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Runner's high - Teil 3

in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 16.12.2008 15:12
von Schreiberling (gelöscht)
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Franz betrank sich des Abends mit dem Wein dieser Insel und weckte sich morgens mit zwei starken Kaffees, um dann wieder weiter zu laufen, über steinige Straßen, von dornigen Büschen begrenzt, lief abseits des Weges durch die dornigen Büsche hindurch, riss sich die Haut auf seinen Waden auf, Blut verband sich mit dem Staub und rann Franz dunkel und dreckig hinunter zu seinen Knöcheln, Franz fühlte sich jeden Tag, den er über die Berge lief, wilder und freier, und in einer Vollmondnacht kippte der Abenteuerfilm, den Franz auf dieser Insel durchlief, in einen Softpornofilm, einer Frau war Franz hinterher gelaufen an einen entlegenen Strand, ausgezogen hatte sich diese Frau neben Franz ohne Scheu, völlig nackt war sie vorgelaufen ins Wasser, und dann lag sie mit geschlossenen Augen im Wasser wie tot auf dem Rücken, und Franz machte es genauso wie sie, und seine Hand berührte die ihre, Franz spürte den Druck ihrer Finger, und Franz, der nun schon seit mehreren Jahren immer gerannt war, lag mit einem Mal völlig ruhig auf dem Wasser, und sein Körper fing an zu zittern, und Franz schob das Zittern auf die Temperatur des Wassers, doch das Wasser war warm, zu warm, um vor Kälte zu zittern, immer heftiger wurde das Zittern von Franz, sein rechtes Bein schlug kurz aus, danach gleich sein linkes, es war so, als wollten seine Beine senkrecht aus dem Wasser empor laufen dem Mond und den im Mondlicht verborgenen Sternen entgegen, doch der Druck ihrer Finger wurde noch stärker, und sein Zittern ließ nach, als ergäbe es sich dem stärkeren Druck ihrer Finger, Franz begann sich ganz auf diesen Druck ihrer Finger zu konzentrieren, und über den Druck ihrer Finger schlüpfte Franz in seinem Geiste durch die Poren ihrer Haut in ihre Hand, ihren Arm und unter ihrer Achselhöhle hindurch zu ihrem Herzen, heiß umspülte ihn plötzlich ihr Blut, wärmte ihn, und ein großes Gefühl verwandelte den Softpornofilm in ein künstlerisch wertvolles, cineastisches Werk, „das ist die Liebe!“, Franz begann jauchzend ihre Adern zu durchfließen und jeden Millimeter ihres Körpers zu entdecken, „das ist die Liebe!“, Franz zog sie an sich heran, und schwimmend fingen sie an, sich zu lieben, ohne sich in irgendeiner Form voreinander zu schützen, und sie trieben ans Ufer, und im flachen Wasser saß sie dann auf ihm, und über ihrem nassen Körper glänzte der Mond, eine solche Sequenz hatte Franz schon einmal in einem Sexfilm ganz besonders erregt, und Franz stöhnte und schrie, während sich Gelsen auf die Haut der Frau zu setzen begannen, und die Erregung der Frau wich dem Wunsch, die Gelsen von ihrem Leib fern zu halten, aber Franz wollte diese Sequenz nun zu Ende erleben, wollte sich dieses ihn so erregende Bild nicht zerstören lassen von irgendwelchen Blut saugenden Mücken, und Franz hielt die Frau fest, drückte sie an sich, während ihm das Meer zwischen seine Pobacken rollte, und kam, eine letzte Großaufnahme von seinem Gesicht, ein Grinsen, dann begann der Abspann seines kleinen, erotischen Kunstwerks über den Mond und die Wellen zu laufen, und die Frau löste sich aus der Umarmung von Franz, und die Frau rannte wild um sich schlagend zu ihren Sachen, und wenig später saß sie in Handtücher gehüllt im Sand, und sie rauchte, „das ist die Liebe“, war sich Franz nach wie vor sicher, und Franz lief um die Frau, und Franz schwang sein Handtuch, um die Gelsen von der Frau zu vertreiben, und nachdem die Frau Franz mit etwas Smalltalk vergeblich zu beruhigen versucht hat - sie war ein paar Jahre älter als Franz, und sie kam irgendwo aus dem Norden - versuchte die Frau Franz zu erklären, dass sie einen Fehler gemacht hat, „ich wollte doch nur einmal wissen, wie das mit einem Fremden so ist“, aber Franz war es egal, das Handtuch schwingend immer neue Besonderheiten an ihr entdeckend, und die Frau versuchte Franz zu erklären, dass das alles bestimmt keine Zukunft hätte für sie und für ihn, „ich fliege in einer Woche zurück, und dann ist es vorbei“, aber Franz war es egal, nach allem verlangend, was möglich war und erreichbar, und die Frau versuchte Franz zu erklären, dass sie es doch bei dem einen Erlebnis belassen sollten, um die Erinnerung an dieses eine Erlebnis nicht mit dem sinnlosen Bemühen um mehr zu zerstören, „es war doch sehr schön“, aber Franz wollte sich nicht mit dem Erinnern begnügen, Franz wollte nicht aufhören mit ihr, wollte sie riechen und spüren und schmecken, und so sagte er „nein“, sagte immer nur „nein“, denn er wisse, so erklärte ihr Franz, es wäre die Liebe, und Franz meinte „vielleicht“, und vielleicht war es dieses „vielleicht“, das Christine dazu bewegte, sich einzulassen auf ihn, vielleicht war es die Hoffnung in seinen Augen, dieses fast schon kindliche Begehren, das sie im Schein der Zigarettenglut ausmachen konnte, das sie gegen ihre Vernunft dazu trieb, den nächsten Tag mit Franz in einer versteckten Bucht und die nächste Nacht mit Franz in einem Zimmer mit dichten Gelsengittern zu verbringen, und am darauf folgenden Tag nahm Franz Christine an seiner Hand, und gemeinsam mit ihr setzte er seine Reise fort auf der Insel, gemeinsam mit ihr lief er weiter über Mosaikböden aus der Antike, an Palastfassaden vorbei aus glorreichen Zeiten, auf die Spitz eines Vulkans lief Franz mit Christine empor, im stinkenden Nebel stand Franz mit Christine und sah nur ihr Gesicht, und Franz erzählte Christine etwas über die Götter, den Glauben und über die Macht der Natur und der Liebe, und aus dem Nebel heraus in die Sonne liefen Franz und Christine wieder hinunter ans Meer, einen schmutzigen Sandstrand liefen sie barfuss entlang, und Franz betrachtete seine Fußspuren im Sand, „das ist der Fußabdruck eines richtigen Mannes“, stellte Franz selbstzufrieden fest, und die Liebe war es zu dieser Frau, die ihn zu einem richtigen Mann gemacht hatte, war Franz überzeugt, „ich bin ein richtiger Mann!“, und Christine schmiegte ihren Kopf an die Schulter von Franz, während er lief, während er schlief, und ab und zu seufzte Christine ganz leise, und einmal weinte sie auch, und Franz fragte Christine, was sie denn habe, und sie sagte, „es ist nur eine Liebe auf Zeit“, und Franz wollte das „nur“ nicht verstehen, und das „auf Zeit“ überhörte er einfach, und übrig blieb für Franz letztlich der Satz „es ist die Liebe“, wobei er den unbestimmten durch einen bestimmten Artikel ersetzte, und dass es die Liebe sei, dass hatte Franz ohnehin von Anfang an schon gewusst, und Franz erklärte Christine, dass sie deshalb doch nicht zu weinen brauche, „so sei eben das Leben“, und Franz fühlte sich unglaublich weise, als er das meinte, und Franz fügte hinzu, „dem Leben muss man sich stellen“, und Franz erklärte ihr weiters „und mit dem Leben hat man sich auch der Liebe zu stellen“, und Franz sprach irgendetwas von Schicksal, und Franz sprach irgendetwas von den griechischen Göttern, und er brachte das Schicksal, die Liebe und die griechischen Götter irgendwie in Verbindung, und nachdem Franz diese Verbindung hergestellt hatte, fühlte sich Franz noch viel weiser, und Christine hörte ihm zu, und sie musste lächeln, und Franz meinte, sie lächelte, weil sie ihn verstünde, aber wenig später erklärte sie Franz, dass sie gelächelt habe, weil sie fasziniert war von seinem Enthusiasmus, von seinen Versuchen, alles was war, richtig zu reden, Perspektiven herbeizureden wo keine waren, „Du bist ein Besessener“, erklärte sie Franz, und so etwas wie Mitleid lag in ihrer Stimme, „Ich bin besessen von dir“, erwiderte Franz, und er legte Christine stolz seinen Arm um die Schulter und zwang sie mit sanfter Gewalt weiter an seiner Seite zu laufen, und Franz begann über die Zukunft zu reden, von den Möglichkeiten, von denen Franz meinte, sie würden sich ihnen bieten, Franz fing an für Christine und sich ein gemeinsames Leben zu planen, fing an, die Strecke zu skizzieren, die sie in Zukunft gemeinsam