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Lüneburg
Wir reiten tote Gäule, wir verrichten
ein Handwerk der Vergangenheit. Wir schichten
das tote Holz von links nach rechts. Mitnichten
kann solches Tun das Letterwerk verdichten.
Solange uns die Alten unterrichten,
die nichts sonst akzeptieren, als den schlichten,
den hergebrachten Zopf, will ich verzichten,
den Leierkastenmann in mir vernichten.
Wir suchen in der Sprache jenes Leben,
das vorenthalten scheint und damit geben
wir zu, dass wir geendet sind; wir kleben
ein Abbild unsres Daseins in die Streben
von Fachwerkhäusern, sitzen stumm daneben
und lauschen einem nachgeahmten Beben.
Hallo nizza,
Da wird sich der Sprache bemächtigt, verrichtet, geschichtet und verdichtet, zum Selbstvorwurf der Impotenz, der sowohl die Quartette als auch die Terzette in Gleichklang durchzieht. Hier wird nicht mit These/Antithese Analyse oder Synthese gearbeitet.
Die Sprache als überlebter Sauropode. Wie aber ist der Anspruch der Sprache formuliert, was sei anstelle ihrer Alterthümlichkeit und freilichtmusealer Schöntuerei?
In der Mittelbarkeit der Sprache äußere sich authentisch die Endigung des Lebens, so wenigstens die Aussage von S3. Um dieses nicht richtig Leben können scheint es mir doch eigentlich zu gehen. Warum kommen wir dann plötzlich in Konflikt mit der Sprache?
Aber wahrscheinlich kann ich Dir nicht folgen.
Denn der Titel Lüneburg verwirrt mich zusätzlich. Irgendetwas Presseaktuelles, was mir nicht parat ist?
Institute für deutsche Sprache -da suchte ich die Erklärung- gibt es an zahlreichen deutschen Universitäten.
Soweit zu meinem inhaltlichen Unverständnis. Wenn ich hingegen richtig liege, dann fesselt es mich deshalb weniger, weil mich die vehemente Willkür der Aussage stört.
Denn im Gegenzug und in contradictio:
Gut finde ich die Sprache gefunden, die Haufenreime, die so mühelos scheinen, dass sie mir anfangs gar nicht auffielen, den "hergebrachten Zopf", die/das Streben der Fachwerkhäuser, auch wenn diese so wenig hergeleitet auftreten.
Irgendwie scheint mir die Sprache dann aber im "making sense" unterzugehen. Vielleicht liegt da ja des Pudels Kern?
LG
Ulrich
PS:
eindrucksvolle Formatierung
Da wird sich der Sprache bemächtigt, verrichtet, geschichtet und verdichtet, zum Selbstvorwurf der Impotenz, der sowohl die Quartette als auch die Terzette in Gleichklang durchzieht. Hier wird nicht mit These/Antithese Analyse oder Synthese gearbeitet.
Die Sprache als überlebter Sauropode. Wie aber ist der Anspruch der Sprache formuliert, was sei anstelle ihrer Alterthümlichkeit und freilichtmusealer Schöntuerei?
In der Mittelbarkeit der Sprache äußere sich authentisch die Endigung des Lebens, so wenigstens die Aussage von S3. Um dieses nicht richtig Leben können scheint es mir doch eigentlich zu gehen. Warum kommen wir dann plötzlich in Konflikt mit der Sprache?
Aber wahrscheinlich kann ich Dir nicht folgen.
Denn der Titel Lüneburg verwirrt mich zusätzlich. Irgendetwas Presseaktuelles, was mir nicht parat ist?
Institute für deutsche Sprache -da suchte ich die Erklärung- gibt es an zahlreichen deutschen Universitäten.
Soweit zu meinem inhaltlichen Unverständnis. Wenn ich hingegen richtig liege, dann fesselt es mich deshalb weniger, weil mich die vehemente Willkür der Aussage stört.
Denn im Gegenzug und in contradictio:
Gut finde ich die Sprache gefunden, die Haufenreime, die so mühelos scheinen, dass sie mir anfangs gar nicht auffielen, den "hergebrachten Zopf", die/das Streben der Fachwerkhäuser, auch wenn diese so wenig hergeleitet auftreten.
Irgendwie scheint mir die Sprache dann aber im "making sense" unterzugehen. Vielleicht liegt da ja des Pudels Kern?
LG
Ulrich
PS:
eindrucksvolle Formatierung
Hallo nizza,
ein Sonett mit Haufenreimen – so etwas habe ich wahrlich noch nie gelesen. Form und Inhalt korrelieren hier auf eine wunderbare Art und Weise. Denn worum geht es?
