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#1
von Simone • Mitglied | 1.674 Beiträge | 1674 Punkte
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in Ausgezeichnete Lyrik 21.11.2007 18:39von Simone • Mitglied | 1.674 Beiträge | 1674 Punkte
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Nach Hause, wo im Kindersommer
der Löwenzahn ins Gras gebissen,
da wollte ich nie wieder hin.
Nach Hause, wo in Winterkälte
Asphalt die klamme Haut zerrissen;
ich wollte nicht … und trotzdem bin
ich wieder hier. Und trage – es ist kaum zu glauben –
auch heute noch die alte Furcht in meinen Taschen.
Vor harten Händen, spitzen Worten, vor den Flaschen
die hinter mir, im rohen Abschiedsfluch, zerschellten.
Ich höre noch wie ihre Hunde mich verbellten
und sehe hinter dunklen Scheiben Häme ticken.
Wie damals trüben Tränen meinen Blick. Sie nicken
mit frommem Gruß – doch niemand sieht mir in die Augen.
#2
von Margot • Mitglied | 3.054 Beiträge | 3055 Punkte
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in Ausgezeichnete Lyrik 21.11.2007 19:26von Margot • Mitglied | 3.054 Beiträge | 3055 Punkte
Hi Simone
Das ist bitter. Da fühle ich mit, obwohl ich dieses Gefühl nicht kenne. Vielleicht ein Widerspruch, aber das lyr. Ich widerspricht sich eben auch. Es will nicht mehr zurück, will vergessen und alle schlechten Erfahrungen hinter sich lassen, und doch treibt irgendetwas in ihm es nochmals an die Stätte der Demütigungen zurück. Oder, um den Spruch etwas abzuändern: das Opfer kehrt an den Ort des Verbrechens zurück.
Die Zeilen mit ‚dem Löwenzahn’ und ‚die Furcht in den Taschen’, die finde ich klasse. Nach Hause würde ich gross schreiben und mir gefiele es fast noch besser, wenn Du die beiden ‚hat’ eliminieren würdest. Nach meinem Geschmack sind die überflüssig und ohne die gibt es den Eingangsstrophen noch etwas mehr Biss (Achtung, Wortspiel! ) Etwas stolpert man am ‚sie’ in der zweitletzten Zeile, weil man das zuerst auf die Tränen bezieht ... aber wer will denn kleinlich sein? Ich ganz sicher nicht, dazu gefällt es mir zu gut.
Gruss
Margot
Das ist bitter. Da fühle ich mit, obwohl ich dieses Gefühl nicht kenne. Vielleicht ein Widerspruch, aber das lyr. Ich widerspricht sich eben auch. Es will nicht mehr zurück, will vergessen und alle schlechten Erfahrungen hinter sich lassen, und doch treibt irgendetwas in ihm es nochmals an die Stätte der Demütigungen zurück. Oder, um den Spruch etwas abzuändern: das Opfer kehrt an den Ort des Verbrechens zurück.
Die Zeilen mit ‚dem Löwenzahn’ und ‚die Furcht in den Taschen’, die finde ich klasse. Nach Hause würde ich gross schreiben und mir gefiele es fast noch besser, wenn Du die beiden ‚hat’ eliminieren würdest. Nach meinem Geschmack sind die überflüssig und ohne die gibt es den Eingangsstrophen noch etwas mehr Biss (Achtung, Wortspiel! ) Etwas stolpert man am ‚sie’ in der zweitletzten Zeile, weil man das zuerst auf die Tränen bezieht ... aber wer will denn kleinlich sein? Ich ganz sicher nicht, dazu gefällt es mir zu gut.
