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intim (September)
in Ausgezeichnete Lyrik 09.09.2008 14:51von Margot • Mitglied | 3.054 Beiträge | 3055 Punkte
intim
Ich kenne deine Hände nicht,
und niemals flüstert mein Begehren.
Wenn unsre Lust durch Scherze spricht:
wir werden sie durchdacht verwehren.
Und wenn mein Atem dich nie trinkt,
ertrinke ich in deiner Seele,
doch wenn die Phantasie versinkt,
bleibt bloss ein Pochen in der Kehle.
Jedoch bist du mir allzeit nah,
und allzeit summt der stete Gleichklang,
auch wenn der Tag uns übersah
hat jede Nacht doch ihren Anfang.
© Margot S. Baumann</ul>
die Dissonanz durch die beiden unbetonten männlichen Kadenzen in der letzten Strophe widerspricht dem Gleichklang ein wenig, ein interessanter Aspekt, falls diese Wirkung beabsichtigt war. Je nach Interpretation ein winziger bösartiger Zwacker in Richtung Cyberlove, beziehungsweise der rein platonischen Liebe.
Ansonsten gefällt mir dein Gedicht sehr gut - na ja, das "bloß" könnte man eventuell ganz weglassen, um durch den Trochäus den Inhalt zu betonen oder durch ein etwas milderes "nur" ersetzen. Das "bloß" klingt ein wnig abwertend, irgendwie enttäuscht, als würden Erwartungen nicht erfüllt, passt nach meinem Gefühl nicht 100%ig zur Nähe-und Gleichklangsaussage.
LG, Sabine
das ist ein großartiges Gedicht und ich war sofort gefangen. So muss das sein: Man kann sich sofort hineinlegen wie in ein zwar frisch gemachtes aber dennoch vertrautes Bett. Man fühlt sich augenblicklich wohl und dazu verhelfen ja nicht nur sauberes Handwerk, sondern auch und gerade der Klang. Du erreichst einen solchen mit Schlichtheit: Einfache Worte, einfache Reime, klare Sätze, klare Strukturen, mir gefällt das.
Wenn man so einschmeichelnd lesen und genießen darf, so hat Levampyre das mal bei einem Text ungefähr ausdrückt, dann kann man sich ungestört dem Inhalt zuwenden und etwaigen Feinheiten. Und siehe da, auf beiden Gebieten fährt man reiche Ernte ein. Das Inhaltliche vorweg: Das mag man nun als Cyberlove nehmen, als platonische Zuneigung, als Verehrung, als Religion (?), das spielt alles keine Rolle. der text erlaubt dem Leser/der Leserin eine ihm/ihr gemäße Anschauung. Wie hast du selbst, Margot, das ausgedrückt? Natürlich weiß ich, dass der Autor/die Autorin nicht MICH, den Leser meint, aber ich lese es doch so. Ich prüfe doch, ob es mich anspricht, oder ob ich es aussprechen könnte. Mindestens aber muss ich mir vorstellen können, Absender oder Adressat solcher Zeilen zu sein. Ich meine, das gelingt dir hier vorbildlich, indem du andeutest, ohne zu vollziehen. Äußerst angenehm, zumindest als Textkunstwerk.
Zur Technik: Ich genieße es komplett. Beachtet man die drei Strophen, sind alle identisch aufgebaut und spiegeln das inhaltliche Muster komplett: Die beiden ersten Verse bauen nicht nur aufeinander auf, sondern verstärken das noch durch die rhetorische Figur der Wiederholung anfangs des zweiten Verses: S1: nicht, niemals S2: trinkt, ertrinke S3: allzeit, allzeit. Hier ist Nähe, Gleichklang, Gemeinsamkeit. Die abschließenden Verse tun nicht nur das Gegenteil, sie verstärken es sogar noch und unterstreichen damit den Widerspruch, die unterdrückte Ebene der hier beschriebenen Beziehung: S1: Wem Scherz und Logik dazu nicht stark genug sind, der soll die verwehrte Lust dazu nehmen S2: Phantasie und Pochen, auch das sind diese beiden ungleichen Partner: das Erste ist spirituell, das Zweite ganz bodenständig organisch S3: Tag und Nacht, das benötigt keine Erklärung.
