findet und bin zugleich tief frustriert, da es aus ja eher aus meiner Art schlägt.
Danke für das Feedback.
Mattes
Tagchen Mattes,
nun gab es schon einige Gedanken und Interpretationen zu deinem Gedicht, doch deckt sich keine davon mit meiner Sichtweise, so dass ich doch noch meinen Senf dazugebe.
Heftige Schläge erschüttern das Tor,
ehe dem Morgen die Dämmerung graut.
Rostig und schwer geht es auf und es schaut
zweifelnd und zögernd ein Junge hervor.
Ulrich verwies ja bereits auf das Akrostichon „Herzausreisser“, was ich bei der Interpretation des Textes nicht ganz außer Acht lassen würde. Das erste Quartett hat für mich 2 Sinnebenen. Zum einen könnte mit den heftigen Schlägen der Herzschlag des Jungen/ Mannes gemeint sein, der durch eine Begebenheit bzw. einen anderen Menschen etwas außer Takt gerät, noch bevor die Morgendämmerung einsetzt. Für mich ist auch Vers 2 doppeldeutig, i.d.S., dass er als Erkenntnis gedeutet werden kann („Mir dämmert so langsam, worum es geht.“).
Dieser Junge zögert, weil er sich in eine unbekannte Welt vorgewagt hat. Es könnte ihm Gefahr drohen, doch ist er sich darüber bewusst, wofür das Zweifeln steht.
„Auf“, schreit ein Mann, „leih mir Auge und Ohr!“
- und seine Stimme klingt seltsam vertraut -
„Schau in die Ferne und höre wie laut,
rufen sie unseren Namen im Chor.“
Diese Strophe lässt für mich nur eine Deutung zu: Beim Kinde handelt es sich um das Kind im Manne, beide Personen sind identisch (Z2/4). Das Kind wagte sich ein Stückweit aus dem Manne hervor (S1). Der erste Vers dieses Quartetts bleibt mir aber verschlossen, ich weiß nicht recht, was es damit auf sich hat. Vielleicht soll diese Zeile verdeutlichen, dass der Mann im Grunde schon irgendwie blind/taub geworden ist, was bestimmte (Herzens-) Dinge anbelangt. Er ist schon leicht verstaubt, da funzt nichts mehr so richtig. Doch wurde dieses Kind in ihm geweckt, so dass sein Herz wieder wie ein Löwenherz schlägt.
Ehe das Kind noch begreift was geschieht,
ist’s in den Mantel des Fremdlings getaucht,
spürt wie ein Stich ihm das Leben entzieht.
Doch kaum hat sich das Kind im Manne etwas vorgewagt, taucht ein Fremdling auf, der als Bedrohung empfunden wird. Dieser reißt dem Jungen das Herz raus, entzieht ihm so das Leben, indem er ihm etwas wegnimmt, vielleicht. Keine Ahnung.
Stumm ist sein Schrei, seine Kraft ist verbraucht;
erst als die Nacht vor dem Morgenrot flieht,
regt sich ein Wind, der die Anklage haucht.
Das Kind im Manne stirbt. Zurück bleibt die Anklage, wobei nicht deutlich wird, wer hier wen anklagt. Klagt der verstaubte Mann den Fremdling an, sich selbst, weil er dem Kind Freiraum gegeben hat oder jemand anderes?
Das gefällt mir sehr gut. Der Text lässt wirklich eine Menge Interpretationsspielraum zu. Mir kam – wie Erebus - auch der Erlkönig in den Sinn.
Grüße, Maya
nun gab es schon einige Gedanken und Interpretationen zu deinem Gedicht, doch deckt sich keine davon mit meiner Sichtweise, so dass ich doch noch meinen Senf dazugebe.
Heftige Schläge erschüttern das Tor,
ehe dem Morgen die Dämmerung graut.
Rostig und schwer geht es auf und es schaut
zweifelnd und zögernd ein Junge hervor.