Gruss
Margot
hallo ninni,
wenn ich diese zeilen, lese ich die Schwermut des Vergangenen aber auch die Hoffnung des Neuen heraus, nun ich sage ehrlich das ich die Zeilen nachvollziehen kann..
die ersten Verse sind Terzette und stimmen insofern überein, dass zunächst etwas zerstört wurde was man als sein zu Hause angesehen hat..dies kann ja vielfaches bedeuten..zu Hause ist da wo ich wie dort fühle usw. also wo man sich als Teil eines ganzen wiedererkennt..
der Übergang zur Wiederkehr in die Quartette empfinde ich persönlich als gelungen, die Wahl des Jambus wenn ich mich nicht beim ersten Überblick versah auch..
die Perspektive wechselt ständig von der Umgebung hin zum LI und den damit verbundenen, sagen wir Quälereien...warum sich die Sicht der Täter
plötzlich so dermaßen änderte, mit einem aufgesetzten frommen Gruß..bleibt in diesem Stück ein offenes Rätsel..
Ich kann mich margot nur anschließen..und es bewegt und hat eine eigene tiefe Ausdruckskraft...nach hause..ich liebe nach hause..
LG basti
wenn ich diese zeilen, lese ich die Schwermut des Vergangenen aber auch die Hoffnung des Neuen heraus, nun ich sage ehrlich das ich die Zeilen nachvollziehen kann..
die ersten Verse sind Terzette und stimmen insofern überein, dass zunächst etwas zerstört wurde was man als sein zu Hause angesehen hat..dies kann ja vielfaches bedeuten..zu Hause ist da wo ich wie dort fühle usw. also wo man sich als Teil eines ganzen wiedererkennt..
der Übergang zur Wiederkehr in die Quartette empfinde ich persönlich als gelungen, die Wahl des Jambus wenn ich mich nicht beim ersten Überblick versah auch..
die Perspektive wechselt ständig von der Umgebung hin zum LI und den damit verbundenen, sagen wir Quälereien...warum sich die Sicht der Täter
plötzlich so dermaßen änderte, mit einem aufgesetzten frommen Gruß..bleibt in diesem Stück ein offenes Rätsel..
Ich kann mich margot nur anschließen..und es bewegt und hat eine eigene tiefe Ausdruckskraft...nach hause..ich liebe nach hause..
LG basti
#4
von Joame Plebis • | 3.690 Beiträge | 3826 Punkte
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in Ausgezeichnete Lyrik 21.11.2007 21:38von Joame Plebis • | 3.690 Beiträge | 3826 Punkte
Guten Abend, Simone!
Ich würde tatsächlich schreiben (man sollte es nicht für möglich halten)
Zeile 2 ) der Löwenzahn ins Gras gebissen,
Zeile 5 ) Asphalt die klamme Haut zerrissen,
Zeile 6 ) wollte ich nicht ... und trotzdem bin
Zeile 7 ) ich wieder hier. Und trage - kann es fast nicht glauben -
anstatt: ich wieder hier. Und trag – ich kann es fast nicht glauben –
eventuell
Zeile 10) mit rohem Abschiedsfluch zerschellten
(hier bin ich nicht ganz sicher um den von Dir gewollten Ausdruck - es ist ja doch ein feiner Unterschied zu 'im rohen ..)
(Damals waren es die Hunde die verbellten,
nun ist es die Häme hinter dunklen Scheiben.)
Wenn es so ist, sollte der Unterschied der Zeit etwas klarer zum Ausdruck kommen.
Was spricht dagegen? (Das Kriterium, dann eine fünfte Zeile zu haben?)
Wie damals trüben Tränen meinen Blick.
Sie nicken - mit frommem Gruß,
doch niemand sieht mir in die Augen.
Es sähe es dann so aus:
Wieder zurück
Nach hause, wo im Kindersommer
der Löwenzahn ins Gras gebissen,
da wollte ich nie wieder hin.
Nach hause, wo in Winterkälte
Asphalt die klamme Haut zerrissen,
wollte ich nicht … und trotzdem bin
ich wieder hier. Und trage – kann es fast nicht glauben –
noch heute alte Furcht in meinen Taschen.
Vor harten Händen, spitzen Worten, vor den Flaschen
die hinter mir, mit rohem Abschiedsfluch, zerschellten.
Ich höre noch, wie ihre Hunde mich verbellten
und sehe hinter dunklen Scheiben Häme ticken.
Wie damals trüben Tränen meinen Blick.
Sie nicken zu mit frommem Gruß
– doch niemand sieht mir in die Augen.
