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Das 'zu früh' bei dem 'zu spät'
#1
von Rabenmaedchen (gelöscht)
Das 'zu früh' bei dem 'zu spät'
in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 06.11.2008 00:53von Rabenmaedchen (gelöscht)
Die junge Frau hatte ganz traurige Haare. Einst hatten sie geleuchtet, gleich einer blank geputzten Karotte. Aber alle Strähnen waren unsagbar betrübt geworden, dass man den Eindruck bekam, ihr Haar sei grau. Ich erinnerte mich an das strahlende Rot, wie ich mich auch entsann, dass ihr Gesicht nicht immer so stumpf gewirkt hatte, sondern vielmehr als sei es aus fein geschliffenem Porzellan.
Wie sie dann da saß, den Rücken gekrümmt, die Hände schlaff im Schoß gefaltet – noch immer die perfekte Schönheit, jedoch in der bitteren Variante: als Abziehbild.
Einen Kuss auf die Stirn gab ich ihr noch, bevor ich ging.
Während ich die Straße überquerte, kein Blick links, keiner rechts, denn es war ja ohnehin egal, dachte ich über das Leben nach. Ich fand es ungerecht, ich sah mich als Opfer jeder Situation, gab die Schuld allen anderen oder Gott. Ich wollte nur schnell Brot kaufen und frische Milch, bei Hinschens in der Borchertstraße. Weil keine mehr da war. Eigentlich braucht man sowieso keine frische Milch und schon gar kein Brot, wenn alles trübselig ist. Man braucht eher einen Strick. Aber ich wollte schnell Brot kaufen. Brot und frische Milch. Denn man muss ja, kann gar nicht anders als: weiterleben.
Angekommen. Was ist das überhaupt für ein Wort? A n k o m m e n. Es klingt schrecklich, je öfter man es sagt. Aber das ist ja bei allen Wörtern so. Auch bei den Worten. Ja, sogar bei den Dichtern ist es so: ‚nicht zu oft’ ist eine leicht zu überschreitende Grenze. Was dachte ich nur solchen Unfug. Darf man solche Gedanken haben in diesen Zeiten? Ich bin ja angekommen. Ich kaufte, was man eben so braucht, denkt zu brauchen. Egal, wie melaninfarben die Tage sind. Ich zahlte, ich ging, ich kehrte um: etwas hatte ich noch vergessen. Ich wusste nur noch nicht, was es war.
Türglockengeläut. „Kleine Engelschöre.“, lachte die Frau hinter der Theke. Ich nickte ihr freundlich zu. Ich suchte die Regale ab, nach dem, was ich vergessen hatte. „Suchen sie etwas Bestimmtes?“ Ich nickte, schloss die Augen kurz und da wusste ich es: „Ja. Einen Würfel. So einen roten aus Holz. Mit goldenen Punkten.“ Sie wies auf ein Bonbonglas neben der Kasse, übervoll von Würfeln war es. Sie alle waren gleich. Ich suchte mir den Schönsten aus. Zwanzig Cent kostete er. Aus meiner Tasche kramte ich die Münze, legte an ihrer Statt das sechseitige Spielzeug hinein. Beim Gehen dachte ich an kleine Engel.
So eine Straße, auch wenn die Häuser nur einstellige Ziffern tragen, kann sehr lang sein. Ich nahm sie mit einem Schritt. Irgendwo, da war ich mir sicher, irgendwo gab es das taugrüne Glück. Noch hatte ich es nicht, vielleicht hatte ich es einmal gehabt, aber: ich würde es finden. Ob erneut oder zum ersten Mal. Da nahm ich die Straße mit nur einem Schritt. Auch wenn sie sonst sehr lang ist und gewöhnlich die neun Häuser lügen. Junges Gras lässt keine Gedanken zu an die längst verwaschenen Flecken. Mit zitternder Hand öffnete ich die Wohnungstür. Es roch nicht gerade taugrün.
