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Sommernacht
Am Tannensaum, gleich bei der Friedhofsmauer,
mischt Mondlicht helle Farben in das Blau
der Blüten rings um frisches Gräbergrau,
beleuchtet Blätter, nass vom Abendschauer.
Den Nachtigallen lauscht die alte Frau,
sie künden ihr von eigner bittrer Trauer
und trösten sie. Sie wartet, starrt genauer
zum Ulmenschatten in der nahen Au,
als könne sie den Mann am Bache sehen,
der alle Jahre ihres Glückes fand,
der bei ihr war bei ihren ersten Wehen,
der ihr die Bänder in die Haare band.
Sie krampft den Mund, als bisse sie auf Schlehen.
Ihr ist, als rief' er sie ins Schattenland.
RE: Sommernacht
in Diverse 12.08.2011 09:33von mcberry • Administrator | 3.230 Beiträge | 3490 Punkte
Hallo, lieber Hannes, dergleichen lese ich gerne und es ist auch gut gemacht.
Kleine Schnitzer sind verzeihlich, aber dennoch:
s2z2: "ihr von ihrer" muß nicht sein. einer tiefen z.B. o.a.
Thematisch sind S3Z3 und S4Z1 in der falschen Reihenfolge. Der Reim ginge nicht verloren.
S4Z3: nach als käme ein Konjunktiv: als rufe. Die Zeile klingt auch metrisch holprig.
Insgesamt ein mal wieder echt schönes Sonett von dir. Danke der Zeilen - mcberry
Hallo mcberry,
vielen Dank! Die von Dir angemerkten "Stockfehler" habe ich korrigiert.
Die Zeilen S3Z3 und S4Z1 habe ich allerdings nicht vertauscht. Zum einen war mir der strenge Kreuzreim wichtig. Zum anderen soll es durchaus auch Männer geben, die noch nach einer Geburt ihrer Frau Bänder in die Haare flechten :).
es grüßt
der.hannes
Zitat
Am Tannensaum, gleich bei der Friedhofsmauer,
mischt Mondlicht helle Farben in das Blau
der Blüten rings um frisches Gräbergrau,
beleuchtet Blätter, nass vom Abendschauer.
an sich eine bezaubernder erste strophe, nur: mondlicht kann KEINE FARBEN mischen. und ein blau kann es daher zu nächtlicher zeit ebenso nicht geben. abgesehen davon beschreibt der wundervolle autor das gräbergrau als richtige buntlosigkeit. und: wenn der mond scheint, gibt es keinen abend- oder regenschauer. und so geht das weiter um dem leser traurige nacht-igal-len zu erklären. also - ich bin ein unterwegser käfer, nur ist mir noch nie eintrauriger vogel übergegnet. auch frage ich mich: kann ein verstorbener gemahl ALLE JAHRE des glücks eines anderen menschen finden oder gefunden haben? man kann diese sehr wohl teilen, aber das finden ist des finders unlohn.
somit bin ich ein wenig ratlos ob der verspragelten formulierungen, die mir keine wirklich verständliche lyrik präsentieren.
hallo gassenbaum, ich empfehle Dir, mal in einer hellen Mondnacht mal auf einen Friedhof zu gehen . Mit offenen augen kannst du dann Blau sehen, nicht wie tag so blau, sondern fahlblau (eine helle farbe...). Wenn du Schwierigkeiten hast, dir einen klaren nachthimmel nach einen abendlichen schauer vorzustellen, hilft der empfohlene Ausflug vielleicht auch. Man kann dort auch nachempfinden lernen und demut. Versuch das mal
es grüßt
der.hannes
Lieber Hannes,
gerade wollte ich in die Tasten hämmern, als ich sah, dass Mac meine kritischen Anmerkungen bereits vorweggenommen hatte. Ich finde auch, dass Bänder oder Blumen eher in das Haar junger Mädchen eingeflochten werden, nicht so in das einer schweißnassen Wöchnerin. Ausnahmen mag es aber geben. -
Die beiden Quartette finde ich durchaus gelungen, über das 1. Terzett könntest du in der Tat nochmal nachdenken ... und über die Schattendopplung. Mal abgesehen davon, dass "Schattenland" nicht eben selten in der Lyrik auftritt.
