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eines Tages,
vielleicht wird sich die Sonne morgens
kirschrot in den Osten heben.
Mag sein am Mittag
- in den Gärten rauscht ein leises Wehen -
das wäre möglich.
Oder am Abend noch:
der Wolkenbrand im Westen.
Von Norden, ach, da kommt die Nacht.
Mit einem Atemzug vollbracht
und gehen.
Ich weiß, es könnte Regen geben
hallo Anton,
ich staune. die ganzheit deines gedichts ist dafür verantwortlich, das spiel mit den möglichkeiten (vielleicht, Mag sein, möglich) um das erscheinen himmlischer phänomene, aber auch die impressionistische anmutung, die zum thema passend und zeitgemäß ist. obwohl mir die naheliegende metereologische deutung reichte, finde ich zwischen den zeilen auch einen kurzabriss des lebens. eines möglichen lebens wohlgemerkt, das sich mit einem atemzug erschöpft oder dessen essenz in diesen zeilen steckt. mich erinnert dein gedicht an den mann ohne eigenschaften von musil, in dem der möglichkeitssinn dem wirklichkeitssinn gegenüber gestellt wird. als ich das las, erkannte ich darin eine rationale beschreibung dessen, was ich bis dahin nur gefühlsmäßig erfasste - dieses poetische darstellen von möglichkeiten, die bereitschaft, die unauflösbare variabilität in sprache und realität nicht zu überdecken, sondern darzustellen.
sehr schön der letzte satz: "ich weiß, es könnte [...]"
chapeau!
Kjub
Zitat von Anton Üm
eines Tages,
vielleicht wird sich die Sonne morgens
kirschrot in den Osten heben.
Mag sein am Mittag
- in den Gärten rauscht ein leises Wehen -
das wäre möglich.
Oder am Abend noch:
der Wolkenbrand im Westen.
Von Norden, ach, da kommt die Nacht.
Mit einem Atemzug vollbracht
und gehen.
Ich weiß, es könnte Regen geben
hallo Anton
gerade habe ich noch rumgealbert, dann lese ich diese Zeilen und werde Ernst. dann werfe ich schnell einen Blick auf die Rubrik: puh, Natur! zum Glück nichts Düsteres oder Diverses was Düsternis einschliessen hätt' können.
im Regen wirken alle Dinge dunkler. aber nicht für die Natur - wir jammern, Götter schiffen und was macht Sie? - sie stellt die Regenbögen.
schöne Verse, Anton, einfach nur schön! alle.
Kjubs Kommentar mit Möglichkeitssinn versus Wirklichkeitssinn erinnert mich an deren kleinsten gemeinsamen Nenner, der mir beim Lesen in den Sinn gekommen war: „Bedingung“ von Erich Fried. das habe ich unlängst gelesen. mhm, und wieder lasse ich hilflos nur eine Assoziation statt einer Begründung zurück. vielleicht mit der Krücke: ästhetischer Genuss hebelt über das Staunen die Kiefer zu offenen Mündern und wir begaffen wortlos Regenbogenfarben wie synästhetische Rindviecher das neugestrichene Tor.
wenn du erlaubst:
Digitally Yours
Alcedo
Hallo Kjub,
es fällt mir schwer, auf deinen Kommentar zu antworten, denn ich muss gestehen, dass er mich weder besonders stolz macht, noch dass ich ihn richtig verstehen könnte. Dennoch ist es wohl so, dass ich noch lange darüber nachdenken werde ... vielleicht bin ich einfach zu blockiert.
Eines muss ich aber unbedingt los werden: ich habe mich sehr darüber gefreut. Vor allem, weil du in diesem Zusammenhang Musil erwähnst, hm, ja, das hat mich nun wirklich tief berührt. Ulrich ist niemand, mit dem ich mich identifizieren könnte - auch wenn das naheliegend erscheine könnte - eher ist es der Autor (eingestanden: das sind natürlich autobiografische Absonderungen). Nein, das liegt daran, das ich dieses Werk wie kein zweites schätze.
