#1

Fliederduft

in Natur 22.05.2007 00:06
von Epiklord (gelöscht)
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Fliederduft

In ozon-erlahmender Stadt,
mit bleischwerem Sorgengemüt,
blutend aus alter pochender Narbe,
getrieben von geschäftiger Obsession,
schlurfend über flirrenden Asphalt.

Dann ein frisches Wehen,
aus fernen Gärten herüber
der Duft von Flieder.

Du hältst plötzlich inne,
vergessen die Schatten auf deiner Seele,
Gedanken an erste verzückende Liebe,
an süße, hoffnungsvolle Verlockung,
an die Träume deiner Jugend.

Dann wieder ein leichtes Wehen,
und alles ist verflogen
mit dem Duft von Flieder.

*
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#2

Fliederduft

in Natur 23.05.2007 12:43
von Don Carvalho • Mitglied | 1.880 Beiträge | 1880 Punkte
Hi Epiklord,

ein Gedicht, das in meinen Augen schon sehr prosaisch daherkommt und ebensogut in die Zwischenwelten gepasst hätte.

Diesen Moment, in dem ein Geruch alte Erinnerungen wieder ins Gedächtnis holt, hast Du gut eingefangen. Das kennt vermutlich jeder, wie man bestimmte Situationen oder auch Gefühle mit einem bestimmten Duft verbinden kann. Es gibt Theorien, wonach auch Déjà-vu-Erlebnisse auf olfaktorische Wahrnehmungen zurückgeführt werden. Unabhängig davon, ob dies stimmt, kann ich nachvollziehen, wie man auf diese Idee kommt .

Auch wenn Du einen am Inhalt orientierten Aufbau gewählt hast - der sehr passend ist - handelt es sich hier doch um ein nicht formgebundenes Gedicht, mit denen ich regelmäßig meine Schwierigkeiten habe. Deine Zeilen sprechen mich aber an, eine schöne Szene, die Du beschreibst. Auch sprachlich habe ich nicht allzuviel zu mäkeln.

Sehr unschön finde ich allerdings in Str. 1 die 3. Zeile. In diese Stadtbeschreibung aus Ozon, Asphalt und Blei passt die blutend pochende Narbe wie Angela Merkel in eine Wasserballett. Abgesehen davon lässt Du den Leser allein, um was für ein Narbe es sich handelt. Was Du meinst, ist klar, die Umsetzung ist aber wenig elegant. Auch wenn Du die Zerissenheit und die vom Leben geschlagenen Narben des lyrDu aufzeigen willst, würde den Blutfaktor weglassen.

Auch die "geschäftige" Obsession mag mir nicht recht gefallen, handelt es sich hierbei doch um eine Zwangshandlung oder eine Besessenheit. Auch wenn man die Obsession inzwischen nicht nur zur Beschreibung pathologischer Zustände verwendet - die Lyrik ist bspw. meine Obsession - finde ich "geschäftig" in diesem Zusammenhang unpassend, da dies dem Zwangscharakter widerspricht. Ich hoffe, es ist verständlich, was ich meine.

Insgesamt mag ich Deinen Text aber.

Grüße,

Don

Des Paten Missetaten

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#3

Fliederduft

in Natur 23.05.2007 16:03
von GerateWohl • Mitglied | 2.015 Beiträge | 2015 Punkte
Hallo Epiklord,

man merkt hier im Forum, es ist noch Frühling.

Ich muss sagen, ich finde das Gedicht ganz gut.
Zwei Dinge mag ich besonders.

1. Der geschäftlich anmutende Stil im Vers "blutend aus alter pochender Narbe" geht in seiner Sachlichkeit formal sehr gut zusammen mit dem folgenden Vers "getrieben von geschäftiger Obsession".
2. Nach dieser sachlichen Beschreibung der Einbruch mit dem klassischen Rilke-Zitat "aus fernen Gärten", wobei es in dem Ursprungsgedicht ja eher um Vergänglichkeit ging, aber das geht ja mit der Natur i.d.R. Hand in Hand. Jedenfalls holst Du den Leser so gleich mitten in die Natur.

Der Augenblick ist insgesamt schön eingefangen. Inhaltlich und formal ist es nun nicht gerade superoriginell, aber es liest sich gut. Der Stilmix macht Sinn. Ich mag's.

Gern gelesen.

Grüße,
GerateWohl

P.S. Ach ja, willkommen im Forum.

P.P.S. @Don: Welche Narbe? Na - die Narbe. Mensch! Hast Du keine Narbe? Jeder moderne Großstädter hat doch diese Narbe. Zum Beispiel, weil er sich Angela Merkel im Wasserballett vorgestellt hat, oder Schlimmeres.

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#4

Fliederduft

in Natur 23.05.2007 17:14
von Epiklord (gelöscht)
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Lieber Don, lieber GerateWohl, danke euch für die analytischen Kommentare. Zum Gedichteschreiben fühle ich mich nun gerade nicht hingezogen, noch weniger zu deren Lesen. Für mich wäre auch undenkbar, mich einer Metrik zu unterwerfen. Ja, okay, nicht unterwerfen, auszusetzen. Diese Verse sind denn auch ziemlich aus dem Bauch heraus gerissen. Wenn sie dennoch gefallen, stimmts mich nun heiter. Passen halt auch gerade in die Jahreszeit.

LG E.
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#5

Fliederduft

in Natur 23.05.2007 18:36
von GerateWohl • Mitglied | 2.015 Beiträge | 2015 Punkte

Zitat:

Epiklord schrieb am 23.05.2007 17:14 Uhr:
Zum Gedichteschreiben fühle ich mich nun gerade nicht hingezogen, noch weniger zu deren Lesen.


Oh, das tut mir leid. Dann bist Du wohl wegen einer verlorenen Wette hier in einem Lyrikforum gelandet und hast Dein Gedicht eingestellt.


Zitat:

Für mich wäre auch undenkbar, mich einer Metrik zu unterwerfen. Ja, okay, nicht unterwerfen, auszusetzen.


Für mich auch. Deshalb versklave und missbrauche ich sie ganz bewusst in meinen Gedichten.
Aber muss man ja nicht, wenn trotzdem was gescheites bei herauskommt.


Zitat:

Diese Verse sind denn auch ziemlich aus dem Bauch heraus gerissen.


Wenn so Deine Gedichte entstehen, verstehe ich, dass Du dich nicht dazu hingezogen fühlst.

Grüße,
GerateWohl


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