Ich betrat den dunklen Flur. Seit drei Monaten war die Glühbirne durchgebrannt, seit drei Monaten hatten weder sie noch ich eine neue eingesetzt. Überhaupt sahen wir keine Notwendigkeit für Licht mehr. Nur gelegentlich, wenn die Nacht sich in die Zimmer wälzte und wir uns trotzdem noch bewegen wollten, drückten wir auf einen der Schalter. Die Helligkeit war eine Illusion, derer wir uns immer bewusst waren. Die Frau mit dem Kupferblechmantel um den Kopf, meine Frau, betonte es auch immer wieder: „Das alles ist nur ein Traum. Wenn wir aufwachen, vielleicht lachen wir dann.“ Über mein Gesicht rann unbemerkt eine Träne.
Unter der Wohnzimmertür zwängte sich ein Klagelaut hindurch. Ich ging in die Küche und machte mir einen Tee, Pfefferminze. Während das Wasser zu kochen begann, ließ ich allmählich Waldhonig in einen Becher tropfen. Der Papierschnipsel des Teebeutels rutschte beim Aufgießen hinein. Zum Fluchen darüber fand ich keine Kraft. Mit dem dampfenden Getränk stellte ich mich ans Fenster. Die Scheibe beschlug, aber zu sehen gab es ohnehin nicht viel. Ich versuchte, mir vorzustellen, wie es aussähe, wenn Sommer wäre. Neben der schweigenden Küchenuhr hing ein Kalender. ‚Juni’ stand da. Kein Wort glaubte ich ihm, denn die Zeit ist etwas schrecklich Verlogenes.
Eine rotblonde Stimme rief mich. Sie klang etwas ausgehöhlt. Der gewohnte Unterton fehlte. Trotzdem stand ich auf, bewegte mich der Besitzerin dieser Stimme entgegen. Meine Frau hatte sich verändert. Alles hatte sich verändert. Ich stand irgendwo zwischen der Leere und der Ehe, zwischen Verständnislosigkeit und Mitgefühl. Wir hatten uns also nicht voneinander entfernt. In das Gesicht sah ich ihr wohl kaum, als ich sagte: „Ich habe Brot gekauft. Und Milch. Bei Hinschens in der Borchertstraße. Die haben Türglocken wie kleine Engelschöre. Einen Würfel habe ich auch gekauft. Einen roten. Mit goldenen Punkten. Sie haben ganz viele davon, in einem Bonbonglas.“
An der einen Wand in unserem Wohnzimmer stand ein Regal, zum Bersten gefüllt mit Gesellschaftsspielen. Einige hatten wir noch nie gespielt. Aber eines, in einem großen Karton mit schönen Illustrationen, das war ganz abgegriffen. Ich nahm es heraus, öffnete die Schachtel. Ein wehmütiger Geruch drang heraus, die Bilder von vielen Abenden mit Freunden tauchten den Raum in Rotweinlicht. Mit dem Spiel setzte ich mich neben meine Frau, die sich eben auf dem Boden ausgestreckt hatte. „Was meinst du, wollen wir eine Runde?“, fragte ich sie.
„Nein“, erwiderte sie stimmlos, „ich fürchte, ich kann nicht mehr spielen.“ „Na dann.“, sagte ich.
„Von neun bis neunundneunzig. Das ist doch hirnrissig.“ murmelte sie. Ihre Finger schaukelten gedankenverloren einen kleinen Spielstein in den Schlaf.
„Ist doch nur eine Empfehlung.“ meinte ich, „man darf das nicht so genau nehmen. Gibt wirklich nicht viele Menschen, die älter werden.“
Sie kullerte das Figürchen über das Brett, immer wieder, hin – zurück – hin – zurück – hin. Als ginge es in diesem Spiel darum. Mit einer hilflosen Geste strich sie ihr Haar zurück, wisperte: „Er hat dieses Spiel immer geliebt. Ich hatte ihm versprochen, dass wir es spielen, wenn er alt genug ist. Ein Monat wäre es noch gewesen. Einer nur.“
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Eine Geschichte, zu der ich leider nie einen hilfreichen Kommentar bekam. 10 Drabbles, können einzeln oder im Stück gelesen werden (hoffe ich).
Wie sie dann da saß, den Rücken gekrümmt, die Hände schlaff im Schoß gefaltet – noch immer die perfekte Schönheit, jedoch in der bitteren Variante: als Abziehbild.
Einen Kuss auf die Stirn gab ich ihr noch, bevor ich ging.
