#1

Noch ein herbstgedicht...

in Parodien und Persiflagen 27.10.2012 18:15
von otto | 637 Beiträge | 645 Punkte

Die bäume laichen blätter ab zur erde,
Poeten reimen jahreszeitberichte,
Die ewig gleichen tagebuchgedichte,
Damit aus humus neuer jahrgang werde.
Na schön, nicht gut: im grunde gibts nichts neues,
Es droht der längst vertraute rhythmuswechsel
Aus abgefallnem blattwerk, versgehäxel,
Wächst ständig nach und üppig: na, uns freut es!
Nur hin und wieder zeugen frische triebe,
Hier soll ein wandel, will sich noch dem morgen
Dem alten neu, und neues sich besorgen,
Vermag nur einer, der mit seiner liebe.

Dem aber glaub ich nicht, es glänzend zu gestalten,
Vertrieben hat er uns, nur zu verwalten.

zuletzt bearbeitet 28.10.2012 15:01 | nach oben

#2

RE: Noch ein herbstgedicht...

in Parodien und Persiflagen 27.10.2012 22:20
von Joame Plebis | 3.690 Beiträge | 3826 Punkte

Guten Abend, Otto!

Der Eine wird sagen, gut persifliert, der Andere wird nur die Beschreibung von Tatsachen erblicken. Beide haben recht.

Gruß
Joame

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#3

RE: Noch ein herbstgedicht...

in Parodien und Persiflagen 28.10.2012 14:03
von bleibtreu (gelöscht)
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Amüsant, aber (der Joame hat das schon diplomatischer ausgedrückt) durchschnittlich. Und da wäre noch noch was dran zu tun. Damit du mich richtig einordnest: im Betrieb haben sie oft zu mir gesagt, ich sei ein Kleinigkeitskrämer.
Habe ich geantwortet: Falsch, eine Krämerin. Was ja wohl auch stimmte. Nun mach ich hier weiter, als Krämerin. Erlaube mir, wenngleich noch Neulingin, Kritik, teilweise harte.

Str 1 originell und als Parodie zu verstehen. Und gut. In Str 2 weniger von Parodie, schön aber das Wort versgehäxel. Allerdings fehlt in Z 5 bei gibts das t und in Z 7 das e bei abgefallnem und in Z 8 das Komma hinter na. Hugh, die Krämerin hat gesprochen.

Str 3 ist in Z 10 und 11 ein Wortklumpen, aber man weiß, was du meinst. Da kommt dann plötzlich der liebe Gott ins Spiel – das ist doch wohl nicht Parodie oder Persiflage – oder? Aber schön gesagt hast du das, echt. Wie du Gott gewissermaßen definierst.

Leider bin ich vom Fach und versteh auch was von der Form. Und denke, das soll ein englisches Sonett sein (ich setze voraus, dass Du was von italienischem und englischem Sonett verstehst).
Das stimmt aber so nicht, weil die str. 3 (eigentlich ein Block zusammen mit Str 1 und 2) nicht in die Schlusszeilen hinüber reichen darf. Die Zn 13 und 14 müssen als Sammelsurium eine Weisheit für sich bilden.

Du kannst aber ein schönes italienisches Sonett daraus machen. Nimm von Str 3 eine Z weg, rüber zu Str 4, die dann 3 Zn hat. Dann darf da etwas Zeilenübergreifendes sein (Enjambement sagt der Fachmann, aber das weißt du sicher schon). So hast du ein schönes Herbstgedicht, aber nicht für die Spalte Parodie, sondern ein ernstzunehmendes, das auch Tiefgang hat.

Du bist ein Könner, das habe ich schon gemerkt. Du musst nur manchmal genauer hinsehen. Jeder Schlosser muss selbst das Feilen lernen (ughä, jede Schlosserin auch!). Ich werde sicher noch viel Schönes von dir lesen. Darauf freue ich mich.

Dazu alles Gute und viele Grüße
Madame Bleibtreu

zuletzt bearbeitet 28.10.2012 14:06 | nach oben

#4

RE: Noch ein herbstgedicht...

in Parodien und Persiflagen 28.10.2012 14:48
von otto | 637 Beiträge | 645 Punkte

Ihr Lieben, ich schau mal nachträglich mit euren Augen.
Also: ich bin mehr und mehr flüchtig, ein Flüchtender. Kritik überhaupt nicht hart, berechtigt, Punktlandung.
Ich beherrsche - in meinen Maßen- Form und Inhalt. Benn ist mir Lehrer. Aber ich bin häufig nicht aufgeräumt,
unkontrolliert, gestatte mir Fehlgeburten. Doch Formschwankungen ziehen mir meine Hosen wieder fest.

