Auszug aus 'Dem Gelegenheitsschreiber'
Tip Nr. 4
Abgesehen davon, daß er häufig über uninteressante Themen schreibt, zum Beispiel über das Thema des Schreibens, muß der Gelegenheitsschreiber nicht ungeübt sein. Ihm gelingt es gelegentlich, durch interessante und amüsante Schilderungen, Leser in den Bann zu ziehen. Der Unterschied zwischen seiner Person und dem sogenannten Lyrischen Ich ist ihm wohl bekannt. Trotzdem lauert hier eine kleine Falle. Mit Enthusiasmus im Schreibfluß, genügen einige kleine Unachtsamkeiten, schon hat er sich verheddert. Speziell bei gerne verarbeiteten Ereignissen aus seinem Leben, die er mit kleinen Abänderungen in seine Erzählungen einfließen läßt, kann das geschehen . Kein Malheur, jederzeit kann er mit gutem Recht auf den Unterschied seiner Person zum Protagonisten hinweisen.
Manches Lesers Augen streifen über die Zeilen dahin, hoffend, irgendwo gibt der Autor unbewußt etwas von sich preis, aus einer verrräterischen Stelle könnten noch Schlüsse gezogen und Zusammenhänge konstruiert werden. Wenn nicht alleine schon aus diesem Grund, ist es ratsam, seine Manuskripte nochmals durchzulesen, ehe das bequeme Zurücklehnen beginnen kann.
Also nochmals her mit dem ganzen Kram - und von vorne begonnen.
Ein Name ist leicht erfunden, obwohl diese Findung gelegentlich Kopfzerbrechen bereitet; es soll doch ein prägnanter Name sein, eine etwas strahlende Person, die der Geschichte oder dem Roman von ihrer Strahlkraft abgibt. Mit dem erwählten Namen ist der Rest nicht mehr problematisch. Alles kann auf die Hauptperson abgewälzt werden, wie charakterlich übel sie auch immer ist, was sie auch an kindischen oder perversen Neigungen an sich hat.
Jetzt schaut die gesamte Geschichte schon anders aus. Hat der Satz vorher gelautet: Wenn ich durch die Holzplanke spähte, konnte ich mich an den Oberweiten der Mädchen begeilen. So lautet der Satz jetzt etwa so: Bertram, seit seiner Geburt ein wohllüstiger Knabe, hatte es sich in seinen dreißig Lebensjahren nicht abgewöhnt, durch den Spalt in der vermoderten Holzplanke zu spähen und den Damen beim Umkleiden zuzusehen. Vermutlich liebte er deshalb seinen Beruf so und war stolz, Badmeister zu sein.
Zusätzlich kann dieser Bertram noch fest beschimpft werden, ihm unangenehme und unsympathisch machende Eigenschaften angedichtet werden, was sich nach der Erwartungshaltung der Leser richten sollte.
Wer käme jetzt noch auf die Idee, der Schreiber hätte in seinen Erinnerungen gegraben und gäbe seine bisher wohlgehüteten Geheimnisse preis?
Selbst wenn einige widerliche Typen mit Argusaugen ausgestattet, das behaupteten, könnte es aufs heftigste bestritten werden und darauf hingewiesen, es sei die Figur, um die es im Buch geht! Alle anderen Vermutungen wären eine Unterstellung, die nicht zu belegen sind und die man sich energisch verbietet!