Während ich die Straße überquerte, kein Blick links, keiner rechts, denn es war ja ohnehin egal, dachte ich über das Leben nach. Ich fand es ungerecht, ich sah mich als Opfer jeder Situation, gab die Schuld allen anderen oder Gott. Ich wollte nur schnell Brot kaufen und frische Milch, bei Hinschens in der Borchertstraße. Weil keine mehr da war. Eigentlich braucht man sowieso keine frische Milch und schon gar kein Brot, wenn alles trübselig ist. Man braucht eher einen Strick. Aber ich wollte schnell Brot kaufen. Brot und frische Milch. Denn man muss ja, kann gar nicht anders als: weiterleben.
Angekommen. Was ist das überhaupt für ein Wort? A n k o m m e n. Es klingt schrecklich, je öfter man es sagt. Aber das ist ja bei allen Wörtern so. Auch bei den Worten. Ja, sogar bei den Dichtern ist es so: ‚nicht zu oft’ ist eine leicht zu überschreitende Grenze. Was dachte ich nur solchen Unfug. Darf man solche Gedanken haben in diesen Zeiten? Ich bin ja angekommen. Ich kaufte, was man eben so braucht, denkt zu brauchen. Egal, wie melaninfarben die Tage sind. Ich zahlte, ich ging, ich kehrte um: etwas hatte ich noch vergessen. Ich wusste nur noch nicht, was es war.
Türglockengeläut. „Kleine Engelschöre.“, lachte die Frau hinter der Theke. Ich nickte ihr freundlich zu. Ich suchte die Regale ab, nach dem, was ich vergessen hatte. „Suchen sie etwas Bestimmtes?“ Ich nickte, schloss die Augen kurz und da wusste ich es: „Ja. Einen Würfel. So einen roten aus Holz. Mit goldenen Punkten.“ Sie wies auf ein Bonbonglas neben der Kasse, übervoll von Würfeln war es. Sie alle waren gleich. Ich suchte mir den Schönsten aus. Zwanzig Cent kostete er. Aus meiner Tasche kramte ich die Münze, legte an ihrer Statt das sechseitige Spielzeug hinein. Beim Gehen dachte ich an kleine Engel.
So eine Straße, auch wenn die Häuser nur einstellige Ziffern tragen, kann sehr lang sein. Ich nahm sie mit einem Schritt. Irgendwo, da war ich mir sicher, irgendwo gab es das taugrüne Glück. Noch hatte ich es nicht, vielleicht hatte ich es einmal gehabt, aber: ich würde es finden. Ob erneut oder zum ersten Mal. Da nahm ich die Straße mit nur einem Schritt. Auch wenn sie sonst sehr lang ist und gewöhnlich die neun Häuser lügen. Junges Gras lässt keine Gedanken zu an die längst verwaschenen Flecken. Mit zitternder Hand öffnete ich die Wohnungstür. Es roch nicht gerade taugrün.
Ich betrat den dunklen Flur. Seit drei Monaten war die Glühbirne durchgebrannt, seit drei Monaten hatten weder sie noch ich eine neue eingesetzt. Überhaupt sahen wir keine Notwendigkeit für Licht mehr. Nur gelegentlich, wenn die Nacht sich in die Zimmer wälzte und wir uns trotzdem noch bewegen wollten, drückten wir auf einen der Schalter. Die Helligkeit war eine Illusion, derer wir uns immer bewusst waren. Die Frau mit dem Kupferblechmantel um den Kopf, meine Frau, betonte es auch immer wieder: „Das alles ist nur ein Traum. Wenn wir aufwachen, vielleicht lachen wir dann.“ Über mein Gesicht rann unbemerkt eine Träne.
Unter der Wohnzimmertür zwängte sich ein Klagelaut hindurch. Ich ging in die Küche und machte mir einen Tee, Pfefferminze. Während das Wasser zu kochen begann, ließ ich allmählich Waldhonig in einen Becher tropfen. Der Papierschnipsel des Teebeutels rutschte beim Aufgießen hinein. Zum Fluchen darüber fand ich keine Kraft. Mit dem dampfenden Getränk stellte ich mich ans Fenster. Die Scheibe beschlug, aber zu sehen gab es ohnehin nicht viel. Ich versuchte, mir vorzustellen, wie es aussähe, wenn Sommer wäre. Neben der schweigenden Küchenuhr hing ein Kalender. ‚Juni’ stand da. Kein Wort glaubte ich ihm, denn die Zeit ist etwas schrecklich Verlogenes.
