sie aß vom brot des vergessens
abends in lichtgarn gespult
ein gewebe im rauch des flügels

orange der oktant an der kreuzung
von fels und ozeanblauschwarz
gebändert das zirrenrot über
liniertem horizont den feuer
nach unten beult

tägliche strophe
ist sie allein
bis zum morgen

Hallo Hannes,

die Zeilen gefallen mir sehr gut, besonders die zarten lichtgewebten Flügel vergessener Erinnerungen.

Die zweite Strophe widmet sich der Richtungbestimmung. Der Oktant repräsentiert die heilige Zahl Acht:
er schlägt den Weg durch die Unvollkommenheit irdischen Lebens ein, wo der blutrote Federnbusch vom
Feuer nach unten gebeult wird.

Und einsam bleibt jedes unserer Schicksale, sagt mir die letzte Strophe.

Ohne behaupten zu wollen, daß mir alle implizierten Konnotationen folgerichtig in den Sinn kämen, den
Text schätze ich sehr. Schon die lyrische Form wickelt den User ein, wie ein Gedicht es soll, damit Sinn
sich im Inneren des Lesers schrittweise erhelle. An einem grauen Montag Morgen gerne gelesen - mcberry

Link zu Hölderlins mnemosyne

lieber hannes,
ein bezauberndes werk über die kreuzung, an der wir im alter stehen.
die mnemosyne, die göttin der erinnerung, kann uns nicht helfen.
ich denke da an demenz und alzheimer als schärfste form des vergessens.
sehr poetisch geschrieben.
allein das "nach unten beulen" kratzt ein wenig an diesem niveau.
in fels gemeisselt sind die erinnerungen leider nicht, das beschreibt der oktant. sie ändern sich mit unserem vermögen, erinnerung zu produzieren.
er mag wohl auch noch einen mythologischen hintergrund haben.

die mittelstrophe würde ich gefühlsmässig irgendwie abändern. mit den vielen bezügen ist sie mir etwas kompliziert.
ansonsten chapeau. tolles werk
lg von koko

gediegene versdichtung, hannes,

mit anspielungen auf die genesis.

nach vergessen einer zivilisation, die unser tägliches brot bescherte, scheiden sich wasser
und landmassen neu im feuer. dahinter erschuf das chaos den morgigen tag. bis neulich stray

Hallo mcberry, koko, stray,

jeder von Euch hat eine ganz eigene Interpretation gefunden. Allein das finde ich schon mal klasse! :) Denn davon lebt sie doch, die Lyrik, das sie beim Lesen Neues schafft.

Das "beult" ist ein Hinweis, dass man das Gedicht teilweise auch als Naturerlebnis deuten kann. Etwas eleganter wären vielleicht "dellt" oder "weitet". Da denke ich nochmal nach.

Vielen Dank noch mal für Eure tollen Kommentare.

Es grüßt
der.hannes