(Soweit nur meine Vorstellung)
Ein ansprechendes Gedicht, das überzeugend wirkt -
und mir auch gefällt.
Mit Gruß!
Joame
Ich würde tatsächlich schreiben (man sollte es nicht für möglich halten)
Zeile 2 ) der Löwenzahn ins Gras gebissen,
Zeile 5 ) Asphalt die klamme Haut zerrissen,
Zeile 6 ) wollte ich nicht ... und trotzdem bin
Zeile 7 ) ich wieder hier. Und trage - kann es fast nicht glauben -
anstatt: ich wieder hier. Und trag – ich kann es fast nicht glauben –
eventuell
Zeile 10) mit rohem Abschiedsfluch zerschellten
(hier bin ich nicht ganz sicher um den von Dir gewollten Ausdruck - es ist ja doch ein feiner Unterschied zu 'im rohen ..)
(Damals waren es die Hunde die verbellten,
nun ist es die Häme hinter dunklen Scheiben.)
Wenn es so ist, sollte der Unterschied der Zeit etwas klarer zum Ausdruck kommen.
Was spricht dagegen? (Das Kriterium, dann eine fünfte Zeile zu haben?)
Wie damals trüben Tränen meinen Blick.
Sie nicken - mit frommem Gruß,
doch niemand sieht mir in die Augen.
Es sähe es dann so aus:
Wieder zurück
Nach hause, wo im Kindersommer
der Löwenzahn ins Gras gebissen,
da wollte ich nie wieder hin.
Nach hause, wo in Winterkälte
Asphalt die klamme Haut zerrissen,
wollte ich nicht … und trotzdem bin
ich wieder hier. Und trage – kann es fast nicht glauben –
noch heute alte Furcht in meinen Taschen.
Vor harten Händen, spitzen Worten, vor den Flaschen
die hinter mir, mit rohem Abschiedsfluch, zerschellten.
Ich höre noch, wie ihre Hunde mich verbellten
und sehe hinter dunklen Scheiben Häme ticken.
Wie damals trüben Tränen meinen Blick.
Sie nicken zu mit frommem Gruß
– doch niemand sieht mir in die Augen.
(Soweit nur meine Vorstellung)
Ein ansprechendes Gedicht, das überzeugend wirkt -
und mir auch gefällt.
Mit Gruß!
Joame
Das ist bequem, da muss man sich nur noch anschließen, weil alles gesagt wurde. Auch den kleinen Korrekturen würde ich mich weitgehend anschließen, plädierte aber dafür, Joame nicht alles abzunehmen, insbesondere nicht die Zerstörung der Sonettessa.
Ich würde dieses als Endfassung vorschlagen:
Wieder zurück
Nach Hause, wo im Kindersommer
der Löwenzahn ins Gras gebissen,
da wollte ich nie wieder hin.
Nach Hause, wo in Winterkälte
Asphalt die klamme Haut zerrissen,
ich wollte nie; und trotzdem bin
ich wieder hier. Und trage – es ist kaum zu glauben –
noch heute alte Furcht in meinen Taschen.
Vor harten Händen, spitzen Worten, vor den Flaschen
die hinter mir im rohem Abschiedsfluch zerschellten.
Ich höre noch, wie ihre Hunde mich verbellten
und sehe hinter dunklen Scheiben Häme ticken.
Wie damals trüben Tränen meinen Blick. Sie nicken
mit frommem Gruß – doch niemand sieht mir in die Augen.
Schönes Gedicht.
Beste Grüße
Nizza
Ich würde dieses als Endfassung vorschlagen:
Wieder zurück
Nach Hause, wo im Kindersommer
der Löwenzahn ins Gras gebissen,
da wollte ich nie wieder hin.
Nach Hause, wo in Winterkälte
Asphalt die klamme Haut zerrissen,
ich wollte nie; und trotzdem bin
ich wieder hier. Und trage – es ist kaum zu glauben –
noch heute alte Furcht in meinen Taschen.
Vor harten Händen, spitzen Worten, vor den Flaschen
die hinter mir im rohem Abschiedsfluch zerschellten.
Ich höre noch, wie ihre Hunde mich verbellten
und sehe hinter dunklen Scheiben Häme ticken.