Und nun überlege ich, wie nahe sich Lyrik und Prosa kommen können. Übrigens scheitert mein Verständnis an deiner Aussage "in dem der möglichkeitssinn dem wirklichkeitssinn gegenüber gestellt wird." die ich so noch gar nicht nachvollziehen kann. Vielleicht, weil ich das Buch nicht so simpel enttarnt wissen will. Aber ich gehe dem nach.
Ganz herzlichen Dank für die Beachtung
liebe Grüße,
Anton
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Hallo Alcedo,
wie anschaulich du dein Lesen schilderst!
Mag sein, dein Kommentar zu meinem anderen Text hat mich erst ermutigt, diesen einzustellen.
Ermutigend auch, dass du den Auftritt in der Natur zu würdigen weisst.
Wie Kjub bereits schrieb ist es dieser Kreislauf, der Phänomene und Zeiten, der durchbrochen und beendet werden will, der mich zu den Versen anregte.
Es freut mich sehr, dass du ihn zu geniessen wusstest.
liebe Grüße,
Anton
RE: eines Tages
in Natur 10.09.2009 22:11von Gedichtbandage • Mitglied | 531 Beiträge | 525 Punkte
Hallo Herr Anton Üm,
ich kann mich dem Lob der Vorredner nur anschließen.
Alles ist schon gesagt, außer, hätte ich es früher entdeckt, wäre es von mir nominiert worden. Schade eigentlich!
Gut geschrieben, gern gelesen,
Gruß Gb.
Edit: vertippppt
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>> Du verdammter Sadist:
Du versuchst deine Leser zum Denken zu zwingen.<< - E. E. Cummings zu Ezra Pound
hallo Anton, "wirklichkeitssinn dem möglichkeitssinn gegenüber gestellt" ist natürlich nur ein extrakt vom beginn des buches, es ist viel mehr. ich lese "der mann ohne eigenschaften" seit drei wochen und finde es unvergleichlich reich und erstaunlich aktuell... schade, dass es heutzutage so wenig gelesen wird. viele sprechen davon, kaum jemand hat es gelesen.
herzliche grüße
Hallo kjub,
ich stimme dir, was den Gehalt des Buches anbelangt voll und ganz zu. Schön davon zu hören, dass es auch noch andere Leser gibt. Ich habe das nämlich wie sauer Bier in meinem Bekanntenkreis angepriesen. Scheint zu dick zu sein. Dabei: ich lasse es mir seit beinahe zwei Jahren von Wolfram Berger vorlesen und werde davon nicht satt.
Gruß
Anton
Über dem Atlantik befand sich ein barometrisches Minimum; es wanderte ostwärts, einem über Rußland lagernden Maximum zu, und verriet noch nicht die Neigung, diesem nördlich auszuweichen. Die Isothermen und Isotheren taten ihre Schuldigkeit. Die Lufttemperatur stand in einem ordnungsgemäßen Verhältnis zur mittleren Jahrestemperatur, zur Temperatur des kältesten wie des wärmsten Monats und zur aperiodischen monatlichen Temperaturschwankung. Der Auf- und Untergang der Sonne, des Mondes, der Lichtwechsel des Mondes, der Venus, des Saturnringes und viele andere bedeutsame Erscheinungen entsprachen ihrer Voraussage in den astronomischen Jahrbüchern. Der Wasserdampf in der Luft hatte seine höchste Spannkraft, und die Feuchtigkeit der Luft war gering. Mit einem Wort, das das Tatsächliche recht gut bezeichnet, wenn es auch etwas altmodisch ist: Es war ein schöner Augusttag des Jahres 1913.
Robert Musil, der Mann ohne Eigenschaften, Kapitel eins
Woraus bemerkenswerter Weise nichts hervorgeht
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Hallo Gb.
freut mich sehr, das es dir gefallen konnte und herzlichen Dank für deine Rückmeldung
Gruß
Anton
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