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astig
Wenn ich denn je etwa lernte: Schnee
ist die Ernte und Gestern zerschmolz.
Ich bin die ewige, früh schon verhärmte
Liebe und tot ist mein Holz.
Wenn ich mich selbst noch bisweilen erfinde,
wo ich noch wachse in Borke und Rinde,
dort ist das Wort, das ich niemals erwähnte,
fort, immer fort,
immer ersehnte.
.
tag herr Üm, man hofft ja immer auf ein paar sternsekunden, die zwischen den zeilen von irgendjemandem liegen. bei dem gedicht hier war mir allerdings schon beim titel klar, dass ich hier nicht fündig werden würde. (wobei ich mich in diesem punkt mit größtem vergnügen geirrt hätte) astig also, ja? so fühlt sich also das lyrische ich, das ebenso von sich als früh verhärmte jammert, wie es die neuerliche selbstfindung beschreibt: ohne einen anhaltspunkt auf tiefergehendes, ursächliches. hier werden große begriffe in die luft und dem leser zugeworfen. der kann ja gucken, wie er sich die metaebenen zu einem sinnvollen reigen jongliert.
allein den gedanken des unerwähnten wortes finde ich vom poem losgelöst als clever, da könnte der geneigte leser nach einem fill-in suchen, das den zeilen einen sinn gibt.
freundliche grüße
Kjub
Guten Tag Frau Kjub,
ja, der Titel ist nicht so gut, wie schön, dass wir da übereingehen.
Allerdings könnte man, so mein Gedanke, darunter die Verwachsungen im Holz verstehen - natürlich, klappt nicht .
Man darf den Leser nicht überfordern.
Schön ist es aber davon zu hören, dass mit solch einem Erwartungsdruck an einen Text aus meiner Feder herangegangen wird.
"Sternsekunden", von Stunden ganz zu schweigen, gelingen mir nicht. Nicht in dem Sinne, wie das heute aufgefasst wird, als schicksalhafter Moment.
Sonst traue ich mir natürlich schon Sternsekunden zu. Tick Tack, Sternenzeit eben.
Ich widerspreche dem Jammern. Natürlich weiß ich um die Todsünde eines Dichters, in Larmoyanz zu verfallen und schätze den pädagogischen Hintergedanken der Kritikerin.
Aber jemand, der von seiner Verhärmung spricht, muss nicht zwingend jammern. Dies ist allein Auffassung der Leserin oder des Lesers.
Ansonsten sind die Begriffe nicht groß gewählt, also, das hätte ich nicht so gesehen.
Schnee und Gestern, Liebe (hmm, meinst du vielleicht das L-Wort als großes Wort?) Holz, Borke, Rinde, immer Ersehnte? Nö, kann ich noch nicht sehen.
Wenn dich der Text nicht erreicht, dann machen wir uns beide nichts daraus.
Absolut dumm wäre es von mir, von der Leserin oder dem Leser zu erwarten, etwas mit Sinn zu bestücken, oder gar die Metaebenen zu einem Reigen auszubalancieren, wenn die Verse das nicht bringen.
Deshalb bevorzugen so viele Schreiber ja auch den direkten Aufruf der Zusammenhänge, wie etwa Journatisten, Sachbuchautoren und natürlich die vielen Reimer und Zeitungsdichter.
Weiß ich doch, ist aber nicht mein Ding, also die gereimte Zeitung oder so.
Schade, das war dann wohl nix. Immerhin konnte ich dir das nichterwähnte Wort näherbringen ;-)
anton
RE: astig
in Liebe und Leidenschaft 15.08.2009 21:43von Margot • Mitglied | 3.054 Beiträge | 3055 Punkte
Hi Antonym (och, entschuldige, du wolltest vermutlich witzig sein...)
Mir gefällt der Klang, der sich durch die eingestreuten Reime ergibt. Es liest sich daher angenehm, ohne mit, manchmal doch schon recht holzhammerigen, Endreimen zu protzen.
Ich kann mir auch etwas unter dem Titel vorstellen, man staune. Wer in der Liebesrubrik von ‚astig’ redet, kommt bei mir so rüber, als wäre er, oder etwas, verwachsen, sperrig. Kann sein, dass es der Charakter an sich ist, oder dann eben die Einstellung zur Liebe bzw. die Ernüchterung.