Eine rotblonde Stimme rief mich. Sie klang etwas ausgehöhlt. Der gewohnte Unterton fehlte. Trotzdem stand ich auf, bewegte mich der Besitzerin dieser Stimme entgegen. Meine Frau hatte sich verändert. Alles hatte sich verändert. Ich stand irgendwo zwischen der Leere und der Ehe, zwischen Verständnislosigkeit und Mitgefühl. Wir hatten uns also nicht voneinander entfernt. In das Gesicht sah ich ihr wohl kaum, als ich sagte: „Ich habe Brot gekauft. Und Milch. Bei Hinschens in der Borchertstraße. Die haben Türglocken wie kleine Engelschöre. Einen Würfel habe ich auch gekauft. Einen roten. Mit goldenen Punkten. Sie haben ganz viele davon, in einem Bonbonglas.“
An der einen Wand in unserem Wohnzimmer stand ein Regal, zum Bersten gefüllt mit Gesellschaftsspielen. Einige hatten wir noch nie gespielt. Aber eines, in einem großen Karton mit schönen Illustrationen, das war ganz abgegriffen. Ich nahm es heraus, öffnete die Schachtel. Ein wehmütiger Geruch drang heraus, die Bilder von vielen Abenden mit Freunden tauchten den Raum in Rotweinlicht. Mit dem Spiel setzte ich mich neben meine Frau, die sich eben auf dem Boden ausgestreckt hatte. „Was meinst du, wollen wir eine Runde?“, fragte ich sie.
„Nein“, erwiderte sie stimmlos, „ich fürchte, ich kann nicht mehr spielen.“ „Na dann.“, sagte ich.
„Von neun bis neunundneunzig. Das ist doch hirnrissig.“ murmelte sie. Ihre Finger schaukelten gedankenverloren einen kleinen Spielstein in den Schlaf.
„Ist doch nur eine Empfehlung.“ meinte ich, „man darf das nicht so genau nehmen. Gibt wirklich nicht viele Menschen, die älter werden.“
Sie kullerte das Figürchen über das Brett, immer wieder, hin – zurück – hin – zurück – hin. Als ginge es in diesem Spiel darum. Mit einer hilflosen Geste strich sie ihr Haar zurück, wisperte: „Er hat dieses Spiel immer geliebt. Ich hatte ihm versprochen, dass wir es spielen, wenn er alt genug ist. Ein Monat wäre es noch gewesen. Einer nur.“
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Eine Geschichte, zu der ich leider nie einen hilfreichen Kommentar bekam. 10 Drabbles, können einzeln oder im Stück gelesen werden (hoffe ich).
#2
von Brotnic2um • Mitglied | 645 Beiträge | 645 Punkte
Das 'zu früh' bei dem 'zu spät'
in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 06.11.2008 17:27von Brotnic2um • Mitglied | 645 Beiträge | 645 Punkte
Hallo Rabenmädchen,
dank Deines Hinweises und der Absatzgestaltung habe selbst ich die zehn Drabbles erkennen können. Jeder Absatz sollte also für sich genommen bestehen können. Tut er auch. Aber jetzt kommt mein eigentliches Problem: ich verstehe es nicht. Welche Rolle spielen die Farben, die Zahlen oder die Paradoxien und Gegensätze? Da komme ich nicht dahinter. Ich vermute es geht um Verlust, Vergänglichkeit, Vergessen und das Verstreichen lassen von Chancen. Aber ich bin auch sehr schlecht darin solche Rätsel zu lösen. Mir sind die einzelnen bsätze so vollgepackt, dass ich hinter allem eine Bedeutung vermute und mir vielleicht die Sicht auf das Wesentliche, das alles Verbindende verstelle. Andererseits fordern mich gleich die ersten Sätze auf, alle gängigen Muster zu vergesssen:
[Quote] Die junge Frau hatte ganz traurige Haare. Einst hatten sie geleuchtet, gleich einer blank geputzten Karotte. Aber alle Strähnen waren unsagbar betrübt geworden, dass man den Eindruck bekam, ihr Haar sei grau. [/Quote]
Eine zu früh alt gewordene Frau, deren karottenfarbenes Haar grau geworden zu sein scheint? Vielleicht. Vielleicht bedeutet aber auch die Karotte etwas? Nahrungsmittel tauchen noch ganz viele auf? Vielleicht ist das Orange eine Komplementärfarbe zu ??? und daher wirkt die Mischung grau, verschwommen, undeutlich? Brot und Milch (kommen später im Text vor) gemsicht ergibt vielleicht wieder grau? Warum heißt der Laden Hinschens so merkwürdig? Anagramm ? HC Hinsehen ??? Mhmm. Ja, hinsehen muss ich wahrscheinlich ganz genau, aber wenn ich mich versuche mit der Lupe dem Text zu nähern, sehe ich den Wald vor lauter Bäumen nicht. Und vielleicht ist es so banal wie Borchertstraße klingt? Oder ist es ein Hinweis auf Wolfgang Borchert und wie die Symboliken zu lesen sind?