Wir reiten tote Gäule, wir verrichten
ein Handwerk der Vergangenheit. Wir schichten
das tote Holz von links nach rechts. Mitnichten
kann solches Tun das Letterwerk verdichten.
Es geht darum, selbst den klassischen Gedichtformen, wie hier dem Sonett, auch modernere Züge zuzugestehen, denn das ledigliche Festhalten an den altbekannten, fest vorgegebenen Strukturen, so jedenfalls meint das lyrI, bringt keinerlei Neuerungen, keinen Fortschritt hinsichtlich der Dichtkunst. Das Wunderbare an diesem Sonett ist, dass Inhalt und Form aneinander gekoppelt sind, denn nach klassischem Schemata sollte ein Quartett ja umarmend (abba) und nicht haufengereimt sein. Der Autor bricht also – seinem ausgebreiteten Standpunkt gemäß - folgerichtig sofort mit den konventionellen Regeln.
Solange uns die Alten unterrichten,
die nichts sonst akzeptieren, als den schlichten,
den hergebrachten Zopf, will ich verzichten,
den Leierkastenmann in mir vernichten.
In Vers 3 hätte ich am Anfang lieber „auf“ gelesen – auf was möchte das lyrI verzichten? Auf den Zopf. Zudem würde dadurch auch die Dopplung der Versanfänge mit „den“ entfallen. Inhaltlich ist dies eine Fortführung der bereits in S1 geschilderten Ansicht. Das lyrI wehrt sich gegen das Althergebrachte; es verspürt dabei Langeweile.
Wir suchen in der Sprache jenes Leben,
das vorenthalten scheint und damit geben
wir zu, dass wir geendet sind; wir kleben
Das finde ich vom Gedankengang sehr interessant: Man schreibt über jene Dinge, die man nicht (mehr) erlebt, verleiht Träumen und Wünschen mittels der Sprache Ausdruck und einen Tick Lebendigkeit, warum sie umso wichtiger scheint. Stagniert die Sprache an einem Punkt, indem man am Alten kleben bleibt, geht auch das Lebendige, was Worte auszudrücken imstande sind, verloren.
ein Abbild unsres Daseins in die Streben
von Fachwerkhäusern, sitzen stumm daneben
und lauschen einem nachgeahmten Beben.
Das letzte Terzett verstehe ich so, dass, wenn man schon im realen Leben keine Grenzen überschreiten kann, sondern in vorgegebenen Bahnen rotiert (Fachwerkhäuser als das Modellhafte/Standardisierte), es doch wenigstens gestattet werden muss, auf sprachlicher Ebene über diese Abbildung des Daseins hinauszugelangen und neue Wege einzuschlagen. Nur auf diese Art und Weise bleibt auch Literatur und Sprache lebendig.
Gefällt mir sehr gut.
Gruß, Maya
ein Sonett mit Haufenreimen – so etwas habe ich wahrlich noch nie gelesen. Form und Inhalt korrelieren hier auf eine wunderbare Art und Weise. Denn worum geht es?
Wir reiten tote Gäule, wir verrichten
ein Handwerk der Vergangenheit. Wir schichten
das tote Holz von links nach rechts. Mitnichten
kann solches Tun das Letterwerk verdichten.
Es geht darum, selbst den klassischen Gedichtformen, wie hier dem Sonett, auch modernere Züge zuzugestehen, denn das ledigliche Festhalten an den altbekannten, fest vorgegebenen Strukturen, so jedenfalls meint das lyrI, bringt keinerlei Neuerungen, keinen Fortschritt hinsichtlich der Dichtkunst. Das Wunderbare an diesem Sonett ist, dass Inhalt und Form aneinander gekoppelt sind, denn nach klassischem Schemata sollte ein Quartett ja umarmend (abba) und nicht haufengereimt sein. Der Autor bricht also – seinem ausgebreiteten Standpunkt gemäß - folgerichtig sofort mit den konventionellen Regeln.
Solange uns die Alten unterrichten,
die nichts sonst akzeptieren, als den schlichten,
den hergebrachten Zopf, will ich verzichten,
den Leierkastenmann in mir vernichten.
In Vers 3 hätte ich am Anfang lieber „auf“ gelesen – auf was möchte das lyrI verzichten? Auf den Zopf. Zudem würde dadurch auch die Dopplung der Versanfänge mit „den“ entfallen. Inhaltlich ist dies eine Fortführung der bereits in S1 geschilderten Ansicht. Das lyrI wehrt sich gegen das Althergebrachte; es verspürt dabei Langeweile.
