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Höhlenangst
In welcher Höhle hast du dich verkrochen
und achtest voller Angst auf jeden Schritt?
Der Tod geht nicht vorbei, er nimmt dich mit,
sein Urteil ist gefällt und ausgesprochen
verdient. Wer hätte Schlimmeres verbrochen,
als der, der selbst am fürchterlichsten litt,
trotz alledem zum Täter wurde. Ritt
der Teufel dich? Hast du ihn nicht gerochen,
wie er als Schwefel schwitzender Levit
den Himmel auf der Erde dir versprochen?
Wie übel stinkt, wie fest hält dieser Kitt
den Höllenfürst und seine Diadochen,
dass niemand seinen Fängen je entglitt,
den man nicht mit Gewalt heraus gebrochen?
In welcher Höhle hast du dich verkrochen
und achtest voller Angst auf jeden Schritt?
Der Tod geht nicht vorbei, er nimmt dich mit,
sein Urteil ist gefällt und ausgesprochen
verdient. Wer hätte Schlimmeres verbrochen,
als der, der selbst am fürchterlichsten litt,
trotz alledem zum Täter wurde. Ritt
der Teufel dich? Hast du ihn nicht gerochen,
wie er als Schwefel schwitzender Levit
den Himmel auf der Erde dir versprochen?
Wie übel stinkt, wie fest hält dieser Kitt
den Höllenfürst und seine Diadochen,
dass niemand seinen Fängen je entglitt,
den man nicht mit Gewalt heraus gebrochen?
#2
von GerateWohl • Mitglied | 2.015 Beiträge | 2015 Punkte
Höhlenangst
in Philosophisches und Grübeleien 04.09.2008 09:29von GerateWohl • Mitglied | 2.015 Beiträge | 2015 Punkte
Boah.
Hallo Mattes,
ohne jetzt in eine seichte Endloslobhudelei verfallen zu wollen, bin ich recht platt, wie Du es schaffst, solche Texte mit diesen durchgängigen Reimen so tadellos zu bauen. Man kann mit Kartoffelstempeln offensichtlich beachtliches schaffen.
Inhaltlich bin ich mir nicht ganz einig. Es gibt außer dem angesprochenen Du hier noch zwei Akteure, den Tod und den Teufel. Der Tod wird als unausweichlich dargestellt, und vor dem hat das Du offenslcihtlich Angst. Das lyrische Ich zieht jedoch in Zweifel, dass der Teufel auch unausweichlich ist. Das Du hätte ihn doch nur "riechen" brauchen. Er ist doch offensichtlich. Den Teufel wählt man also selbst.
Wenn ich diese beiden Sichten kombiniere, dann könnte man denken, es geht darum, dass die Angst vor dem Tod vielleicht aus einer christlichen Prägung heraus vielleicht die Angst vor dem Teufel ist, die Angst in die Hölle zu kommen. Erkenne und vermeide ich also im Leben den Satan, so nähme mir das vielleicht auch die Angst vor dem Unausweichlichen? Höhle als Metapher für die Hölle, die man sich zu Lebzeiten selbst sucht. So verstehe ich das.
Das interessante in dem Zusammenhang ist zusätzlich, dass das lyrische ich durch seine etwas launige Ausführung zu dem Thema hier nicht allwissend und naseweis daher kommt, sondern durch nur drei indirekte Fragen den Zusammenhang zwischen Schuld und Todesangst aufwirft.
Auf jeden Fall macht es Laune das zu lesen. Einzig den seltsamen Übergang zwischen Strophe 1 und 2 finde ich etwas gewöhnungsbedürftig. Habe ich beim lesen den Eindruck, dass der Dichter nach dem "ausgesprochen" dachte: Nee, wenn das Urteil ausgesprochen ist, dann wär der ja schon tot. Das entschärfe ich mal mit dem "verdient". Es kommt mir vor wie der Effekt bei Matthias Reim: "Verdammt ich will dich, ich will dich nicht, ich will dich nicht verliern". Aber vielleicht geht's mir auch nur beim ersten Lesen so.
Das Ding ist jedenfalls stark. Und der Titel passt auch.
Viele Grüße,
GW
Hallo Mattes,
ohne jetzt in eine seichte Endloslobhudelei verfallen zu wollen, bin ich recht platt, wie Du es schaffst, solche Texte mit diesen durchgängigen Reimen so tadellos zu bauen. Man kann mit Kartoffelstempeln offensichtlich beachtliches schaffen.
Inhaltlich bin ich mir nicht ganz einig. Es gibt außer dem angesprochenen Du hier noch zwei Akteure, den Tod und den Teufel. Der Tod wird als unausweichlich dargestellt, und vor dem hat das Du offenslcihtlich Angst. Das lyrische Ich zieht jedoch in Zweifel, dass der Teufel auch unausweichlich ist. Das Du hätte ihn doch nur "riechen" brauchen. Er ist doch offensichtlich. Den Teufel wählt man also selbst.