Hilfe, hilfe, ich dreh mich im Kreis und denk jetzt nicht an Ellipse und wieder an Borchert, denn es bringt mich nicht weiter. Da müssen bessere Leser ans Werk.
Meinetwegen darfst Du Dich beschweren und mir vorhalten, dass ich, wenn ich keine Ahnung habe, besser Fresse gehalten hätte, weil Du schon genügend dumme Kommentare gesammelt hast. Aber ich war halt neugierig, las und verstrickte mich vollends. Vielleicht kannst Du diesem Komm ja wenigstens entnehmen, warum der Text sich mir nicht offenbart hat und wo ich zu wenig weiß oder verstanden habe.
Gruß
Brotnic2um
dank Deines Hinweises und der Absatzgestaltung habe selbst ich die zehn Drabbles erkennen können. Jeder Absatz sollte also für sich genommen bestehen können. Tut er auch. Aber jetzt kommt mein eigentliches Problem: ich verstehe es nicht. Welche Rolle spielen die Farben, die Zahlen oder die Paradoxien und Gegensätze? Da komme ich nicht dahinter. Ich vermute es geht um Verlust, Vergänglichkeit, Vergessen und das Verstreichen lassen von Chancen. Aber ich bin auch sehr schlecht darin solche Rätsel zu lösen. Mir sind die einzelnen bsätze so vollgepackt, dass ich hinter allem eine Bedeutung vermute und mir vielleicht die Sicht auf das Wesentliche, das alles Verbindende verstelle. Andererseits fordern mich gleich die ersten Sätze auf, alle gängigen Muster zu vergesssen:
[Quote] Die junge Frau hatte ganz traurige Haare. Einst hatten sie geleuchtet, gleich einer blank geputzten Karotte. Aber alle Strähnen waren unsagbar betrübt geworden, dass man den Eindruck bekam, ihr Haar sei grau. [/Quote]
Eine zu früh alt gewordene Frau, deren karottenfarbenes Haar grau geworden zu sein scheint? Vielleicht. Vielleicht bedeutet aber auch die Karotte etwas? Nahrungsmittel tauchen noch ganz viele auf? Vielleicht ist das Orange eine Komplementärfarbe zu ??? und daher wirkt die Mischung grau, verschwommen, undeutlich? Brot und Milch (kommen später im Text vor) gemsicht ergibt vielleicht wieder grau? Warum heißt der Laden Hinschens so merkwürdig? Anagramm ? HC Hinsehen ??? Mhmm. Ja, hinsehen muss ich wahrscheinlich ganz genau, aber wenn ich mich versuche mit der Lupe dem Text zu nähern, sehe ich den Wald vor lauter Bäumen nicht. Und vielleicht ist es so banal wie Borchertstraße klingt? Oder ist es ein Hinweis auf Wolfgang Borchert und wie die Symboliken zu lesen sind?
Hilfe, hilfe, ich dreh mich im Kreis und denk jetzt nicht an Ellipse und wieder an Borchert, denn es bringt mich nicht weiter. Da müssen bessere Leser ans Werk.
Meinetwegen darfst Du Dich beschweren und mir vorhalten, dass ich, wenn ich keine Ahnung habe, besser Fresse gehalten hätte, weil Du schon genügend dumme Kommentare gesammelt hast. Aber ich war halt neugierig, las und verstrickte mich vollends. Vielleicht kannst Du diesem Komm ja wenigstens entnehmen, warum der Text sich mir nicht offenbart hat und wo ich zu wenig weiß oder verstanden habe.
