Selbst die Spiegel bedecken sich schamhaft mit Dampf, wenn ich meiner Badewanne entsteige. Umsonst. Die Haut umschließt den Körper, als wäre sie zwei Nummern zu groß und wirft Falten wie eine schlecht sitzende Strumpfhose.
Die Spiegel sind längst nicht mehr meine Feinde. Und die Kosmetikindustrie verdient an mir nicht.
Wenn da nur nicht die Angst wäre, auszurutschen und zu stürzen. Es ist nicht die Angst vor dem Tod. Nur vor der Lächerlichkeit der Hilflosen. Wenigstens würdevoll sollte es zugehen, wenn es so weit ist.
Noch immer brennt’s unter meiner Haut, unter meiner Hirnschale, in den Höhlen und Falten dieses abgelebten Körpers. Nachts, wenn niemand da ist, die Gedanken einzusperren, den Erinnerungen und ungelebten Möglichkeiten einen Maulkorb umzulegen. Auf wie viele Blicke den Kopf abgewendet, wie viele Chancen der „Anständigkeit“ geopfert. Feucht wird’s dann zwischen meinen Schenkeln, dort, wo sich schon lange keine fremde Hand mehr hin verirrt hat.
Die Flüssigkeiten ergießen sich, so wie tagsüber dieses andere dünne Rinnsal, das, wie früher das nutzlose Blut, von ebensolch dichten Erfindungen der Chemieindustrie aufgefangen wird; andere Farbe, anderer Geruch, doch zeitlebens der Körper ein leckendes Gefäß.
Zeitlebens ungefüllt und unerfüllt die meiste Zeit.
Soll das die Krone der Schöpfung sein?
Der Welt Befindlichkeiten entlocken mir nur ein müdes Lächeln. Bin ich wirklich vor Äonen auf die Straße zum Demonstrieren gegangen? Was hat es gebracht?
Vergeblichkeit. Der Tage und Wochen nie wechselnder Gleichklang. Warten. Die Veränderungen um uns: ein Trick. Als bewege sich etwas. Als trete nicht immer alles auf der Stelle. Als müsse nicht jede Erfahrung tausendfach wieder aufs Neue gemacht werden.
Trost finden in der Sprache der Musik. Totenmessen so weit das Ohr reicht. Am liebsten das Deutsche Requiem von Brahms. Das Gras vertrocknet, die Blume abgefallen. Wer wüsste das besser!
Die Jahreszeiten: eine Zumutung. Nur der Herbst ist erträglich. Das Aufbrechen der Knospen im Frühling empfinde ich als persönliche Beleidigung. Die Verschwendung des Sommers als Verhöhnung. Allein im beschneiten Feld sehe ich das Kommende. Unendlichen Frieden.
Ob Licht oder Tunnel, Musik oder Nichts, ist mir egal. Hauptsache: das hier ist endlich vorbei.