#1

Fest der gemischten Gefühle

in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 09.12.2007 19:26
von Krabü2 (gelöscht)
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Fest der gemischten Gefühle

'klatsch' – Das hat wieder gesessen. Der Mutter ist die Tasse aus der Hand gerutscht. Wenn ihr so etwas passiert, wird sie immer wütend. Sie haben nicht so viele Tassen und Teller, und deshalb müssen sie allesamt auch aufpassen auf das, was da ist. Er ist froh, dass es ihm nicht passiert ist. So gab es nur eine Ohrfeige; wer weiß, was passiert wäre, hätte er nicht nur in der Nähe gestanden. Und doch ist er schuld, eben, weil er gerade dort stand. Sicher hat sie sich erschrocken. Seinetwegen.

Er hält sich die glühende Wange und rennt raus, direkt ins Bad. Dort versucht er, Tränen kommen zu lassen, aber es will nicht klappen. Er mache sich bettfertig: 'Pippi machen, Hände waschen, Zähne putzen und dann ab ins Bett' – wie Papa immer sagt. Der Vater hat das in der Küche nicht mitbekommen. Schlafen ist am wenigsten gefährlich. Noch weniger als Lesen. Außer den Träumen. Die machen ihm Angst. Weil sie so oft böse sind. Andreas betet jedes Mal, so, wie es sich gehört und wie er soll: 'Ich bin klein, mein Herz ist rein, darf niemand drin wohnen, als Jesus allein.' Auch heute wieder. Er hofft, dass ihm der liebe Gott hilft, das eines Tages wahr werden zu lassen.

'Du sollst Vater und Mutter ehren, auf dass es dir wohl ergehe und du lange lebest auf Erden.'
'Was soll ich denn nun? Gott oder meine Mutter. Oder ist das dasselbe? Vielleicht bin ich der Hölle geweiht, und vielleicht kommen meine Träume daher, dass ich einfach nicht gut sein kann – oder nicht gut genug.'
Immer wieder hat er diese Zweifel.
'Du machst mich krank', schrie seine Mutter eben. 'Geh' mir aus dem Weg!'
Er versteht sie. Und doch: Heute denkt er wieder, es wäre gar nicht schlecht, wenn sie krank würde. Wenn sie einfach nicht mehr da wäre. Einfach so.

Bald ist Weihnachten. Da gibt es viel zu tun. Seit Tagen ist das Wohnzimmer abgeschlossen. Da ist sein Vater drin. Mit dem Christkind zusammen. Er oder das Christkind oder Beide schmücken den Baum und dekorieren den Gabentisch. Keiner sonst darf da hinein, auch seine älteren Geschwister nicht.

Morgen ist es so weit. Sie werden erst in die Kirche gehen. Danach wird Bescherung sein. Er wünscht sich wie jedes Jahr, dass seine Eltern sich mal in den Arm nehmen. Vielleicht würde das was ändern. Aber sie schreien sich immer an oder reden nicht miteinander. Auch diese Stille ist so laut, dass Andreas am liebsten abhauen würde.

Ob er diesmal das Christkind noch sehen wird? Letztes Jahr sagte sein Vater: 'Gerade ist es aus dem Fenster geflogen!' Er war auf den Balkon gelaufen, wollte es noch sehen, ihm winken. 'Danke' hinterherrufen. Er hat es nicht mehr gesehen. Geweint hat er deshalb.

Doch was ihm bleibt, ist die Hoffnung, dass es noch etwas Anderes gibt, irgendwo. Vielleicht findet er es irgendwann einmal.
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#2

Fest der gemischten Gefühle

in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 09.12.2007 22:37
von Joame Plebis | 3.690 Beiträge | 3826 Punkte
Oh, liebe Kratzbürste! Weihnachten, Kinder, deren Vorstellungen und das Beten. Eine kurze Geschichte eines kleinen Ausschnittes einer x-beliebigen Familie.

Könnte gut sein, wären da nicht so viele stilistische 'Hopser'und einiges nicht eindeutig klar ausgedrückt. Aber es kann ja auch deshalb sein, weil Du jetzt, eben vor Weihnachten weniger Zeit als sonst hast, etwas unter Streß bist, das wäre möglich.

Zitat:

wer weiß, was passiert wäre, hätte er nicht nur in der Nähe gestanden.


hätte er gestanden - wäre er gestanden
nicht nur in der Nähe - der Satz ist mir nicht ganz klar

Zitat:

Schlafen ist am wenigsten gefährlich. Noch weniger als Lesen. Außer den Träumen. Die machen ihm Angst. Weil sie so oft böse sind.

Die Passage gefällt mir, vielleicht wegen der etwas kindlichen, unschuldig anmutenden und einfachen Ausdrucksweise.
Auch diese Stelle:
Zitat:

Seit Tagen ist das Wohnzimmer abgeschlossen. Da ist sein Vater drin.

sehr einfach gehalten, vermutlich um die kinliche Denkweise auszudrücken.
Doch mir als Leser würde das auf Dauer meinen Ansprüchen nicht genügen. - Das sind so meine Gedanken.
Selbstverständlich wird mir bewußt, daß ich Deine Schreibart nicht mit dem Schreibstil im soeben zugeschlagenen Buch vergleichen darf.
(Wer soeben ein fein belegtes Brötchen aß, dem mundet unmittelbar darauf nicht der Biß von einem Stück Brot, auch wenn es ein vollwertiges Naturprodukt ist.)

Mit Gruß
Joame
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