Und dabei steigert sich das Ganze auch noch bis zur Conclusio: In S1 wird durchdacht verwehrt, in S2 ist ein Pochen in der Kehle und in S3 beginnt die Nacht. Und dieser Ausblick hat ja dann auch etwas Versprechung in sich, das Ende könnte auch offen sein. Wie das ganze Gedicht, ist es zwar nicht hermetisch, man ahnt schon, was da abgehen könnte, aber eben doch: intim.
Outstanding. Ich bin begeistert. Und ich habe es erst drei oder vier Mal gelesen.
Liebe Grüße
Mattes
P.S.: Übrigens, die in S2V4 aufscheinende Blöße versöhnt mindestens durch die Aliteration. Aber ich mag das Wort und würde es dem vorgeschlagenen "nur" eindeutig vorziehen. Auch würde ich das "nur" keinesfalls als milder ansehen, so unterschiedlich kann das empfunden werden.
intim
in Ausgezeichnete Lyrik 09.09.2008 19:47von Margot • Mitglied | 3.054 Beiträge | 3055 Punkte
Als ich die beiden Benachrichtigungen im Postfach sah, dachte ich zuerst: Sabine? ihr könnte es gefallen, ich habe auch schon ähnliche Themen von ihr gelesen ... das Urteil fällt also vermutlich milde aus. Und dann Mattes? Huch, der stampft das Teil jetzt sicher – in seiner charmanten Art natürlich – gehörig in den Staub. So viel zum Thema ‚die Angst des Dichters vor dem Feedback’.
@ Sabine
Besten Dank für Deine Rückmeldung. Die männlichen Kadenzen waren nicht beabsichtigt (man sollte ja ehrlich sein *g), sondern ergaben sich beim Schreiben. Deine Interpretation derselbigen gefällt mir aber sehr. Also vergiss meine Ehrlichkeit: alles gewollt!
Du wirst lachen, zuerst stand wirklich ‚nur’ in der 4. Zeile. Mir erschien es aber dann zu milde. ‚Bloss’ ist – wie Du sagst – etwas abwertender. Erschien mir passender, weil sich das lyr. Ich damit selbst (bzw. seinen Phantasien) den Wind aus den Segeln nimmt. Natürlich ist das lyr. Ich enttäuscht, weil da eben nichts (Körperliches) ist, sondern „nur“ diese geistige Verbindung. Aber trotz aller Enttäuschung darüber, ist vielleicht diese geistige Intimität erfüllender, als es ein körperlicher Akt je sein könnte. Ich hoffe, ich drücke mich einigermassen klar aus ... lach. Schwierig.
Freut mich, wenn Du es magst.
@ Mattes
Erleichterung! Phu! Wie Eingangs schon erwähnt, Du warst immer mein „Kitschmesser“ respektive, was an Dir vorbei kommt, kann man getrost in die Welt schicken.
Klarheit, genau. Ich komme immer mehr weg vom Kryptischen, obwohl es momentan so in Mode ist. Im Grunde bin ich wohl, lassen wir das Klassische mal aussen vor, ein stink normaler Alltagsdichter, der ganz einfache Dinge erzählt. Ich mag keine Rätsel aufgeben; man soll es verstehen ... ganz abgesehen davon, was mir selbst beim Verfassen im Kopf rumgeistert. Ich sag das ja immer wieder, die Intention des Autors ist nebensächlich.
Wenn Du, oder ein anderer Leser, sich persönlich angesprochen fühlt; wenn er oder sie denkt: Scheisse, ist das für mich? Meint sie etwa mich damit? Und weshalb? ... dann ist das – für mich jetzt – das grösste Kompliment. Denn dann habe ich nicht „nur“ Sympathie geweckt, sondern Empathie und Identifikation. Und das sind zwei ganz starke (positive) Gefühle. Und ich denke auch, dass sollte das eigentlich Ziel all derer sein, die Wortgebilde formen. Ich komme etwas ins Quatschen, sorry.
Ob jetzt Cyperlove, Internetbekanntschaft oder platonische Liebe ... Religion? Hm, muss ich mal mit diesen Augen lesen ... ist, wie Du sagst, nicht wirklich wichtig. Es geht – wie oft bei mir – um Sehnen und den daraus entstehenden Hoffnungen, Enttäuschungen etc. Wer schon je in dieser Situation war, der darf sich diesen Schuh anziehen, und wenn er ihm passt, bin ich die Letzte, die nach der richtigen Braut schreit.
