Highheels und Agenten
Die Fotografen klickten, die Fotoapparate klackten und die Mädels, die sich dahinter lustvoll ihre Beine rieben, glucksten vor Glück. Stürmisch ereilte mich das Blitzlicht und ich stand wie vor einer immer währenden weißen Wand. Zurufe in Form von Anweisungen versuchten sich am Geklacke vorbei zu kämpfen. Ich blieb taub dafür. Es war schier aussichtslos und blieb ein hintergründiges Rauschen. Den Blick setzte ich mal geradeaus, mal links, dann rechts. Nicht, weil ich etwas zu hören glaubte, sondern weil es mir half, mich zu erinnern. Es muss ja einen Grund geben, weshalb ich mit einem metallenen Klumpen in der Hand, einem Frack am Körper und einem flauen Gefühl hier stand.
Kultur war mir noch nie so wichtig wie mein morgendlicher Kaffee. Mein Leben lang habe ich besseres zu tun gehabt. Ich suchte. Egal, um was es sich drehte. Ich suchte eben und hasste das Finden, weil es nicht nur bedeutete, etwas mehr von etwas zu haben, sondern auch, weil eine neue Suche losgetreten wurde. Wieder von vorne, wieder ohne Plan, Karte oder Zettel. Nein, halt: Zettel hatte ich zur Genüge. Das war auch so ein Dilemma. Ich schrieb alles auf: jedes noch so verdammt unwichtige Detail. Sah ich einen Ehestreit im Hinterhof, der fast Totschlag genannt werden konnte, so schrieb ich es auf. Hörte ich von einem, der einen kannte, dem etwas passiert sei, so schrieb ich es auf. Roch ich eine Frau beim Vorbeigehen, so notierte ich es mir. Manchmal ging ich sogar hinterher. Ich konnte überall sein und nirgends, das war egal. Und solche Frauenbekanntschaften ließen mich wenigstens für ein paar Stunden in eine Richtung suchen. Ich ging hinterher, rückte meinen Mantel und Hut zurecht und schrieb auf, was ich an ihr bemerkte. Der Gang. Das Schwenken des Hinterns im engen Rock. Die schmale Hüfte. Aber das gelungene Becken. Den angedeuteten BH unter dem Hauch einer Bluse. Das Flattern des Schals. Das Wippen von Haare und Brüste im Gleichtakt. Und da war es wieder, das Klacken. Ihre Highheels stampften auf die Gehwegplatten.
Als ich genug Gehwegplatten ächzen gehört hatte, stellte sich mir ein Mann vor. Er war Agent. Mir kam er vom ersten Moment an suspekt und verschlagen vor – eben ein Schlitzohr alter Schule. Der hatte ausgelernt und versuchte, mir nun einiges beizubringen. Ich ließ ihn machen. Mein Fehler, keine Frage. Schließlich endeten die Lehrstunden hier. Ich hatte den Literaturpreis für mein viertes Buch in zwei Jahren. Einfache Geschichten, die jedem passieren, die jeder erfahren und aufschreiben kann, die auch ein Stück von mir selbst waren und die vor aller Augen ausgebreitet lagen – bereit, immer und immer wieder von Menschen durchgespult zu werden, die nicht wissen können und wollen, wer hier suchte und wie langwierig die Suche war. Je länger und heftiger mich die Ovationen auf der Bühne zerquetschten, desto weiter öffneten die Mädels in den hinteren Reihen ihre Beine. Man presste das bisschen Selbstachtung, dass ich mir über die Jahre mühsam angeeignet hatte, wieder aus mir heraus. Es wurde Zeit, etwas zu finden, das ich nicht aufschreiben musste.