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Lilith

in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 18.10.2010 04:59
von Pedro (gelöscht)
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Lilith

Als er aus tiefer Bewusstlosigkeit erwachte und die Augen öffnete, sah er, dass das kleine Boot an Land getrieben war. Es lag am Strand im Schatten von Palmen. Sein Gesicht brannte. Er hatte Durst.
Etwas unsicher kletterte er aus dem Boot, ging langsam einen Pfad entlang, der vom Strand in den Wald führte, und kam an einen Bach. Er legte sich ins Wasser und trank mit kleinen Schlucken.
Überall standen Palmen, Bäume mit Früchten, die er nur teilweise kannte, Blumen blühten in allen Farben. Sonnenstrahlen fielen durch das Blätterdach, Lichtstreifen bewegten sich auf dem Boden. Ein Papagei kreischte.
Dann sah er ein Holzhaus mit großen Fenstern. Die Tür stand offen.
„Hallo!“, rief er laut. Niemand antwortete.
Er ging hinein und kam in ein Wohnzimmer mit alten Möbeln. Ein großer Esstisch mit sechs Stühlen stand in der Mitte, an der Wand gegenüber dem großen Fenster ein Regal mit Büchern, ein Schrank mit Gläsern, in einer Ecke ein Sofa, zwei Sessel und ein kleiner runder Tisch. An den Wänden hingen Aquarelle von Landschaften.
Er rief noch einmal „Hallo!“, wieder antwortete niemand.
Gleich neben dem Wohnzimmer war eine kleine Küche, komplett eingerichtet: mit einem Gasherd und einem riesigen Kühlschrank. Er machte die Tür auf und sah, dass er gut gefüllt war: Getränke, Wurst, Käse, Eier, Früchte, Gemüse, im Gefrierfach Fleisch. Neben der Küche befand sich ein Schlafzimmer mit einem Doppelbett. Auf den beiden Nachttischen lagen Bibeln. An der einen Seitenwand stand ein großer Schrank. Er öffnete die Tür und sah Kleidungsstücke für Männer und Frauen.
Er fand ein weiteres Schlafzimmer, fast gleich eingerichtet. Am Ende des Flures kam er an eine geschlossene Tür, an der ein Zettel hing. „Bitte nicht eintreten!“, stand darauf. Ein Badezimmer lag daneben, WC, eine große Badewanne, eine Dusche, Handtücher. An einer Wand hingen kleine Schränke.
Als er wieder ins Wohnzimmer kam, sah er einen Brief auf dem Tisch liegen.


Liebe Gäste!
Sie sind hier auf einer kleinen Insel gelandet, wahrscheinlich ist Ihr Rettungsboot hier an die Küste getrieben worden. Ich hoffe, dass Sie alles finden werden, was Sie brauchen.
Bei einem Rundgang werden Sie viele Bäume mit Früchten finden. Alle Früchte kann man essen, sie sind nicht giftig. Gefährliche Tiere gibt es hier nicht.
Im Meer können Sie baden, es gibt keine Haifische.
Sie sollen sich hier erholen können. Fühlen Sie sich wie zu Hause.
Ich werde in wenigen Tagen wieder kommen, mache gerade eine Reise.
G.
P.S.: Bitte betreten Sie das eine Zimmer auf keinen Fall!!!

