Der Pferdehasser
Unermüdlich, Tag für Tag, von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, hatte er seinem Herrn gedient, bergauf und bergunter, immer im gleichen besonnenen Tritt. Aber die Welt um sie herum war unruhiger geworden. Das Leben wurde mehr und mehr rationalisiert und beschleunigt.
Und irgendwann brachte man ihn auf einen Tiergnadenhof. Gleich gesellte sich eine zartwüchsige französische Reitstute zu ihm und ergriff das Wort: „Oh Mieu, was für ein stattlicher Brauner. Aber darf ich mich erst einmal vorstellen. Ich h-eiße Mibell.“
„Jau, ich Franz.“
„Na Franz, sei nicht so traurig. Du wirst es h-ier gut h-aben.“
„Jau, edle Schwarze. Aber ich bin ziemlich frustriert. Meine Besitzerin wurde vom Leberkrebs gefressen. Sie hatte mich vor dem Schlachthof gerettet. Meinem alten Herrn war ich nicht mehr gut genug gewesen. Er konnte die Baumstämme nicht flink genug aus dem Wald gezogen kriegen. Einen forscheren Zossen hatte er sich zugelegt.“
„Mieu, das ist ja schrecklich. Und ich bin schon seit fünf Jahren h-ier, kurz nachdem mein Bein bei einem Ausritt gebrochen war. Und es war alles h-armonisch, bis dieser schwerbeh-inderte Pferdeh-asser in das neue Pflegeh-eim kam.“
„Es ist wohl das Gebäude gegenüber von unserer Wiese.“
„Mieu, du sagst es, und wir müssen uns vorsehen. Ach, und Franz, h-ast du mal wieder was von deinem ehemaligen H-erren geh-ört? Der wird es doch bestimmt bei seinem Ehrgeiz weit gebracht h-aben.“
„Jau, meine Edle, und vergessen wird er mich haben.“
„Mieu. Pass auf, dah-inten. Der Pferdeh-asser kommt.“
„Aber der sitzt doch brav in seinem Rollstuhl. Und eine Pflegerin ist auch dabei.“
„Franz, komm schnell. Lass uns ans andere Ende der Koppel gehen. Das mache ich immer so. Es ist besser.“
„Ich bleibe hier.“
„Das ihr Neuen so übermütig sein müsst. H-örst du ihn denn nicht fluchen.“
„Jau, lass den Krüppel ruhig näherkommen. Und du, meine edle Stute, trau dich nur, bleib bei mir, ein Gaul wie ich kann schließlich Bäume ausreißen.“
„Du bist wahnsinnig.“
„Jau, was soll der Kerl schon tun, außer dumme Sprüche zu klopfen.“
„Oh Mieu. Er wirft jedes Mal mit Steinen, die er aus seiner Tasche zieht.“
„Warum Mibell, hasst der Rabauke uns nur so?“
„Ein allzu rasanter Gaul soll seinen Unfall verursacht h-aben. Oh Mieu. Gib acht, da, er h-at die H-and schon...Uui, warum schmeißt er nicht und fährt einfach still vorbei. Und merkwürdig ernst h-at er plötzlich dreingeschaut, und Franz, wie er dich angestarrt h-at, und h-ast du sein trauriges Lächeln gesehen.“
„Jau, ich habe ihn erst gar nicht erkannt. Alt ist er geworden. Es ist mein damaliger Herr. Ich kann ihm nicht mehr böse sein. Guck nur, wie in sich zusammengefallen er dahingekarrt wird.“
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