#1

Kettensonett

in Folgegedichte 21.08.2010 18:34
von der.hannes | 1.768 Beiträge | 1750 Punkte

Das jeweils neue Sonett beginnt mit der letzten Zeile des vorhergehenden, das neue Sonett möglichst mit gleicher Struktur wie das vorhergehende. Alles klar?

------------------------------------------------------------------------------------------------------

Ich sehe Euch schon lange zu: Beim Reimen
gefällt des Metrums Strenge Allen nicht,
es zwänge sie zu sehr als leere Pflicht
dazu,den Inhalt an die Form zu leimen.

Doch Andre können, jetzt will ich nicht schleimen,
ganz unbezwungen durch das Formgericht
die Worte setzen, ohne Pathos, schlicht,
sie lassen trotz der Form Ideen keimen.

Das Spiel beginnt, der erste Ball im Spiele
soll Eure Phantasie beflügeln, schreibt
in dieser Form das Beste, gar nicht Viele

sind nötig, dass die Kette lebt. Und bleibt
dabei, wär schade wenns ins Wasser fiele.
Gesucht: der Vers, der sich an diesem reibt!

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#2

RE: Kettensonett

in Folgegedichte 22.08.2010 00:23
von Alcedo • Mitglied | 2.708 Beiträge | 2838 Punkte


hannes, willst du einen Sonettkranz flechten?






Gesucht: der Vers, der sich an diesem reibt!
stand auf dem Zettel unter der Laterne;
er flatterte schon leer und weiß von ferne
und strahlt jetzt wie vom Lichtstrahl einverleibt.

Ich zücke meinen Stift. Er streikt und schreibt
im Wechsel dunkle Linien liebend gerne.
Auf hellem Untergrund die Letternschwärme
vermehren sich, so wie Graphit verbleibt.

Und als ich mich entferne bleibt die schmale
Laterne in der Ferne einsam stehn,
verbreitet weiter Licht ins sternenfahle
Geflatter unter ihr. Ich werde gehn.

Der Zettel hängt jetzt schwerer an dem Pfahle.
Ob jemand meine Lettern wird verstehn?


e-Gut
zuletzt bearbeitet 22.08.2010 14:53 | nach oben

#3

RE: Kettensonett

in Folgegedichte 22.08.2010 09:52
von mcberry • Administrator | 3.230 Beiträge | 3490 Punkte

Ob jemand meine Lettern wird verstehn,
schert keinen Geist, der seiner sicher ist.
Wer sterblich ist, der nutze seine Frist
und sollte tunlichst erst mal lesen gehn.

Vergebens mühten sich den Sinn zu deuten,
der klugen Köpfe eine große Schar.
Nur gar zu oft, wenn man erfolglos war,
die Schriftgelehrten den Verdruß bereuten.

Denn magisch sind wir, unbeleibt
zu einem Teile, dessen Sternenstaub
sich an des schnöden Alltags Ödnis reibt.

Solang das Tagewerk uns Listen schreibt,
materiell gefangen, blind und taub.
ein Kettenklirren nur, was übrig bleibt.

zuletzt bearbeitet 22.08.2010 11:31 | nach oben

#4

RE: Kettensonett

in Folgegedichte 22.08.2010 16:38
von der.hannes | 1.768 Beiträge | 1750 Punkte

Ein Sonettenkranz ist etwas gewagter :) Da könnte man ja noch einen eigenen Thread aufmachen, denke ich.
--------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Ein Kettenklirren nur, was übrig bleibt
nach dem, was Welten auseinander reißt,
gebrochne Glieder, die man hart verschweißt
und die der Schlag des Schmiedehammers treibt

in Formen, die Hephaist sich einverleibt
in Landen, über denen Sonne gleißt.
Wer dorthin ungern nur zu Fuß anreist,
der fliegt allein dorthin, bleibt unbeweibt,

denn Aphroditens Seitensprung vor Augen,
mit Ares blöd entblößt Homerschem Lachen
der andern Götter, wem will das denn taugen?

Da musst Du, Reisender, allein erwachen
und aus der Phantasie den Honig saugen;
es sei denn, Du lässts endlich richtig krachen!

zuletzt bearbeitet 01.09.2010 14:06 | nach oben

#5

RE: Kettensonett

in Folgegedichte 14.09.2011 00:38
von Wilhelm Pfusch • Administrator | 2.006 Beiträge | 2043 Punkte

Es sei denn, du lässt's endlich richtig krachen!
So riet ich dir, doch du bliebst unbewegt.
Es sind die Bürden, die dir auferlegt,
Die deine Hemmung gitterhaft bewachen.

Was in dir schlummert, möchte ich entfachen
Und aus dir locken, was sich in dir regt.
Ich wünsche deine Täuschung überprägt
Und heiße deinen grenzenlosen Drachen.

