|
|
Lautlos laut
Die Augen sprechen von bemoosten Rinden,
vom unerhörten Duft im Blätterrauschen,
davon, wie Wolken sich im Abseits bauschen,
entführt von selbstverliebten Sausewinden.
Dann höre ich dich mehr als alles sagen,
wenn sich dein Mund verstummt zu meinem legt,
dein Atem mir Mirakel anvertraut,
so ohrnah hingehaucht, so lautlos laut,
mich lebhaft über Wanderdünen fegt,
und deine Hände mich auf Händen tragen.
Du lässt mich längst Versiegtes wiederfinden
und Müssen gegen bloßes Sein vertauschen.
Dem Seufzen deiner Wurzelhaut zu lauschen,
macht üppig angehäufte Lasten schwinden.
RE: Lautlos laut
in Liebe und Leidenschaft 20.09.2011 08:17von Salome • | 140 Beiträge | 140 Punkte
das ging aber schnell, du grün-käfer-gassenbaum. Danke!
weniger ein epos, eher eine sonderform des sonetts. ich nenne es "inversiv", weil die terzette in die mitte genommen sind. an einer imaginären mittellinie gespiegelt, entsteht gerade hier vertrautheit und innigkeit, die von den "kühler" werdenden quartetten umschlossen und bewahrt wird.
in der literatrwisenschaft habe ich es noch nicht bearbeitet gefunden, wohl aber immer wieder sonette dieser "bauart" gelesen. soweit ein kleiner nachtrag zum theorie- sonettfaden.
danke für dein interesse und deinen kommi!
liebe grüße, salome
Zum Niederknieen schön, Salome:
Zitat
Dann höre ich dich mehr als alles sagen,
wenn sich dein Mund verstummt zu meinem legt,
dein Atem mir Mirakel anvertraut,
Da passt einfach alles. Form und Sprache sind sorgsam gewählt und lassen das metrische Gerüst nur leise im Hintergrund klingen. Für mich eine hochprofessionelle Arbeit. -
Ach, wie heimelnd das Baumbild leuchtet und wie (unaufdringlich) sinnlich deine Verse wirken ...
Mützenschwenkende Grüße
pista
Ich schiebe mal ein vollfettes P.s. nach, weil es sich irgendwie nicht gehört, ein so wunderbares Sonett derartig kurz abzuhandeln:
Im Titel nutzt die Autorin ein Oxymoron, das blitzschnell das Interesse der Leser erweckt, denn gerade bei der tradierten Form des Sonetts kommt jenes absolut überraschend daher. Es handelt sich um ein Gedicht, dass in der Jetztzeit angesiedelt ist und die Liebe zum Thema hat. Den Augen wird besonderes Augenmerk gewidmet, sind sie es doch, welche die Sprache der Liebe lautlos laut ausdrücken können.
Es handelt sich um eine spektakuläre, um eine geradezu himmlische Liebe, die den Alltag schwinden lässt und dennoch fest verwurzelt bleibt. Die Liebenden sind angekommen.
Über die Art des ungewöhnlichen quartettumarmenden Sonetts hat Salome selber schon ausführlich berichtet und die Besonderheit der Form hervorgehoben, die eben nicht in Folge zwei Quartette und zwei Terzette bringt, was allgemein üblich ist.
Die Quartette zeigen durchgängig weibliche Kadenzen, die Terzette jeweils eine männliche und zwei weibliche. Auch dies ist als Preziose zu werten. Insgesamt ein jambischer Fünfheber.
Bei dem geliebten Wesen handelt es sich wohl um einen Braunäugigen, vielleicht mit grün Versprenkeltem, der auf die Liebende geheimnisvoll wirkt und dennoch alles zu schenken scheint (wie im Titel eine Art Paradoxon). Sie ist bereit, die Gabe anzunehmen.
Sprachlich gibt es schöne Wortfelder zu bewundern; die Wirkung der Adjektive ist unaufdringlich gut. Übertreibungen werden von der Autorin gemieden - gleichwohl wirkt das Gedicht unglaublich stark.