laufen könnten, und Christine sagte „halt“, und Franz hörte ihr „halt“, aber Franz konnte nicht halten, Franz musste weiter, und so plante Franz weiter und ließ Christine zurück, und als Franz schon fünfzig war in seiner Planung der gemeinsamen Zukunft, und Christine in seiner Planung die paar Jahre älter, und als ihre Kinder in seiner Planung ihrer gemeinsamen Zukunft ihre eigenen Wege zu gehen begannen, da rief Christine ihm nach, dass aus all seinen Plänen nichts würde, dass es einen anderen Mann gäbe in ihrem Leben, und diesen anderen Mann gäbe es schon seit sehr vielen Jahren, und dass sie es wirklich nur einmal hat wissen wollen, ob es denn möglich wäre auch mit anderen Männern, vielleicht auch mit etwas jüngeren Männern, und dass sie nicht gewollt hat, dass es soweit käme, und sie liebe Franz zwar, sie liebe Franz wirklich, aber noch mehr liebe sie diesen anderen Mann, und wenn nicht noch mehr so doch ganz anders, tiefer, sie sei ihm verbunden, dieser Mann sei ein Teil ihres Lebens und Franz nur der Mittelpunkt eines Traumes, doch Franz war schon zu weit fort gelaufen von ihr, um sie zu verstehen, Franz war in seinen Gedanken schon über neunzig, und Christine lag in seiner Planung im Sterben, und Franz umlief gerade ihr Bett in seiner Planung, und um ihr Bett laufend, langsam und seinem ebenfalls höheren Alter entsprechend, erinnerte er sich an all das, was er mit Christine in seiner Planung erlebt hatte, und Christine sah ihm nur nach, und Franz öffnete seine Augen und begann, Christine zu suchen, und Franz verstand nicht, warum Christine soweit hinter ihm war, so eine gute Läuferin war sie doch schließlich gewesen, über die halbe Insel war sie an seiner Seite gelaufen, und plötzlich sah Franz, wie Christine ihm den Rücken zukehrte, wie Christine in eine andere Richtung zu gehen begann, und sie wirkte nicht glücklich dabei, nicht so froh, wie in den Momenten, in denen sie mit ihm am Ufer des Meeres entlang gelaufen war, aber sie ging, und Franz schrie nur „nein“, schrie „nein“, und lief Christine hinterher bis in die Stadt, in der sie lebte, lief Christine hinterher bis zur Tür jener Wohnung, die sich Christine mit ihrem Mann zugelegt hatte, aber so schnell Franz auch lief, und so langsam Christine auch ging, Franz holte Christine nicht wieder ein, sie sagte nur, „es täte ihr leid“, und Franz schrie, und Franz brüllte, und Franz versuchte seinen Liebesschmerz mit körperlichem Schmerz zu überlagern und rannte mit seiner Stirn voran gegen die Tür ihrer Wohnung, in der kein Platz für ihn war, in der ein anderer wohnte mit ihr, ein anderer, der Christine wichtiger war, „du machst alles kaputt“, hörte Franz Christine noch sagen, „was mach ich kaputt?“, fragte sie Franz, „ist doch gar nichts mehr da, was ich kaputt machen könnte“, brüllte Franz, und dann erklärte er ihr immer wieder, „du bist es für mich, du bist es für mich, du bist es für mich“, bis sie die Türe öffnete, ihn ansah und fragte, „was bin ich für dich?“, und Franz starrte sie an, Christine, die Frau, die er liebte, wie eine Fremde stand sie mit einem Mal vor ihm in der Tür, und Franz fing an zu stammeln, suchte seine Liebe in dieser Fremden, und irgendwann bröselte Franz dann das Wort „alles“ aus seinem Mund, „alles bist du für mich“ murmelte Franz, und Christine schüttelte nur ihren Kopf, und Christine verschloss ihre Tür vor der Nase von Franz, und Franz schrie ihren Namen, „Christine!“ schrie Franz, und Franz trommelte an ihre Türe, bis der Mann von Christine neben Franz vor der Tür stand, und der Mann drohte Franz damit, die Polizei zu verständigen, die dann auch kam, und als die Polizisten Franz in die Mitte nahmen und davon fuhren mit ihm, schrie Franz noch immer „Christine!“, die ganze Nacht in der Zelle wiederholte Franz ihren Namen, zuerst noch ganz laut, und als sie ihm eine psychiatrische Behandlung androhten, murmelte Franz nur mehr leise, „Christine!“, bis er einschlief mit „Christine“ auf seinen Lippen, und mit dem über Nacht auf den Lippen eingetrockneten Namen erwachte Franz am nächsten Morgen, und gegen ein Bußgeld verließ Franz die Zelle, lief wieder los, und der eingetrocknete Namen brannte Franz auf seinen Lippen, Franz lief zurück, nicht zu Christine, dass hatte Franz den Beamten versprechen müssen, Franz lief zurück in seine Wohnung und biss sich am Weg dorthin Christine von seinen Lippen, bald hingen nur mehr blutigen Hautfetzen um seinen Mund, und „Christine“ löste sich auf in einem süßen Geschmack und einem brennenden Schmerz, „das war also die Liebe gewesen“, versuchte Franz einen Punkt unter diese Geschichte zu setzen, „auch nur eine Episode in meinem Leben“, Franz versuchte sie zwischen den anderen Episoden einzuordnen, obwohl…, und die Bilder vom Strand durchzuckten Franz immer wieder, die Erinnerung an das wortlose Einverständnis, doch zuhause angekommen lief Franz weiter, ohne sich eine kurze Pause zu gönnen, was hätte Franz anderes tun sollen, als weiter zu laufen, lief auf die Universität, hieb die letzten Seiten seiner Diplomarbeit in die Tastatur seines Computers, Franz erlief sich seinen Magister beinahe in der vom Staat als optimal bezeichneten Zeit, und an all das, was er davor gelernt hatte in Vorlesungen und Übungen, erinnerte sich Franz nicht mehr, all das hatte Franz längst schon verschwitzt und vergessen, denn Franz studierte ja nicht der Inhalte wegen, und so erlief sich Franz ein Thema für seine Dissertation, aufarbeiten musste Franz irgendwas und dann vergleichen, und Franz wusste, das würde ihm sicher gelingen, und vielleicht würde aus der Ausarbeitung und dem Vergleich auch eine Publikation, so dachte sich Franz insgeheim, sein Name auf einem Buchdeckel hätte Franz schon gefallen, aber die Hauptsache war es für Franz, Doktor zu werden so wie sein Vater und so wie die meisten anderen in seiner Familie auch, aber vorerst wollte sich Franz etwas gönnen, vorerst wollte er die erfolgreiche Beendigung der ersten Etappe seines Studiums als Vorwand nehmen, um sich auf eine wirklich große Reise zu begeben, „scheiß auf die Liebe“, sagte sich Franz, „Erfahrungen gilt es zu sammeln“, erinnerte sich Franz, „und die schönsten Plätze der Welt sollte man in seinem Leben zumindest einmal gesehen haben“, behauptete Franz, alles wollte Franz sehen, was es zu sehen gibt auf dieser Welt, nicht bloß ein paar Inseln im Süden, um hernach erzählen zu können, die verschiedensten Länder durchlaufen und dort alles gesehen zu haben, was es in diesen Ländern zu sehen gibt, um mitreden zu können, wenn andere Leute erzählen von ihren Reisen rund um den Erdball, sein Freund Anton hatte schon als Kind mit seinen Eltern viele Länder dieser Erde bereist, während Franz mit seinen Eltern immer nur in dem Haus an dem See zwischen den Bergen gewesen war und drei-, viermal auch ein klein wenig weiter und einmal sogar für eine Woche am Meer, war sein Freund Anton mit seinen Eltern in den Ferien überall in der Welt unterwegs gewesen, hat neben heißen Geysiren in Zelten geschlafen und in Bretterverschlägen im Dschungel, hat nach den Ferien von bunten Fischen im Meer berichtet und von den Giraffen in der Savanne, sogar einen Löwen hat sein Freund Anton einmal in freier Wildbahn gesehen, und Franz hat seinen Freund Anton um all diese Reiseerlebnisse immer beneidet, und nun war es Franz möglich, all diese Länder für sich selbst zu entdecken, denn Franz hatte ein wenig gespart, und Franz hat auch von seinem Chefredakteur einen längeren Urlaub zugestanden bekommen, und Franz begann seine Reise in einem Urlaubsparadies irgendwo weit im Osten, von dem Urlaubsparadies hatte Franz schon so manches gehört, dass es dort einen endlosen Strand geben würde, dass man dort ziemlich gutes Gras rauchen könne, und dass dort alles irgendwie freier wäre als anderswo auf der Welt, und Franz lief über den endlos scheinenden Sandstrand, und Franz kaufte sich Gras, und Franz rauchte das Gras, und bevor Franz noch die Wirkung des Grases wirklich auskosten konnte, betrank sich Franz mit billigem Whiskey, und in einer Strandbar, in der Franz mit sich selber zu tanzen anfing, schrie eine Frau jenseits der vierzig, „fuck me, fuck me!