Ansonsten ist das Gedicht handwerklich sauber gemacht, was mir stets wichtig ist, und zeigt kleine Highlights, wie z. B. den Biss in die Schlehen (da zieht es mir sofort die Mundwinkel zusammen). - Mit ein wenig zusätzlicher Überarbeitung könnte aus deinem Sonett etwas Gutes werden. Ziemlich gut ist es jetzt schon.
Zwinkergrüße
Pista
Hallo Pistazie,
wer sagt, dass all die männlichen Aktionen zeitnah abliefen? Es sind für mich drei verschiedene Erinnerungen der alten Dame,
der alle Jahre ihres Glückes fand,
der bei ihr war bei ihren ersten Wehen,
der ihr die Bänder in die Haare band.
Es ist noch nicht mal notwendig dass die drei Ereignisse in irgendeiner zeitlichen Abfolge stattgefunden haben.
Bei der Antwort an mac habe ich das zu verkürzt dargestellt, so dass man glauben kann, dass ich an Bänderbinden (direkt) nach der Geburt gedacht habe. Was ich dabei meinte, war eher, dass man Bänder ins Haar von jungen Mädchen, aber auch ins Haar von Frauen binden kann, die schon mal geboren haben.... ;)
Die Schatten sind für mich keine Dopplung.
Ob ich an diesem Gedicht, dass für mich eines meiner bisher besten ist (vgl. auch jenes andere Forum ...), noch etwas ändern mag, wage ich derzeit zu bezweifeln.
Trotzdem vielen Dank für die kritischen Anmerkungen, die ich allerdings diesmal nicht so recht teilen kann. Es ist immer besser, es kommt eine Antwort als keine, und wohlmeinende Kritik wie Deine finde ich gut. Ich hoffe, Du akzeptierst, dass ich etwas hartleibig hinsichtlich Änderungen bin.
es grüßt
der.hannes
Wir kennen uns lange genug, Hannes, um zu wissen, dass weder Kritik noch deren Zurückweisung etwas an unserer langjährigen Forenfreundschaft ändern könnte. Wenn du der Meinung bis, dass dein Gedicht für dich perfekt rüberbringt, was du bei der Erarbeitung fühltest, akzeptiere ich dies ohne Bedenken.
Trotzdem traue ich mich, noch etwas anzumerken: Vielleicht solltest du die Formatierung wählen, die du in deiner Erklärung visualisiertest? Wer sagt, das Sonette immer 4,4,3,3 sein müssen?
Ich
nich
Grüßle
pista
Zitat
mischt Mondlicht helle Farben in das Blau
guter mensch - ich sprach vom einmischen heller farben, das du hier erdichtest und: das würde pastelltöne abgeben. also ich bin unlängst in den von dir zitterten regnerischen vollmondnächten über variables an friedhöfen geflogen und habe nichts dergleichen gesehen, ausser einer verwischung des mondes durch regenperlenkettchen, die vom firmus-mentos streunten. obschon - meine ommatidien sind auch nicht ohne. ungeachtet dessen sah ich ein paar frische zombies. die fehlen mir in deiner lyrik; etwa so:
Untot ist seine Krallenhand,
mit der den Schuhstriem er ihr band.
Ihr Mundkrampf hat ihn nicht geniert,
als er sie feinstens stranguliert.
Hallo pista,
Du meinst 4 4 4 2?
Das passt dann eher zur Shakespeare Form, bis aufs Reimschema....
Das wäre dann also
Sommernacht
Am Tannensaum, gleich bei der Friedhofsmauer,
mischt Mondlicht helle Farben in das Blau
der Blüten rings um frisches Gräbergrau,
beleuchtet Blätter, nass vom Abendschauer.
