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RE: Willst du...?
in Humor und Fröhliches 20.07.2011 16:54von otto • | 637 Beiträge | 645 Punkte
Der Titel signalisiert das Programm, und waere auch ohne Ausfuehrendes Verlockung genug. Den Rest besorgt die Phantasie. 5 Zeilen, ein Angebot, wie es ja haeufig zwischen Nochfremden in der Sturm - und Drangphase eroeffnet
wird.
Natuerlich koennte man das Gedicht nach ungezaehlten "Raebernaechten" nicht einfach so weiter schreiben. Deshalb erscheint mir weise, dass sich die Autorin zunaechst einmal auf eine Handvoll Versprechen beschraenkt. Niemand kann wissen, was nach den "noch ganz anderen Sachen" kommt.
Albert Camus soll einmal sinngemaess geaeussert haben, dass ihm ein Orgasmus von 5 Minuten ausreichen wuerde,
um getrost sein Leben zu beenden. Nun schrieb er allerdings nichts vom Vorspiel. Das Nachspiel ist meistens Entfremdung, damit weitere ungestueme Naechte vorstellbar werden.
Dein Text ist elegant und selbstbewusst geschrieben und atmet Suedwind mit Wallungen. Wer hat hier uebrigens wen
beklaut?
Liebe Gruesse,
otto,
der am Tage arbeiten muss.
RE: Willst du...?
in Humor und Fröhliches 20.07.2011 18:22von otto • | 637 Beiträge | 645 Punkte
Jetzt erst, liebe Salome, scheint mein Berliner Groschen zu fallen: ein Maedchen, noch jungfraeulich, will sich leidenschaftlich hingeben. Aber sie will nicht wie eine schoene Rose so einfach nur gepflueckt werden, sucht
eine bestaendige Beziehung. Dafuer macht sie ihre Offerte, sie handelt sozusagen, den Mann pruefend, etwas aus,
dem sie im Falle einer Zustimmung, zwar nicht konkrete, doch vage Verheissendes anbietet.
Das ihr Geraubte, dass sie in den Scheingefechten liess, gibt sie am Morgen, wenn der Mann immer noch beim Aufwachen an ihrer Seite liegt, wie ein nachtraegliches Geschenk an ihn. Und dann, ja dann, kann es getrost zu ungestuemen Raeubernaechten kommen, das sei ihr dann recht.
So gelesen sind die Zeilen romantisch und naiv maedchenhaft, berechtigt, allerdings in der heutigen Zeit wirken sie etwas antiquiert. Ginge meine Interpretation in die richtige Richtung, so fuehlte ich mich solidarisch mit diesem sehr
lieben und weiblichen jungen Menschen. Das Maedchen baut vor. Und das aus ihrem Recht, ihrer Weiblichkeit, ihrer Unerfahrenheit, aus ihrer einsetzenden Verantwortung - vielleicht- einmal Verantwortung fuer ein Kind uebernehmen zu wollen, zu muessen. Allein, es reichte laengst fuer die Verantwortung sich selbst gegenueber sich einem moeglichen Partner so vorzustellen.
Liebe Gruesse,
otto.
RE: Willst du...?
in Humor und Fröhliches 21.07.2011 08:51von Salome • | 140 Beiträge | 140 Punkte
schon erstaunlich, lieber otto,
was dir so alles bei diesen paar zeilen auf- und eingefallen ist. du musst dich sehr eingehend damit beschäftigt haben, dafür ein herzliches danke!
die grundidee war viel simpler: die räubernächte angelehnt an (raub)überfälle --> über einander herfallen in kombination mit "ungestüm" sollte wohl so was wie leidenschaft angedeutet werden...
an unschuld habe ich bei "rauben" gar nicht gedacht; es könnte doch einfach um "küsse rauben", zärtlichkeiten im liebesspiel einfordern... oder "schlaf rauben" gehen...? das mit dem "diebsgut zur morgengabe machen" einfach ausdruck für wechselseitigkeit und ein in den Morgen hinein verlängern wollen ...
nach meinem dafürhalten sollte es scherzhaft kokett sein, obwohl natürlich im ersten vers durch das "tag für tag" miteinander aufwachen" schon der wunsch nach dauerhaftig- und verbindlichkeit zum ausdruck kommt.
danke für dein tiefes eintauchen zwischen den zeilen und das mitteilen deiner gedanken.
liebe grüße, salome
RE: Willst du...?
in Humor und Fröhliches 21.07.2011 10:09von otto • | 637 Beiträge | 645 Punkte
Liebe Salome!
Ein Text hinterlaesst immer Zweideutigkeiten. Was wissen wir denn selbst ueber das, was uns wie einleuchtend,
uns selber nachvollziehbar, auf das Papier geht? Ich meine also, dass es nicht nur um das von uns, z.B. mit Metaphern oder Oxymoronen versteckte Geheimnis eigener bewusster Erkenntis zu persoenlichen oder anderer Menschen Erfahrungen geht. Vielmehr noch scheint mir das Beduerfnis sich auszudruecken vom Ergebnis her auch Hinweise
auf das zu geben, was wir als Raetsel auf aufgeschrieben haben. Denn kommen wir wirklich hinter uns selbst? Wer behauptete einmal, dass ein Autor erst d a n n wirklich ueber etwas schreiben kann, wenn er es vergessen hat? So mag es denn aus dem Zauber des Vergessens wieder wie kokonisiert auftauchen. Selbst uns mag es fremd vorkommen, tiefengelagert noch gerade als Erfahrungssediment oder schon immer in uns, archaisch uns mitgegeben von Anbeginn.