“ schrie die völlig betrunkene Frau, und sie entblößte dabei ihre Brüste, hängende, weiße Brüste schlenkerten vor ihrem braun gebrannten Bauch hin und her, während sie schrie, und Franz nahm die Frau in die Arme, ließ sich küssen von ihr und auf ihr Hotelzimmer zerren, ließ sich die Kleider vom Körper reißen, die Freiheit dieses Urlaubsparadieses genießend, scheinbar langsamer laufend als sonst, aber doch stets in einer leicht schaukelnden Vorwärtsbewegung, aufgeputscht von dem Whiskey, und Franz hörte die Frau neben sich schluchzen, spürte seine Finger in ihrem Haar, hörte die Frau wimmern an seiner Seite, spürte sie treten, neben Franz liegend trat sie ihm gegen die Beine, und gleich darauf vernahm Franz wieder ihr Wimmern, „he baby“, murmelte Franz und stand auf, ging hinaus auf ihre Terrasse und übergab sich an den Stamm einer Palme gelehnt, dann kehrte er wieder zurück in ihr Zimmer, mit einem kräftigen Schluck Whiskey spülte sich Franz den sauren Geschmack aus dem Mund und fühlte sich einmal mehr wie ein richtiger Mann, „he baby“, die Frau hatte mittlerweile ihren Kopf unter dem Leintuch vergraben, ihr bis auf ein schmales, weißes Band von der Sonne schwarzbraun gebrannter und mit einer Orangenhaut überzogener Hintern stand Franz entgegen, zu warten schien dieser Hintern für Franz, der mit einem Mal das Wimmern der Frau nicht mehr hörte, Franz nahm nur mehr den Hintern wahr und die ihm entgegen klaffenden fleischfarben glänzenden Löcher, sein Glied mit seinen Fingern umspielend, mit seiner Eichel auf dem Steg zwischen den Löchern kurz überlegend, um dann in einem fort schaukelnd zuerst in das eine und dann in das andere Loch einzudringen, Franz hielt sich fest am Becken der Frau, und abermals schrie diese Frau, nicht „fuck me“ schrie sie, irgendwas andres schrie diese Frau, und als sein Glied ihrem Anus erschlaffend entwuchs, mündete ihr Schreien in ein nur mehr mit heiserer Stimme geflüstertes „no“, das sich in einem verzweifelten Schluchzen verlor, Franz küsste sie noch auf den Rücken, Franz tätschelte noch ihren Po, und während Franz sein Glied mit ihrem Leintuch sauber rieb, stellte er fest, dass er nun endlich einmal eine Frau in den Arsch gefickt hatte, das hatte sich Franz bei all den Frauen, mit denen er bis zu jenem Zeitpunkt zusammen gewesen war, nie wirklich getraut, aber nun konnte Franz auch diesen Punkt als erledigt betrachten, und mit glasigen Augen auf den nackten Leib der Frau blickend zog sich Franz an, leicht hin und her schaukelnd bewegte sich Franz aus dem Zimmer, „stand by me!“, hörte Franz die Frau hinter sich flüstern, „stand by me“, Franz drehte sich um, eine Melodie schwang sich kurz durch sein Gehirn, aber Franz war nicht mehr imstande dazu, sie wiederzugeben, nur ein atonales Brummen kam ihm über die Lippen, und Franz schaukelte seinen Leib zurück zu dem Bett, und schweigend ergriff die Frau seine Hand, und schweigend weinte sie sich in den Schlaf, während sich Franz durch ihr Zimmer bewegte, Tablettenschachteln, alle geöffnet, Whiskeyflaschen, einige leer, am Boden herum liegende Wäsche, eine abgegriffene Fotografie eines lachenden Mädchens, das die selben, blonden Haare hatte wie sie, und als der Morgen zu grauen begann, ließ die Frau seine Hand los, wie ein unvertäutes Schiff im Morgenwind auf’s Meer hinaus treibt, so schaukelte sich Franz aus dem Zimmer der Frau hinaus auf die Terrasse, an seiner bereits in den Sand eingesickerten Kotze vorbei zwischen den Palmen hindurch auf den Strand, am Strand entlang zu seiner Hütte, mit zittrigen Fingern führte Franz einen Joint an seine Lippen, Franz schien es, als würde ihm die ganze Welt an diesem Morgen „fuck me“ entgegen brüllen, lüstern nach ihm verlangend breitete sich die Welt vor ihm aus, „fuck me“, Franz leckte sich seine Lippen, „fuck me“, ein Weinkrampf begann Franz plötzlich zu beuteln, nackt, mit angezogenen Beinen krümmte sich Franz auf den roten Fliesen seiner Terrasse und fror in der werdenden Hitze des Tages, Franz hörte die Stimmen von Menschen, hinter Tränen meinte Franz Angestellte der Appartementanlage erkennen zu können, „it’s okay, it’s okay“ versicherte Franz in Richtung der Brüstung seiner Terrasse mit einem Mal nicht mehr sicher, ob da wirklich wer stand, „it’s okay. It’s okay“, sagte sich Franz auch am Nachmittag, als er erwachte, doch bereits am nächsten Morgen, noch bevor die Sonne aufging, verließ Franz seine Hütte am Meer, „genug von der Freiheit genossen“, sagte sich Franz, Erinnerungen an eine sich vergebens gegen seine Gewalt wehrende Frau schaukelten Franz noch eine Weile dumpf in seinem Gehirn hin und her, in dem alles mit Schaumgummi ausgepolstert zu sein schien, doch Franz entlief schnell dieser Dumpfheit seiner Gedanken, entlief der Erinnerung und rückte sie jeden Kilometer ein wenig mehr für sich zurecht, sie hatte ihn schließlich mit sich genommen, entkleidet hatte sie ihn und sich auf ihn gestürzt, ihren Hintern hatte sie ihm entgegen gestreckt, und danach hatte sie schließlich gewollt, dass er bleibt, und das dazwischen, das dazwischen wusste Franz nicht zu deuten, aber das dazwischen war für Franz nicht mehr wichtig, zu einer ersten großen Sehenswürdigkeit war er gelaufen, und der Schaumgummi in seinem Gehirn war verschwunden, klar waren seine Gedanken wieder geworden, und die Beine von Franz bewegten sich wieder so schnell, wie Franz es von ihnen gewohnt war, und eine ganze Woche mietet sich Franz einen Wagen mit Fahrer, um möglichst viele Sehenswürdigkeiten in der kürzest möglichen Zeit in seinem Reiseführer abhaken zu können, und der Fahrer raste mit Franz durch die Wüste, auf einer völlig geraden Straße durch eine trostlose Landschaft, Franz hielt sich an seinem Sitz fest, aber Franz wagte es nicht, den Fahrer zu bitten, sein Tempo zu reduzieren, „so fahren sie hier nun einmal“, dachte sich Franz, „der Fahrer wird schon wissen, was er da tut“, versuchte sich Franz Mut zuzusprechen, und im Grunde war es Franz nur Recht, schnell vorwärts zu kommen, desto schneller der Wagen dahinfuhr, desto schneller war Franz am Ziel der Etappe, und dann konnte sich Franz noch am selben Tag die Palastfassade ansehen und vielleicht auch noch die riesigen Sonnenuhren, und dann hätte Franz noch am selben Tag dank des rasanten Fahrstils seines Chauffeurs zwei Programmpunkte an seinem nächsten Etappenziel abhaken können, und dann hätte Franz bereits am nächsten Tag weiterfahren können, denn Franz wollte schließlich so viel sehen wie möglich auf seiner Reise, ein Grabmal wollte er sehen und die höchsten Berge der Welt, geheimnisvolle Tempelanlagen im Dschungel, schwimmende Märkte, Hochhäuser, Urwälder und einsame Strände, durch riesige Sumpflandschaften wollte Franz fahren und entlegene Inseln erkunden und einen ganzen Kontinent mit einem gemieteten Wagen durchqueren, und Franz hatte nur drei Monate Zeit, denn nach drei Monaten, so lauteten die Pläne von Franz, wollte Franz mit der Arbeit an seiner Dissertation anfangen, und Franz hatte auch nur für drei Monate Weltreise Geld angespart, und so war es Franz im Grunde nur recht, wenn er von diesem Fahrer schnell zu seinem nächsten Etappenziel gebracht wurde, und der Wagen raste auf einen, auf einer Kuppe stehenden mit Heu beladenen Viehwagen zu, der Fahrer von Franz reduzierte nicht die Geschwindigkeit, immer näher kam der Viehwagen, der Fahrer wechselte ohne zu blinken die Spur, er drückte nicht einmal auf die Hupe, Franz war sich sicher, der Fahrer konnte genauso wenig erkennen wie er, ob ihnen irgendetwas entgegen kommen würde hinter der Kuppe, Franz hielt die Luft an, aber es kam nichts entgegen, und Franz atmete aus, ein Kind lief hinter dem mit Heu beladenen Viehwagen hervor, Franz sah dem Kind in die Augen, große, dunkle Augen hatte das Kind, drei, vier Jahre war es wohl alt, der Fahrer stieg auf die Bremse, und das Kind starrte mit weit aufgerissenen Augen auf Franz, mit weit aufgerissenen Augen raste das Kind Franz für den Bruchteil einer Sekunde entgegen, dann krachte der kleine Leib dieses Kindes gegen das Blech, seine Hand wischte