„Waldwegig II“
Bis ins Dunkle hinein bei leichten Schneeumarmungen am Waldrand gejoggt/gegangen/geschlendert, bis zu unserer Bank, wo du damals nach einem Wort gesucht hast für uns beide, für unseren Zustand. Vorhin musste ich wieder daran denken, wie ich immerzu daran denken muss, wenn ich n die Nähe unserer Bank komme. Mittlerweile ist es gar so, dass mir diese Gedanken ins Hirn klettern, sobald ich nur den Namen Bank denke. Verstehst du das? Ich auch. Sehr gut sogar. Nur, so glaube ich, geht es heute nicht mehr darum, auf der Flucht zu sein. Zum 1. Mal seit 20 Jahren bin ich nicht mehr auf der Flucht. Jetzt begegne ich den Dingen anders, mit einem Wort, einem Gefühl, einer Erinnerung, das mich nicht mehr gleich runterzieht, sondern hinter der Haut meines Gesichtes leicht macht und lächeln lässt. Es kriecht dazwischen nun überall herum. Und es kitzelt mich. Und ich muss allein deswegen grinsen, so für mich, weißt du, wenn du dich über etwas freust und es niemandem mitteilen willst, es dich aber von innen aushöhlt und allmählich schweben lässt, ein paar Zentimeter über dem Boden, am Wald entlang, bis hin zu unserer Bank und wieder davon weg: waldwegig. Hört sich ein bisschen nach abwegig an, findest du nicht?
Ich weiß genau, was du jetzt denkst. Allein dafür wird mein Leben ein ständiger Zustrom zu dir sein. Waldabwegig. Das denkst du. Ich seh es an deinem Lächeln. Versteckt süffisant. Wie immer. Nur ein Blinder sieht es dir nicht an. Nein. Der auch. Nur ein Autist würde in dir nichts sehen.
Ich weiß, ich bin ungerecht. Wie immer. Das hast du mir immer schon vorgeworfen. Aber ist man das nicht schon, wenn man etwas denkt oder fühlt? Muss man nicht ungerecht sein, um sich selbst zu positionieren? Muss man es nicht sein, um sich abzugrenzen? Und abgrenzen heißt doch – sagtest du das nicht einmal – sein Ich finden wollen. Finden müssen, hab ich gekontert. Und du drehtest dein Gesicht zu mir und wolltest eine Wiederholung. Ich wusste gleich, dass du mich verstanden hattest. Und ich nickte dir eins zurück. Etwas abwegig, ich weiß. Aber wir waren ja auf unserer Bank. Und nahe genug am Wald. Einatmige Blätter von so hohen Bäumen um uns herum. Es waren nur andere Stimmen. Flüsternde. Umarmungen. Wie vorhin beim Joggen. Der Schnee. Weißt du. Dass ich mich zum ersten Mal gefunden zu haben schien. Ich traue mich kaum, es dir zu sagen. Nicht weil du mir eine Szene machen könntest. Nein, weil du mich verstehen könntest. Denn dann braucht man kein Wort mehr. Kein einziges mehr. Und ich weiß, dass du mir hintergrinst/-lächelst und abwaldig denkst – da schoss eine Schneeflocke von weit her (ich glaube, sie kam aus der Unendlichkeit) in mein Gesicht, mitten auf meinen Mund. Sie blieb zwischen meinen Lippen stecken…