#1

Der Wein des Lebens( asklepiadeische Odenstrophe)

in Philosophisches und Grübeleien 17.10.2011 13:10
von MarleneM (gelöscht)
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Der Wein des Lebens( asklepiadeische Odenstrophe)

Gestern warst du noch leer, Becher aus dem sie trank.
Heut’ gefüllt mit dem Saft, den ihr das Leben schenkt,
gossen ein ihr doch Hände
unerwartet den roten Wein.

Zitternd noch jene Hand, die sie verhalten reicht
anzunehmen, was rot in jenem Becher glänzt.
Farblos bliebe uns Leben,
wenn der Wein im Pokal vergärt.

Also nimm, was man gibt - trau einer Hand, die schenkt.
Tag wird rasch uns zur Nacht, die uns versenkt im Schwarz.
Drum halt fest jenen Becher,
trink ihn aus! - Das Bouquet flieht schnell.

zuletzt bearbeitet 20.10.2011 21:53 | nach oben

#2

RE: Der Wein des Lebens( asklepiadeische Odenstrophe)

in Philosophisches und Grübeleien 17.10.2011 22:04
von Gast (gelöscht)
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Hm... meinst du hier wirklich Wein?

Zitat
Zitternd noch jene Hand, die sie verhalten reicht
anzunehmen, was rot in jenem Becher glänzt.


Klingt für mich als Vampirfan anders ;)

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#3

RE: Der Wein des Lebens( asklepiadeische Odenstrophe)

in Philosophisches und Grübeleien 18.10.2011 10:10
von MarleneM (gelöscht)
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natürlich ist es eine Metapher, liebe Eva- oder auch ein Symbol, wie du willst.
LG von Marlene

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#4

RE: Der Wein des Lebens( asklepiadeische Odenstrophe)

in Philosophisches und Grübeleien 18.10.2011 18:40
von Gast (gelöscht)
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Das heißt, ich habe volles Erlaubnis, dieses Gedicht als eine kurze Vampirgeschichte, genauer als die Geschichte einer Verwandlung zu lesen :).

Zitat
Gestern warst du noch leer, Becher aus dem sie trank.

Am Vortag/in der Vornacht hat das Opfer, dessen Blut sie trinken muss, also noch gelebt.

Zitat
Heut’ gefüllt mit dem Saft, den ihr das Leben schenkt,


Das Leben des Opfers muss dargebracht werden, damit sie das Geschenk bekommt.

Zitat
gossen ein ihr doch Hände
unerwartet den roten Wein.


"ein ihr doch" klingt in meinen Augen etwas holprig, deckt sich aber schön mit dem Überraschenden in der nächsten Zeile. Die Frau, die in diesem Gedicht den "Wein" trinkt, hat also nicht damit gerechnet, in den Bund der Untoten aufgenommen zu werden. Hier ist die Phantasie des Lesers gefragt - warum war es unerwartet? War jemand erst gegen ihre Aufnahme? Was genau ist da passiert?

Zitat
Farblos bliebe uns Leben,
wenn der Wein im Pokal vergärt.


Ich rätsle immer noch, was damit gemeint ist im Zusammenhang mit meiner Lesart.

Ich wünsche deinem Werk noch ganz viele Leser, mal sehen, wie viele Lesarten sie entdecken!
LG, Evanesca

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#5

RE: Der Wein des Lebens( asklepiadeische Odenstrophe)

in Philosophisches und Grübeleien 18.10.2011 21:49
von MarleneM (gelöscht)
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es istl lieb von dir, liebe Eva, dass du dir soviel Mühe gibst, das Gedicht auf deine Vampirlesart zu münzen.
Die Endverse passen nicht, weil die Vampirgeschichte nicht passt.
Vielleicht möchtest du mich auch ein wenig veräppeln?
Es sei dir gegönnt.
Ich habe mit Vampiren nix am Hut.
LG von Marlene

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#6

RE: Der Wein des Lebens( asklepiadeische Odenstrophe)

in Philosophisches und Grübeleien 18.10.2011 22:10
von Gast (gelöscht)
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Zitat
Vielleicht möchtest du mich auch ein wenig veräppeln?

Keineswegs, mir war es mit meiner Lesart ernst. Aber wenn sie falsch war, akzepier ich das.

LG, Evanesca

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#7

RE: Der Wein des Lebens( asklepiadeische Odenstrophe)

in Philosophisches und Grübeleien 19.10.2011 00:03
von MarleneM (gelöscht)
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es war von mir nicht so angelegt, liebe Evanesca- wenn deine Lesart aber nicht schlüssig durchzuhalten ist, fällt einem ja auf, dass es nicht passt.
Gedichte können auf vielerlei Art verstanden und gelesen werden, solange sie in sich schlüssig sind- sagte mein früherer Deutsch Lehrer..lächel. Und von dem hiel ich viel...
LG von Marlene

zuletzt bearbeitet 19.10.2011 00:04 | nach oben

#8

RE: Der Wein des Lebens( asklepiadeische Odenstrophe)

in Philosophisches und Grübeleien 19.10.2011 17:33
von otto | 637 Beiträge | 645 Punkte

Liebe Eva!