Wie damals trüben Tränen meinen Blick. Sie nicken
mit frommem Gruß – doch niemand sieht mir in die Augen.
Schönes Gedicht.
Beste Grüße
Nizza
#6
von Simone • Mitglied | 1.674 Beiträge | 1674 Punkte
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in Ausgezeichnete Lyrik 22.11.2007 13:57von Simone • Mitglied | 1.674 Beiträge | 1674 Punkte
Besten Dank an alle, für eure Gedanken, Vorschläge und das Lob.
@ Margot
die beiden „hat“ habe ich raus genommen. die haben mir von Anfang an nicht gefallen, aber ich war mir nicht sicher, ob das sprachlich so zum Rest paßt.
die nickenden Tränen sind mir natürlich mal wieder nicht aufgefallen. jetzt stören sie mich, ich weiß aber nicht wie ich die raus kriegen kann, also laß ich es mal so.
@Joame
gerade das wollte ich eigentlich nicht, weil das LI Vergangenes und Gegenwart praktisch gleichzeitig erlebt und vermischt.
@nizza
gern übernommen. Danke.
xXxXxXxXxXx
geht nicht, die Zeilen sehen so aus:
xXxXxXxXxXxXx
gefällt mir eigentlich auch gut, aber irgendwas stimmt da nicht, wenn ich die Strophe dann im Zusammenhang lese. ich weiß allerdings nicht was. evtl die Satzzeichen?
Gruß an alle
Simone
PS
warum beschwert sich eigentlich niemand über den Titel? der ist doch doof, oder?
@ Margot
die beiden „hat“ habe ich raus genommen. die haben mir von Anfang an nicht gefallen, aber ich war mir nicht sicher, ob das sprachlich so zum Rest paßt.
die nickenden Tränen sind mir natürlich mal wieder nicht aufgefallen. jetzt stören sie mich, ich weiß aber nicht wie ich die raus kriegen kann, also laß ich es mal so.
@Joame
Zitat: |
sollte der Unterschied der Zeit etwas klarer zum Ausdruck kommen |
gerade das wollte ich eigentlich nicht, weil das LI Vergangenes und Gegenwart praktisch gleichzeitig erlebt und vermischt.
@nizza
Zitat: |
Und trage – es ist kaum zu glauben – |
gern übernommen. Danke.
Zitat: |
noch heute alte Furcht in meinen Taschen. |
xXxXxXxXxXx
geht nicht, die Zeilen sehen so aus:
xXxXxXxXxXxXx
Zitat: |
ich wollte nie; und trotzdem bin |
gefällt mir eigentlich auch gut, aber irgendwas stimmt da nicht, wenn ich die Strophe dann im Zusammenhang lese. ich weiß allerdings nicht was. evtl die Satzzeichen?
Gruß an alle
Simone
PS
warum beschwert sich eigentlich niemand über den Titel? der ist doch doof, oder?
#7
von Joame Plebis • | 3.690 Beiträge | 3826 Punkte
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in Ausgezeichnete Lyrik 22.11.2007 14:13von Joame Plebis • | 3.690 Beiträge | 3826 Punkte
Hallo ninniach,
ja, mit der Furcht hast du recht, ich hatte das ungeprüft von Joame übernommen, das soll man nicht tun. Was die Satzzeichen angeht, bin ich selbst unsicher. Als Schreiber hätte ich auch das Semikolon weggelassen und "Ich wollte nie und trotzdem bin ich wieder hier" geschrieben. Das geht meiner Meinung nach absolut in Ordnung, ich hätte dafür jedenfalls die poetische Lizenz. Getraue dich!
ja, mit der Furcht hast du recht, ich hatte das ungeprüft von Joame übernommen, das soll man nicht tun. Was die Satzzeichen angeht, bin ich selbst unsicher. Als Schreiber hätte ich auch das Semikolon weggelassen und "Ich wollte nie und trotzdem bin ich wieder hier" geschrieben. Das geht meiner Meinung nach absolut in Ordnung, ich hätte dafür jedenfalls die poetische Lizenz. Getraue dich!