Den Nachtigallen lauscht die alte Frau,
sie künden ihr von eigner bittrer Trauer
und trösten sie. Sie wartet, starrt genauer
zum Ulmenschatten in der nahen Au,
als könne sie den Mann am Bache sehen,
der alle Jahre ihres Glückes fand,
der bei ihr war bei ihren ersten Wehen,
der ihr die Bänder in die Haare band.
Sie krampft den Mund, als bisse sie auf Schlehen.
Ihr ist, als rief' er sie ins Schattenland.
Lieber Hannes!
Handwerklich gut gemacht, so wird Dein Gedicht lehrkritisch bewertet. Da weiß ja vera p. stets - alpha et omega -zu urteilen, damit das Kunsthandwerk in gute Fugen findet. Immer gleich und auf den Punkt der benn´sche Arbeitsansatz: ein Gedicht wird gemacht. Doch ein Gedicht ist auch Vermächtnis:
Ich vermisse eine Inhaltsbiographie. Für mich las es sich künstlich, konstruiert, ein sentimentaler Bilderreigen, ein eher beliebiger Friedhof, mit den Klischees des Ortsmobiliars ausgestattet, pathetisch breit.
Der freundlich verwendete Berichterstatter b e h a u p t e t mehr Empathie, als das er sie wirklich zu haben scheint, wobei das Leid der alten Frau
( "alte Frau" ist ja herzzerreißend) nicht bei mir ankommt. Ihre Leidgeschichte ist in Naturbilder wattig verpackt, scheint der gleichzeitigen Miterfahrung seitens des Beobachters zu entbehren. Also eine erfundene Beobachtung, keine Mitdurchlebte. Das Künstliche rührt mich nicht wirklich, die aufgesetzten Gefühle sind statisch aufgepfropft. Es kann ja sein, dass das meiner mir selbst mangelnden Empathie zuzuschreiben ist, doch ich konnte nicht etwas Authentisches, Subjektives entdecken.
Ich vermute, dass Du , lieber Hannes, gerne in romantischen Einlassungen schwellgst, also Dich selber in
solchen künstlich erzeugten Stimmungslagen Deine Gedichtmotive suchst und findest. Auch kann ich mir
vorstellen, dass Du gerne Friedhöfe besuchst ( ich auch).
Hinzu kommt ein Anderes. Vor vier Wochen brachte sich ein guter Freund von mir um. Er warf sich vor eine einfahrende U.-Bahn. Am kommenden Donnerstag ist die Beerdigung. Mir ist nach Schweigen.
Wenn ich jetzt noch einmal meinen Kommentar selbstkritisch überlesen habe, so finde ich, dass ich meine
Gefühle mit in den Kommentar Deines Gedichtes projeziert habe. Damit bezeichne ich meine eigene
Betroffenheit zu einem nicht alltäglichen wirklichen Ereignis, dem ich mittelbarer Beteiligter wurde.
Bitte verstehe deshalb meinen Kommentar als Reaktion auf einen wirklichen Verlust.
Ich will natürlich auch nicht ausschließen, dass Deinem Gedicht etwas zugrunde liegt, dass persönlicher
Natur ist. Aber es ist eben das, dass ich in ihm nichts fand, dass mich in solcher Annahme sicher gemacht hätte.
Liebe Grüße,
otto
hallo otto,
wenn du andere gedichte von mir anschaust, wirst du leicht feststellen, dass ich wenig zum romantischen schwulst neige. Das vorliegende Sonett ist aus einer Art Schreibaufgabe in einem anderen Forum entstanden zum Thema Sommernacht, bei der eine Reihe von Sonetten vorgestellt wurden, bei denen in der sommernacht nur völlige harmlosigkeiten gereiht wurden, denen ich mit meinen Gedicht etwas mit einem ernsten Thema als Kontrast entgegen stellen wollte. vor diesem Hintergrund ist die erste Strophe als eine Überleitung zu sehen von der Beschreibung von Naturschönheiten zu der von gedanklichen Prozessen, die ich für den Leser nachempfindbar darstellen wollte, was mir bei Dir leider nicht gelungen ist, und angesichts der bisherigen Kommentare hier in Forum auch nicht so recht gelungen zu sein scheint.