Beschwörend ruf' ich. Siehst du mich ermatten?
Will dich mit dir und mich mit mir befrieden.
So steig doch aus den unerfüllten Schatten,

Die Zeit ist Feind! - Siehst du mich nicht ermüden?
Verzehren wir die Träume, die wir hatten
Und jene, die uns leider nicht beschieden!




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#6

RE: Kettensonett

in Folgegedichte 14.09.2011 11:00
von Salome | 140 Beiträge | 140 Punkte




Und jene, die uns leider nicht beschieden,
die großen Preise in der Lebenslotterie,
Erfolg und Macht, erreichten wir so nie,
wenn wir den Ellenbogeneinsatz mieden.

Denn Glück ist Arbeit, kein Geschenk hienieden,
so heißts. Die Geister scheiden sich am Wie.
Man setzt da auf erkaufte Sympathie
und übt sich intrigant im Ränkeschmieden.

Integrer Fleiß scheint heute nicht zu reichen,
dem Ehrgeiz unser Ehrgefühl zu weichen.
Und Freunderlwirtschaft löst die Freundschaft ab.

Gerade jetzt muss ich an jenen denken,
dem höchstes Ziel war, alles zu verschenken,
der seine Liebe und sein Leben gab.



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#7

RE: Kettensonett

in Folgegedichte 14.09.2011 15:15
von MarleneM (gelöscht)
avatar

Der seine Liebe und sein Leben gab
für mich, die ihm als Tochter war geboren,
gab mir als Läufer in die Hand den Stab
der Werte, denen er sich hat verschworen.

So manchem schien es reichlich antiquiert,
die eignen Lebenswerte hoch zu halten.
Ach, Stolz und Ehre haben irritiert
modernen Geist, der zählt es nur zum Alten.

Doch ließ ich mich nicht gern manipulieren.
Nicht jeder muss den anderen verstehen.
Nicht immer kann man leicht sich arrangieren

und auf den Straßen aller andren gehen.
Dem Kinde gab ich’s und sie gibt es ihren,
wenn Winde flüsternd über Gräber wehen.

zuletzt bearbeitet 14.09.2011 15:15 | nach oben

#8

RE: Kettensonett

in Folgegedichte 14.09.2011 18:28
von Wilhelm Pfusch • Administrator | 2.006 Beiträge | 2043 Punkte

Wenn Winde flüsternd über Gräber wehen,
Sei alles nichtig, was uns wichtig war;
Denn nur die Stummen stimmen wirklich klar
Und wispern still von ewigem Vergehen.

Wir hören sie, doch wollen nicht verstehen
Und legen uns die laute Lüge dar.
Woher wir stammen, stammeln wir nicht wahr,
Dagegen stemmen wir uns auf den Zehen.

Wir sind die leisen Meister des Verdrängens:
Die lebenslang verirrten Eskapisten.
Die Zeit sei eine Frage des Verbringens

Und keine deren Antwort wir befristen.
Es sei allein die Gabe des Verlangens
Die uns errette, oder die Chronisten.


PS: Doppelt gemoppelt! :) Darf ich's stehen lassen?
PPS: Ich kann es auch auskoppeln, da eine doppelte Folge die Kette stört.
PPPS: Oder der nächste muss beide letzten Verse einbauen, was eine besondere Herausforderung darstellt.




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zuletzt bearbeitet 14.09.2011 18:45 | nach oben

#9

RE: Kettensonett

in Folgegedichte 14.09.2011 18:50
von pistacia vera (gelöscht)
avatar

Ist doch egal, Wilhelm. Wir spielen doch "nur." -
Die Doppelherausforderung finde ich gut, weil ich sie vermutlich nicht erfüllen muss ...
Liebe Grüße
pista

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#10

RE: Kettensonett

in Folgegedichte 20.09.2011 11:40
von MarleneM (gelöscht)
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Die uns errette oder die Chronisten
vergeblich nach dem Wind ihr Dunkel streckt.
Im Lichte schweben alle Wort-Drappisten
bis auch das letzte Flämmchen seicht verreckt.

Die Verse, die wir alle dichtend listen
in Foren bleiben oftmals unentdeckt.
Das Netz bemisst mit kurz gesetzten Fristen,
in denen Publikum sie liest und weckt.

Rutscht’s Verschen erst auf Forenseite zehn,
sieht man es fortan schlafen in der Welt,
in der die Seiten immer schneller drehn,

wo Inhalte auf Mausklick hin vergehn
und nichts so rasch wie das Int’resse fällt.
Ein Buch hingegen hält und hält und hält…

zuletzt bearbeitet 20.09.2011 11:41 | nach oben

#11

RE: Kettensonett

in Folgegedichte 06.10.2011 14:39
von der.hannes | 1.768 Beiträge | 1750 Punkte

Mönsch, ich bin ja echt geplättet. Da sag noch einer, Sonette sind altbacken ... dat läuft und läuft und läuft :)

begeistert grüßt
der.hannes

zuletzt bearbeitet 06.10.2011 14:39 | nach oben


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