noch über die Scheibe, während sein restlicher Körper bereits über das Autodach flog, Franz sah im Rückspiegel den Leib des Kindes hinter dem Wagen über den Asphalt springen, zweimal, dreimal sprang der Leib auf, sich dabei drehend und fremden Kräften gehorchend, leblos schien dieser Leib und musste es letztlich auch sein, vielleicht noch nicht in diesem Moment, aber doch in wenigen Augenblicken danach, zu stark war der Aufprall, zu hart das Blech und zu zart der Körper des Kindes, immer kleiner wurde der Leib, der nun regungslos dalag, und statt dem Viehwagen, der nur kurz an der Seitenscheibe vorbei gerast war, erstreckte sich seitlich wieder die endlose Weite dieser trostlosen Landschaft, und der Fahrer stieg kurz auf das Gaspedal, und Franz sah im Rückspiegel eine Frau auf die Straße eilen, hin zu dem leblosen Leib dieses Kindes, und der Fahrer ging runter vom Gaspedal, und Franz sagte „Stopp“, und der Fahrer ließ seinen Wagen auf der geraden Straße dahinrollen, stieg nicht auf’s Gaspedal, stieg aber auch nicht auf die Bremse, und Franz sagte noch einmal „Stopp“, und Franz sah, wie ein Mann mit erhobenen Händen hinter dem Wagen hinterhergelaufen kam, und Franz musste an Lynchjustiz denken, Franz hatte von Fällen gehört, dass in dieser Region Menschen aus geringeren Anlässen mit Messern und Knüppeln bewaffnet…, und Franz bekam Angst um sein Leben, aber trotzdem sagte er noch einmal „Stopp“, aber der Fahrer nickte nur mit seinem Kopf, und der Fahrer stieg wieder auf’s Gaspedal, und der Mann mit den erhobenen Händen wurde immer kleiner im Spiegel, wie auch die über dem leblosen Leib des Kindes kniende Frau, bis sie alle hinter der nächsten Kuppe verschwanden, die Frau, der Mann, der leblose Leib dieses Kindes und der mit Heu beladene Viehwagen, und Franz sagte nichts mehr, Franz starrte nur aus dem Fenster, und die trostlose Landschaft schmierte sich verschwommen an seinen Augen vorbei, immer wieder sah Franz dieses Kind, immer wieder hörte Franz auch den Aufprall des Leibes, meinte sogar ein von der kleinen Hand erzeugtes Wischgeräusch auf der Scheibe wieder und wieder hören zu können, und immer wieder sah Franz die Frau und den Mann, um dann wieder die großen, dunklen Augen des Kindes zu sehen, und nach einer Fahrt, von der Franz nicht hätte sagen können, wie lange sie gedauert hatte, in völliger Trance war Franz neben dem Fahrer gesessen ein und die selben Bilder immer wieder vor Augen, stieg Franz aus dem Wagen, und weil Franz am nächsten Tag mit dem Fahrer nicht weiterfahren wollte, verhandelte er noch mit ihm um den für den einen Tag zu zahlenden Fuhrlohn, denn der Fahrer wollte sich nicht mit einem Siebentel des Lohnes begnügen, schließlich musste er am nächsten Tag alleine wieder zurück, weshalb er den Lohn für einen zweiten Tag ausbezahlt haben wollte, doch dann sprach Franz den Tod des Kindes an, und damit stellte sich für Franz und den Fahrer die Frage, „wieviel zieht man ab für den Tod eines Kindes?“, und Franz erklärte dem Fahrer, dass er zur Polizei gehen wolle, um den Unfall zu melden, und der Fahrer begnügte sich mit einem Mal mit dem Siebtel des Lohnes, und der Fahrer beteuerte Franz, dass es keinen Sinn hätte, die Polizei einzuschalten, und der Fahrer versprach Franz, der Familie des überfahrenen Kindes Geld zukommen zu lassen, das wäre so üblich, versuchte er Franz zu versichern, und auch der Botschafter, den Franz von der Hotellobby anrief, erklärte Franz, er solle nichts tun, Franz würde sich nur Probleme einhandeln, müsste seinen Pass abgeben und würde dann in dieser Stadt festsitzen, und der Botschafter meinte, er könne nicht sagen wie lange, lange könne das dauern, wenn Franz den Vorfall der Polizei melden würde, Schmiergeld müsse er zahlen, er könne nicht sagen wie viel, meinte der Botschafter, aber Franz müsse mit viel Schmiergeld rechnen, wenn er zur Polizei gehen würde, um den Vorfall zu melden, aber wenn Franz seine Reise fortsetzen wolle, sollte er gar nichts melden, sollte dem Chauffeur das Geld geben, das er ihm schulde und nichts unternehmen, das wäre eben so in dem Land, erklärte der Botschafter, und Franz hatte keine Lust länger als notwendig in dieser Stadt zu verweilen, einen Tag meinte Franz, müsse er bleiben, um sich alles in dieser Stadt angesehen zu haben, und so bezahlte Franz den Fahrer, ohne länger mit ihm zu streiten, und Franz meldete der Polizei nichts von dem Vorfall sondern kaufte sich in einer Bar ein paar Dosen Bier und zwei Flaschen Whiskey, und zog sich mit Bier und Whiskey zurück auf sein Zimmer, und dann rannte er durch sein Zimmer, immer wieder hatte Franz die großen dunklen Augen des Kindes vor Augen, immer wieder den Aufprall des Leibes in seinen Ohren, das Wischen der Hand, zu späterer Stunde dann auch ein Knacksen, mit dem möglicherweise das Rückgrat des Kindes zerbrach, Franz rannte und trank, versuchte den Bildern zu entrinnen, versuchte die Geräusche im Schnaps zu ertränken, aber beides wollte Franz nicht gelingen, denn als Franz am nächsten Morgen erwachte, sah er wieder das Kind, und wieder hörte Franz den Aufprall des Leibes, das Wischen der Hand, nur das Knacksen des Rückgrats war am Morgen nicht mehr zu hören, war mit dem gesunkenen Alkoholgehalt in seinem Blut wieder verschwunden, aber der Aufprall, das Wischen, immer und immer wieder, als wäre nicht nur ein Kind gegen das Blech des Wagens gekracht sondern Hunderte Kinder, überfahren auf der staubigen Straße zwischen zwei Städten inmitten einer trostlosen Landschaft, und Franz lief los, verkatert und ungewaschen lief er hinaus in die Stadt, lief durch alle Sehenswürdigkeiten, an der Fassade dieses einen Palastes vorbei, zu den Sonnenuhren und zu der Palastanlage, die ein Stück außerhalb lag, um all diese Sehenswürdigkeiten zu sehen, war Franz schließlich gekommen, und Franz steigerte ganz automatisch sein Tempo, alles musste Franz sehen, denn was hätte seine Anwesenheit in diesem Land und damit auch der mit seiner Anwesenheit in diesem Land verbundene Tod dieses Kindes sonst für einen Sinn gehabt, wenn sich Franz nicht alles ansehen würde, so schnell er nur konnte, denn da waren diese großen, dunklen Augen des Kindes, die zugeschüttet werden wollten mit Bildern, oder zumindest versuchte Franz diese Augen mit Reiseeindrücken zu überdecken, seinem Freund Anton hatte Franz Erde auf den Sarg hinunterfallen lassen, aber die Augen des Kindes ließen sich nicht mit Erde bedecken, und auch nicht das Geräusch des gegen das Blech prallenden Leibes, dazu brauchte es Bilder und viele neue Geräusche, um sie untergehen zu lassen in Eindrücken, um sie verstecken, verbergen zu können, und Franz reiste weiter durch Städte und Dörfer, besuchte Tempelanlagen und lief um heilige Seen, und alles hielt Franz auf seiner Reise mit seiner Kamera fest, nur die Frau im Urlaubsparadies hatte Franz nicht fotografiert – und auch nicht das Kind, aber ansonsten hatte Franz bislang jeden ihm wichtig erscheinenden Ort auf seiner Reise mit seiner Kamera festgehalten, um sich all diese Orte dann zuhause in Ruhe ansehen zu können, denn unterwegs auf seiner Reise hatte Franz nicht die Zeit, da musste Franz weiter, und in einem völlig überfüllten Zug reiste Franz zusammen mit einer Frau zur heiligsten Stadt dieses Landes, einen ganzen Tag und eine ganze Nacht verbrachte Franz mit dieser Frau in dem Zug, und sie erzählten sich, was man sich bei solchen Fahrten erzählt, wie billig doch alles war in dem Land, und wo es ganz besonders billig war in dem Land, und was sie sich schon alles geleistet hatten in diesem Land, was sie sich daheim normalerweise nicht leisten würden, Hummer und Übernachtungen in Palästen und persönliche Fahrer, und irgendwann waren alle Preise verglichen und alle Plätze beschrieben, und da erzählte dann Franz von den großen, dunklen Augen des Kindes, und die Frau zeigte sich sehr bestürzt, und Franz hatte Tränen in seinen Augen, Franz dachte sich noch, „die Tränen kommen sicher gut an bei der Frau“, Franz schämte sich dafür, dass er das dachte, aber die Tränen kamen wirklich gut an bei der Frau, denn kurz darauf streichelte sie Franz