|
|
Der Abend, der die dunkle Stirne zeigt,
er wendet sich nun ab. Und stumm versinkt,
was vordem ganz der Welt sich zugeneigt,
bis dass der Sternenhimmel nächtlich blinkt.
Es hat der Stunde Glanz mir aufgezeigt,
dass Glück nur jenen Seltenen gelingt,
die klaren Blicks und ohne sich zu beugen,
vom Sosein unsres Erdenlebens zeugen.
RE: Des Menschen Los
in Philosophisches und Grübeleien 06.08.2012 10:19von Kjub • 498 Beiträge | 499 Punkte
Tag Karl,
Also anders als Benn, der meinte, Glück ist "dumm sein und Arbeit haben" ... hier haben wir schon so einen gewissen Pathos, der das menschliche Klein-Klein in halbgöttliche Höhen heben will, scheint mir ... da wird der Sternenhimmel beschworen und von einer ganzen Welt gesprochen, die stumm sich zuneigt ... man weiß nicht genau, was da passiert in den ersten Versen, aber etwas Großes ist es, das ist klar :D und in der Nähe dieser Größe nun auch die Ambitionen des lyrischen Ichs, das wird ja nicht umsonst und zufällig in ein Gedicht gebracht - und wäre es zufällig, so wirkte es trotzdem aufeinander ein!
es geht ums Aufrechtsein, um den "klaren Blick" - durchaus erstrebenswerte Ideale, wenngleich für den Durchschnittsbürger wohl unerreichbar, denn in Bückstadt ist eben nicht jeder Dichter und Gammler, sondern die meisten sind Angestellte und Arbeiter immer noch, mit mehr oder weniger neurotisch gestörten Chef-Persönlichkeiten vor sich, die ihr eigenes "Sosein" als Fahne jeden Tag aufs Neue aufstellen, auf dass sich die Lohnsklaven drum herum gruppieren - wer hier aufrecht ist und einen klaren Blick hat, der tut gut daran, ein wenig Chamäleon zu spielen ...
kurzum: das ist ein Gedicht aus dem Elfenbeinturm - dessen pathetischer Gestus zwischendurch zu gefallen weiß, wem so etwas gefällt - mit Idealvorstellungen von Glück, die für den Herrn Otto Normal nicht zu erreichen sind.
Gruß
Kjub
.
in Philosophisches und Grübeleien 06.08.2012 11:33von Joame Plebis • | 3.690 Beiträge | 3826 Punkte
RE: Des Menschen Los
in Philosophisches und Grübeleien 06.08.2012 15:15von Kokoschanell (gelöscht)
hi zusammen,
habe es schon öfters gelesen, es liest sich gut, aber wie joame schon schreibt, hm...
ich denke allerdings, dass hier nicht das glück (zufallsglück) gemeint ist, sondern das gefühl des glücklichseins.
sich nicht gebeugt zu haben, verschafft für einen moment ( stunde) das gefühl von glück, von selbstbewusstsein.
doch fehlt mir dann dazu die andere seite. wer sich nicht beugt, hat nicht viele sympathisanten, kämpft an vielen fronten.da kann glücksgefühl schon mal schnell abhanden kommen.
ich verstehe schon irgendwie, was du sagen willst, karl, aber irgendwas fehlt mir...
niemand hat immer einen klaren blick, auch der abgeklärteste nicht.
das thema ist durchaus interessant wie ich finde.
gruß von koko
RE: Des Menschen Los
in Philosophisches und Grübeleien 06.08.2012 17:32von Joame Plebis • | 3.690 Beiträge | 3826 Punkte
RE: Des Menschen Los
in Philosophisches und Grübeleien 06.08.2012 22:33von Knochenkarl (gelöscht)
Mit so vielen Antworten hatte ich gar nicht gerechnet, ich weiß ja gar nicht, wo ich anfangen soll, auf euch einzugehen. Ich bedanke mich fürs Feedback.
