#1

Der erblindete Pan schwelgt

in Mythologisches und Religiöses 13.11.2009 10:52
von Alcedo • Mitglied | 2.708 Beiträge | 2838 Punkte


Der erblindete Pan schwelgt


Auf meinem Haupt
nisten die Häher.
Rätschende Seher -
Blau, ich bin blind.

Maulbeergestärkt,
veilchenbesungen,
in meinem Bart:
Blaukehlchenzungen.

Zwiebelgeschöpfe
treiben Erblinden
aus meinen Achseln:
Blüht Hyazinthen!

Um mein Geschlecht
wuchert die Tinte;
Bläuling im Schnabel,
füttert sie Spinte.

Wilden Weins Trauben
büscheln die Hufe.
Eisvogelrufe
heben mein Kinn.

Grube darin,
fange Kristalle -
fasse sie alle,
Herbstzeitloskelch!

Mit meinen Wimpern
töte ich Fische:
Schwimmende Fäden -
Blau, ich bleib blind!



e-Gut
zuletzt bearbeitet 03.09.2017 08:44 | nach oben

#2

RE: Der erblindete Pan schwelgt

in Mythologisches und Religiöses 13.11.2009 12:49
von Gedichtbandage • Mitglied | 531 Beiträge | 525 Punkte

Hi Alcedo,


das ist wunderbar, fließend!
NiX zu meckern, stolpere nicht, schwinge mit...

Fein! Gern gelesen!


Lieber Gruß,
Gb.


_________________________________________________________
>> Du verdammter Sadist:
Du versuchst deine Leser zum Denken zu zwingen.<< - E. E. Cummings zu Ezra Pound
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#3

RE: Der erblindete Pan schwelgt

in Mythologisches und Religiöses 13.11.2009 14:56
von Alcedo • Mitglied | 2.708 Beiträge | 2838 Punkte

oh, danke, GB. freut mich.

Gruß
Alcedo



e-Gut
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#4

RE: Der erblindete Pan schwelgt

in Mythologisches und Religiöses 14.11.2009 15:11
von Gemini • Long Dong Silver | 3.094 Beiträge | 3130 Punkte

Ahoi Alcedo

Ich habe es gestern schon gelesen. Es spricht durch die passive Gewalt an. Der Protagonist will Eins mit der natürlichen Gewalt sein. Es ist wohl ein Kampf gegen die Gefielde. Aber es ist nur ein Weg den du aufzeigst. Es ist eine passive Agression.

Gem


Über mich erzählten sie endlose Schrecklichkeiten und Lügen, dass einem schier die Phantasie platzen wollte. Offenbar stärkte es sie innerlich, derart über mich herzuziehen, es brachte ihnen Gott weiß welche Art Mut, den sie brauchten, um immer erbarmungsloser zu werden, widerstandsfähiger und regelrecht bösartig, um durchzuhalten, um zu überstehen. Und auf diese Weise schlecht zu reden, zu verleumden, zu verachten, zu bedrohen, das tat ihnen ganz offenbar gut.

L.F Celine

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#5

RE: Der erblindete Pan schwelgt

in Mythologisches und Religiöses 15.11.2009 08:47
von Alcedo • Mitglied | 2.708 Beiträge | 2838 Punkte

Gemini, Pan ist keine gewalttätige Gottheit. wie kommst du bloß auf Aggression? wegen der toten Fische? ich kann das nicht nachvollziehen. selbst durch die Relativierung über das Passive nicht.

Gruß
Alcedo


e-Gut
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#6

RE: Der erblindete Pan schwelgt

in Mythologisches und Religiöses 16.11.2009 22:34
von Kjub • 498 Beiträge | 499 Punkte

In Antwort auf:
Der erblindete Pan schwelgt


Auf meinem Haupt
nisten die Häher.
Rätschende Seher -
Blau, ich bin blind.

Maulbeergestärkt,
veilchenbesungen,
in meinem Bart:
Blaukehlchenzungen.