Wenn ich diese beiden Sichten kombiniere, dann könnte man denken, es geht darum, dass die Angst vor dem Tod vielleicht aus einer christlichen Prägung heraus vielleicht die Angst vor dem Teufel ist, die Angst in die Hölle zu kommen. Erkenne und vermeide ich also im Leben den Satan, so nähme mir das vielleicht auch die Angst vor dem Unausweichlichen? Höhle als Metapher für die Hölle, die man sich zu Lebzeiten selbst sucht. So verstehe ich das.
Das interessante in dem Zusammenhang ist zusätzlich, dass das lyrische ich durch seine etwas launige Ausführung zu dem Thema hier nicht allwissend und naseweis daher kommt, sondern durch nur drei indirekte Fragen den Zusammenhang zwischen Schuld und Todesangst aufwirft.
Auf jeden Fall macht es Laune das zu lesen. Einzig den seltsamen Übergang zwischen Strophe 1 und 2 finde ich etwas gewöhnungsbedürftig. Habe ich beim lesen den Eindruck, dass der Dichter nach dem "ausgesprochen" dachte: Nee, wenn das Urteil ausgesprochen ist, dann wär der ja schon tot. Das entschärfe ich mal mit dem "verdient". Es kommt mir vor wie der Effekt bei Matthias Reim: "Verdammt ich will dich, ich will dich nicht, ich will dich nicht verliern". Aber vielleicht geht's mir auch nur beim ersten Lesen so.
Das Ding ist jedenfalls stark. Und der Titel passt auch.
Viele Grüße,
GW
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Hallo Gunter,
vielen Dank, dass ich deiner Meinung nach einen tollen Stempel besitze.
Nein, im Ernst, dieses „Boah“ schneide ich mir aus und rahme mir ein, das ist doch wohl klar. Wer fragt denn da noch nach Inhalt? Außerdem beschreibst du den so schön und passend, da werde ich das jetzt nicht mit meiner sehr viel engeren Inspiration versauen.
Das strophenübergreifende Enjambement ist natürlich voller Absicht genau so gestellt. Der Vergleich, den du mir da antust, lässt mich zwar fast die anfängliche Euphorie vergessen aber ich verdränge das einfach mal. Ich kann auch nicht erkennen, dass ein gesprochenes Urteil sich etwa umkehrte, nur weil es auch verdient erscheint. Aber ich muss deines natürlich anerkennen und besonders schwer fällt das ja auch nicht.
Beste Grüße
Mattes
vielen Dank, dass ich deiner Meinung nach einen tollen Stempel besitze.
Nein, im Ernst, dieses „Boah“ schneide ich mir aus und rahme mir ein, das ist doch wohl klar. Wer fragt denn da noch nach Inhalt? Außerdem beschreibst du den so schön und passend, da werde ich das jetzt nicht mit meiner sehr viel engeren Inspiration versauen.
Das strophenübergreifende Enjambement ist natürlich voller Absicht genau so gestellt. Der Vergleich, den du mir da antust, lässt mich zwar fast die anfängliche Euphorie vergessen aber ich verdränge das einfach mal. Ich kann auch nicht erkennen, dass ein gesprochenes Urteil sich etwa umkehrte, nur weil es auch verdient erscheint. Aber ich muss deines natürlich anerkennen und besonders schwer fällt das ja auch nicht.
Beste Grüße
Mattes
#4
von Margot • Mitglied | 3.054 Beiträge | 3055 Punkte
Höhlenangst
in Philosophisches und Grübeleien 09.09.2008 22:04von Margot • Mitglied | 3.054 Beiträge | 3055 Punkte
Ich habe schon ganz ein schlechtes Gewissen, weil ich so kritikfaul geworden bin, deshalb fange ich jetzt mal an, meine Schulden zu begleichen, und zwar bei Dir. (Und jetzt schnell, so lange die Leitung steht!)
Hi Mattes
Dass der Titel ein Wortspiel zu Höllenangst ist, wird klar, als der Teufel die Szene betritt. GW hat ihn ja schon gelobt, ich schliesse mich dem an. Ich lese aber, im Gegensatz zu ihm, den Text etwas anders.
Für mich erzählt hier einer von einem, der auszog – nein, nicht das Fürchten zu lernen , aber fast – sich vor der (gerechten) Strafe zu verstecken. Ein Opfer nämlich, dass zum Täter wurde. Was für ein Opfer es ist, wird nicht gesagt, auch nicht, was er verbrochen hat, sondern lediglich, dass er es eigentlich besser wissen müsste, da selbst erlebt und gelitten.
Die Interpretationen zu diesem Aspekt sind zu vielfältig, als dass ich mich jetzt auf einen bestimmten festlegen wollte/könnte. Es muss aber schon recht heavy gewesen sein, weil mit keiner Silbe auch nicht ein Hauch von Vergebung im Text zu lesen/spüren ist. Ich gehe sogar so weit, dass der Erzähler nicht bloss erzählt, sondern wertet, weil er dem Protagonisten direkte Fragen stellt. Und keine – sagen wir mal - mitfühlenden Fragen, sondern eher kopfschüttelnde. So nach dem Motto: Hey, Mistkerl, was hast du dir eigentlich dabei gedacht? Warst du wirklich der Ansicht, du könntest entrinnen? Mann, so blöd kann man doch nicht sein!