#11
von Brotnic2um • Mitglied | 645 Beiträge | 645 Punkte
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in Ausgezeichnete Lyrik 22.11.2007 20:10von Brotnic2um • Mitglied | 645 Beiträge | 645 Punkte
Hallo Simone,
auch mir gefällt dieses Gedicht, wiewohl es eine so ganz anders geartete Kindheit umreisst, als ich sie erlebte, und deshalb auch nicht den Widerhall findet, wie er bei gleichartig Erlebtem möglich wäre.
So kann ich mich mehr auf die äußere Facon Deines Textes beziehen.
Da fiel mir in S1 natürlich der Löwenzahn auf, der ins Gras gebissen hat. Diese hervorstechende Formulierung kommt mir derart bekannt vor - und ich wüßte nicht, ob ich sie tatsächlich schon las - das ich ein merkwürdiges Befremden spürte.
Beim Lesen lenkte mich die Vexierbarkeit im Ausdruck vom eigentlichen Verstehen ab, mein Problem, sicherlich. Laß Dir Deine Wortfindungen also nicht von mir ausreden. Mir ist diese jedoch eindeutig zu sehr Effekt haschend. Erst nach mehrmaligem erneuten Lesen konnte ich mich damit anfreunden. Jetzt geht sie in Ordnung.
In S2 wird mir nicht ganz klar, ob ein Sturz gemeint ist? Wie sonst könnte Asphalt die klamme Haut zerreißen? Das Enjambement finde ich sehr faszinierend und gut gesetzt, um aus dem Prolog in medias res zu gehen, und zu den Quartetten zu wechseln. Gefällt mir sehr.
Die gesamte Schilderung ist sehr eingänglich und gradlinig vorgenommen, das Reimschema ist mir zwar nicht bekannt, jedoch störte es mich nur beim finalen Reim, falls der als Brückenschlag zu S3V1 in einer Assonanz aufgehen soll - mir war das zu weit. Da also, im letzten Vers, wird nochmals etwas abgebrochen, verunsichert. Im Formellen sicherlich treffend gesetzt.
Etwas ungünstig finde ich "Sie" in S4V3, das sind bis zum Zeilenende die Augen und dann der Bedeutungswechsel hin zu Personen, die überhaupt nicht auftreten. Denn es werden ausschließlich Verhältnisse / Geschehnisse unpersonifiziert dargestellt. Angehörige? Interessanter Aspekt - ja, bei längerem Überlegen kann mich das sogar überzeugen... denn es ist ja nichts anderes, als ein Nicht-in-die-Augen-Schauen des LI - da bleibt noch eine ganze Menge in den Taschen. Ja.
Ich bevorzuge Gedichte, die ihren Stimulus direkt entwickeln. Bei solchen, denen ich erst nach geraumer Zeit eine Entdeckung abgewinnen kann, bleibe ich eher zwiespältig. Dennoch geht das in diesem Fall auf's Beste für mich zusammen.
Da passt m.E. der Titel auch ganz hervorragend. Dieses ist ein ganz besonderes Zuhause: vereinnahmend und unterdrückend. Vermutlich eines, vor dem man nie flüchten kann, auch wenn man's wollte. Ein Anti-Zuhause, sozusagen.
Gruß
Ulrich
auch mir gefällt dieses Gedicht, wiewohl es eine so ganz anders geartete Kindheit umreisst, als ich sie erlebte, und deshalb auch nicht den Widerhall findet, wie er bei gleichartig Erlebtem möglich wäre.
So kann ich mich mehr auf die äußere Facon Deines Textes beziehen.
Da fiel mir in S1 natürlich der Löwenzahn auf, der ins Gras gebissen hat. Diese hervorstechende Formulierung kommt mir derart bekannt vor - und ich wüßte nicht, ob ich sie tatsächlich schon las - das ich ein merkwürdiges Befremden spürte.
Beim Lesen lenkte mich die Vexierbarkeit im Ausdruck vom eigentlichen Verstehen ab, mein Problem, sicherlich. Laß Dir Deine Wortfindungen also nicht von mir ausreden. Mir ist diese jedoch eindeutig zu sehr Effekt haschend. Erst nach mehrmaligem erneuten Lesen konnte ich mich damit anfreunden. Jetzt geht sie in Ordnung.