mit ihren schlangen Fingern durch seine Haare, böse Blicke ernteten sie für diese Berührung des Kopfes von den Mitreisenden, aber das war der Frau und Franz in diesem Moment völlig egal, und sie kamen in die heilige Stadt, und in der heiligen Stadt liefen Franz und die Frau sofort an den heiligen Fluss, und nach dem Fluss besichtigten sie auch all die anderen Sehenswürdigkeiten der Stadt, „wie nett sie doch ist, diese Frau“, dachte sich Franz, aber er wusste, er würde sich am nächsten Tag von ihr trennen, denn die Frau wollte weiter an Orte, die Franz bereits kannte, und Franz wollte die hohen Berge sehen, und von den hohen Bergen wollte Franz weiter zu den hohen Häusern, so waren seine Pläne, und Franz hatte sich noch immer an seine Pläne gehalten, und Franz war losgezogen, um die ganze Welt zu bereisen und nicht, um mit einer Frau Zeit zu verbringen, das sagte Franz auch der Frau, und die Frau entgegnete Franz, „so wäre eben das Leben“, Franz dachte kurz an Christine, eine Atemnot ließ Franz kurz nach Luft schnappen, „scheiß auf die Liebe“, erinnerte sich Franz und schob der Frau seine Zunge zwischen den Zähnen hindurch und seine Hand in ihr Höschen, wo sich seine Finger etwas zu energisch in ihre Trockenheit bohrten, aber ein paar Küsse später durfte es Franz von Neuem versuchen, und die Nacht machten die beiden dann durch, schliefen nicht, schliefen nur miteinander, rauchten und tranken, plauderten über die Sterne, suchten sich selbst in den Sternen und meinten sich in irgendwelchen leuchtenden Punkten zu finden, von denen sie aber nicht wussten, ob die Lichtquellen dieser leuchtenden Punkte zu jenem Zeitpunkt noch existierten, die ganze Nacht lief Franz um die Frau herum, und beiden wurde schwindlig durch das permanente Kreisen von Franz, und die Frau verwechselte diesen Schwindel kurz mit der Liebe, aber Franz klärte sie auf, dass es nur der gute Sex sei, den sie mit ihm hatte, denn die Liebe, so erklärte ihr Franz, wäre nur eine Lüge, und dann beschrieb Franz dieser Frau, was so besonders wäre an ihrer Begegnung, dass nur das „jetzt“ für sie zählte, und dass sie dieses „jetzt“ nur deshalb wirklich auskosten könnten, weil sie es nicht mit Gedanken an ein mögliches „morgen“ belasten, und dann legte sich Franz erneut auf den Körper der Frau und blickte in ihren dunklen Augen, während er kam, und noch bevor die Sonne aufging liefen die beiden mit vor Erregung und Müdigkeit bebenden Körpern hinunter zum heiligen Fluss und mieteten sich dort ein Boot, glitten mit dem Boot über das Wasser, während erste Sonnenstrahlen die Gebäude am Ufer berührten, Leichen wurden verbrannt, Menschen gingen zum Fluss, um sich zu waschen, und Franz fotografierte das alles, ein Motiv nach dem anderen zoomte sich Franz ganz nahe heran, versehentlich entblößte Brüste einer älteren Dame, aus Aschebergen hervorstehende glühende Knochen, in Meditation vertiefte Gesichter, ein Bild nach dem anderen hielt Franz mit seiner Kamera fest, und immer wieder benützte Franz die in seinem Boot sitzende Frau als Vordergrund für seine Fotos, verschlafen mit dem Schwindel der Nacht in den Augen, und wieder am Ufer reichte Franz der Frau seine Hand und half ihr aus dem Boot, streunte mit ihr zwischen den immer mehr werdenden badenden Menschen umher, und von einem heiligen Mann ließ sich Franz mit dem Wasser des heiligen Flusses alle Sünden abwaschen, doch statt sich im Fluss vom heiligen Mann untertauchen zu lassen, ließ sich Franz nur die Füße mit dem schmutzig wirkenden Wasser benetzen, er wäre schließlich nicht irre, erklärte Franz dem heiligen Mann, ohne dass ihn dieser verstand, und letztlich gab es der heilige Mann auf, alles richtig machen zu wollen bei diesem Reisenden aus einer anderen Welt, drückte Franz mit einer resignierenden Geste einen roten Punkt mit ein paar Reiskörnern auf seine Stirn, murmelte dazu ein paar Franz unverständliche Worte und verlangte dafür seinen Preis, auf ein Hundertstel gelang es Franz den heiligen Mann herunterzuhandeln, stolz war Franz auf sein Verhandlungsgeschick, um ein paar Groschen, glaubte Franz, sich nun sein Seelenheil erkauft zu haben und Glück für alle Menschen, die ihm wichtig waren in seinem Leben, „father, mother, sister, brother“, aufzählen hatte ihm der heilige Mann seine Verwandten müssen, nachdem Franz zuerst niemand eingefallen war, um dessen Glück er bitten sollte, doch als Franz schon im Gehen war, fiel Franz das Kind ein, und Franz drehte sich noch einmal um und drängte dem heiligen Mann noch einen größeren Geldbetrag auf, den der heilige Mann gar nicht mehr annehmen wollte, das Geschäft war schließlich bereits abgeschlossen gewesen, „take it“ befahl Franz dem heiligen Mann, „for the children“, und der heilige Mann steckte daraufhin das Geld ein, und erlöst und glücklich und mit vielen fotografisch fest gehaltenen intimen Momenten anderer Menschen kehrte Franz mit der Frau zurück zum Hotel, und dort schliefen sie nicht mehr miteinander, dazu blieb nicht die Zeit, Franz musste los, Franz musste so schnell er konnte zum Busbahnhof, um einen Bus erreichen zu können, der ihn zu seinem nächsten Ziel bringen sollte, und so nahm er schnell Abschied von der Frau, sah ihr in die großen, dunklen Augen, ihre Augen ähnelten jenen des Kindes, und zufrieden stellte Franz fest, wie sich die großen, dunklen Augen dieser Frau sanft über die großen, dunklen Augen des Kindes zu legen begannen, das Leben ging weiter - so schnell, ein letzter Kuss, „schreib mir“ bat sie, eine letzte Berührung der Fingerspitzen, „nein“, erklärte ihr Franz, ein Auslassen und noch ein Lächeln von ihm, kein Lächeln vor ihr, „es ist gut, wie es war“, fühlte sich Franz noch bemüßigt, der Frau zu versichern, sie nickte, und Franz fühlte sich von der Frau verstanden, Franz drehte sich um, und Franz lief mit der Erinnerung an die großen, dunklen Augen der Frau zu seinem Bus, der ihn hinauf brachte zur Grenze, hinaus brachte aus jenem Land, wo sich die Asche eines kleinen Kindes in irgendeinem Rinnsal verlor, das möglicherweise niemals das Wasser des heiligen Flusses erreichte, und ein Monat und viele verknipste Filmrollen später rannte Franz zwei Tage durch einen Urwald, der nichts außer grau war, und über einsame Strände einer entlegenen Insel, auf denen ein eisiger Wind blies, sein Freund Anton hatte ihm immer wieder von jener Insel erzählt, die soweit entfernt war von ihrer Heimat wie kein anderer Ort dieser Welt, bei ihrem letzten Treffen hat sein Freund Anton Franz sogar den Vorschlag gemacht, gemeinsam mit ihm irgendwann auf diese Insel zu reisen, aber dann war alles anders gekommen, und in einer kleinen, schlecht geheizten Hafenkneipe begann Franz, betrunken von Bier und einem auf der Insel gebrannten Gesöff einen Brief an seinen Freund Anton zu schreiben, dass er nun auf jener Insel wäre, schrieb er in diesem Brief, und dass diese Insel bei Gott nicht so schön wäre, wie sie sich das vorgestellt hatten, auch dass er ihn vermissen würde, schrieb Franz seinem Freund Anton mit vor Kälte zitternden Fingern, und immer wieder musste Franz unterbrechen, weil er durch seine Tränen hindurch das Papier nicht sehen konnte, zehn beidseitig beschriebene Seiten stopfte Franz im Morgengrauen in eine der leer getrunkenen Flaschen, die Franz mit einem Korken zugestöpselt ins Meer hineinwarf, und wieder ausgenüchtert ärgerte sich Franz über diesen Anfall von Sentimentalität, betrank sich erneut, der Schnaps helfe gegen das Wetter, versicherte ihm die ältere, übergewichtige, dunkelhäutigen Barfrau, die Franz ein paar Schnäpse später in ihre muffige Wohnung begleitete, aus der Franz am nächsten Morgen angewidert vom Aussehen der Frau, mit der er offensichtlich die Nacht verbracht hatte, mit Kopfschmerzen und einer schweren Erkältung wortlos entfloh, „zumindest habe ich jetzt auch einmal mit einer Schwarzen!