Wir suchen in der Sprache jenes Leben,
das vorenthalten scheint und damit geben
wir zu, dass wir geendet sind; wir kleben
Das finde ich vom Gedankengang sehr interessant: Man schreibt über jene Dinge, die man nicht (mehr) erlebt, verleiht Träumen und Wünschen mittels der Sprache Ausdruck und einen Tick Lebendigkeit, warum sie umso wichtiger scheint. Stagniert die Sprache an einem Punkt, indem man am Alten kleben bleibt, geht auch das Lebendige, was Worte auszudrücken imstande sind, verloren.
ein Abbild unsres Daseins in die Streben
von Fachwerkhäusern, sitzen stumm daneben
und lauschen einem nachgeahmten Beben.
Das letzte Terzett verstehe ich so, dass, wenn man schon im realen Leben keine Grenzen überschreiten kann, sondern in vorgegebenen Bahnen rotiert (Fachwerkhäuser als das Modellhafte/Standardisierte), es doch wenigstens gestattet werden muss, auf sprachlicher Ebene über diese Abbildung des Daseins hinauszugelangen und neue Wege einzuschlagen. Nur auf diese Art und Weise bleibt auch Literatur und Sprache lebendig.
Gefällt mir sehr gut.
Gruß, Maya
#4
von Joame Plebis • | 3.690 Beiträge | 3826 Punkte
Lüneburg
in Philosophisches und Grübeleien 30.08.2007 23:02von Joame Plebis • | 3.690 Beiträge | 3826 Punkte
Bei so schönen und guten Kommentaren muß meine Anerkennung wohl etwas karg wirken.
Gar nicht trocken hast Du ein eher hölzernes Thema
angefaßt, ein wenig mehr Einblick gegeben,
was in Dir steckt; fast wollte ich annehmen, etwas habe Dich aus der Reserve gelockt.
Nur können mich weder der Form und Worte Schönheit täuschen, wo es doch letztendlich ein Anprangern der Sinnlosigkeit des Dichtens ist.
Gruß von Joame
Gar nicht trocken hast Du ein eher hölzernes Thema
angefaßt, ein wenig mehr Einblick gegeben,
was in Dir steckt; fast wollte ich annehmen, etwas habe Dich aus der Reserve gelockt.
Nur können mich weder der Form und Worte Schönheit täuschen, wo es doch letztendlich ein Anprangern der Sinnlosigkeit des Dichtens ist.
Gruß von Joame
Nein, eine Sinnlosigkeit des Dichtens wird hier nicht behauptet, im Gegenteil. Allerdings ist oder wäre es pissameisenlangweilig, wenn wir nur noch alle in Fachwerkhäusern wohnen wollten und allen jungen Baumeistern nur diese Bauweise auferlegten. "Lüneburg" ist so etwas wie ein Synonym für Lehrer, die in Fachwerkhäusern leben und daher der Titel dieses Gedichtes.
Zu lehren kann etwas Wunderbares sein, nur leider sind ganz viele Lehrer u.a. deshalb Lehrer geworden, weil sie Angst vor dem Leben haben, ja, auch wenn das paradox klingt, sogar Angst vor dem Lernen haben viele. Daher lernen sie zunächst mehr oder weniger eifrig, weil sie dem Gedanken anhängen, irgendwann alles zu wissen und dann nur noch zu lehren. Viele von ihnen denken tatsächlich, sie bräuchten nichts mehr dazulernen, schon gar nicht von ihren Schülern. Und das ist dann der Stillstand, der Tod. Aber ich schwafele, sorry.
Ich danke dir, Erebus, auch wenn ich deine Kritik nur schwerlich nachvollziehen kann. Aufgrund des Inhaltes kann dieses Gedicht nun unmöglich alle Regularien des Sonettes einhalten. Einen besondern Kniff finde ich dabei die Haufenreime, die einerseits irgendwo dem Schema gehorchen, andererseits aber natürlich wieder gar nicht. Und wenn Maya mir dann attestiert, so etwas noch nie gesehen zu haben, kannst du vielleicht ermessen, dass ich stolz wie Bolle bin.
Diese von Maya so genannte Korrelation stellt dann auch den einen Part, der teilweise inhaltliche Widerspruch den anderen Part des antithetischen Charakters dar und insofern ist auch dieses Kriterium irgendwie erfüllt. Ich denke jedenfalls, dass es funktioniert.
Tja, Maya, für deine Kommentierung und Interpretation bedanke ich mich besonders. Nicht etwa, weil sie das Gedicht gut aussehen lässt, das freut natürlich, sondern weil hier Aspekte gefunden und beschrieben werden, an die ich gar nicht dachte, deren unbewusste Existenz ich jedoch bestätige.