Erstaunlicherweise wurde das Gedicht in der leselupe aber sehr gut aufgenommen! Für mich ist das nur erklärlich durch gruppendynamische Effekte bei der Rezeption von Texten in Literaturforen. Salopp ausgedrückt : wenn ein früher kommentator dem Daumen senkt, finden viele was zu mäkeln, ist der daumen deutlich oben, überschlagen sich die Lobeshymnen. Das ist sicher etwas überspitzt formuliert und mag manche überraschen, die überzeugt sind, objektiv zu urteilen. Beispiele für solche effekte sehe ich immer öfter, und ich bin diesem effekt schon selbst als Kommentator zum Opfer gefallen :) . Ein gegenmittel ist wohl, zunächst nur das werk zu lesen und einem eigenen kommentar abzugeben, bevor man die Kommentare anderer liest. Das mittel kann aber bei längeren diskussionen nur bedingt greifen.
Es wäre mal interessant zu wissen, ob die Literaturtheorie diesen effekt schon mal systematisch untersucht hat :D
Mein beitrag hier möge bitte auch nicht als larmoyante Kritikerschelte aufgefasst werden :)
es grüßt
der.hannes
RE: Sommernacht
in Diverse 03.09.2011 13:13von mcberry • Administrator | 3.230 Beiträge | 3490 Punkte
Hallo Hannes,
im Gegenteil, sehr interessanter Aspekt. Eine systematische Untersuchung wäre mir nicht bekannt.
Das Thema gehört wohl zu den unvermeidlichen Kompromissen gesellschaftlichen Miteinanders.
Der Rang des Vorschreibers nimmt sicher Einfluß darauf, ob man ihm folgt.
Wer neu und klein ist, überlege sich selbst eine berechtigte Kritik anzubringen, denn die Impertinenz könnte ihm an anderer Stelle heimgezahlt werden.
Andererseits wiegen Beurteilungen verschieden viel, wenn User ihre Kollegen kennen und einschätzen können.
Du könntest dazu einen Artikel schreiben. Mich hast du gerade zu einer neuen Passage inspiriert: Danke!
Bin mal schreiben... HG - mcberry
Lieber Hannes,
die Aufteilung der Terzette in eine etwas andere Form ist doch nur ein Vorschlag *soifz. Ich habe derlei schon gesehen. - Moderne "Sonettierer" (selbst unseren Walther konnte ich mal dabei ertappen) gehen manchmal recht spielerisch mit den edlen alten Formen um. Das heißt ja nicht, dass du es auch so machen musst oder sollst.
- Schwülstiges kann ich nicht entdecken. Letztendlich liest jeder (d)ein Gedicht anders und die Bewertungen werden unterschiedlich ausfallen, abhängig auch davon, ob der Leser überhaupt damit "einverstanden" ist, tradierte Formen und Inhalte zusammenzubringen, die an die Themen romantischer Dichter erinnern. -
Für mich ist das Gedicht schon deshalb erfolgreich, weil es eine so intensive Diskussion hervorzaubert.
Ich glaube, Lyrik ist wohl Geschmacksache - ich fand deine Metaphern sehr genau und poetisch, besonders das von einigen Usern gescholtene "der alle Jahre ihres Glückes fand," - denn man erfährt daraus mehr über die alte Frau als man denkt: Selbst wenn sie mal ganz happy vor dieser Ehe war, so war sie nur mit ihrem Liebsten wirklich glücklich und als er fort war, war gleichsam auch ihr Glück gestorben.
Jede Kleinigkeit in diesem Gedicht drückt so viel aus, kann so viel Echo in einem Geiste auslösen, der lauschen will!
Hut ab :)
den geneigten Lesern sei hier noch eine Rezitation ans Herz gelegt:
http://www.leselupe.de/lw/mp3/104723_soundclip-34.mp3
Danke, Uschi, dass Du mir die wieder ins Gedächtnis brachtest.
Es grüßt
der.hannes
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