“, mit diesem Versuch, jener Nacht etwas Positives abzugewinnen, verließ Franz die Insel, und er lief weiter, und da sich Franz auf seiner Reise alles so schnell angesehen hatte, blieben ihm noch fünf Tage von den drei Monaten über, um zum Abschluss der Reise zwei Hauptstädte auf seinem Kontinent zu besuchen, und in den fünf Tagen schaffte er noch fünfzehn Museen und zwei Tierparks und mehrere Kirchen, und nachdem Franz wieder heimgekehrt war, präsentierte Franz eine Auswahl seiner während der Reise geschossenen Fotos seinen Eltern und seinen Geschwistern, und seine Eltern und seine Geschwister zeigten sich sehr interessiert, eine solche Reise hatte noch kein Mitglied der Familie von Franz je unternommen, denn dem Vater von Franz war alles Fremde suspekt, nicht dass er dem Fremden gegenüber feindlich eingestellt war, aber er schätze es sehr, sich in einer vertrauten Umgebung von den Strapazen seines Berufs zu erholen, und die Mutter von Franz glaubte, sich an der Seite ihres Gatten bewegen zu müssen, und die Geschwister von Franz hatten die Skepsis gegenüber allem Fremden vom Vater geerbt, und sie schienen sogar stolz darauf zu sein, sich nur auf einem Bruchteil der Erdoberfläche bewegen zu können, und so bereiste die Familie von Franz nur die Länder, die sich in der Nachbarschaft ihres eigenen Landes befanden, und Franz zeigte seinen Eltern und seinen Geschwistern eine Auswahl der Dias, „da hast du ja ganz schön was erlebt,“ erklärte die Mutter dem Sohn beim Wechsel der ersten Diakassette, und ein andermal meinte sie „da hast du Erfahrungen gemacht, die dir niemand mehr wegnehmen kann“, und auch der Vater und die Geschwister von Franz fanden alles sehr beeindruckend, aber das erste Land fanden sie dreckig, und das zweite Land fanden sie arm, und die Tempelanlage im Dschungel fanden sie „sehenswert“, und sie wunderten sich, „dass man da überhaupt hin kann“, und die Knochen fanden sie „schrecklich“ aber so sind sie eben „die Kommunisten“, und während auf den Bildern rosa Delphine aus dem Flusswasser sprangen, fühlte sich der Vater einmal mehr bemüßigt, seiner Familie zu erklären, dass der eine Revolutionär aus diesem anderen kommunistischen Land, den sie nun wie einen Popstar verehrten, auch nur ein ganz gewöhnlicher Mörder gewesen sein, „um keinen Deut besser als die da“, und den einen Palast fanden sie „etwas zu fade“ und den anderen Palast „etwas zu golden“, und den Elefanten fanden sie „klein“, und das nächste Land fanden sie gar nicht, die nächste Stadt hingegen fanden sie „vorbildlich wegen der dort herrschenden Reinheit und Ordnung“, „so muss man das machen“, meinte der Vater zu wissen, und die Pyramide im Urwald fanden sie „sehr interessant“, und die Besteigung des Vulkans fanden sie alle „beachtlich“, die Wüste und auch die Sümpfe ließen die Mutter kurz ins Schwärmen geraten, „da wollte ich auch immer hin“, den Urwald und die Strände auf der entlegenen Insel fanden alle „uninteressant“, „warum bist du denn da hin gefahren“ wurde Franz von seinem Vater gerügt, „da gibt es doch überhaupt nichts zu sehen“, und jedes Bild „Grau“, das Franz ihnen zeigte, bestätigte seinen Vater nur in seiner Ansicht, wobei die Mutter von Franz wiederum meinte, „na, wenn es für dich wichtig war, dann ist das sicher in Ordnung“, und das nächste Land war für seinen Vater „kulturlos“, wenn auch prinzipiell-, vor allem die Museen, „dass du dir die nicht angesehen hast“, rügte ihn sein Vater sofort, als Franz nur Bilder von Orten herzeigte, die er von Filmen her kannte, und zurück am eigenen Kontinent, meinte der Vater bei der ersten Hauptstadt, „die haben die Kommunisten zerstört“ und natürlich der Krieg, aber die Museen „wenigstens hast du dir die angesehen!“, und bei der zweiten Hauptstadt meinte er nur, „na, da hast du aber wieder einmal nicht genug kriegen können“, gähnte und sah auf die Uhr, doch da drehte Franz bereits das Licht auf und erklärte dem Vater, dass sie in jedes der Länder selber auch hinfahren könnten, Mutter und er, dass das gar nicht so schwierig wäre all diese Länder allein zu bereisen, und die Mutter murmelte, „ich würde schon gerne“, aber der Vater winkte gleich ab, der Vater erklärte sofort, dass sie gar nicht die Zeit dazu hätten, und überhaupt führen sie überhaupt nur noch in ihr Haus an dem See in den Bergen, und in ihrem Haus an dem See in den Bergen wäre es schließlich am Schönsten, und von dem Haus an dem See in den Bergen wäre man im Sommer sehr schnell bei den Festspielen in der Stadt mit der Burg, und was bräuchte man im Sommer schon mehr als das Haus an dem See in den Bergen und die Festspiele in der Stadt mit der Burg, und darüber hinaus gäbe es in der Nähe des Sees und der ihn umgebenden Berge noch so viel, was sie sich noch nicht angesehen haben, zu diesem anderen See unter anderem, zu dem müssten sie endlich mal wandern, und nach drei Stunden Reden gab es Franz auf, denn auch sein Bruder und seine Schwester zeigten kein Interesse daran, weiter als bis an die Grenzen benachbarter Länder zu reisen, und die Reise von Franz war für sie nicht mehr als eine Verrücktheit, und sie glaubten nicht so verrückt zu sein wie ihr Bruder, sie fühlten sich völlig normal, und normal, wie sie sich fühlten, sahen sie es für sich nicht als notwendig an, fremde Länder und Kulturen näher als notwendig kennen zu lernen, wie in einem jener Theaterstück fühlte sich Franz, die die Beschränktheit des Bürgertums karikieren, tragisch für die Personen im Stück, manches Mal aber höchst unterhaltsam für alle Betrachter, und Franz lief von seiner Familie fort mit seinen Koffern voll Dias und kam zu dem Schluss, „die wissen doch nichts von der Welt, die sitzen in ihrem fetten Zuhause, und wissen nichts von den Kindern, die tagtäglich wegen der Fettheit von uns allen verhungern“, und wieder schlug der Leib des Kindes gegen das Blech, wischte die kleine Hand über die Scheibe, „überfahren werden“ korrigierte sich Franz, und eine Atemnot überkam ihn, ein Augenblick der Schwäche, der gleich wieder verging, die dunklen Augen der Frau, „wie schön“, Franz sog Luft durch seine zu einem verkrampften Lächeln geformten Lippen, „ich hab es geschafft“, erklärte sich Franz, aber er fragte sich wohlweißlich nicht was?, lief einfach weiter, mit den Diakoffern in seiner Hand, um auch seinen Freunden einen Eindruck von seiner Reise zu vermitteln, und seine Freunde waren sichtlich beeindruckt, viele von ihnen wollten auch so reisen wie Franz, wollten sich auch so Länder ansehen, wollten auch so Sachen erleben, sie fanden das alles „ur cool“, sich immer noch der Sprache von Kindern bedienend, und das erste Land fanden sie „super“, und das zweite Land fanden sie „Wahnsinn“, und das dritte Land fanden sie „toll“, vor allem dass es dort mehr gibt als Sex, und die Tempelanlage im Dschungel fanden sie „mega“, und die Knochen „extrem“, und den Elefanten fanden sie „lieb“, und das nächste Land fanden sie „nicht so“, weil da waren viele schon müde, aber bei der nächsten Stadt wollten sie wissen, was Franz alles eingekauft hat, und die Pyramide im Urwald fanden sie schon ziemlich „unglaublich“, und irgendwer meinte, dass man sich mit dieser Religion irgendwie doch mehr beschäftigen sollte, und zwischen Wüste und Sumpfland hörte man irgendwen schnarchen, und beim Grau der entlegenen Insel kam nur ein vereinzeltes „aha“, und auf der Fahrt quer durch den Kontinent sagte niemand mehr was, und bei der Rückkehr auf den eigenen Kontinent gingen die ersten, „die U-Bahn, du weißt“, aber nach dem letzten Dia da zeigten sich jene, die sich noch im Zimmer befanden, durchaus begeistert von der Reise von Franz, und Franz erklärte ihnen, es wäre das Schönste gewesen, was er jemals gemacht hat, und das glaubten ihm alle, was könnte es schließlich Schöneres geben, als einmal in seinem Leben die Welt zu umrunden, und etwas später erklärte Franz seinen Freunden, es wäre das Schrecklichste gewesen, was er jemals erlebt hat, und die, die noch da waren, glaubten ihm das, was könnte es schließlich Schlimmeres geben, und sie flüsterten leise „wie furchtbar“, und sie fragten Franz nach dem Alter des Kindes, und wie denn genau der Wagen, das Heu, „in der Wüste?