Zunächst bin ich mir nicht sicher, ob Du weißt, was Marlene für eine Gedichtform wählte.
Hier handelt es sich um eine Odenstrophe, die nach dem vor Christus lebenden griechischen Dichter Asklepiades benannte wurde. Ich möchte Dir natürlich keinen Unterricht geben. Sicherlich kann Dir Marlene den Aufbau der Strophen besser verdeutlichen.

Zum Inhalt:

Es handelt sich um ein Geschenk. Das Leben selbst gibt sich, schenkt sich ein in das Gefäß ( Metapher für das Leben), verschenkt an eine vielleicht Zögernde das Geschenk anzunehmen. Der Saft ist nicht Blut, vielmehr die Begabung kreativ sein zu können. Die Hände können jemand als Liebender, als Lehrer, als Partner sein. Oder allgemeiner, die Bestimmung nach dem das Leben sich eingibt in einen Menschen, als Eigenschaftliches, Einmaliges. Erst einmal muß der Mensch das ihm eigenschaftlich Zugeordnete, Bestimmte, das Phänomenale, das sich ihm zeigt,
hervortreten, damit es erkannt wird. Zuweilen tritt diese Wahrnehmung überraschend für den so begabten Menschen ein. Und das Leben gibt sich mit dem Attribut der Liebe ( rot Metapher für die Liebe, Liebe die ein Kinde erfahren sollte). Mit den Händen können also auch die zärtlichen, sorgenden, fördernden Hände der Mutter gemeint sein.

In der zweiten Strophe wird eine Mahnung aus Sorge ausgesprochen: Noch ist die/der Beschenkte zögerlich das Geschenk anzunehmen. Vielleicht fehlt ihr/ihm noch das Selbstbewußtsein zu seinen Möglichkeiten. Dann schreibt die
Poetin in das Allgemeine hinein und behauptet: Bedenke die Zeit das Geschenk anzunehmen, in der Zeit kann sich ein Mensch vergeuden, weil er nicht achtsam von seinen Gaben rechtzeitig Gebrauch macht. Dann so, kann sich das Leben nicht in seinen Möglichkeiten entfaltet zeigen ( bunt eben, vielfältig, lebenswert, bereichernd).

Die letzte Strophe beginnt mit einer Aufforderung, zwei Forderungen: Nimm und vertraue! Danach der Hinweis auf eine mögliche Konsequenz: Nimmst Du das Geschenk nicht an, so droht Verlust aus Versäumnis. Schließlich Ermunterung noch einmal. Ergreife, denn das Leben mit seinen Gaben will angenommen werden. Sonst ... ja sonst,
sieh zu, was Du verschmähst.

Marlene hat ja essentielle Aussagen über einen Sinn des Lebens konkretisiert: das Geschenk des Lebens fordert die Übernahme von Verantwortung des großzügig Beschenkten. Das bedeutet Arbeit sich in seinen Möglichkeiten auszuschöpfen.

Ein wunderbares Lehrgedicht, wie es mir vorkommt.

Liebe Grüße,

otto.

zuletzt bearbeitet 19.10.2011 22:32 | nach oben

#9

RE: Der Wein des Lebens( asklepiadeische Odenstrophe)

in Philosophisches und Grübeleien 19.10.2011 20:53
von MarleneM (gelöscht)
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ich danke dir, lieber otto- alleine für solch eine fundierte Interpretation lohnt es sich schon, eine asklepiadeische odenstrophe zu schreiben-lächel.
Wie fast immer hast du punktgenau erfasst um was es mir ging.
Eine Mahnung, das Leben nicht abzulehnen, die Geschenke zu sehen, das Wertvolle am Geschenk des Lebens an sich- da man sich- um mal im Pathetischen zu bleiben- sonst selber um das Leben bringt.

LG und herzlichen Dank für die Mühe dieses langen Kommentares, der mich unglaublich freut.
LG von Monika-Marlene

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#10

RE: Der Wein des Lebens( asklepiadeische Odenstrophe)

in Philosophisches und Grübeleien 20.10.2011 21:29
von WastelandWarrior | 50 Beiträge | 50 Punkte

kloppstock hätte seine helle freude an der bewältigung dieser lyrischen form, MarleneM!

wenn die formale ausführung eines inhalts diesen erhebt, ohne künstlich zu höhen, was ev. gar nicht da ist, wird eine sache stimmig. wie hier.

schön und nicht "leicht[sinnig]" liest sich das carpe-diem aus deiner feder.

(ein d ging verloren. und zwar hier:

Zitat
Tag wird rasch uns zur Nacht, die uns versenkt im Schwarz.

)


gruß,

warrior

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#11

RE: Der Wein des Lebens( asklepiadeische Odenstrophe)

in Philosophisches und Grübeleien 20.10.2011 21:52
von MarleneM (gelöscht)
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danke für dein Lob, warrior- es freut mich. Ich wollte es mal ausprobieren, aber als Reimer ist es keine Form, in der ich häufig zu schreiben gedenke. Lächel
Danke fürs d, mal wieder so ein blöder ippfehler GGG
LG von Marlene

zuletzt bearbeitet 20.10.2011 21:54 | nach oben


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