Den Text zu verstehen, ist nicht sonderlich schwierig, behandelt er doch ein Gefühl, das (hoffentlich) jeder kennt. Aber die Vielzahl seiner stilistischen und sprachlichen Besonderheiten und die eigentümliche Form des Sonetts, erheben den Text in meinen Augen zum Kunstwerk.
danke für die präzise erklärung.
die von dir beschriebene technik klingt rätselhaft und scheint wie du sagst, unerschlossen. daher muss ich das epos zurücknehmen und es in ein feen-zwergen-sopé entdenken. das hat zwar einen kannibalistischen hintergrund; dieser jedoch bezieht sich ausschliesslich auf die zwerge, die zum unterschied von feen aus fleisch-blut-wasser bestehen und angeblich eine - je nach zubereitung - köstliche zwergen-tortillấ abgeben sollen. die zwerge müssen nur völlig ausgeblutet sein, da sonst die tortillấ zu matschig wird.
RE: Lautlos laut
in Liebe und Leidenschaft 21.09.2011 12:28von Salome • | 140 Beiträge | 140 Punkte
liebe pista,
ist ja toll. so einen umfassenden kommentar habe ich schon lange nicht mehr bekommen. vielen dank!
da bleibt wenig zu sagen übrig. die 4 männlchen kadenzen habe ich bewusst in die mitte genommen, umarmt von 10 weiblichen; während in "legt" etwas "Ruhe" einkehrt, nimmt "fegt" dann wieder Fahrt auf, während S1 ein sich über die augen näherkommen ausdrückt, durch die sausewinde auch etwas verliebt-verspieltes bekommt, nimmt S4 sozusagen die "nachhaltigkeit" in den blick...
ich habe ich sehr über deine worte gefreut, nicht nur aber schon auch, weil so ein dickes lob darin enthalten war.
lieber gassenbaum,
ich wohne hier in einer ganz grünen gegend mit vielen garten- und gassenbäumen. ich wette, dich würde ich unter allen sofort erkennen, immer der mit dem breiten ironischen grinsen, nicht?
allerdings weiß ich bei dir nie, wann etwas ernst, wann ironie ist. also entscheide ich mich für ernsthafte ironie und ironischen ernst. tja, und im zweifelsfall liegt man mit dieser haltung ja auch praktisch immer richtig. ich denke, du willst mir in deinem beitrag in zwergensprache sagen, dass ich nicht immer so "siebngscheit daherreden" soll. recht hast du! ich denke, das dozieren ist ein geburtsfehler von mir, der leider durch die berufliche praxis noch extrem verstärkt wurde. zu einer radikaloperation (einziges wirkliches heilmittel, wie man mir sagte) konnte ich mich bisher nicht durchringen.
als eingefleischte vegetarierin passe ich bei der zwergentortilla. ich kann kein blut sehen und an zwergen schon gar nicht. die lade ich mir lieber aufs butterbrot und lasse mir von ihnen geschichten erzählen bis mir der appetit vergangen ist - ein äußerst wirksames mittel geben übergewicht! das butterbrot ist inzwischen fast 10 jahre alt, die butter ranzig und dem brot mit meinen dritten nicht mehr beizukommen.
ich hoffe, mit diesen zeilen eher deinen geschmack getroffen zu haben!
lieber munkel,
deinen chapeau nehme ich gern, wenns mal wieder schnürl regnet oder kritik hagelt... vielen herzlichen dank!
euch allen einen schönen tag und ein artiges danke für euer interesse, eure rückmeldungen, euer lob...
liebe grüße, salome
als dichterische Sonderform des Sonettes ein absolut tolle handwerkliche Leistung, liebe salome.
Gut überlegt und jedes Wort abgwogen. Bäume haben eine eigenartige Art, Kraft zu geben, wenn man es so sehen will. Diese Atmosphäre hast du gut gespiegelt.
Fast bis zum Schluß denkt man, es handele sich um einen mann, ohne dass es erwähnt wird.
Ja, Respekt.
LG von Marlene
RE: Lautlos laut
in Liebe und Leidenschaft 22.09.2011 22:25von Salome • | 140 Beiträge | 140 Punkte
hey gassenbaum,
ich danke dir für das brilliant in der antwort zur antwort. winkegrüße von den butterzwergen!
liebe marlene,
vielen herzlichen dank für dein lob*freu*.
jaahaa .., es handelt sich um einen baum von einem mann oder doch um einen "vermännlichten" baum *kopfkratz*??? die antwort bleibt den leser_innen überlassen!
euch beiden liebe grüße, salome
Besucher
0 Mitglieder und 204 Gäste sind Online Wir begrüßen unser neuestes Mitglied: Christian87655 |
Forum Statistiken
Das Forum hat 8220
Themen
und
61619
Beiträge.
Heute waren 0 Mitglieder Online: Besucherrekord: 420 Benutzer (07.01.2011 19:53). |
Ein Kostenloses Forum | Einfach ein Forum erstellen |