“, die Frau und der Mann, und Franz berichtete ihnen wie denn genau, die Augen, der Aufprall, das Wischen der Hand, selbst das Knacken des Rückgrats tauchte in der Erzählung von Franz wieder auf, nur von den Verhandlungen mit dem Fahrer erzählte er nicht, aber von seinem Gespräch mit dem Botschafter berichtete Franz, wie arg der doch war, dass er ihm empfohlen hat, einfach weiter zu reisen, und mit offenen Mündern hörten seine Freunde ihm zu, jedes kleine Detail wollten sie wissen, um immer und immer wieder „wie furchtbar“ flüstern zu können, und während Franz seinen Freunden gab, wonach sie verlangten, beobachtete Franz durch den Schleier seiner eigenen Trunkenheit, wie der Tod dieses Kindes im nächtlichen Alkoholrausch zu einer Geschichte zerrann, zu einer Anekdote, wie sich der Tod dieses Kindes einzufügen begann in den Erlebnisbericht seines Lebens, „es war ja doch nichts weiter als eine Etappe“, sagte sich Franz als er mit seinen Dias heimwärts lief, „keine schöne Etappe, aber letztlich nur eine Etappe“, und Franz räumte die in kleinen, schwarzen Koffern weggepackten Dias in ein Regal, ohne sie selbst ein einziges Mal in Ruhe betrachtet zu haben, und alles war wieder so wie vor seiner Reise, und die Farbe seiner Haut fing an zu verblassen, löste sich in Form von abgestorbenen Hautzellen und hinterließ noch eine Zeitlang braune Spuren in seinem Handtuch, seine saloppe Reisekleidung wich wieder dem gewöhnlichen Outfit eines ganz normalen Studenten, und Franz lief wieder auf die Universität, um sein Doktorat fertig zu machen, und Franz lief wieder in die Redaktionen, für die er ab und zu schrieb, und so schrieb Franz an seiner Dissertation, und so schrieb Franz wieder für Magazine, über alles mögliche schrieb Franz so wie davor, und einmal lief Franz ans Grab seines Freundes Anton, nur um etwas an die frische Luft zu kommen lief er dorthin, Franz sah das Grab, und es war ihm, als wäre dort die Zeit stehen geblieben, so viel war seit jenem Begräbnis geschehen, Iris, Christine, die großen, dunkeln Augen des Kindes, die großen, dunklen Augen der Frau, aber das Grab war so wie vor Jahren, und Franz überlegte, wie viele Jahre es waren, und Franz stellte fest, es waren gar nicht so viele, aber Franz kam es wie eine Ewigkeit vor, während er sich tänzelnd vor dem Grab seines Freundes Anton bewegte, und die Luft schien ihm dünn, und es war ihm, als würde die Zeit nach ihm greifen, die vergangene Zeit, die träge, stehende Zeit, die sich über diesem Grab ausgebreitet hat, die einen zwang, sich zu erinnern, die einen in die Vergangenheit zwang, aber dort wollte Franz nicht hin, Franz wollte weiter, und Franz wich zurück, „nein“ schrie eine Stimme in ihm, und Franz wandte sich ab von dem Grab, und Franz spürte diese träge, über dem Grab hängende Zeit in seinem Rücken, spürte ihren Druck und ihre schaurige Kälte, Franz lief davon, und die Zeit, die sich schon an seinen Rücken geheftet hatte, schnalzte zurück zu dem Grab, Franz ließ sie zurück, diese Zeit und das Grab und die Erinnerung an seinen Freund Anton, vergessen wollte er ihn, vergessen, weil Franz mit der Erinnerung an seinen Freund Anton nichts anzufangen wusste, wer war das schon, dieser Anton, ein Mensch, mit dem er etwas Zeit verbracht hatte, aber diese Zeit war nun schon lange vorüber, und Franz lief davon, etwas schneller lief Franz, um ja nicht eingeholt werden zu können von der über dem Grab seines Freundes Anton lauernden Zeit, lief durch sein Studium und durch seine Arbeit, lief mit seinen Freunden durch die Lokale der Stadt, unterhielt sich mit ihnen über das Leben, manches Mal sogar über Philosophie, meistens redete Franz mit seinen Freunden aber über die Arbeit, Karrieren begannen sie alle zu starten, kaum einer verteilte noch Zetteln, statt dessen wurde begonnen, sich Visitenkarten zu übergeben, und erste Mobiltelefone lagen zwischen Biergläsern und Aschenbechern am Tisch, und zu späterer Stunden versuchten Franz und seine Freunde einander im Darts zu besiegen oder sich beim Tischfußball Tore zu schießen, und Franz lief auch um Frauen herum, und wenn ihn nicht seine Magenkrämpfe zu quälen begannen, und wenn es irgendwie passte, dann begleitete er die eine oder andere Frau bis nach Hause, und Franz blieb auch kaum mehr alleine vor einer Haustür zurück, und wenn Franz nicht zu betrunken war, dann machte sich Franz noch in der selben Nacht wieder davon, denn Franz hatte keine Lust auf Beziehung, Franz wollte den Akt und war dieser vollzogen, dann wollte Franz wieder anderswohin, so viel erleben wie möglich, wollte sich an nichts und niemanden binden, auch nicht an Inge, die Franz schon jahrelang kannte, auf vielen Pressekonferenzen waren sie gemeinsam gewesen, das eine oder andere Gespräch hatten sie miteinander geführt, meistens über die Arbeit, meistens über andre Kollegen, Franz hat Inge immer irgendwie sympathisch gefunden, aber immer haben sie sich nach ein paar gewechselten Sätzen wieder voneinander verabschieden müssen, um ihre Artikel zu schreiben oder um zu anderen Terminen zu hetzen, doch aus irgendeinem Grund waren sie eines Abends zusammengeblieben, war es der erste Schneefall in diesem Winter, der sie dazu veranlasst hat, in der Wärme sitzen zu bleiben, war es die Müdigkeit nach mehreren ereignisreichen Tagen, oder war es ein plötzlich erwachendes Interesse an einem Menschen, den man schon hunderte Male gesehen und gesprochen hat, der einem aber niemals als möglicher Partner in Frage zu kommen schien, Inge saß auf jeden Fall vor ihrem Bier und spielte mit der kleinen Kerze am Tisch, Franz lief vor der kleinen Kerze und Inge hin und her, und hinter Franz lief sein Schatten über die schmutzigen Wände, Franz spürte mit einem Mal eine tiefe Zuneigung für diese Frau, so oft hatte Franz schon mit Inge gesprochen, mit einem Mal erinnerte sich Franz an viele Momente, in denen sie ihm in den letzten Jahren aufgefallen war, Franz sah sie an, und er wusste mit einem Mal nicht so recht, was er anfangen sollte mit Inge, „was soll aus uns werden?“, fragte sich Franz, und als er sich selbst keine Antwort geben konnte auf seine Frage, so richtete er einige Minuten später diese Frage an Inge, „was soll aus uns werden?“, Inge zuckte mit ihren Schultern und blickte Franz erwartungsvoll an, „ficken, das könnten wir miteinander“, sagte sich Franz, und einige Minuten später machte Franz Inge den Vorschlag, wenn auch in anderen, schöneren Worten, und zuvor fühlte sich Franz noch bemüßigt, ihr zu erklären, warum es mit ihm auf Dauer nicht ginge, von gekränkten Gefühlen erzählte er Inge und von einem gebrochenen Herzen, er schätze sie, behauptete Franz, aber er wäre eben nicht wieder bereit, sich an einen anderen Menschen zu binden, und Inge verstand, aber sie bat ihn, ihr „nur so zum Spaß“ zu erzählen, wie denn eine gemeinsame Zukunft aussehen könnte, und Franz begann „nur so zum Spaß“ für Inge eine gemeinsame Zukunft zu lügen, gemeinsame Zukünfte lügen konnte Franz wirklich sehr gut, eine schöne, eine harmonische Zukunft erlog er für Inge und sich, und Inge schien diese erlogene Zukunft sehr gut zu gefallen, und so beteuerte Franz immer wieder, während er log, dass es sich so aber sicher nie zutragen würde für Inge und ihn, und Inge beteuerte Franz darauf hin immer wieder, dass sie das wisse, aber dass es trotzdem schön wäre, wenn es irgendwie irgendwann vielleicht doch, „nie“ betonte Franz und blickte Inge im Vorbeilaufen tief in die Augen, „nie“, und es berührten sich ihre Hände, „nie“, und es berührten sich ihre Münder, „nie“, und Franz war überrascht und benommen vom Duft ihres Parfums, ein seltener, schwerer, süßlicher Duft stieg Franz in die Nase, und dann brachen sie auf hinaus in den Schnee, und Inge wollte nach Hause, und Franz warf sich vor ihr auf die Knie, und Franz bettelte um eine Nacht, und Franz bekam diese Nacht, Inge begleitete Franz in seine Wohnung, und in seiner Wohnung legte sich Inge voller Zärtlichkeit und Zuneigung zu ihm in sein Bett, liebkosen schien sie ihn zu wollen und jeden Millimeter seines Leibes entdecken, aber Franz ging das alles zu langsam, und Franz warf sich auf Inge, kaum dass er sie neben sich spürte, als wollte er in der einen Nacht all die Nächte erleben, die er sich in der erlogenen schönen und harmonischen Zukunft für Inge und sich ausgedacht hatte, und