Müdigkeit überkam ihn, er legte sich auf das Bett und schlief sofort ein.
Gegen Mittag wachte er wieder auf. Er fühlte sich gut, war kaum noch erschöpft.
In der Küche bereitete er sich ein Frühstück: Kaffee, Spiegeleier und Zwieback.
Morgen würde er die Insel erkunden, vielleicht lebten noch andere hier, dachte er.
Er fand eine Badehose, sie passte ihm wie angegossen. Mit einem Handtuch und einer Flasche Mineralwasser lief er den Pfad entlang zum Strand, bunte Vögel saßen auf den Palmen.
Das Meer war ruhig. Er schwamm, Fische in allen Farben begleiteten ihn. Nach längerer Zeit setzte er sich in den Schatten einer Palme und versuchte seine Gedanken zu ordnen.
Wie es zum Unglück gekommen war, wusste er nicht, wusste auch nicht, wie lange er im Meer getrieben war.
Das Passagierschiff war schnell gesunken, er war ins Wasser gesprungen und hatte das kleine Boot gefunden.
Irgendwann hatte ihm mal ein alter Matrose erzählt, dass Wellen sich aufschaukeln können, riesengroß werden und sehr lange Strecken auf dem Meer zurücklegen. Vielleicht hatte eine solche Welle das Schiff zum Kentern gebracht.
Er dachte an den Brief, den er gefunden hatte. Merkwürdig das Verbot, einen Raum zu betreten. Herr G. würde bald zurückkommen, sicherlich besaß er eine große Yacht. Die Anlegestelle hatte er gesehen, man würde ihn dann schon in einen Hafen bringen.

Er wollte wieder zum Haus zurückgehen, sah dann aber in der Ferne einen dunklen Punkt auf dem Meer. Kam Herr G. schon wieder zurück?
Der Punkt vergrößerte sich nur sehr langsam, das konnte kaum eine Yacht sein, dachte er. Er setzte sich wieder in den Sand und wartete. Ein kleines Boot trieb auf die Küste zu. Er sprang ins Wasser und schwamm darauf zu.

Nach kurzer Zeit erreichte er das Boot. Sofort erblickte er sie. Sie schien besinnungslos zu sein. Lange rote Haare hatte sie. Toll sieht sie aus, dachte er, wenn die sich erst mal erholt hat...
Er zog das Boot an Land und lief zum Bach, machte das Handtuch nass. Zurück am Strand lege er es dem Mädchen über das Gesicht. Sie stöhnte, steckte sich einen Zipfel des Handtuchs in den Mund und saugte Wasser heraus. Dann schlug sie die Augen auf. Grün waren sie.
„Wo bin ich? Ich habe Durst“, sagte sie sehr leise.
Er hob sie hoch. Leicht ist sie, wie ein Kind, dachte er. Er trug sie auf den Armen zum Bach. Kaum hatte er sie am Rand des Baches abgesetzt, begann sie hastig zu trinken.
„Nicht so schnell“, sagte er.
Ein paar Mal tauchte sie ihren Kopf ins Wasser. Sie schaute ihn immer wieder an und sagte kein Wort.
Er wartete, bis sie genug getrunken hatte. Noch bevor sie hätte versuchen können aufzustehen, hob er sie wieder auf seine Arme und trug sie zum Haus. Die junge Frau ließ es wortlos geschehen. Als sie ankamen, waren ihre Augen wieder geschlossen. Im Schlafzimmer legte er sie aufs Bett. Sie regte sich nicht, atmete aber ruhig. Er zündete die Gaslampen an. Dann zog er ihr die Schuhe aus, die Jeans und die Bluse. Gesicht und Arme waren stark gerötet. Im Bad fand er sofort eine Creme. Er setzte sich zu ihr aufs Bett und begann sie einzucremen. Vorsichtig berührte er ihre Wangen, ganz leicht ihre Lippen. Wunderschön war sie. Dann deckte er sie zu.
Ein Glück, dass er diese junge Frau gefunden hatte. Er war jetzt nicht mehr allein. Es erschien ihm jetzt nicht mehr wichtig, schnell von der Insel wegzukommen.
Wahrscheinlich war sie auf dem gleichen Schiff gewesen wie er, er konnte sich aber nicht erinnern, sie schon einmal gesehen zu haben.
Er löschte die Lampen und schaute sie an. Mondlicht fiel durch die große Glastür auf ihren Körper. Mitte zwanzig müsste sie sein, dachte er. Er legte sich neben sie und strich über ihr Haar.