Das Thema, das Gedicht: Gott und Kreativität als Satire. Ich bin Atheist, manche sagen mit ausreichendes Talent nach, um in einem Forum öffentlich dabei sein zu dürfen. Ansonsten habe ich nie veröffentlicht. Doch mehr als Texte interessieren mich die Kommentare der Leser. Sie sagen mir etwas über den Leserspiegel, seine Persönlichkeit. Also meine Texte a u c h Medium Menschenkenntnis zu vertiefen.Ein Autodidakt, der sich beim Mühen um die Form als 75Jähriger immer noch zu sozialisieren versucht. Regeln einzuhalten übt soziale Toleranz auszubilden. Wer sie vernachlässigt erregt Anstoß, weil er sich vermessen hat. Die zu beachtenden Regeln für das Handwerkliche sind ja- ich will mich nicht gemein machen mit einer Gebildeten- dem Talent vorzusetzen. Ich habe von diesen
Jahreszeitgedichten genug gelesen, genug und schlechte geschrieben. Aber mein Gedicht wird vielen unanständig und arrogant vorkommen. Denn Blümchenlyrik gefällt im Poesiealbum, und das soll sein, mir gefällt sie weniger. Ich denke auch, dass mein Gedicht weniger Satire ist, wohl aber habe ich ihm Ironie unterlegt.

Also noch einmal sei euch beiden gedankt für das Saubermachen.

Liebe Grüße in den Sonntag.

otto

zuletzt bearbeitet 28.10.2012 15:21 | nach oben

#5

RE: Noch ein herbstgedicht...

in Parodien und Persiflagen 28.10.2012 15:02
von Joame Plebis | 3.690 Beiträge | 3826 Punkte

Guten Tag, Bleibtreu!

Zitat
Leider bin ich vom Fach und versteh auch was von der Form.


Das ist doch eine gute Nachricht; endlich jemand, der etwas von der Sache versteht und uns bei den ersten unbeholfenen Schritten hilft. Wir dürfen uns doch im Bedarfsfall hoffentlich an Dich wenden, nehme ich an.

Warum Du 'Leider' schreibst, könnte ich mir nur erklären, daß im Laufe der Zeit ein gewisser Frust entsteht, sich stets mit Anfängern mühevoll herumzuplagen. Wer aber seine Bildungsaufgabe ernst nimmt, dem bleibt das nicht erspart.

Gruß
Joame

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#6

RE: Noch ein herbstgedicht...

in Parodien und Persiflagen 28.10.2012 15:31
von otto | 637 Beiträge | 645 Punkte

Nun ja, Joame, Du darfst auch etwas von mir lernen.
Und Bleibtreu, ich stimme Joame bei, "leider" heißt ja aber auch, dass niemand an fachlicher Kritik vorbeikommt, wenn er wachsen will. Doch wer das will stellt sich gerne in den Regen. Ich liebe den Sommeregen. Ich werde zukünftig versuchen eure Texte nachhaltiger zu lesen.

Hier scheint die Sonne ( Berlin)
Gruß otto.

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#7

RE: Noch ein herbstgedicht...

in Parodien und Persiflagen 28.10.2012 16:48
von Joame Plebis | 3.690 Beiträge | 3826 Punkte

Die gute Meldungen wollen nicht enden. Danke, Otto, daß ich auch von Dir lernen darf. Großzügigkeit ist eine edle Geste. Aber auch ich stehe nicht mit leeren Händen da, bin gerne bereit, je nachdem wo Bedarf ist, ein Quäntchen Bescheidenheit zu spendieren und für die Selbstgefälligkeit hätte ich flachere Schuhe anzubieten.

Gruß
Joame

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#8

RE: Noch ein herbstgedicht...

in Parodien und Persiflagen 28.10.2012 17:37
von otto | 637 Beiträge | 645 Punkte

Als wenn ich es nicht geahnt hätte, liebe Joame.