Gruß
Brotnic2um
#3
von Rabenmaedchen (gelöscht)
Das 'zu früh' bei dem 'zu spät'
in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 06.11.2008 19:03von Rabenmaedchen (gelöscht)
Zitat: |
[...] Ich vermute es geht um Verlust, Vergänglichkeit, Vergessen und das Verstreichen lassen von Chancen. Aber ich bin auch sehr schlecht darin solche Rätsel zu lösen. Mir sind die einzelnen bsätze so vollgepackt, dass ich hinter allem eine Bedeutung vermute und mir vielleicht die Sicht auf das Wesentliche, das alles Verbindende verstelle. |
Hallo Brot,
ja, es geht um die großen Ver-s. Die einzelnen Absätze/Drabbles sind wohl durch ihre Drabble-Natur so voll. Wenn sie es nicht wären, wären sie als einzelne Drabbles nicht lesbar. Das 'alles-Verbindende'? Der Titel
Zitat: |
[...]Eine zu früh alt gewordene Frau, deren karottenfarbenes Haar grau geworden zu sein scheint? Vielleicht. Vielleicht bedeutet aber auch die Karotte etwas? Nahrungsmittel tauchen noch ganz viele auf? Vielleicht ist das Orange eine Komplementärfarbe zu ??? und daher wirkt die Mischung grau, verschwommen, undeutlich? Brot und Milch (kommen später im Text vor) gemsicht ergibt vielleicht wieder grau? |
Ich fürchte, Du machst es Dir sehr schwer. Grau geworden, ja. Nicht mehr appetitlich
Zitat: |
Warum heißt der Laden Hinschens so merkwürdig? Anagramm ? HC Hinsehen ??? Mhmm. Ja, hinsehen muss ich wahrscheinlich ganz genau, aber wenn ich mich versuche mit der Lupe dem Text zu nähern, sehe ich den Wald vor lauter Bäumen nicht. Und vielleicht ist es so banal wie Borchertstraße klingt? Oder ist es ein Hinweis auf Wolfgang Borchert und wie die Symboliken zu lesen sind? |
Ja die Borchertstraße ist ein Hinweis auf Wolfgang Borchert. Daher auch Hinschens. Bezüge wirst Du vor allem in dem Band 'Die traurigen Geranien und andere Geschichten aus dem Nachlaß' finden. Da findet sich unter anderem die Geschichte 'Alle Milchgeschäfte heißen Hinsch', die da mit den schönen Worten beginnt:
Zitat: |
Alle Milchgeschäfte heißen Hinsch. Hinschens sind blond, riechen satt und gesund wie frische Pfirsiche oder Säuglinge. |
sowie wenig später:
Zitat: |
Elsie, die Tochter, ist mittelgroß, müde im Tempo und mucksch. |
[Beide Zitate aus: W. Borchert, P. Rühmkorf (Hrsg.): Die traurigen Geranien und andere Geschichten aus dem Nachlaß, Reinbek bei Hamburg, 2006, S. 21]
Wichtige Passage diesbezüglich auch:
Zitat: |
Die Leute sagen: Sie [Elsie - R.] ist schräge. Hinschens sagen: Sie ist mucksch. Sie selbst sagte nichts. Sie gab überhaupt nur noch Stichworte zu ihrem Leben, ... |
[ebd. S. 25]
Vielleicht hilft Dir das ja weiter Ansonsten kann ich dieses Bändlein mit Borchert-Geschichten viel viel mehr empfehlen als seine Gesammelten Werke (die ja herausbringen, was zu seiner begrenzten Lebenszeit, bzw. kurz danach erschien).