Und darum geht es, für mich, in dem Gedicht. Die Ernüchterung darüber, dass Liebe wie Schnee zerschmilzt. Ich würde fast meinen, dass ‚Schnee ist die Ernte’ (den Begriff finde ich übrigens ganz klasse!) an sich schon ausreichen würde, um das zu verdeutlichen. Natürlich wäre dann die Spielerei ‚Schnee von Gestern’ dahin, der/die Autorin entscheide selbst. Übrigens würde ich – gefühlsmässig, hinter verhärmte ein Komma setzen.
Mit der Die 2. Strophe liege ich dann etwas im Clinch. Auf der einen Seite ist da das Bestreben, (doch noch) nicht aufzugeben resp. der Liebe noch eine Chance zu geben, aber das widerspricht irgendwie dem Urteil in Str. 1. Wobei natürlich der Spruch ‚die Hoffnung stirbt zuletzt’ anwendbar ist und der/die ewige Romantiker/in bis zur Bahre darauf hoffen darf, das grosse L Wort trete nochmals an ihn/sie ran und sei dann auch das, was Dichter seit Jahrhunderten aus ihr machen. *g
Man sagte mir mal, ich müsse immer sagen, ob mir ein Gedicht gefällt. Also, mir gefällt's.
Gruss
Margot
Hi Margot
*räusper* ... *witzig* ? das klingt aber ganz schön winzig. Na, ich gebe es ja zu, ganz reizlos erschien es mir nicht, vor allem, weil ich dann einen richtigen Vornamen hätte.
Ich bin erfreut über den Gefallen, den du an dem Gedicht äußerst.
Dass S2 der ersten Strophe irgendwie widerspricht halte ich für in der Sache richtig gesehen, aber dieser Widerspruch ist ein lebendiger. Einer, den das Leben schreibt, bzw. das LI, und weder das eine, noch das andere ist ohne Widerspruch. Oder?
Gesetzt den Fall, ich würde das "Gestern zerschmolz" herauslassen, dann würde dieser Widerspruch aber als zementierter verstanden werden (können). So wird doch zum Ausdruck gebracht, dass die Vergangenheit in der Form prägt, als dass sie immer wieder abhanden kommt. Ausserdem brauche ich das olz ja für den Endreim.
Die bisexuale politische Korrektheit ist echt anstrengend. Ich habe das nur gemacht, weil's mich juckte - ist natürlich alles Scharade.
Hat mich wirklich gefreut, vor allem, dass ich so glimpflich davon kam.
Gruß, Anton
guten tag anton,
keine ahnung wie du darauf kommst, dass ich an deine tastatur erwartungen hätte. du bist mir unbekannt, obwohl ich es dir auf der habenseite verbuche, dass du "sternstunden" zu kennen scheinst. entschuldige mein insistieren, aber du hast dir anscheinend soviel mühe mit der antwort gegeben, da opfere ich gerne noch ein bisschen zeit.
In Antwort auf:
Ich bin die ewige, früh schon verhärmte
Liebe und tot ist mein Holz
was ist das nicht? natürlich vollendet der leser das werk, aber innerhalb dieses vom autoren vorgegebenen rahmens ist nun nicht so viel platz für andere interpretationen. behaupte ich. lass das lyrische ich doch jammern, es ist dein text, aber dann jammer nicht, wenn es jemand beim namen nennt.
In Antwort auf:alles voller substantive, alder. voll große worte, aber was ich meine: ein poetisches schlagwort folgt aufs nächste: Schnee, Gestern, Ernte, Liebe, Wort... das wird so hingeworfen, als müsste nicht jedes wort aufs neue aus dem alltagssprachfluss gezogen werden, um mithilfe der literatur wieder konturiert zu werden. hier bleiben sie so flach und abgewetzt, wie man sie eben vorfindet.
Ansonsten sind die Begriffe nicht groß gewählt, also, das hätte ich nicht so gesehen.
hör bloß auf mit dem zeitungsdichterkram, dichterische freiheit ist doch keine narrenfreiheit, mit der hinwendung zur poesie lässt sich vieles, aber nicht alles entschuldigen.
so, tante kjub packt jetzt den besen wieder ein,
nächstes mal backt sie dir nen kuchen - wenn du ihn dir verdient hast
Hi kjub
musste grade an "hi jack" denken, weiß auch nicht recht warum.