Mit meinem Angebot hatte ich ja Deine Hilfe mit eingeschlossen. Doch bei so viel Fachlichkeit komme ich mir hierarchisiert vor. Die Ironie fände ja genügend Raum in einer poetischen Zurechtweisung. An und für sich bemängeln meine Leser häufig, dass ich zu bescheiden auftrete. Dann meinen sie, ich wolle im Umkehrschluß nur um so mehr Lob haben. Sei unbesorgt: Ich bin zweimal sitzen geblieben, ging in der 10.Klasse vom Gymnasium ab,
und meine Sprache habe ich mir mühsam aus der Nachkriegsliteratur aus englischen, französischen und amerikanischen Romanen zusammen gestückelt. Ich sehe mich als einen Ungebildeten an, der wegen dieses mangels bei den Gebildeten immer wieder seinen Bedarf anmeldet. Was ich meinte: ich schaue Menschen gerne direkt in ihr Gesicht. Das im direkten Gespräch, was im Internet unmöglich ist. Denn ich lernte viel später, was es mit der Körpersprache auf sich hat. Und die lernte ich professionell an der Uni, später angewandt mit Kindern und Jugendlichen, deren Eltern verkopft darüber hinwegsahen, dass ihre Kinder die Sprache mit Gutenachtgeschichten und Liedern in der Geborgenheit der mütterlichen Stimme erlernen. Also so eine Mutter hatte ich. Sie war nicht hochmütig, und ihre Schuhe waren einfach nur die Schuhe, auf denen sie mich trug.
Bevor ich einen Menschen nicht kenne, erkenne ich ihn als nicht selbstgefällig. Und spendieren, das gilt mir nur beim Vermögenden. Aber Du scheinst zu wissen, was Du Dir leisten kannst. Mir gefällt Dein Ton ganz und gar nicht. Ich bitte um Respekt.

Liebe Grüße otto.

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#9

RE: Noch ein herbstgedicht...

in Parodien und Persiflagen 28.10.2012 17:59
von Joame Plebis | 3.690 Beiträge | 3826 Punkte

Guten Tag, Otto!

An Respekt fehlt es mir nicht. Es stimmt auch; von Dir hatte ich bisher eher einen zurückhaltenden Eindruck, der bestimmt nicht revidiert werden muß. Berücksichtigen wir auch, nicht Du alleine warst vorhin Schreiber. Es ergab sich zufällig so, daß Schlag auf Schlag die Hilfsbereitschaft erklärt wurde. Einen Funken Spaß mute ich Dir außerdem auch zu, selbst wenn Du Dich meistens voll auf das Schreiben konzentrierst.

Was die Körpersprache und Mimik betrifft, ist das der Punkt, den ich schon lange überdacht habe. Wie viele Kleinigkeiten ließen sich ausräumen oder kämen gar nicht zustande, könnte man zu den Worten zugleich das leichte freundschaftliche Grinsen des Anderen sehen. So weit sind wir noch nicht - und die smilies sind mehr als dürftig.

Gruß
Joame

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#10

RE: Noch ein herbstgedicht...

in Parodien und Persiflagen 29.10.2012 00:36
von bleibtreu (gelöscht)
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Hallo, otto und Joame,
und Guten Tag!

Warum ich "leider" schrieb? Das war eine Reflexion mich betreffend, ich meinte damit, dass ich mich immer gedrängt fühle zu kritisieren und zu korrigieren. Das st wie ein unseliger Fluch. Denn da tut mir der andere immer leid. Wenn das als Hilfe betrachtet wird, entlastet mich das. Danke.

Und da du dich als Atheist outetest, wirkt deine Definition Gottes geradezu unglaubwürdig als Parodie. Sie ist einfach zu schön, ihn würdigend. Ich lasse sie mir auf der Zunge zergehn: " neues sich besorgen, / Vermag nur einer, der mit seiner liebe." Das kann man natürlich ironisch nehmen. Aber: Er hat also eine Liebe in sich, der Gott, auch wenn du nicht an ihn glaubst. Welche Reste sind da in dir?!

Übrigens, otto, "Blümchenlyrik" ist das auf keinen Fall.

Ich grüße Euch aus dem ersten Wintereinbruch.
Eure Mme. Bleibtreu

zuletzt bearbeitet 29.10.2012 00:37 | nach oben

#11

RE: Noch ein herbstgedicht...

in Parodien und Persiflagen 29.10.2012 10:15
von Joame Plebis | 3.690 Beiträge | 3826 Punkte

Der Eindruck, den ein Gedicht hinterläßt, ist vom jeweiligen Leser und seiner unterschiedlichen Interpretation abhängig. So wie der eine rasch bereit ist, einen seiner Götter beschrieben zu sehen, ist es bei mir anders, der ich auch die Liebe sehe könnte, welcher eine neue Sichtweise zuzuschreiben wäre. Für einen Liebenden vermögen sich trotz fallender Blätter sogar Jahreszeiten zu ändern und hinter jedem Vergehen kann er ein neues Werden ahnen.

