#1

schatten - variation 1

in Philosophisches und Grübeleien 21.06.2012 22:08
von der.hannes | 1.768 Beiträge | 1750 Punkte

schatten

geben sich die hand und kosend werden sie von der helle geschlagen
bis sie blass werden

an der wand harren sie der vertreibung in gebeugtem strahl
denn dort können sie nicht entweichen

in der höhle tanzend auf das gleichnis
bei eingeschränkter sicht

aus dem verfinstern verlässt sie
der mond den kern
errötend im halb
wie ihn auch die welt wirft

unter dem baum starr auf das wachsen der wurzeln
warten sie verbogen im lufthauch
wispernd und kaum sichtbar

nur wenn ich den mund öffne zur sonne
werfen zähne genau solche flirrend
bis sie ausfallen

nur geschlossene lider
lassen sie erzeugend verschwinden

nur herausgestreckt zeichnen zungen sie ins einsam freie

gegen wände zu rennen schmerzt sie nicht




schatten
variation 1



harren

der vertreibung in gebeugtem
strahl an der wand
auswegslos

in der höhle tanzend
auf das gleichnis
sichtbar beschränkt

warten

unter dem baum starr
während wurzeln wachsen

verbogen im lufthauch
wispernd und kaum sichtbar

verfinstern

als kern den mond
errötend im halb
weltgeworfen

flirren

über zähne im
der sonne offenen mund

verschwinden

gerade erzeugt
durch geschlossene lider


zeichnen

zungen herausgestreckt
ins einsam freie

rennen

gegen wände
ohne fühlbaren schmerz

kosen

von der helle geschlagen
er.b.lassend

zuletzt bearbeitet 12.07.2012 19:19 | nach oben

#2

RE: schatten - variation 1

in Philosophisches und Grübeleien 23.06.2012 20:19
von yaya (gelöscht)
avatar

Hallo Hannes,

die Schattenvariationen konnte ich auf Anhieb gut leiden. Dazu einen Kommentar zu schreiben, finde
ich jetzt nicht einmal so einfach. Aufgefallen sind mir die vielen Themen, die ein bißchen Struktur ver-
tragen könnten.
Zum Beispiel: Stünde "an der wand" am Anfang, dann hätte der gegen die Wand gerannte Schußvers
eine Chance thematisch aufzuschliessen. Den sehr schönen "geben sich die hand" Vers könnte ich mir
nach "kaum sichtbar" vor der Mundöffnung vorstellen.
Die Sache mit den geschlossenen Lidern mußte ich zweimal lesen. Weil ohne Licht kein Schatten sein
kann, fand ich den Vers schwächer, teile die Zeugungsidee nicht. Alles andere mag ich sehr. Grüße von Yaya

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#3

RE: schatten - variation 1

in Philosophisches und Grübeleien 27.06.2012 13:27
von mcberry • Administrator | 3.230 Beiträge | 3490 Punkte

Hallo Hannes,

der Gesamteindruck erzeugt Bereitschaft, sich die Zeilen gefallen zu lassen. Dann stolpert Auffassungsgabe über
Widersprüche. Schwankend zwischen Verteidigung dichterischer Freiheit und dem Befremden verliert sich der Spaßfaktor:

Zitat
unter dem baum starr auf das wachsen der wurzeln /warten sie verbogen im lufthauch /wispernd und kaum sichtbar


Die Beschreibung trifft auf Bakterienkulturen und andere Schädlinge schon eher zu.

Zitat
nur wenn ich den mund öffne zur sonne /werfen zähne genau solche flirrend /bis sie ausfallen


Ein schattenwerfender Zahn bedarf eines Momentes der Überlegung; einmal erfasst erscheint er mir weder sinnig
noch sprachlich gerechtfertigt Bote des nahenden Todes zu sein. Das sind nur so einzelnde Stellen. HG - mcberry

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#4

RE: schatten - variation 1

in Philosophisches und Grübeleien 03.07.2012 16:25
von der.hannes | 1.768 Beiträge | 1750 Punkte

Hallo yaya, hallo mcberry,

einfach ist der text sicher nicht, habe ich nie behauptet.

S5 ist eine einfache Inversion im Satzbau, die Nachdenken nötig macht, aber nicht wirklich schwierig ist. Schatten werden nun mal abhängig von Luftbewegungen geworfen.

S6 ist ähnlich. Der ungewöhnliche Schattenwurf von Zähnen ... was ist das anderes als ein Stilmittel namens Verfremdung? Das ist mindestens ein Jahrhundert alt, also nichts wirklich ungewöhnliches. Von Bote des Todes steht gar nichts in der Zeile. Dass Zähne ausfallen, ist ein Prozess, der schon im Kindesalter einsetzt.

Zur Struktur: Es werden verschieden Aspekte von Schatten gereiht. Der rote Faden ist der Schatten bzw. die Schatten.

Interessant, dass ihr das gedicht so anders lest :)

es grüßt
der.hannes

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#5

.

in Philosophisches und Grübeleien 03.07.2012 19:18
von Joame Plebis | 3.690 Beiträge | 3826 Punkte

.

zuletzt bearbeitet 15.01.2019 15:28 | nach oben

#6

RE: schatten - variation 1

in Philosophisches und Grübeleien 05.07.2012 20:12
von der.hannes | 1.768 Beiträge | 1750 Punkte

Lieber Joame,

ja, solche Schatten wie der Supergau sind so lang und schwarz, dass ich sie hier gar nicht adressiert habe.

es grüßt
der.hannes

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#7

RE: schatten - variation 1

in Philosophisches und Grübeleien 12.07.2012 19:19
von der.hannes | 1.768 Beiträge | 1750 Punkte

kleine variation der variation :)

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