Sternstunden sind schon die Habenseite. Na, das war leicht. Ein Zweig am Baume, eine Verwachsung der Jugend. Sowas gibt's ja. Auch Frisch.
Den Selbstmord habe ich ihm allerdings lange Zeit nicht verziehen - heute glaube ich ein wenig mehr zu wissen. Du nagst ja an einem ähnlichen Problem herum. Ist scheinbar ein ewiges, verstum & irrsuch.
In Antwort auf:
"Ich bin die ewige, früh schon verhärmte
Liebe und tot ist mein Holz"
was ist das nicht? natürlich vollendet der leser das werk, aber innerhalb dieses vom autoren vorgegebenen rahmens ist nun nicht so viel platz für andere interpretationen. behaupte ich. lass das lyrische ich doch jammern, es ist dein text, aber dann jammer nicht, wenn es jemand beim namen nennt.
... mein Verstand verweigert die Annahme ;-)
"was ist das nicht?" ... zum Beispiel Bahnhof -oder?
Jetzt verstehe ich deinen Einwand betreffend großer Worte. Substantive. Das dir die so groß erscheinen liegt daran, dass sie auch groß geschrieben sind. Dadurch werden sie also schon aufgepunpt? Na, na.
Moos. Gras. Heute. Morgen. Macht. Nacht. Gier. Silbenflickerei, WORTZERTRÜMMERUNGSGERÄT.
wow! ZERTRÜMMERUNGSGERÄT - das kracht ganz gewaltig. Beeindruckend
Spaß beiseite, ich weiß was du meinst. Ich glaube aber, nicht das Wort alleine steht für Größe, sondern der Zusammenhang bringt es zumWirken.
Nix anderes also, als das was du äußerst. Nur behauptest du, ich habe mich an dem speziellen lyrischen Wortschatz bedient. Und deshalb verbuche ich jetzt ganz mutwillig nochmal ein fettes Plus auf der Habenseiter. Meiner.
Entschuldigungen brauche ich nicht. Ich weiß, was ich mit gereimter Zeitung meine. Mir sind genügend solcher gereimter messages bekannt, dunkle Stunden der Lyrik, mitunter rabenschwarze Langatmigkeiten, dir mir - dem Leser - unbedingt eine spezielle Sichtweise beibringen wollen. Interessiert mich nicht.
Kuchen bitte nicht, ich bin mehr für's Herzhafte
Anton
hallo Anton,
stefan zweig brachte sich im exil um, nachdem er vor den nazis geflohen war, die verbindung zu versuch & irrtum sehe ich gerade nicht, für mich sind diese zeilen eine selbstironische reflexion zum dichten. deine betrachtung der montierten worte las ich interessiert und nehme sie hin, schließlich lehnte ich mich auch ein stückchen weiter als üblich aus dem fenster, schade nur dass du deinen kommentar zum gedicht nicht dorthin schriebst, wo es hingehörte.
ebenso zugestanden sei die wachsende habenseite - die korinthen sind dein!
Kjub
ich komme noch mal auf den von mir sinngemäß zitierten octavio paz zurück, der leser gibt dem wort seine bedeutungen zurück. wenn ein gedicht nicht funktioniert, kann genauso gut das träge lesergehirn verantwortlich sein. ein punkt, der in den literaturforen zumeist außer acht gelassen wird, wo leser und kommentatoren doch bisweilen sehr hofiert werden. verzeih bitte mein abschweifen, angenehme tage, herr üm. :)
RE: astig
in Liebe und Leidenschaft 23.08.2009 12:32von Alcedo • Mitglied | 2.708 Beiträge | 2838 Punkte
„Ich bin die ewige, früh schon verhärmte
Liebe und tot ist mein Holz.“
diesen Satz bin ich tagelang nicht losgeworden. er verfolgte mich hartnäckig und mit Gefallen, wie lyrische Ohrwürmer es zuweilen mit mir tun. warum nur? ich fürchte es lässt sich nicht genau begründen. es ist diese gelungene Kombination aus harmonischem saltatorischem Metrum,
Daktylus, Daktylus, (Zäsur,) Daktylus, Dakty,
Zeilenumbruch,
Daktylus, Daktylus, Dak;
aus O-voll ausklingendem Kadenzvokal - hohl & hölzern und doch so effektvoll -
aus aus fast jeder Stammsilbenhebung gepflanzten und erwachsenen Waldbäumen, Symbol, Wort, Wort, Symbol, Wort, Wort, Symbol und so fort und so fort ... welche Augen und Sinne berauschen; Baudelaires Correspondances („L'homme y passe à travers des forêts de symboles“) und eine englische Khajjam-Übertragung von Fitzgerald spuken mir da ebenso durch die Wahrnehmung, wie die ewigen Antagonie der großen L-Wörter: Liebe versus Harm, Leben versus Tod, Lyrisch-Ich versus Welt ...