Dürfte man von jemandem, der als Gestalter ziemlich schlecht abschneidete, einen guten Verwalter erwarten? Wahrscheinlich nicht! Wie dem immer auch sei, brauchten wir eine gewaltige Portion irrationales Denken, um an solchen Fragen ernsthaft haften zu bleiben.

Mit dem Beitrag hat Otto jedenfalls angeregt und einen interessanten Beitrag geleistet.

Gruß
Joame

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#12

RE: Noch ein herbstgedicht...

in Parodien und Persiflagen 29.10.2012 15:29
von otto | 637 Beiträge | 645 Punkte

In uns liegt die Kreativität."Der mir seiner Liebe", damit meine ich den Autor selbst als Schöpfer eines Gedichtes. Liebe hier als Antrieb, um etwas aus sich selbst zu schöpfen. Der Schöpfer also aus uns selbst. Und das schließt für den an Gott Glaubenden nicht aus, dass er ein Geschöpf Gottes ist. Für mich als Nichtgläubigen, schöpfe ich aus meinem Leben, so gut ich es vermag. Als etwas Geschöpftes, das ich selbst ohne Frage bin, lebe ich ohne das Wissen an einen Gott, glaube auch an keinen. Die Vorstellung aus dem alten Testament, wonach ein Gott die Menschen wegen ihrer Neugier zu wissen aus seinem Paradies vertrieb , läßt für mich aus der Sicht dieser Gläubigen nur den Schluß zu, dass ihr Gott einer ist, der sie zurecht abstrafte. Danach waren diese gläubigen Menschen nicht mehr die aus dem Paradies, sondern nur noch Veraktete, die fortan der Liebe ihres Gottes entbehrten mußten. Ich aber sehe mich als einen Liebenden. Es ist mir keine Strafe, dass ich Gedichte schreiben kann.Nicht ein Gott liebt mich, ich liebe mich selbst: wie könnte ich sonst andere Menschen lieben?

Gott Nr.2 ist ja noch eine Nummer größer: er löst das Alttestamentarische auf, indem er als Mensch und Gottes Sohn Versöhnung für die Menschen bringt. Der Sohn bittet seinen Vater für die Gläubigen, damit ihnen vergeben werde. Wofür fühlen sich die Menschen denn so schuldig, dass sie sich von Zeit zu Zeit immer mal wieder einen neuen Typ von Gott zurechtbiegen, damit sie wieder in die Spur finden?
Religionsstifter setzen die von ihnen erfundenen Götter durch, und damit bilden sie die Bindeglieder zwischen den Naiven und den von ihnen erfundenen Göttern. Und so werden sie mit dem "Geschenk" Gott belehrt.

Mein Gedicht zielt auf die Fähigkeit, mit der wir unser Innen und unser Außen, schlecht und recht abbilden können. Manches nennen wir schön, anderes häßlich. Das, was wir für schön halten, findet vielleicht einen Verlag. Bisher ist mir noch jeder die Antwort auf die Frage " was denn schön sei, was häßlich" schuldig geblieben. Viele stotterten verlegen, und meinten, dass das Schöne nahe dem Guten, das Häßliche nahe dem Bösen sei. Betrachte ich nun mein Innen und Außen, so finde ich Vieles, doch weiß ich es nicht zu deuten.

Ob ich denn nicht ein Gewissen habe? Wohl schon: ich versuche in geregelten Bahnen zu leben. Ich will ja bis zu meinem Ende überleben. Das gilt mir als ein Verhalten der praktischen Vernunft, angewandter Erfahrungen. Seit Kant ist über diese Fragen immer wieder unterschiedlich nachgedacht worden. Für mich habe ich erkannt, wohin es mit der selbstbestimmten Aufklärung seit Kant bis hin zum Faschismus gekommen ist. Und das geht ja munter weiter. Kann sein, dass ich deshalb Gedichte schreibe.Lest sie also so, wie sie euch vorkommen. Mir kommen sie allemal anders vor als euch.Das belegen unsere Kommentare.

Wenn ihr mein Denken einordnen wolltet, so solltet ihr an Kafka und Camus geraten; dazu aber vielleicht an andermal.

Liebe Grüße,
otto.

zuletzt bearbeitet 30.10.2012 06:28 | nach oben


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