Zwiebelgeschöpfe
treiben's erblinden
aus meinen Achseln:
Blüht Hyazinthen!

Um mein Geschlecht
wuchert die Tinte;
Bläuling im Schnabel,
füttert sie Spinte.

Wilden Weins Trauben
büscheln die Hufe.
Eisvogelrufe
heben mein Kinn.

Grube darin,
fange Kristalle -
fasse sie alle,
Herbstzeitloskelch!

Mit meinen Wimpern
töte ich Fische:
Schwimmende Fäden -
Blau, ich bleib blind!



hi Alcedo, gefällt mir auch, der text. sehr dynamisch und farbig, wie ein bach, der vom gebirge ins tal schnellt. blau steht in jedem vers, der sich mit erblindung beschäftigt, und findet sich auch in den farben von gedichtflora und -fauna wieder. ich schätze mal ich fang beim anfang an, der titelgebende pan "schwelgt" zu beginn noch nicht, da klingts für mich eher nach ner bestandsaufnahme. obwohl ich vermute, dass der häher für die erblindung verantwortlich ist, kann ichs im text nicht finden, weil ich mir auf rätschende leider keinen reim machen kann, vielleicht verletzt er den pan oder das nest verdeckt die sicht? hm. ähnlich unbewegt, und das ist noch ungewöhnlicher, erwähnt er seine blindheit. so ist das also, blau, er ist blind.

blind ist er, aber das scheint für pan keine einschränkung zu sein. es wächst und blüht aus ihm, er kann die welt nicht mehr sehen, aber die welt kommt zu ihm und wächst blau aus ihm heraus, die farbe des himmels, der weite, der harmonie. dieser pan ist auch entweder ein unterseeischer, ein tintenfischpan oder einer, der die flöte mit der feder vertauschte. die tinte wuchert ums geschlecht, was dort geschrieben wird, hat eigenleben, ist nah am trieb, wie es einer gottheit ansteht, die sich bisweilen mit dionysos rumtreibt. und da haben wir auch schon den wein und nicht weit von ihm - so was - alcedo atthis, den himmelsflitzer. wenn ich seinen ruf kennte, würde ich sicher auch schauen.

von seiner blindheit sich wieder nicht behindern lassend, nutzt er den blick nach oben um kristalle zu sammeln, wird zum herbstzeitloskelch, was ihn schier zu begeistern scheint. ich als leser gehe da mit, dieses poetische bild funktioniert irgendwie außerhalb der logik, die ich auch in den letzten beiden strophen über bord werfe, die sind fantastisch, in denen wirds noch mal großartiger und schneller, der bach zu einem wasserfall, dem altar einer alten gottheit.
der lesefluss trägt mich mit sich, wie die fische... die fische, warum würde sein blick fische töten? pan, die fische, die stummen gesellen, die außerhalb seiner eigentlichen sphäre leben, schwimmende fäden... er entscheidet sich gegen die tötung, bleibt blind, bewegt die wimpern nicht, tut es leidenschaftlich. irgendwas fehlt mir. hm, erst mal so weit.

Kjub

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#7

RE: Der erblindete Pan schwelgt

in Mythologisches und Religiöses 03.09.2017 08:44
von Alcedo • Mitglied | 2.708 Beiträge | 2838 Punkte

Mensch, Kjub, ich Döspaddel hatte es damals ganz verschwitzt, mich bei Dir zu bedanken. dein Feedback half mir, bestärkte und bestärkt. merci beaucoup, Kjub, vor allem für das Mitgehen ausserhalb der Logik!

habe es erst diese Tage bemerkt, weil ich den Text suchte.
habe ihn nun minimal geändert (einen Apostroph, in S3 gekillt).

mit einem lieben Gruß in den Osten der Republik,

ex oriente lux
Alcedo

vorherige S3:

Zitat
Zwiebelgeschöpfe
treiben's erblinden
aus meinen Achseln:
Blüht Hyazinthen!


e-Gut
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