ach, muss man soetwas überhaupt zu begründen versuchen? reicht es denn nicht erregte Nerven zu fühlen?
ich weiß nicht. ich glaube, ich wünschte hier den Dichter beeinflussen zu können um mehr davon zu bekommen. ich wünschte er könnte Lyrik öfter geschehen lassen, als Lyrik bewusst zu gestalten. statt Reflexion in Form zu giessen, versuchen der Intuition öfter auch das Feld zu überlassen.
das ist Eigennutz, purer Eigennutz, ich weiß. aber du erwähntest mal eine Schaffenskrise, lieber Anton und ich hab bisher nur einen einzigen schmalen Gedichtband von dir. der gefiel mir jedoch ausnehmend gut. erzwingen lässt sich ja eh nix, aber man versucht zu helfen wo man kann (oder denkt zu können).
der Vollständigkeit halber möchte ich noch anmerken was mich vom Rest des Gedichtes berührte: nichts.
Gruß
Alcedo
A Book of Verses underneath the Bough,
A Jug of Wine, a Loaf of Bread—and Thou
Beside me singing in the Wilderness—
Oh, Wilderness were Paradise enow!
Edward Fitzgerald (1859)
hallo kjub,
mit Stefan Zweig habe ich mich wohl etwas verstiegen, das war ein plötzlicher Gedanke zum anderen Text. Und falls ich die Muße finde, werde ich das dann da ausführen (aber eher nein) Allerdings, seinen Freitod nur auf die Naziherrschaft zu beziehen halte ich für zu einfach, besser gesagt, für nicht nachvollziehbar. Ich glaube eher, dass seine gesamte Welt, die sich aus Gutem und Wahren herleitete und darauf berief, unübersehbar abhanden kam. Nicht nur in Europa.
Ich glaube auch, dass wir hier keine Annäherung über den Text finden, der ganz offensichtlich versagte.
Ich bedanke mich aber ganz herzlich für dein feedback.
Lieber Gruß, Anton
________________
Hallo alcedo,
natürlich danke ich dir sehr für dein nahezu überschwängliches Lob zu den beiden Versen, auch wenn du sie in einem eher breiten Nichts eigebettet siehst.
Aber ich bin mit der Ausbeute zufrieden.
Ganz richtig merkst du die eher ungestaltete Form an, dass ich hier nicht versuchte, etwas schematisch zu zwingen. Allerdings gelingt mir das nur selten, ich gehe immer wieder dem metrischen Trott auf den Leim oder halte mich daran fest, wie an einer lyrischen Krücke.
freut mich also sehr.
komisch, Üm war wohl zu einfach :-) na, man muss alles mal mitgemacht haben
Leider bin ich nur selten in der Lage, englischen Texten das abzugewinnen, was ihnen angemessen wäre. Das heisst, seit geraumer Zeit geistert mir auch etwas durchs Hirn
"you lose your grip,
and then you slip
into the masterpiece." - das hätte ich gerne ebenbürtig in meiner Heimatsprache.
nur so am Rande.
Ich danke dir,
beste Grüße an die Stocherkahnsänger
Anton
RE: astig
in Liebe und Leidenschaft 15.09.2009 17:25von perry • Mitglied | 1.417 Beiträge | 1417 Punkte
Hallo Anton,
es gefällt mir, welche unterschiedliche Reaktionen dieser "kleine" Text hier ausgelöst hat.