In S2 wird mir nicht ganz klar, ob ein Sturz gemeint ist? Wie sonst könnte Asphalt die klamme Haut zerreißen? Das Enjambement finde ich sehr faszinierend und gut gesetzt, um aus dem Prolog in medias res zu gehen, und zu den Quartetten zu wechseln. Gefällt mir sehr.
Die gesamte Schilderung ist sehr eingänglich und gradlinig vorgenommen, das Reimschema ist mir zwar nicht bekannt, jedoch störte es mich nur beim finalen Reim, falls der als Brückenschlag zu S3V1 in einer Assonanz aufgehen soll - mir war das zu weit. Da also, im letzten Vers, wird nochmals etwas abgebrochen, verunsichert. Im Formellen sicherlich treffend gesetzt.
Etwas ungünstig finde ich "Sie" in S4V3, das sind bis zum Zeilenende die Augen und dann der Bedeutungswechsel hin zu Personen, die überhaupt nicht auftreten. Denn es werden ausschließlich Verhältnisse / Geschehnisse unpersonifiziert dargestellt. Angehörige? Interessanter Aspekt - ja, bei längerem Überlegen kann mich das sogar überzeugen... denn es ist ja nichts anderes, als ein Nicht-in-die-Augen-Schauen des LI - da bleibt noch eine ganze Menge in den Taschen. Ja.
Ich bevorzuge Gedichte, die ihren Stimulus direkt entwickeln. Bei solchen, denen ich erst nach geraumer Zeit eine Entdeckung abgewinnen kann, bleibe ich eher zwiespältig. Dennoch geht das in diesem Fall auf's Beste für mich zusammen.
Da passt m.E. der Titel auch ganz hervorragend. Dieses ist ein ganz besonderes Zuhause: vereinnahmend und unterdrückend. Vermutlich eines, vor dem man nie flüchten kann, auch wenn man's wollte. Ein Anti-Zuhause, sozusagen.
Gruß
Ulrich
#14
von Simone • Mitglied | 1.674 Beiträge | 1674 Punkte
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in Ausgezeichnete Lyrik 23.11.2007 14:05von Simone • Mitglied | 1.674 Beiträge | 1674 Punkte
Hallo Ulrich
„ins Gras beißen“ ist ja auch kein wirklich neuer Ausdruck. ich selbst hörte ihn schon des Öfteren, wenn auch nicht in Verbindung mit Löwenzahn. ich habe vorsichtshalber mal gegoogelt, auf die Schnelle aber nichts gefunden, so dass ich dein merkwürdiges Befremden leider nicht Vollständig beseitigen kann.
darauf würde ich gerne etwas erwidern, wenn ich wüsste was „Vexierbarkeit“ sein soll. leider weiß es google auch nicht.
nun, das wird wohl so gewesen sein. oder was auch immer man sich vorstellen mag.
das Reimschema ist mir auch nicht bekannt, das hat sich einfach so ergeben. dass du es als trefflich umgesetzt bezeichnest, obwohl es dich stört, freut mich natürlich sehr.
das „Sie“ wurde ja bereits angesprochen (siehe oben) und würde sich nicht auf die Augen, die gar nicht erwähnt werden, beziehen, sondern auf die Tränen.
das vorher keine Personen auftreten, kann ich nicht ganz nachvollziehen. von S3V3 bis S4V4 geht es doch dauernd um die Personen. das müsstest du mir bitte näher erläutern.
schön, dass es dir gefällt, obwohl es dir nicht gefällt. ich persönlich mag es ja eher, wenn sich der Stimulus langsam entwickelt, aber das hängt natürlich von persönlichen Präferenzen ab.
ja, den Titel werde ich wohl so lassen, da mir sowieso nichts Besseres einfällt.