Glück, ein Wort, das alles aufnehmen kann: eine gutbezahlte Stellung, Heilung von Krebs,
eine liebende Ehefrau - kurz, das alltägliche, das auf den einzelnen bezogene kleine oder große Glück. Aber Glück kann noch viel mehr bedeuten, und das heißt nicht, dass man nun jeden Tag juchzen müsste, Glück kann man auch empfinden, wenn man sich für andere Menschen einsetzt, im großen und im kleinen, nicht das Glück ist gemeint, das sich für den einzelnen "bezahlt" macht. Es wird ein bisschen als Marginalie angesehen, dieses "ohne sich zu beugen", das heißt, ich rede da auch von einem Kampf, in dem man unterliegen oder siegen oder trotzdem siegen kann. Nun weiß ich natürlich, dass das Wort "Kampf" in heutiger Zeit ein Unwort ist, man ist zivilisiert, man "kämpft" nicht - das macht man sich vor. Aber wir kämpfen jeden Tag, um das große und das kleine Glück, das ganze Leben des Menschen besteht aus Kampf. Das kann jeder für sich nachprüfen. Und wir wissen auch, dass es nur wenige sind, die sich für mehr als ihr eigenes, höchstpersönliches Glück engagieren - die Seltenen, von denen ich rede.
Aus einer Antwort lese ich entsetzliche Resignation heraus, da hat jemand schon lange aufgegeben, hofft vielleicht, dass Glück ein Dauerzustand ist, der ihm zufällt wie eine Leistung, die er bezahlt hat. Glück als Belohnung, als Dank, als Preis. Nein, das ist es nicht.
Wenn ich von Glück rede, dann meine ich auch nicht das selbsttäuschende "alles positiv sehen", man darf ruhig mal etwas negativ sehen, man darf sogar verzweifeln, seinen Gefühlen Ausdruck geben - aber niemals sich selbst aufgeben. Auch das ist Glück, den Kampf mit und gegen sich selbst zu gewinnen.
Aber ich schreibe und schreibe hier und weiß gar nicht, ob ich verstanden werde. Was mich freut, ist, dass mein Text etwas im Leser angesprochen hat, mehr kann ein Text ja nicht bewirken. Danke nochmal.
Mit liebem Gruß
Knochenkarl
RE: Des Menschen Los
in Philosophisches und Grübeleien 06.08.2012 22:47von Chepre • | 36 Beiträge | 36 Punkte
handwerklich finde ich den Text echt gut, da spricht was von viel Erfahrung. inhaltlich geht er aber an mir vorbei. weniger, weil ich eine irgendwie beschriebene Art von Glück mir unerreichbar vorstelle - Utopien zu schreiben kann durchaus was haben. aber für meinen Geschmack kommt dein Inhalt ziemlich glatt, klassisch und üblich daher und dermaßen steril, dass es keine Emotionen in mir weckt.
Happy people have no stories. (Therapy?)
.
in Philosophisches und Grübeleien 06.08.2012 23:34von Joame Plebis • | 3.690 Beiträge | 3826 Punkte
RE: Des Menschen Los
in Philosophisches und Grübeleien 06.08.2012 23:53von Chepre • | 36 Beiträge | 36 Punkte
Zitat
Für gefühlsansprechende Ausführungen ist in so einem Gedicht, das sich auf das Wesentlichste beschränkt, wenig Platz.
oh, auch Texte, die nur aus zwei Zeilen oder am Ende sogar noch weniger bestehen, können tiefe Emotionen wecken und bewegen. :) da habe ich vielleicht eine etwas eigene Herangehensweise - mein erster Anspruch an ein Gedicht ist, dass es etwas in mir wecken muss, dass es mich nicht komplett gleichgültig lässt. daran lässt sich natürlich noch nicht festmachen, ob ein Gedicht gut oder schlecht zu nennen ist.
der Text hier erinnert mich stark an Matthias Claudius, der mir auch etwas weltweise, fremd und abgehoben schmeckt.
Zitat
Schön, daß Du da bist, Chepre!
gf ist jetzt schon ne ganze Weile offline, da muss ich mich woanders austoben.