Den/die Leviten kenne ich – wen wundert’s? – die stammen von Levi ab. Sie sind (im 3. Buch Moses) für die Einhaltung der Gesetze und Regeln zuständig. Deshalb der Ausdruck ‚jemandem die Leviten lesen’. Da sie aber eine ganze Stadt abgemurkst haben, wurden sie vor ihrem Tod nicht gesegnet. Die Diadochen musste ich nachschlagen. Ergebnis: Das waren die Feldherren (und deren Söhne), die nach Alexanders Tod sein Reich aufteilten. Also beides nicht wirkliche Herzchen und daher die passende Entourage für den Beelzebub.
Fazit: Ich weiss es nicht!
Ich meine damit die Schlussfrage. Sie bleibt offen, wobei das Gedicht (vermutlich) die Botschaft transportiert: Vergelte Feuer nicht mit Feuer, sonst brennt dir am Ende selbst der Arsch!
Das Enjambement gefällt mir übrigens sehr bzw. bleibt man da einfach hängen, nur um dann mit einem amüsierten Augenbrauen-Hochziehen weiter zu lesen. Ich mag so Gimmicks.
Handwerklich ... tja, soll der Schüler den Lehrer kritisieren? Lach ... ich kann immer noch keine Sonette schreiben... Du schon! Fein gedichtet.
k&h
Margot
Hi Mattes
Dass der Titel ein Wortspiel zu Höllenangst ist, wird klar, als der Teufel die Szene betritt. GW hat ihn ja schon gelobt, ich schliesse mich dem an. Ich lese aber, im Gegensatz zu ihm, den Text etwas anders.
Für mich erzählt hier einer von einem, der auszog – nein, nicht das Fürchten zu lernen , aber fast – sich vor der (gerechten) Strafe zu verstecken. Ein Opfer nämlich, dass zum Täter wurde. Was für ein Opfer es ist, wird nicht gesagt, auch nicht, was er verbrochen hat, sondern lediglich, dass er es eigentlich besser wissen müsste, da selbst erlebt und gelitten.
Die Interpretationen zu diesem Aspekt sind zu vielfältig, als dass ich mich jetzt auf einen bestimmten festlegen wollte/könnte. Es muss aber schon recht heavy gewesen sein, weil mit keiner Silbe auch nicht ein Hauch von Vergebung im Text zu lesen/spüren ist. Ich gehe sogar so weit, dass der Erzähler nicht bloss erzählt, sondern wertet, weil er dem Protagonisten direkte Fragen stellt. Und keine – sagen wir mal - mitfühlenden Fragen, sondern eher kopfschüttelnde. So nach dem Motto: Hey, Mistkerl, was hast du dir eigentlich dabei gedacht? Warst du wirklich der Ansicht, du könntest entrinnen? Mann, so blöd kann man doch nicht sein!
Den/die Leviten kenne ich – wen wundert’s? – die stammen von Levi ab. Sie sind (im 3. Buch Moses) für die Einhaltung der Gesetze und Regeln zuständig. Deshalb der Ausdruck ‚jemandem die Leviten lesen’. Da sie aber eine ganze Stadt abgemurkst haben, wurden sie vor ihrem Tod nicht gesegnet. Die Diadochen musste ich nachschlagen. Ergebnis: Das waren die Feldherren (und deren Söhne), die nach Alexanders Tod sein Reich aufteilten. Also beides nicht wirkliche Herzchen und daher die passende Entourage für den Beelzebub.
Fazit: Ich weiss es nicht!
Ich meine damit die Schlussfrage. Sie bleibt offen, wobei das Gedicht (vermutlich) die Botschaft transportiert: Vergelte Feuer nicht mit Feuer, sonst brennt dir am Ende selbst der Arsch!
Das Enjambement gefällt mir übrigens sehr bzw. bleibt man da einfach hängen, nur um dann mit einem amüsierten Augenbrauen-Hochziehen weiter zu lesen. Ich mag so Gimmicks.
Handwerklich ... tja, soll der Schüler den Lehrer kritisieren? Lach ... ich kann immer noch keine Sonette schreiben... Du schon! Fein gedichtet.
k&h
Margot
Hallo Margot,
vielen Dank für deinen Besuch. Ja, es geht um die Problematik, dass Opfer zu Tätern werden und vice versa. Keinerlei Sympathie, eindeutig am und im Text gelesen, klar. Ich selbst bin mir gar nicht so sicher, wünschte aber, es zu sein.
Liebe Grüße
Mattes
vielen Dank für deinen Besuch. Ja, es geht um die Problematik, dass Opfer zu Tätern werden und vice versa. Keinerlei Sympathie, eindeutig am und im Text gelesen, klar. Ich selbst bin mir gar nicht so sicher, wünschte aber, es zu sein.
Liebe Grüße
Mattes
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