Herzlichen Dank für Deine ausführliche Kritik, das Aufzeigen des Handwerklichen, das mehrmalige Lesen und die Nomination. Ich bin - vor Freude - ganz geplättet, dass Dich der Text so begeistert. sybk!
Liebe Grüsse an Euch zwei.
Margot
intim
in Ausgezeichnete Lyrik 09.09.2008 22:47von Margot • Mitglied | 3.054 Beiträge | 3055 Punkte
Freut mich, wenn's Dir gefällt. Und nein, der Schweiss brach nicht aus, es war mehr ein Gefühl von freudig/nervöser Erwartung.
Zitat: |
Joame Plebis schrieb am 09.09.2008 22:02 Uhr: Es ist eines jener Gedichte, die mir leider nie geschrieben wurden. |
Mir auch nicht.
Gruss
Margot
intim
in Ausgezeichnete Lyrik 10.09.2008 22:10von Gemini • Long Dong Silver | 3.094 Beiträge | 3130 Punkte
Ahoi Marge
Du beschreibst hier einen sexuellen Akt. Am ehesten denke ich an Oral verkehr.
Es handelt von einer einseitigen Liebe, die nur durch Sexualität untermauert werden kann.
So stehen Vergleiche wie, das Trinken und die Kehle, im genauen Gegensatz.
Worte die verbinden sollen, stehen in einem Satz, wie Worte die trennen. Somit ist das Gedicht ein Sehnen nach der Liebe, die unerfüllt bleiben wird.
Am ehesten wird diese Theorie, die es ja ist, untermauert, in der ersten Strophe, die ja den choreographischen Aubau bildet.
Am ende sieht die Figur keinen Tag mehr, weil der Tag der Nacht wich, die ja, unbewusst beschrieben wurde.
Es handelt sich um eine Liebe, die nur von einer Seite befriedigt wird.
Lieben Gruß
Gem
Ps.: Tippfehler grateis
Über mich erzählten sie endlose Schrecklichkeiten und Lügen, dass einem schier die Phantasie platzen wollte. Offenbar stärkte es sie innerlich, derart über mich herzuziehen, es brachte ihnen Gott weiß welche Art Mut, den sie brauchten, um immer erbarmungsloser zu werden, widerstandsfähiger und regelrecht bösartig, um durchzuhalten, um zu überstehen. Und auf diese Weise schlecht zu reden, zu verleumden, zu verachten, zu bedrohen, das tat ihnen ganz offenbar gut.
L.F Celine
intim
in Ausgezeichnete Lyrik 10.09.2008 23:16von Margot • Mitglied | 3.054 Beiträge | 3055 Punkte
Eine ... ehm ... interessante Interpretation. Vor allem das mit dem Oralverkehr. Ich bin ganz entzückt, welche Phantasien der Text bei Dir auszulösen vermag, das lässt tief blicken.
Herzlichen Dank fürs Vorbeischauen und Kommentieren.
Gruss zurück
Margot
P.S. Und die Tippfehler habe ich gar nicht gesehen. Vermutlich, weil die Nacht dem Tag weicht und deshalb der Tag zu dunkel ist ... oder so.
intim
in Ausgezeichnete Lyrik 12.09.2008 22:41von Gemini • Long Dong Silver | 3.094 Beiträge | 3130 Punkte
Also meine Phantasie ist gar nicht so schlimm. Was kann ich tun wenn du solch teuflische Sachen schreibst.
Aber es ist natürlich schwierig für solch einen Saubartel wie mich anerkannte Dichtung zu kommentieren.
Andererseit, finde ich meine Interpratation auch am Tag danach noch passend.
Lieben Gruß
Gem
Über mich erzählten sie endlose Schrecklichkeiten und Lügen, dass einem schier die Phantasie platzen wollte. Offenbar stärkte es sie innerlich, derart über mich herzuziehen, es brachte ihnen Gott weiß welche Art Mut, den sie brauchten, um immer erbarmungsloser zu werden, widerstandsfähiger und regelrecht bösartig, um durchzuhalten, um zu überstehen. Und auf diese Weise schlecht zu reden, zu verleumden, zu verachten, zu bedrohen, das tat ihnen ganz offenbar gut.
L.F Celine
Grüße von Habibi
Gut zu wissen.