Als er wieder aufwachte, war es schon hell. Die Frau lag nicht mehr neben ihm. Er stand auf.
Sie hatte den Tisch für zwei gedeckt und ein großes Frühstück mit Wurst, Käse, Eiern und Früchten vorbereitet. Auch Servietten lagen auf dem Tisch.
Sie hatte sich wohl geduscht und trug ein weites, langes, weißes Kleid.
„Sie wollen sich sicher erst zurechtmachen? Als ich mir das Kleid genommen habe, sah ich, was für eine große Auswahl an geschmackvollen Sachen sie haben. Ja, ja, so ein Minimum an Kultur sollte man auch abseits der Zivilisation bewahren.“
Er sah an sich herunter, sah dass er immer noch die Badehose anhatte. Er konnte nicht ganz verstehen, warum er sich waschen und warum er ein Hemd anziehen sollte. Er war doch gut gebaut. Gefiel ihr die große Tätowierung auf seiner Brust etwa nicht? Dieser Löwe war doch bisher von allen Frauen bewundert worden, die er kennen gelernt hatte.
Er ging ins Schlafzimmer und zog sich ein buntes Hemd an, das er gestern im Schrank gesehen hatte.
Während sie ihm Kaffee eingoss, musterte er sie.

„Wo sind wir hier?“, fragte sie.
„Weiß ich nicht.“
„Wie, wissen Sie nicht? Leben Sie nicht hier?“
„Ich bin gestern nach einem Schiffbruch hier an den Strand getrieben worden, war froh, Land unter den Füßen zu haben.
„Welchen Namen hatte Ihr Schiff?“
„Nepomuk.“
„Dann waren wir zusammen auf dem gleichen Schiff“, sagte sie. „Gesehen habe ich Sie allerdings nie.“
„Ich war meistens unter Deck!“

„Hast du den Brief auf dem Tisch gelesen?“, fragte er sie.
„Ja. Alles sehr merkwürdig hier, ich habe Kleidungsstücke genau in meiner Größe gefunden. Ich heiße übrigens Ellen, Ellen Goldberg.“
„Armin Koslowski.“

Beim Essen schaute er sie immer wieder an. Das ist jetzt die richtige Frau für mich. Hoffentlich hat sie Spaß am Sex, dachte er. Er versuchte mit seinen Füßen ihre Beine zu berühren, aber sie zog sie sofort weg.
Als sie gegessen hatten, räumte sie den Tisch ab und brachte das schmutzige Geschirr in die Küche.
„Komm, wir gehen baden, später werden wir die Insel mal näher anschauen“, sagte er.
Er zog das Hemd wieder aus, holte ein Handtuch aus dem Badezimmer und ging hinaus.
Als er am Hoftor ankam, holte sie ihn ein. Sie hatte einen Korb in der Hand und trug einen Bikini.
Sie legten sich zusammen unter eine Palme am Strand. „Er versuchte sie zu streicheln. Sie schob seine Hand energisch bei Seite.“
Er stand auf und ging ins Wasser. Sie folgte ihm sofort, hatte wohl Angst, alleine zu bleiben.
Das Wasser war ruhig. Sie schwammen eine ganze Weile. Sie hielt sich immer neben ihm, vermied jegliche Berührung.
Dann gingen sie wieder an Land.
„Kein Mensch wird nach mir suchen“, sagte er. „Ich war Mechaniker auf dem Schiff.“
„Und deine Eltern?“
„Sind vor drei Jahren bei einem Unfall umgekommen. Geschwister habe ich nicht.“
„Hast du keine Freundin?“
„Im Moment nicht“, sagte er und lachte.
„Einen Freund habe ich auch nicht. Aber von Männern habe ich im Moment die Nase voll. Ich wollte in die USA fahren, eine Reise machen, etwas Abstand gewinnen. Da traf es sich gut, dass ich mit meinem Philosophiestudium gerade fertig war.“

Sie dachte an ihren letzten Freund. Was sie wollte, hatte ihn nie interessiert. Ins Bett wollte er sie bekommen, weiter nichts. Sie dachte an ihren Vater, der ihre Mutter fast immer als Dienstbotin behandelt hatte, an Männer, die sie kennen gelernt hatte. Fast alle hatten Frauen als Menschen zweiter Klasse behandelt.