Ich bleibe mal auf der Bildebene und finde, dass das "astig" ein guter Vorspann ist, denn es findet sich ja im "toten Holz" wieder. Das LI scheint sich, bzw. seine Fähigkeit zu lieben ja schon aufgegeben zu haben (Schnee/Kälte ist die Ernte). Erfindet sich aber hier noch einmal neu, um den Leser an seiner Trübsal teilhaben zu lassen.
Was will man mehr? Gut, vielleicht hätte es am Schluss auch ein "immer fort" getan.
LG
Perry
Hallo mcberry,
ich danke dir sehr für deine detaillierte Auseinandersetzung mit den Versen.
Eigentlich sollte sich, wennn es denn funktioniert, dem Leser ein eigener Zugang zum Text eröffnen, oder eben nicht.
Als Koan hätte ich das gar nicht klassifiziert, wenngleich ich diese Sichtweise momentan ganz verführerisch finde.
Ich hätte das wohl eher zusammengefasst als: es bleibt nichts, aber das nichts bleibt ist bedeutungslos.
"Kälte" ist mir zu eindeutig konnotiert, die würde ich gerne herauslassen.
Die Endzeile ist sicherlich ein schwieriger Fall, denn sie ist grammatisch undeutlich in zweierlei Richtungen bedenkbar, ohne jedoch eine wirkliche Auflösung zu finden. Insofern genau das, was sich den Eingangsversen wiedersetzt.
Ich dachte mir "fort, immer fort" ließe sich auch als "fort, immerfort" lesen, dass reizte und überzeugte mich zu der gewählten Formulierung,
Herzlichen Dank,
Anton
___________________
Hallo Perry,
nun, der Text leitet ein Stück in die Irre, wenn man zu nahe bei den Schlüsselwörtern bleibt.
Er handelt von verhärmter Liebe, nicht von der nicht vorhandenen Fähigkeit zu lieben.
Auch Trübsal wird nicht dezidiert angesprochen, jedoch scheint das irgendwie die einzig mögliche Umgangsweise zu sein, Kjub bestätigte dem Text ja bereits "Gejammere".
Nö, also ich wünschte mir, dass die Verse weniger beengt gelesen würden. Allerdings glaube ich, dafür ist er nicht gut genug. Würde ich den Ausgangsvers fort lassen, so würde durch den Fortfall des "immer ersehnte" diese von dir gelesene Tendenz noch verstärkt. Das ist insofern logisch. Ich behalte den Vers aber bei, denn er ist ja nach meiner Intention wichtig.
herzlichen Dank
Anton
Hallo Anton,
ein Text, an dem ich schon mehrfach hängenblieb, der mich besonders mit der ersten Strophe und mit seiner Stimmung in Bann zog, dann aber verwirrt aus der zweiten entließ, ohne dass ich hätte benennen können, was denn überhaupt zu Knacken aufgibt. Eben aber ging mir ein Licht auf. Doch der Reihe nach:
In Antwort auf:
astig
Wenn ich denn je etwa lernte: Schnee
ist die Ernte und Gestern zerschmolz.
Ich bin die ewige, früh schon verhärmte
Liebe und tot ist mein Holz.
Sprachlich ein Genuss, die verstreuten Reime und der Rhythmus lassen die Verse leicht durch Augen und Ohr wandern und sich im Gehirn festsetzen. Inhaltlich gefällt mir gut, wie hier das Ideal von der ewigen, romantischen Liebe vom Sockel geholt und ihrer Reinheit der Nimbus genommen wird. Liebe, der die Nahrung entzogen ist, verhärmt und erstarrt, jede Liebeserfahrung kann zum Schnee von Gestern werden, wenn sie zu schwache Wurzeln schlägt. Die Personifizierung der Liebe zum LI verstärkt die Eindringlichkeit der Verse. Auch den Titel halte ich für passend: LI, die Liebe, ist eben selten so glatt und makellos, wie sie gern besungen wird, sie entwickelt sich eigenen Gesetzen folgend und hinterlässt Spuren in der liebenden Persönlichkeit.