Zitat: |
Meinetwegen darfst Du Dich beschweren und mir vorhalten, dass ich, wenn ich keine Ahnung habe, besser Fresse gehalten hätte, weil Du schon genügend dumme Kommentare gesammelt hast. Aber ich war halt neugierig, las und verstrickte mich vollends. Vielleicht kannst Du diesem Komm ja wenigstens entnehmen, warum der Text sich mir nicht offenbart hat und wo ich zu wenig weiß oder verstanden habe. |
So lange Du in der Lage bist Dein Unverständnis in so viele Worte zu kleiden, beschwere ich mich sicher nicht. Danke also für Deinen Kommentar
LG,
Ravna
#4
von Alexa (gelöscht)
Das 'zu früh' bei dem 'zu spät'
in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 10.11.2008 20:04von Alexa (gelöscht)
HI Rabenmädchen,
gut gedrabbelt, aber die Eigenschaft betrübt für Strähnen ?? Na ja, vll. Kleinigkeit, die mir hier aufstößt.
Dafür holst du aber später auf. Gut gemacht.Diese Drabbles passen zudem echt gut zur Thematik.Das ist wie ein Lebens-Film in zehn Teilen. Alle Absätze kann ich am Schluss zu einem Ganzen zusammenfügen.Die Resignation/Lustlosigkeit am Leben springt mir hier aus jedem Absatz entgegen.
Inhaltlich haben diese beiden Protagonisten hier ihr Kind verloren.Zumindest lese ich das so.
Mir gefällt es.
Gruß
Alexa
gut gedrabbelt, aber die Eigenschaft betrübt für Strähnen ?? Na ja, vll. Kleinigkeit, die mir hier aufstößt.
Dafür holst du aber später auf. Gut gemacht.Diese Drabbles passen zudem echt gut zur Thematik.Das ist wie ein Lebens-Film in zehn Teilen. Alle Absätze kann ich am Schluss zu einem Ganzen zusammenfügen.Die Resignation/Lustlosigkeit am Leben springt mir hier aus jedem Absatz entgegen.
Inhaltlich haben diese beiden Protagonisten hier ihr Kind verloren.Zumindest lese ich das so.
Mir gefällt es.
Gruß
Alexa
#5
von Rabenmaedchen (gelöscht)
Das 'zu früh' bei dem 'zu spät'
in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 11.11.2008 08:33von Rabenmaedchen (gelöscht)
Die betrübten Strähnen - mir fällt keine bessere Beschreibung ein, für diese Haare auf den Köpfen depressiver Personen, die stumpf wirken, sich im Wind irgendwie falsch bewegen. Alternativvorschläge?
Ansonsten danke und ja, das ist es inhaltlich. Man kann sogar lesen, wie
Ansonsten danke und ja, das ist es inhaltlich. Man kann sogar lesen, wie
#6
von Schreiberling (gelöscht)
Das 'zu früh' bei dem 'zu spät'
in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 16.12.2008 16:25von Schreiberling (gelöscht)
Der Text hat es etwas sehr Schönes, Intimes, Stimmungsvolles. Wenn kleine Fehler darin, lese ich bei solchen Texten darüber hinweg - da bin ich nicht hilfreich. Da ist eine Trauer, ein Schmerz spürbar, die nur durch den Stricksager im zweiten Absatz kurz platt gemacht werden. Titel versteh ich nicht. Würde ich konkreter machen, da sich der Text ohnehin sehr bedeckt hält. Aber das ist Geschmackssache.
#7
von Rabenmaedchen (gelöscht)
Das 'zu früh' bei dem 'zu spät'
in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 16.12.2008 18:52von Rabenmaedchen (gelöscht)
Hmm ich denke eigentlich, spätestens im letzten Drabble wird der Titel klar. Da ist den Eltern ein Kind gestorben und die Mutter hat sich an diese lächerliche Altersbeschränkung auf dem Lieblingsspiel der Familie gehalten, das Spiel, dass die Familie und ihre Freunde gerne spielen, so dass dem Kind nie an diesem wichtigen Element teilhaben konnte, die Familieninitiation nie abgeschlossen wurde... Da ist das Kind zu früh gestroben und der Mutter geht die Sinnlosigkeit des Verbotes, das Spiel mitzuspielen viel zu spät auf.
Danke für Deinen Kommentar,
Rabenmaedchen
Danke für Deinen Kommentar,
Rabenmaedchen
#8
von Schreiberling (gelöscht)
Das 'zu früh' bei dem 'zu spät'
in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 17.12.2008 15:11von Schreiberling (gelöscht)
das ist schön - auf das Spiel habe ich den Titel nicht bezogen. Vielleicht trotzdem ein wenig sperrig - aber warum nicht. Muss man wirken lassen...
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