„Kann man denn mit Philosophie was anfangen? , fragte er. „Damit kann man doch nichts verdienen.“
„Ich habe denken gelernt, Geld brauche ich nicht zu verdienen. Meine Eltern
haben mir etwas hinterlassen.“
„Prima, wenn man leben kann, ohne zu arbeiten.“
„Ich arbeite schon, studiere immer weiter, lerne neue Denkweisen kennen.“
„Wenn du das arbeiten nennst...“

Eine verwöhnte Göre ist sie, die hat sicher von nichts eine Ahnung
und noch nie in ihrem Leben etwas gearbeitet, dachte er.

Dieser Typ hat keine Ahnung von Frauen, dachte sie.

„Ich habe immer gearbeitet, in Fabriken und auf dem Bau. Habe dann einen praktischen Beruf erlernt. Hast du schon mal richtig gearbeitet?“
„Körperlich nicht, aber geistig.“
„Das dachte ich mir gleich, als ich dich zum ersten Mal gesehen habe.“
„Was soll denn das heißen?“

Dieser Typ wird immer unverschämter, das kann auch nur mir passieren, mit so einem auf einer Insel zu landen. Hoffentlich komme ich bald wieder hier weg, dachte sie.

„Du lagst da im Boot in feinen Designerklamotten. Schau dich mal an, schau mal deine Hände an, wahrscheinlich hast du noch nie einen Besen in der Hand gehabt, hast noch nie den Boden geschrubbt, kochen kannst du wahrscheinlich auch nicht! Ein bisschen studieren, das Fitnessstudio, die Kosmetikerin, ein berühmter Friseur! Aber gut siehst du aus.“
Sie sah ihn an und überlegte, wie sie ihn angreifen, verletzen könnte. Sie durfte ihn aber nicht zu sehr reizen. Dieser Typ könnte gefährlich werden.
Er umarmte sie plötzlich und wollte sie küssen, sie stieß ihn mit beiden Händen zurück.
„Ich habe die Nase voll von euch Emanzen, die alles diskutieren müssen, anstatt was zu tun, sich verzweifelt bemühen, Überlegenheit zu zeigen, die sie nicht haben! Die so tun, als wenn Männer sie nicht interessieren und doch froh wären, wenn ein Mann sie mal richtig dran nehmen würde.“

„Typisch männliche Vorstellungen hast du von Frauen, aber wahrscheinlich
kannst du nichts dafür. Es kommt immer darauf an, wie man aufgewachsen ist.“

Wut stieg in ihm hoch. Die dachte wohl, er würde hier nach ihrer Pfeife tanzen, alles würde so ablaufen, wie sie sich das vorstellte. Zum Essen fein anziehen! Er würde es ihr schon besorgen!

„Das musste ja jetzt kommen! Ja, wir hatten keine Hausangestellten, wir hatten keine Zeit für irgendwelchen Firlefanz, wir mussten arbeiten. Ich bin stolz darauf, dass ich so aufgewachsen bin, zumindest habe ich etwas vom Leben gelernt.“
„Mag sein, aber ich kenne mich auch ein bisschen aus. Wenn ich dich so ansehe, weiß ich, was du gerne machen würdest!“
„Was denn?“
„Mich mal richtig dran nehmen, wie du dich ausdrückst! Aber daraus wird nichts! Das kannst du vergessen!“