In Antwort auf:
Wenn ich mich selbst noch bisweilen erfinde,
wo ich noch wachse in Borke und Rinde,
dort ist das Wort, das ich niemals erwähnte,
fort, immer fort,
immer ersehnte.
Auch nicht schlecht, aber in sich unlogisch bezogen, fiel mir heute auf: "Wenn ich mich erfinde, ... dort ist das Wort..." sind für mein Empfinden verquer. Logischer erschiene mir z.B.
Wo ich mich selbst noch bisweilen erfinde,
wenn ich noch wachse, in Borke und Rinde,
dort ist ...
Auf jeden Fall würde ich nach "wachse" ein Komma setzen. Das "fortimmer" lässt die von Dir beabsichtigten Lesemöglichkeiten zu.
Sehr gern gelesen. Lieben Gruß
Purzel
Wenn ich denn je etwa lernte: Schnee
X x x X xx Xx X
ist die Ernte und Gestern zerschmolz.
x x Xx x Xx xX
Ich bin die ewige, früh schon verhärmte
X x x Xxx X x xXx
Liebe und tot ist mein Holz.
Xx x X x x X
Wenn ich mich selbst noch bisweilen erfinde,
X x x X x xXx xXx
wo ich noch wachse in Borke und Rinde,
X x x Xx x Xx x Xx
dort ist das Wort, das ich niemals erwähnte,
X x x X x x Xx xXx
fort, immer fort,
X xx X
immer ersehnte.
Xx xXx
Hallo Anton,
der Text fällt schon durch seinen sperrigen Titel ins Auge - und der Titel ist Programm.
So, wie er sich auf den ersten Biss erschließen mag, so verzweigt ist auch das Dargestellte.
Der Schnee reimt sich nur auf das "je", das beinahe im ersten Vers untergeht und das verbildlicht sehr gut jemanden, dem mal ein Wort entgangen ist und der sich anschließend keinen Reim mehr auf das Erleben machen kann, so oft er es auch (in den Binnenreimen zum Beispiel) versucht. Es reimt sich so manches, aber eben nicht auf den Schnee, den das lyrische Ich anstelle dessen erhalten hat, was es zu ernten hoffte.
Vielleicht ist es gerade dieses Trotzige, Holzige, Sperrige, was mich zweimal hinsehen ließ und spätestens auf den zweiten Blick begeisterte.
In der ersten Strophe wird der Daktylus jeweils bei Vers 1 und 2 durchgezogen, setzt dann in Vers 3 neu an, in Vers 4 folgt ein metrischer Bruch dort, wo das große L-Wort ansetzt.
In der zweiten scheint jeder Vers, was die Metrik betrifft, in sich abgeschlossen, jede Zeile beginnt betont, auch in dieser Strophe erfolgt, wenn auch nicht gleich zum Auftakt, ein metrischer Bruch im 4. Vers, der hier ( passend zum dort etwas ambivalenten Inhalt) durch Zeilenschaltung gezweiteilt wird.
Mich stört das "etwa" in S1, V1, das mir als "etwas" sehr viel stimmiger vorkäme.
In S2, V1 stört mich zweierlei, erstens die Dopplung des "noch" im nächsten Vers, zweitens die Inversion, die dieses "noch" in in V1 bewirkt.
Wie wäre es mit " Wenn ich bisweilen mich selbst neu erfinde..."?
LG, Grille
Hallo Anton,
ganz schnell zum "etwa": Auch mir drängte sich beim ersten Lesen ein "etwas" auf, aber je öfter ich lese, desto passender finde ich dieses "je etwa" im Sinne von "vielleicht/überhaupt jemals". Das "etwa" legt mehr Gewicht auf die Unabsehbarkeit des Zeitraums, in dem Liebe sich als lernfähig erweisen könnte und weist weniger auf den "Lernstoff" hin. Kann überhaupt jemand verstehen, was ich sagen will? Auf jeden Fall mag ich es so.
Und genau, das doppelte "noch" war mir auch aufgefallen, aber beim Schreiben aus dem Blick geraten. Meine Idee war
Wo ich mich selbst noch bisweilen erfinde,
wenn ich doch wachse, in Borke und Rinde,
dort ist...
aber vielleicht trifft das nicht mehr so ganz, was Du ausdrücken möchtest. Noch-mals lieben Gruß
Purzel
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