Liebe Grüße von Habibi
intim
in Ausgezeichnete Lyrik 13.09.2008 11:07von Margot • Mitglied | 3.054 Beiträge | 3055 Punkte
Ja, dazu braucht es Phantasie. Aber jeder interpretiert eben anders. Was man aus einem Gedicht herausliest, fusst meist auf den eigenen Erfahrungswerten; daher kann man ja auch nicht sagen, das ist jetzt falsch oder richtig. Man kann sich lediglich ein wenig wundern.
Natürlich müsste ich Tag und Nacht vertauschen, wenn es sich nach Deinem Empfinden abspielte, aber ich wollte damit ausdrücken, dass die Realität - hier durch den Tag - nicht gelebt werden kann ... aber es immer wieder eine Nacht gibt, in der man sich finden kann/könnte. Ob jetzt körperlich oder geistig, ist eher zweitrangig.
@ nizza
... sei nicht so nachtragend!
Beste Grüsse
Margot
Gruß von Cornelia
Warum eigentlich per PN? Zur Geschichte will ich mich hier nicht äußern, tut Malte Bremer eigentlich auch nicht. Zur Sache auch nicht, das tut Malte Bremer. Aber zur Provokation gerne. Du schmeißt in der Geschichte nur so mit Ekelhaftigkeiten um dich. Wenn ich als Leser mich auf dich einlasse, darf ich in diesem Genital von oben nach unten alles durchwühlen, bekomme so viele Informationen, die ich eigentlich gar nicht haben will, dass Ekel entsteht. Und den willst du ja auch provozieren. Ob der dann in die richtige Richtung geht, ist eine völlig andere Frage, das darf dann ja auch bitte das Auge des Betrachters entscheiden.
Und so darf dir gerne meine Provokation fehl gehen, weil du meinst, es sei eine Provokation um der Provokation willen. Und was genau heißt das? Wer wird dann warum provoziert und wozu? Du meinst, wenn mein Protagonist in die Fleischbüchsen onaniert, dann provoziere das lediglich deinen Ekel. Wovor? Vor mir als Autor, weil du unterstellst, ich schriebe das lediglich, um einen Ekel vor mir zu provozieren? Verwechselst du da nicht das lyrische Ich mit mir oder hast du dir auch die Schamlippen straffen lassen? Ich soll mich doch auch nicht ausschließlich vor dieser Schnalle ekeln oder willst du nur das erreichen? Soll der – vorzugsweise männliche Leser – sich lediglich vor diesen operierten Schlampen ekeln und die weibliche, nicht operierte Leserin sich überlegen fühlen? Endet da dein Ansatz?
Ich glaube nicht. Ich unterstelle dir, dass du ein grundsätzliches Nachdenken anregen willst. Und nicht umsonst taucht ja dieser Kerl auf und vergleicht die Luxusschmerzen dieser dämlichen Braut mit dem unsagbaren und unsäglichen Elend vieler Mädchen, vorzugsweise in Ägypten, denen brutal die Klitoris verstümmelt wird, damit sie nur ja niemals Lust empfinden könnten. Sag, kann es sein, dass du das instrumentalisierst? Willst du hier bewusst schockieren, nur um des Schocks willen?
Ich befürchte, Habibi, du misst hier ganz klar mit zweierlei Maß. Nicht, dass mein Corned-Beef-Ficker dir gefallen müsste. Nicht, dass das ein gelungener Text sein muss. Aber dieses „peinlich“ in deinem Kommentar, das nehme ich dir übel. Widerlich, vulgär, ekelhaft, ja, das ist mein Protagonist und deshalb beschreibe ich ihn auch so. Der ist nicht eine im Grunde ja arme Sau wie deine Protagonistin, die du dennoch völlig ohne Mitleid/Mitgefühl/Verständnis betrachtest und daher muss der für meine Begriffe auch so beschrieben werden. Das mag fehl gehen, grottenschlecht und nicht nur grenzwertig, sondern über die (?) Grenze hinaus, aber „peinlich“ ist nur dein Kommentar, weil er mir zeigt, dass du nicht trennen kannst bzw. nur bei dir natürlich.
Gruß
Mattes
So long Habibi
Und warum eine Diskussion verlagert werden muss, ist mir auch nicht klar. Solange Margot nicht darum bittet, sehe ich keinen Sinn darin, es unnötig zu erschweren.
Gruß
Mattes
Gruß von Habibi
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