Ulrich verwies ja bereits auf das Akrostichon „Herzausreisser“, was ich bei der Interpretation des Textes nicht ganz außer Acht lassen würde. Das erste Quartett hat für mich 2 Sinnebenen. Zum einen könnte mit den heftigen Schlägen der Herzschlag des Jungen/ Mannes gemeint sein, der durch eine Begebenheit bzw. einen anderen Menschen etwas außer Takt gerät, noch bevor die Morgendämmerung einsetzt. Für mich ist auch Vers 2 doppeldeutig, i.d.S., dass er als Erkenntnis gedeutet werden kann („Mir dämmert so langsam, worum es geht.“).
Dieser Junge zögert, weil er sich in eine unbekannte Welt vorgewagt hat. Es könnte ihm Gefahr drohen, doch ist er sich darüber bewusst, wofür das Zweifeln steht.
„Auf“, schreit ein Mann, „leih mir Auge und Ohr!“
- und seine Stimme klingt seltsam vertraut -
„Schau in die Ferne und höre wie laut,
rufen sie unseren Namen im Chor.“
Diese Strophe lässt für mich nur eine Deutung zu: Beim Kinde handelt es sich um das Kind im Manne, beide Personen sind identisch (Z2/4). Das Kind wagte sich ein Stückweit aus dem Manne hervor (S1). Der erste Vers dieses Quartetts bleibt mir aber verschlossen, ich weiß nicht recht, was es damit auf sich hat. Vielleicht soll diese Zeile verdeutlichen, dass der Mann im Grunde schon irgendwie blind/taub geworden ist, was bestimmte (Herzens-) Dinge anbelangt. Er ist schon leicht verstaubt, da funzt nichts mehr so richtig. Doch wurde dieses Kind in ihm geweckt, so dass sein Herz wieder wie ein Löwenherz schlägt.
Ehe das Kind noch begreift was geschieht,
ist’s in den Mantel des Fremdlings getaucht,
spürt wie ein Stich ihm das Leben entzieht.
Doch kaum hat sich das Kind im Manne etwas vorgewagt, taucht ein Fremdling auf, der als Bedrohung empfunden wird. Dieser reißt dem Jungen das Herz raus, entzieht ihm so das Leben, indem er ihm etwas wegnimmt, vielleicht. Keine Ahnung.
Stumm ist sein Schrei, seine Kraft ist verbraucht;
erst als die Nacht vor dem Morgenrot flieht,
regt sich ein Wind, der die Anklage haucht.
Das Kind im Manne stirbt. Zurück bleibt die Anklage, wobei nicht deutlich wird, wer hier wen anklagt. Klagt der verstaubte Mann den Fremdling an, sich selbst, weil er dem Kind Freiraum gegeben hat oder jemand anderes?
Das gefällt mir sehr gut. Der Text lässt wirklich eine Menge Interpretationsspielraum zu. Mir kam – wie Erebus - auch der Erlkönig in den Sinn.
Grüße, Maya
Tagchen? Na, gut.
Vielen Dank für deinen Kommentar. Nach meinem Dafürhalten war es durch S2 geradezu offensichtlich, dass Mann und Junge identisch sind. Die Schläge am Tor sind natürlich Herzschläge und ebenfalls ein Bezug auf die vergehende/vergangene Zeit, so wie die zweifache Dämmerung.
Allerdings hat sich der Junge nicht hervorgewagt, der sitzt ja in seiner Burg und wird erst durch den Mann herausgerufen. Und eben dieser Mann entpuppt sich bei aller Vertrautheit eben doch als Fremdling und reißt dem Jüngling das Herz heraus, da gibt es keinen Dritten.
Den restlichen Freiraum will ich aber gerne überlassen. Danke für deine instinktsichere Lesart.
DG
Mattes
Vielen Dank für deinen Kommentar. Nach meinem Dafürhalten war es durch S2 geradezu offensichtlich, dass Mann und Junge identisch sind. Die Schläge am Tor sind natürlich Herzschläge und ebenfalls ein Bezug auf die vergehende/vergangene Zeit, so wie die zweifache Dämmerung.
Allerdings hat sich der Junge nicht hervorgewagt, der sitzt ja in seiner Burg und wird erst durch den Mann herausgerufen. Und eben dieser Mann entpuppt sich bei aller Vertrautheit eben doch als Fremdling und reißt dem Jüngling das Herz heraus, da gibt es keinen Dritten.
Den restlichen Freiraum will ich aber gerne überlassen. Danke für deine instinktsichere Lesart.
DG
Mattes
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