Sie stand auf, nahm den Korb in die Hand, klemmte ihr Handtuch unter den Arm und ging in großen Schritten schnell davon.
Er schaute ihr nach, attraktiv sah sie aus, lange Beine, gut gepolstert an den richtigen Stellen, ihre Haare reichten bis zu den Hüften. An so was war sicherlich schwer heranzukommen. Aber sie würden ja wahrscheinlich längere Zeit hier allein sein, da würde sich schon was ergeben. Er würde ihr schon zeigen, wer hier das Sagen hatte!
Seine Erfahrungen mit Frauen waren bescheiden, an so eine war er nie herangekommen, aber das würde sich ändern.
Fünf Jahre war er jetzt auf Schiffen unterwegs, fast immer unter Deck, wo alles nach Öl stank und eine Bullenhitze herrschte.
Selten war er da mal heraus gekommen, hatte oben auf dem Deck nach Luft geschnappt.
Er stand auf und ging zum Haus zurück.

Sie saß in einem Sessel im Wohnzimmer und las. Fein hatte sie sich gemacht, trug ein langes Kleid, war frisch frisiert, sogar Schuhe mit hohen Absätzen hatte sie an.
Wortlos ging er an ihr vorbei ins Schlafzimmer, sah, dass sie ihre Sachen aus dem Zimmer geräumt hatte.

„Du bist also in das andere Schlafzimmer umgezogen“, sagte er.
„Ja, das erschien mir besser so.“
„Wenn du meinst...“

Er holte sich ein Bier und setzte sich zu ihr.
„Was liest du denn da?“
„Auf den Nachttischen liegen Bibeln, habe da mal rein geschaut. Gerade bin ich dabei, die Geschichte von Adam und Eva zu lesen.“
„Glaubst du, was da steht?“

„In dieser Geschichte handelt sich um Metaphern. Sie entspringt vermutlich einem anderen Kulturkreis. Mich interessiert, was sie uns mitteilen will, was du nie verstehen wirst.
Du willst mich in eine Rolle zwängen, du willst, dass ich eine Frau nach deinen Vorstellungen spiele. Aber die Geschichte teilt uns mit, dass ich diese Rolle nicht zu spielen habe!“
Er sah sie an, wie sie da in dem Sessel saß und sich immer wieder die langen Haare aus dem Gesicht strich. Erregt war sie. Wegen dieser Geschichte. Auch er war erregt.
Schlafen wollte er mit ihr, dafür würde er fast alles tun. Er stand auf."

„Jahrhunderte lang haben wir Frauen uns darauf verlassen, dass die Männer
Menschenwürde, Gleichheit und Freiheit pflegen, aber das war nie der Fall.
Sie haben die Frauen ausgeschlossen und ihre eigene Schwäche auf die Frau projiziert.“

Armin lachte: „Davon steht nichts in der Bibel.“ Er setzte sich wieder.
„Ich hab mal im Religionsunterricht gehört, dass die Frau dem Mann gehorchen soll. So war das auch bei uns zu Hause.“
Er wollte sie jetzt in den Arm nehmen, aber er wusste, dass sie das nicht zulassen würde.

„Ja, das könnte euch Männern so gefallen. Und es hat euch sehr lange Zeit gefallen, dass die Frau dem Mann gehorchen musste. Die christlichen Kirchen haben dies Märchen verbreitet.
Bei den Juden gibt es noch eine andere Fassung, Adams erste Frau heißt da Lilith. Sie verließ ihn und das Paradies, weil sie sich nicht unterordnen wollte.“

Er sah sie erstaunt an, das hatte er noch nie gehört. Eva war doch die erste Frau!

„In diesem Text hier steht“, sagte sie, „dass Gott den Menschen nach seinem Ebenbild geschaffen hat, Adam ist nicht der Eigenname des Mannes sondern des Menschen.
Adam ist Mann und Frau. Der Mann aber hat sich den Eigennamen angeeignet!“
„Und wozu brauchte der Adam dann die Eva?“
Sie schaute in die Bibel.
„Es ist nicht gut, dass der Mensch alleine ist“, heißt es dann weiter.
Gott machte Tiere und dann Eva aus einer Rippe von Adam, sie sollte ihm eine
Hilfe sein. Und was sagte Adam? Er sagte nicht "Danke für die Hilfe", sondern
das Fleisch ist von meinem Fleisch, sie soll "Frau" heißen, weil sie vom Mann
genommen wurde!"
„Ja, und...“
„Der Mann erkennt sich erst als Mann, nachdem Gott ihm eine Frau vorgeführt
hat, also die weibliche Seite Adams. Das Wort Rippe bedeutet im Hebräischen
auch Seite! Die Identität des Mannes ist davon abhängig, ob er der Frau eine
eigenständige Position in der Welt gibt oder nicht!“

