#1

Verlass

in Liebe und Leidenschaft 09.06.2008 15:16
von GerateWohl • Mitglied | 2.015 Beiträge | 2015 Punkte
Verlass

Ihre linke Hand geht einfach
fort, zur Tür hinaus, und
nimmt sich dabei von ihr mit,
soviel sie tragen kann -
die Hälfte fast, so schätze ich.

Der Rest in meinem Arm
lächelt - vielleicht -
zwinkert oder schläft?
Ich kann geteilte Gesichter
einfach nicht mehr lesen.

Als ich aufstehe,
die Tür zu schließen,
falle ich hin, und bemerke, dass
die linke meine rechte Hand
wohl doch
noch immer halten muss.

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#2

Verlass

in Liebe und Leidenschaft 17.06.2008 10:26
von Feo (gelöscht)
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Ich mag den Text.
Nicht etwa, dass ich ganz durchsteigen würde, wer oder was warum gegangen ist, warum das lyrische Du also nur noch halb anwesend ist, aber das brauche ich auch nicht, um die Stimmung aufzunehmen, dieses Bizarre, das liebevolle, hilflose, wehmütige Vermissen, das Gefühl, dass einem jemand nicht mehr ganz gehört. Wenn mir selbst nicht so warm und wohl ums Herz wäre, würde ich wohl ein Fremdgehen des LyrDus hineininterpretieren oder ein schleichendschlichtes Auseinanderleben, so aber will ich mir nur dieses Vermissen herauspicken aus deinem Text.

Gut auch die subtile Unterstreichung der Ambivalenz in V7 und in V9, bei den geteilten Gesichtern, durch den metrischen Bruch der ansonsten durchweg alternierenden Betonung. Dir ist es gelungen, Schmerz ohne Anflug von Larmoyanz in innovativen Bildern darzustellen.

LG, Feo
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#3

Verlass

in Liebe und Leidenschaft 23.06.2008 20:40
von Maya (gelöscht)
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Hi GW,

"aufstehe" fände ich in der letzten Zeile vom Klang her schöner. Die Formulierung "wohl doch noch immer" wirkt etwas hölzern auf mich. Das "doch" ist in meinen Augen überflüssig. Inhaltlich erschließt sich mir der Text auch nicht ganz, doch bin ich von Natur aus leider sehr neugierig und würde es schon gern verstehen. Für mich geht es um Entfremdung in einer Beziehung. Das lyrI hat das Gefühl, von der Frau verlassen zu werden und schließt mit der Sache fast ab. Just in dem Moment, wo die Trennung - hier durch die Tür symbolisiert - auch von ihm aus vollzogen werden soll, wird klar, dass die Frau noch an ihm hängt. Vielleicht hat sie sich besonnen oder auch nur Angst, die Trennung durchzuziehen, so dass sie immer wieder dann zurückkommt, wenn das lyrI dabei ist, sie vollends aufzugeben. Auf mich wirkt auch das Ende nicht unbedingt versöhnlich, es macht eher den Eindruck, als ob sie nicht genau wisse, was sie wolle bzw. gerne gehen würde (vielleicht aus verstandesmäßigen Gründen), aber doch noch nicht kann (Herz).

Schöne Idee.
Gruß, Maya
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#4

Verlass

in Liebe und Leidenschaft 25.06.2008 13:45
von GerateWohl • Mitglied | 2.015 Beiträge | 2015 Punkte
Hi Feo, Maya,

nach langer Zeit... meine Antwort.
Besonders freue ich mich natürlich über die lobenden Worte, die auf ein mögliches Geglücktsein des Experiments hindeuten.

Eure interpretationen hinsichtlich des Auseinanderlebens treffen den Text schon gut. Inwieweit ein Teil des Du wirklich geht oder dies nur die Wahrnehmung oder Sicht des Ich ist, wollte ich bewusst offenlassen, weil genau diese Unsicherheit sich auch in dem lyr. Ich wiederspiegeln soll.
Ist der Verlust da? Fehlt das halbe Du? Oder nur die Sicht? Fehlt das halbe Ich? Geht das überhaupt? Und wenn nein, was ging dann wirklich vor sich.
Das Schließen der Tür sollte den Wunsch des Ich zeigen, Klarheit in der Situation zu schaffen, einen Strich zu ziehen. Doch wirft dies nur noch mehr Fragen auf, die letztendlich zum Ich selbst zurück führen, wobei der Schluss auch Hoffnung ausdrücken sollte.

So weit meine Intention. Ich hoffe, das Gedicht besteht auch noch so weit bei Euch trotz der Erklärung.
Danke für Eure Kommentare.

@Maya: Das "aufstehe" übernehme ich gerne, da ich so eine Elision spare. Mit dem "doch" bin ich mir unsicher. Danke jedenfalls!

Grüße,
GW

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