Oder Fragen moechten uns aufkorken aus schweren Wassern eigener Abgruende, beaengstigend, ratlos mitnehmen in die Welt der Phantasie. Es ist ein eigen Ding mit sich selbst. Wer uns in unseren Aesserungen beruehrt, der wird leicht abgewiesen, wenn es nicht passen will, so wie wir uns selbst vornehmen. Doch genau da beginnt fuer mich der
Dialog ins Innere, das soziale Gespraech mit dem anderen. Und so machen die Fragen die kommen, und solche die gehen, und ins Stocken geraten ein wenig - oder wie viel eigentlich- mit uns und dem anderen was sie wollen. Wir schreiben und lesen in Grenzen nicht wirklich ueberwindbarer Fremdheiten. Wollten wir uns, den anderen wirklich erkannt haben, wer denn wuerde es uns wissen lassen?
So bleibt es bei der Interpretation, dem Gebrauch von Habitus, Gestik, Worten, um hinter die Sprachgitter zu kommen. Moegen wir immerhin dahinter kommen, aber wollten wir das wirklich? Und wollten wir es beim anderen? Natuerlich gilt mir ein lyrischer Text als ein Angebot mich in den Leser zu ... uebersetzen, so als waere das Gedicht eine Faehre ueber die dunklen Abgruende, wo wir in uns eins sein koennen. Doch blenden mich viele Gedichte. Grossartige wie Sonnen, in die ich nicht hinein zu sehen wage: etwa die von Celan, Hoelderlin etwa oder
George.
Dann aber bin ich verwundert von den verklaerten kleinen Gedichten, wie fuer das Poesiealbum geschriebene.
Kleine, anruehrende Schmetterlinge, geboren aus naiver Sehnsucht nicht umsonst sich auszutaumeln. Hier scheint der Wunsch zu gelten bemerkt, nicht vergessen zu werden. In solchen Gedichten vermute ich die Sehnsucht nach der verlorenen Kindheit. Ohne Schuld zu sein, ohne Moral. Und wie erschrecke ich, wenn ich mir meine Gedichte selbst vornehme, und mich Traurigkeit ergreift, dass ich ja fortgeschritten bin. Und weiss dann, dass ich das beste laengst verloren habe: Das Kind in mir;
zuweilen raesoniert es, weil es zurueck will. Auch das erlebe ich als ein Problem in der Lyrik.
Nun bin ich weit abgekommen von Deinem Gedicht, vielleicht aber weniger, als ich weiss.
Zu Deinem Kommentar fiel mir noch ein: es gab da einen Film, "Bonnie und Clyde" hiess der wohl. Da ging es auch um Geraubtes, das von einem jungen Paar.
Liebe Gruesse,
otto.
RE: Willst du...?
in Humor und Fröhliches 22.07.2011 08:24von Salome • | 140 Beiträge | 140 Punkte
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natürlich "hinterlässt ein text zweideutigkeiten", lieber otto,
ich würde sogar "mehrdeutigkeiten" meinen, und natürlich steckt da viel mehr drin, als dem autor, der autorin selbst bewusst ist. gerade das ist ja das schöne daran und an forem wie diesem, da man direktes feedback erhalten und über den eigenen text "neues" erfahren kann...
deinen ansatz mit bonnie und clyde finde ich sehr erfrischend. genau, auch das ist eine mögliche lesart.
danke für dein gedanken-schweifen-lassen,
liebe grüße, salome
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nun scheint mir hier der autor etwas nachzuhängen, was wir seit heute in der NYT und anderen zeitungen der welt lesen können: dem soziopathisch nicht ganz uninteressanten Anders Behring Breivik
RE: Willst du...?
in Humor und Fröhliches 25.07.2011 07:48von Salome • | 140 Beiträge | 140 Punkte
wäre die frage "willst du...?" an dich gerichtet würdest dus wohl anders lesen, goldart,
ganz ehrlich?
Zitat
nun scheint mir hier der autor etwas nachzuhängen, was wir seit heute in der NYT und anderen zeitungen der welt lesen können: dem soziopathisch nicht ganz uninteressanten Anders Behring Breivik
nun scheint mir, das könnte man unter jeden x-beliebigen text schreiben, denn nach dem attentat von oslo / utøya scheint alles "nachzuhängen", wie nach stalingrad, auschwitz, dem 11. sept 2001....
und dennoch wächst da aus dem asphalt der straße vor meinem haus ein löwenzahn und verteilt seine flaumschirmchen in die welt...
liebe grüße, salome
ich mag löwenzähne und habe sie im flaumzustand anderen kindern in die gesichtchen gepustet. allerdings hatte ich in meiner karriere als dompteur weniger gute erfahrung mit den namensvettern ersterer.
RE: Willst du...?
in Humor und Fröhliches 25.07.2011 11:54von Rubberduck • | 558 Beiträge | 558 Punkte
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