Happy people have no stories. (Therapy?)
.
in Philosophisches und Grübeleien 07.08.2012 09:47von Joame Plebis • | 3.690 Beiträge | 3826 Punkte
RE: Des Menschen Los
in Philosophisches und Grübeleien 07.08.2012 10:25von Chepre • | 36 Beiträge | 36 Punkte
Ich stimme dir zu, mit deiner Sichtweise hast du durchaus recht. Die Frage nach hervorgerufenen Gefühlen ist sehr tages-, situations- und vor allem menschenabhängig. Deswegen nehme ich mir, bevor ich ein Gedicht kommentiere, zumindest in den allermeisten Fällen die Zeit, es vorher mehrmals in Ruhe durchgelesen zu haben. Zwischen Tür und Angel poste ich eigentlich gar nicht mehr.
Zitat
Das schönste Wort alleine, mögen es auch zwei sein, kann nicht mit einem Überschwang an Beschreibung aufwarten.
ein Überschwang an Beschreibung vielleicht nicht, aber dennoch kann man mit einem Satz zB mitunter so tief schöpfen, wie andere es mit fünf Strophen nicht hinbekommen mögen. wobei natürlich auch das wieder sehr abhängig sein kann von den Gefühlen, die jemand mit etwas, das im Text angesprochen wird, verbindet. aber wie lesen wir Texte, wenn nicht absolut subjektiv? natürlich sollte man sich dessen bewusst bleiben und beim Kommentieren teilweise mit Vorsicht vorgehen.
Happy people have no stories. (Therapy?)
.
in Philosophisches und Grübeleien 07.08.2012 11:26von Joame Plebis • | 3.690 Beiträge | 3826 Punkte
RE: Des Menschen Los
in Philosophisches und Grübeleien 15.08.2012 05:06von Knochenkarl (gelöscht)
Liebe Chepre, liebe Joame,
ein Gedicht wird nie nur vom Autor geschrieben, sondern es wird auch vom Leser "mitgeschrieben". Wie also der Leser ein Gedicht auffasst, hängt nicht nur von seiner Tagesform ab, sondern auch von seinem Vorwissen, von seiner Weltsicht und eben auch davon, ob er eher eine griesgrämige oder eine optimistische Tageshaltung hat - kurz von der Rezeptionsfähigkeit. Damit will ich das Gedicht nicht verteidigen. Um ein Gedicht zu "verstehen", reicht es nicht, dass man die Zeilen liest, man bringt immer seine eigene Erfahrung mit, es ist auch eine Frage gesammelter Lebenserfahrung. Und wenn Chepre mehr auf einer anderen Art von Gedichten besteht, vielleicht einer eher subjektiv gefärbten, formlosen, wie es derzeit modisch ist, dann verstehe ich ihre Ansicht, dass ihr das Gedicht nichts gibt. Objektiv sagt das aber noch nichts über die Qualität eines Gedichtes aus. Es gibt objektive, lyrische Kriterien, nach denen man ein Gedicht einschätzen kann. Dazu muss man sie aber kennen, klar. Ich halte mich in meinen Gedichten teilweise an Klassisches, das Gedicht ist eine Stanze, beim freien Vers bin ich sehr viel subjektiver, er ist ja auch seit Klopstock die moderne Lyrikart, während das Klassische eher das Konservative ist.
Es ist aber immer gut, man beherrscht beide Formen des Gedichts. Also Grund, auf unterschiedlichen Standpunkten zu beharren, gibt es nicht wirklich, es ist eine Frage der Rezeption. Ich danke euch beiden herzlich für den Disput,
hat Spaß gemacht.
Lieben Gruß
Knochenkarl
|
Forum Statistiken
Das Forum hat 8220
Themen
und
61619
Beiträge.
Heute waren 0 Mitglieder Online: Besucherrekord: 420 Benutzer (07.01.2011 19:53). |
Ein Kostenloses Forum | Einfach ein Forum erstellen |