Das doppelte "den" ist tatsächlich nicht so scheen, aber auf das "auf" will ich auch verzichten. Das lyrI will nicht auf etwas verzichten, sondern komplett verzichten, gar nicht erst an den Start gehen, wenn und solange ausschließlich der alte Zopf akzeptiert würde.
Vielen Dank allen Kommentatoren, a pleasure doing business!
Gute Grüße
nizza
Zu lehren kann etwas Wunderbares sein, nur leider sind ganz viele Lehrer u.a. deshalb Lehrer geworden, weil sie Angst vor dem Leben haben, ja, auch wenn das paradox klingt, sogar Angst vor dem Lernen haben viele. Daher lernen sie zunächst mehr oder weniger eifrig, weil sie dem Gedanken anhängen, irgendwann alles zu wissen und dann nur noch zu lehren. Viele von ihnen denken tatsächlich, sie bräuchten nichts mehr dazulernen, schon gar nicht von ihren Schülern. Und das ist dann der Stillstand, der Tod. Aber ich schwafele, sorry.
Ich danke dir, Erebus, auch wenn ich deine Kritik nur schwerlich nachvollziehen kann. Aufgrund des Inhaltes kann dieses Gedicht nun unmöglich alle Regularien des Sonettes einhalten. Einen besondern Kniff finde ich dabei die Haufenreime, die einerseits irgendwo dem Schema gehorchen, andererseits aber natürlich wieder gar nicht. Und wenn Maya mir dann attestiert, so etwas noch nie gesehen zu haben, kannst du vielleicht ermessen, dass ich stolz wie Bolle bin.
Diese von Maya so genannte Korrelation stellt dann auch den einen Part, der teilweise inhaltliche Widerspruch den anderen Part des antithetischen Charakters dar und insofern ist auch dieses Kriterium irgendwie erfüllt. Ich denke jedenfalls, dass es funktioniert.
Tja, Maya, für deine Kommentierung und Interpretation bedanke ich mich besonders. Nicht etwa, weil sie das Gedicht gut aussehen lässt, das freut natürlich, sondern weil hier Aspekte gefunden und beschrieben werden, an die ich gar nicht dachte, deren unbewusste Existenz ich jedoch bestätige.
Das doppelte "den" ist tatsächlich nicht so scheen, aber auf das "auf" will ich auch verzichten. Das lyrI will nicht auf etwas verzichten, sondern komplett verzichten, gar nicht erst an den Start gehen, wenn und solange ausschließlich der alte Zopf akzeptiert würde.
Vielen Dank allen Kommentatoren, a pleasure doing business!
Gute Grüße
nizza
ich komme aus Lüneburg, habe dort 28 Jahre lang gewohnt und meine Mutter ist Lehrerin. In einem Fachwerkhaus haben wir nie gewohnt. Ist mir absolut neu, dass es so ein Synonym gibt, aber man lernt ja nie aus. Wer hat sich das denn ausgedacht?
Entschuldige, das war meine Unart, die Dinge einfach zu verkürzen. Korrekter hätte ich sagen sollen: Lehrer UND Fachwerkhäuser. Viele dieser Lehrer aber - und davon gibt es in Lüneburg überdurchschnittlich viele - wohnen aus Überzeugung in Lüneburg, da Lüneburg in deren Augen für Bewahrung steht. Lehrer sind überwiegend technik- und fortschrittsfeindlich und leben quasi in einer Parallelwelt, die mit dem wirklichen Leben wenig zu tun hat. Das will ich nun nicht dem kompletten Lüneburg attestieren, auch hat die Altstadt ja tatsächlich ihren ungeheuren Reiz, aber es wirkt eben doch wie aus einer anderen Welt. Deswegen lieben Lehrer es vermutlich auch so.
Alle wissen das. Alle, denen im Umland oder sonstwo z.B. Autos mit dem Kennzeichen LG begegnen. Grauenhaft, ehrlich. Nur die Lüneburger selbst finden ihr Städtchen supi.
Alle wissen das. Alle, denen im Umland oder sonstwo z.B. Autos mit dem Kennzeichen LG begegnen. Grauenhaft, ehrlich. Nur die Lüneburger selbst finden ihr Städtchen supi.
Zitat: |
nizza schrieb am 07.09.2007 12:37 Uhr: Lehrer sind überwiegend technik- und fortschrittsfeindlich und leben quasi in einer Parallelwelt, die mit dem wirklichen Leben wenig zu tun hat. |
Ja, stimmt.
Und wie ist das Wetter bei dir, in der Twilight Zone?
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