Besten Dank und Gruß
Simone
Zitat: |
Da fiel mir in S1 natürlich der Löwenzahn auf, der ins Gras gebissen hat. Diese hervorstechende Formulierung kommt mir derart bekannt vor - und ich wüßte nicht, ob ich sie tatsächlich schon las - das ich ein merkwürdiges Befremden spürte. |
„ins Gras beißen“ ist ja auch kein wirklich neuer Ausdruck. ich selbst hörte ihn schon des Öfteren, wenn auch nicht in Verbindung mit Löwenzahn. ich habe vorsichtshalber mal gegoogelt, auf die Schnelle aber nichts gefunden, so dass ich dein merkwürdiges Befremden leider nicht Vollständig beseitigen kann.
Zitat: |
Beim Lesen lenkte mich die Vexierbarkeit im Ausdruck vom eigentlichen Verstehen ab, mein Problem, sicherlich. Laß Dir Deine Wortfindungen also nicht von mir ausreden. Mir ist diese jedoch eindeutig zu sehr Effekt haschend. Erst nach mehrmaligem erneuten Lesen konnte ich mich damit anfreunden. Jetzt geht sie in Ordnung. |
darauf würde ich gerne etwas erwidern, wenn ich wüsste was „Vexierbarkeit“ sein soll. leider weiß es google auch nicht.
Zitat: |
In S2 wird mir nicht ganz klar, ob ein Sturz gemeint ist? Wie sonst könnte Asphalt die klamme Haut zerreißen? |
nun, das wird wohl so gewesen sein. oder was auch immer man sich vorstellen mag.
Zitat: |
Die gesamte Schilderung ist sehr eingänglich und gradlinig vorgenommen, das Reimschema ist mir zwar nicht bekannt, jedoch störte es mich nur beim finalen Reim, falls der als Brückenschlag zu S3V1 in einer Assonanz aufgehen soll - mir war das zu weit. Da also, im letzten Vers, wird nochmals etwas abgebrochen, verunsichert. Im Formellen sicherlich treffend gesetzt. |
das Reimschema ist mir auch nicht bekannt, das hat sich einfach so ergeben. dass du es als trefflich umgesetzt bezeichnest, obwohl es dich stört, freut mich natürlich sehr.
Zitat: |
Etwas ungünstig finde ich "Sie" in S4V3, das sind bis zum Zeilenende die Augen und dann der Bedeutungswechsel hin zu Personen, die überhaupt nicht auftreten. Denn es werden ausschließlich Verhältnisse / Geschehnisse unpersonifiziert dargestellt. Angehörige? Interessanter Aspekt - ja, bei längerem Überlegen kann mich das sogar überzeugen... denn es ist ja nichts anderes, als ein Nicht-in-die-Augen-Schauen des LI - da bleibt noch eine ganze Menge in den Taschen. Ja. |
das „Sie“ wurde ja bereits angesprochen (siehe oben) und würde sich nicht auf die Augen, die gar nicht erwähnt werden, beziehen, sondern auf die Tränen.
das vorher keine Personen auftreten, kann ich nicht ganz nachvollziehen. von S3V3 bis S4V4 geht es doch dauernd um die Personen. das müsstest du mir bitte näher erläutern.
Zitat: |
Ich bevorzuge Gedichte, die ihren Stimulus direkt entwickeln. Bei solchen, denen ich erst nach geraumer Zeit eine Entdeckung abgewinnen kann, bleibe ich eher zwiespältig. Dennoch geht das in diesem Fall auf's Beste für mich zusammen. |
schön, dass es dir gefällt, obwohl es dir nicht gefällt. ich persönlich mag es ja eher, wenn sich der Stimulus langsam entwickelt, aber das hängt natürlich von persönlichen Präferenzen ab.
Zitat: |
Da passt m.E. der Titel auch ganz hervorragend. Dieses ist ein ganz besonderes Zuhause: vereinnahmend und unterdrückend. Vermutlich eines, vor dem man nie flüchten kann, auch wenn man's wollte. Ein Anti-Zuhause, sozusagen. |
ja, den Titel werde ich wohl so lassen, da mir sowieso nichts Besseres einfällt.
Besten Dank und Gruß
Simone
Hallo Simone -
ich habe die Vorkommentare nur überflogen und aus den Tränen Augen gemacht - sorry, sonst hätte ich das "die" nicht bemühen müssen und keinen Stuß erzählt.