Was diese Frau nicht alles weiß, dachte er. Was sie da sagte, verstand er nicht.
„Wie kommst du denn darauf? Diese Eva war doch schuldig, dass die Menschen aus dem Paradies vertrieben wurden.“
„Aus welchem Paradies? Der Mensch wusste nichts über sich selbst, nichts über Gott, nichts über moralisches Bewusstsein! Ist das ein Paradies? Ist es ein Paradies, wenn man nichts weiß?“
„Dann findest du es also richtig, dass die beiden den Apfel vom Baum gegessen haben, obwohl sie doch alles hatten?“
„Von einem Apfel ist nirgendwo die Rede, vom Baum der Erkenntnis wird in der Bibel gesprochen. Sie hatten nicht alles!“
„Dann sollten wir nach deiner Meinung wohl auch hier in das "verbotene Zimmer" gehen!“
„Warum nicht? Ich habe mich nie an irgendwelche Vorschriften gehalten, Vorschriften müssen begründet werden, ich muss einsehen können, dass sie notwendig sind.“

Dieses Gequatsche interessierte ihn wenig.
„Lass uns zusammen etwas essen“, sagte er.
Und uns danach einen lustigen Abend machen, dachte er.

Der Typ versteht nichts, das geht alles über seinen Horizont, dachte sie, denkt jetzt ans Essen.
Sie sagte: „Wasch erst mal das Geschirr ab und ziehe dich dann anständig an.“

Er schaute sie erstaunt an, ging dann in die Küche, belegte ein Stück Brot mit Käse und holte eine Flasche Bier aus dem Kühlschrank. Dann ging er in sein Zimmer und machte die Tür hinter sich zu.

Als er aufwachte, spürte er eine seltsame Stille. Auf sein Rufen bekam er keine Antwort.
Auch im Garten fand er Ellen nicht. Bestimmt war sie baden gegangen.
Er lief ans Meer, nahm ein Handtuch und eine Flasche Mineralwasser mit, keine Spur von ihr.
Vielleicht macht sie einen Rundgang, will die Gegend kennen lernen, dachte er.
Er entschloss sich, erst einmal eine Runde zu schwimmen. Dann setzte er sich auf einen Felsen.
Eine beschissene Situation. Warum muss diese Frau so anmaßend sein.

Er kehrte zum Haus zurück.
Das Geschirr war abgewaschen worden. Er konnte sich nicht erinnern, ob es schon morgens sauber gewesen war.
In ihrem Zimmer war sie nicht, die Tür stand offen. Die Klamotten, die sie anhatte, als er sie gefunden hatte, waren nicht mehr da.
Er rannte wieder aus dem Haus, durchsuchte den Garten, die Wege ums Haus, den Strand. Ihr Rettungsboot war verschwunden.

Als er wieder ins Haus kam, sah er etwas, das ihn erstaunte: Die Tür zum verbotenen Zimmer war halb geöffnet.
„Ellen“, rief er.
Sie antwortete nicht. Er öffnete die Tür vollständig und betrat das Zimmer. Es war leer.

Er kam wieder zu sich, die Sonne blendete ihn. Er hatte Durst und sein Gesicht brannte. Das kleine Boot schaukelte im Wasser. Er wusste nicht, wie lange er jetzt auf dem Meer trieb.
Mühsam richtete er sich im Boot auf, erblickte aber kein Land nur Meer. In einiger Entfernung trieb ein anderes Boot.

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