Inges Zärtlichkeiten wurden zertrümmert von der Gier und dem Verlangen von Franz, und als Franz dann endlich ein viertes Mal kam, lag Inge regungslos und mit blutig gescheuerter Scheide unter Franz, dessen Körper immer noch zuckte, dessen Hände Inge immer noch zu halten versuchten, wortlos löste sich Inge aus der Umklammerung von Franz und stand auf, wortlos ging sie ins Bad und wortlos zog sie sich an, atemlos lief Franz zu ihr hin, Inge blickte ihn an, und Franz war es, als würde Inge in jenem Moment in ihm ihren Mörder erblicken, die Erfüllung aller Hoffnungen, Wünsche und Träume und deren Zerstörung in einer Person, in ihren Augen meinte Franz zu erkennen, dass sie bereit dazu wäre, sich auf der Stelle das Leben zu nehmen, und dass sie es nur deshalb nicht tat, weil sie ihn in jenem Moment zu sehr hasste, um ihm dieses letzte große Gefühl der Macht über ihr Sein zu vergönnen, ihren Mörder, der auf und ab lief vor ihr, und Franz erschrak über den Ausdruck in ihrem Gesicht, versuchte Inge zu halten, wollte sie dazu überreden, noch bei ihm zu bleiben, „vielleicht ist es doch nicht nur Spaß“, in diesem Moment war es für Franz auch kein Spaß mehr, in diesem Moment waren es Schuldgefühle, die sein Handeln bestimmten, er hat es schließlich nicht beabsichtigt, sie zu verletzten, seine Leidenschaft, so versuchte Franz, Inge um Verzeihung zu bitten, hätte ihn dazu getrieben, gegen ihren Willen weiterzumachen, „du bist einfach so toll und so schön, und ich wollte schon immer einmal mit dir…“, aber Inge war an den Entschuldigungen von Franz nicht interessiert, und wortlos entwand sich Inge seinen Versuchen, und Franz suchte sie noch einmal zu bitten, doch da war sie schon fort, nur ihr Geruch war noch an Franz und an allem, das sie berührt hat noch wenige Augenblicke zuvor, und in seinem Bett überdeckte ihr Parfumgeruch den Gestank ihres Blutes und ließ Franz vergessen und träumen, wie schön es doch war, und was konnte er schon dafür, wenn Inge keine Ausdauer hatte, doch als Franz Inge das nächste Mal traf, versuchte er mit ihr ein Gespräch zu beginnen, gestanden hätte Franz Inge gerne, dass ihr Duft noch überall war, und dass er - sie überall riechend - sich sehnen würde nach ihr, aber Inge kam Franz zuvor, indem sie ihm sagte, dass sie ganz dringend reden müsste mit einem andern Kollegen, und schon stand sie mit dem Rücken zu Franz, und Franz lüftete seine Wohnung und wusch sein Bettzeug mit einem Fleckputzmittel bei 90 Grad, und Franz lief weiter, und das Laufen tat gut, das Laufen machte Franz glücklich, die kurze Berührung der Erde, die kurze Berührung von Körpern, nichts halten, alles nur streifen, und so verlor Franz Inge mit der Zeit aus den Augen, lief weiter und weiter bis… manchmal blieb Franz hängen in seinen Gedanken, bis…, Franz sah die verschwommen Umrisse eines Mannes vor sich, von der Gestalt her hätte es sein Vater sein können, aber sein Vater war schließlich ein Arzt, und Franz war auf dem besten Weg den Doktor der Philosophie zu erlangen, und dieser Mann rannte, bis…, Franz wusste nicht, wohin dieser Mann rannte, und Franz wusste auch nicht warum, „wohin?“ und „warum?“, „wohin?“ und „warum?“, „wohin?“ und „warum?“, „wohin?“ und „warum?“, das Denken von Franz begann um diese beiden Fragen zu kreisen, während er weiter diesem Mann hinterherlief, so schnell er nur konnte, aber Franz kam dem Mann einfach nicht näher, es war so, als liefen sie beide auf ein und dem selben Band, und so sehr Franz seine Augen zusammenkniff, um möglichst weit in die Ferne zu blicken, Franz konnte beim besten Willen nicht erkennen, wohin sie eigentlich liefen, und so sehr sich Franz auch anstrengte und überlegte, es wollte Franz kein Grund einfallen, warum er dem Mann hinterherlief, aber Franz lief trotzdem unbeirrt weiter, dem Mann hinterher, Franz lief dem Mann hinterher, bis… Franz blieb hängen in seinen Gedanken, aber Franz blieb nicht stehen, Franz hastete weiter, ließ sich nicht weiter beirren, hastete auf die Universität und auf Bibliotheken, hastete auf Pressekonferenzen, hörte den Rednern zu, um dann meistens doch nur die bereits vorgefertigten Presseunterlagen zu adaptieren, doch Franz adaptierte diese Presseunterlagen sehr gut, Franz verstand es gute Überschriften zu finden und die wichtigen Botschaften in wenigen, prägnanten Sätzen zusammenzufassen, und die Chefredakteure waren mit den Artikeln von Franz immer zufrieden, sie schätzten den Stil, und sie schätzten auch seinen journalistischen Spürsinn, was immer sie darunter verstanden, und Franz war zufrieden mit sich, und mit einem Mal lief es sich wieder ganz von alleine, und die lästigen Fragen „wohin?“ und „warum?“ und die Umrisse jenes Mannes vor ihm waren wieder verschwunden, Franz musste nur laufen, und alles klärte sich dann von alleine, alleine das Laufen, das permanente Laufen war wichtig, durch das Laufen, konnte er die Fragen hinter sich lassen, so dass sie ihn eine Weile nicht störten, die Fragen, „wohin?“ und vor allem „warum?“, Franz wollte sich diesen Fragen nicht stellen, was brachte es ihm, sich diesen Fragen zu stellen, Franz wollte doch ganz einfach laufen, laufen und leben und das Leben genießen, all die schönen Dinge des Lebens, und das „Wohin?“ und das „Warum?“ waren letztlich egal, schließlich hatte Franz doch ein Ziel, mehrere Ziele waren es im Grunde, Doktor wollte Franz werden, und reich wollte Franz werden, reich, um sich all das leisten zu können, was das Leben zu bieten hat, und in Richtung dieser Würde und dieses Reichtums war Franz unterwegs, und wenn Franz Zeit dazu blieb, dann traf sich Franz mit seinen Freunden, trank mit ihnen und rauchte sich auch ab und zu mit ihnen ein, lachte kurz über die Art und Weise, wie ihm sein Laufen dann vorkam, wenn er eingeraucht war, lachte über die scheinbare Verlangsamung jeder Bewegung, lachte, und versuchte sich bei jedem Mal noch ein klein wenig stärker als beim letzten Mal einzurauchen, wollte es wissen, wie es ist, wenn man vollkommen stoned ist, noch stärker eingeraucht wollte Franz sein als in jenem Urlaubsparadies am Meer, genießen können wollte es Franz, nicht so wie damals, als ihm sein eigener Rauschzustand unheimlich wurde, doch es ging Franz und seinen Freunden nicht bloß um den Rausch, so erklärten sie gerne, sie rechtfertigten ihren Marihuanakonsum mit der höheren Bedeutung den dieses Rauschmittel in vergangenen Zeiten und in anderen Kulturen einst hatte, und sie rechtfertigten ihren Marihuanakonsum im Grunde nicht vor einander sondern vor ihren Eltern, die zwar kaum einmal etwas über ihre Drogenexperimente erfuhren, deren Warnungen und Verbote aber noch immer Gesetz waren für die nicht erwachsen sondern nur etwas älter gewordenen Kinder, und wenn sie diese Gesetze brachen, so mussten sie dafür Begründungen finden, und so sprachen sie zum Beispiel von der Erweiterung ihres Bewusstseins, während sie selbst kaum zwischen der Wirkung des Alkohols und des Dopes zu unterscheiden verstanden, oder sie sprachen von der Möglichkeit, mit Hilfe von Drogen die Wahrheit erkennen zu können, während sie gar nicht auf die Idee kamen, im eingerauchten Zustand Antworten auf irgendwelche essenziellen Fragen zu finden, oder sie redeten auch gern von der Chance, im Drogenrausch Kräfte des Geistes frei setzen zu können, die ihnen bislang verborgen geblieben waren, doch meistens saßen sie nur beisammen und kicherten stundelang vor sich hin, bis einer von ihnen kreidebleich kollabierte und für einige Stunden Balkon, Bad oder Toilette blockierte, und eines Abends kam
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#2

Runner's high - Teil 3

in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 16.12.2008 19:35
von Brotnic2um • Mitglied | 645 Beiträge | 645 Punkte
Hallöchen.

Dann mal mit dem Vierten rieber.

Danke.
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#3

Runner's high - Teil 3

in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 17.12.2008 10:22
von Schreiberling (gelöscht)
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schon geschehen
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