Dennoch .. wie komme ich dazu, zu behaupten, es würden " ausschließlich Verhältnisse / Geschehnisse unpersonifiziert dargestellt" ?
Ganz einfach:
Ich fragte mich, wessen Hunde da bellten, wessen harte Hände, wessen spitze Worte, wesse Häme hinter Scheiben lauert, und fand niemanden. War es die Familie, die Nachbarn, irgendwer spezielles, oder einfach alle? Oder mit Otto 4alle?
In der Unbestimmtheit, der fehlenden Präzision genau zu benennen, sah ich deshalb eine Andeutung zu einem vergleichbaren Verhalten wie dem Nicht-in-die-Augenschauen derer, die nicht benannt sind.
Eigentlich geht es ja nicht um die Personen, sondern tatsächlich nur um das unbestimmte, das von damals in den Taschen mitgebracht wurde, der psychische Krümelkratz.
Das wiederum gefiel mir. Und es half mir darüber hinweg, keine Antwort auf die Frage zu finden: wer hat das Zuhause derart vergällt?
Gruß
Ulrich
ich habe die Vorkommentare nur überflogen und aus den Tränen Augen gemacht - sorry, sonst hätte ich das "die" nicht bemühen müssen und keinen Stuß erzählt.
Dennoch .. wie komme ich dazu, zu behaupten, es würden " ausschließlich Verhältnisse / Geschehnisse unpersonifiziert dargestellt" ?
Ganz einfach:
Ich fragte mich, wessen Hunde da bellten, wessen harte Hände, wessen spitze Worte, wesse Häme hinter Scheiben lauert, und fand niemanden. War es die Familie, die Nachbarn, irgendwer spezielles, oder einfach alle? Oder mit Otto 4alle?
In der Unbestimmtheit, der fehlenden Präzision genau zu benennen, sah ich deshalb eine Andeutung zu einem vergleichbaren Verhalten wie dem Nicht-in-die-Augenschauen derer, die nicht benannt sind.
Eigentlich geht es ja nicht um die Personen, sondern tatsächlich nur um das unbestimmte, das von damals in den Taschen mitgebracht wurde, der psychische Krümelkratz.
Das wiederum gefiel mir. Und es half mir darüber hinweg, keine Antwort auf die Frage zu finden: wer hat das Zuhause derart vergällt?
Gruß
Ulrich
#16
von Simone • Mitglied | 1.674 Beiträge | 1674 Punkte
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in Ausgezeichnete Lyrik 26.11.2007 11:26von Simone • Mitglied | 1.674 Beiträge | 1674 Punkte
Hi Ulrich
Mit unpersonifiziert hast du schon recht. Das LI kommt nach Hause, und während es durch das Dorf geht, kommen die Erinnerungen wieder hoch und es sieht alles deutlich vor sich, praktisch gleichzeitig mit den Eindrücken die es im Moment hat. Und die Leute die ihn grüßen als ob nichts gewesen wäre, sind dieselben von damals. Das hast du doch auch so gelesen, wenn ich dich richtig verstanden habe. Wer das nun genau war ist natürlich nicht beschrieben, aber ist das so wichtig? Das kann sich doch jeder vorstellen wie er mag.
Gruß Simone
Mit unpersonifiziert hast du schon recht. Das LI kommt nach Hause, und während es durch das Dorf geht, kommen die Erinnerungen wieder hoch und es sieht alles deutlich vor sich, praktisch gleichzeitig mit den Eindrücken die es im Moment hat. Und die Leute die ihn grüßen als ob nichts gewesen wäre, sind dieselben von damals. Das hast du doch auch so gelesen, wenn ich dich richtig verstanden habe. Wer das nun genau war ist natürlich nicht beschrieben, aber ist das so wichtig? Das kann sich doch jeder vorstellen wie er mag.
Gruß Simone
wenn ich wüsste, was "Häme", für das ich im Internet keine passende Erklärung fand, bedeutet, täte ich mir leichter, zu diesem Text einen Zugang zu finden, aber das ist ja wohl kaum in der Absicht des Autors?
ein verwirrter Primel
ein verwirrter Primel
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