#1

heimkehr

in Diverse 13.05.2009 17:14
von perry • Mitglied | 1.417 Beiträge | 1417 Punkte

fabrikhallen reihen sich. der bolzplatz
dem boden gleich gemacht, plan.
das pfeifen der stare zum feierabendsignal
verkommen, erinnerungen stempeln sich aus.
du versuchst die selbstgezimmerten tore
auf dem grünstreifen vor der verwaltung
wieder auferstehen zu lassen, hängst
die schaukel in die alibibäume, auf der
ihr bunter rock himmelhoch flog, deine
fantasie dich zum helden der lüfte kürte.
hart gelandet streift dein blick übers tal,
das einst heimat jugendlicher träume war.
heute sind es nur noch die kirchenglocken,
die dich nach hause rufen.

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#2

RE: heimkehr

in Diverse 14.05.2009 10:44
von oliver64 • Mitglied | 352 Beiträge | 352 Punkte

Hallo perry,

ein beliebtes Motiv, welches du hier verarbeitest: Das gealterte lyrische Ich verklärt seinen Blick in die Vergangenheit, nimmt Abschied. Nicht, dass ich nicht selbst schon viel zu häufig in diese sentimentale Kiste gegriffen hätte, aber den Splitter im Auge des Anderen erkennt man meist eher, als das eigene Brett vor dem Kopf. Denn zu häufig ist nichts anderes zu sehen, als ein selbstmitleidiger Blick eines Alten, der offenbar nicht nur sein Leben nicht mit den Träumen seiner Kindheit/Jugend füllte (wer tut das schon?), sondern auch nicht ersatzweise, jedenfalls nicht ansatzweise befriedigend, denn ansonsten fiele der Rückblick nicht so bitter aus.

Aber tut er das hier überhaupt? Erfreulicherweise nicht, wenn auch der Mittelteil mit der juvenil Angehimmelten und deren buntem Rock ein wenig in die Richtung driftete. Ich bin mir nicht sicher, ob es eine gute Idee war, auch diese Erinnerung so pointiert mit hinein zu bringen, denn letztendlich meine ich aus dem Gedicht zu lesen, dass das lyrische Ich noch nicht auf sein ganzes Leben zurückschaut, sondern wirklich nur auf seine Jugend und seinen Heimatort, dem er entwachsen ist und zu dem er offensichtlich nur noch anlässlich von Beerdigungen zurückkehrt. Die harte Landung lässt darauf schließen, dass es um nahe Anverwandte geht, von denen der Held sich längst entfernt hatte und das nicht nur räumlich. Auch Besuche zu Lebzeiten mögen daran gescheitert sein, dass es eben nicht möglich ist, Vergangenheit „auferstehen“ zu lassen. Die Entwicklung, die der Protagonist nahm, wurde von den Zurückgebliebenen nicht genommen, die Entfremdung damit vorprogrammiert. Insofern ist hier für meine Begriff nur der Abschluss eines Lebensabschnittes besungen und nicht gleich die ganz große Depression.

Was ist handwerklich zu sagen? Die durchgängige Kleinschreibung ist mir nicht einsichtig und erschwert, zusammen mit dem Verzicht auf strophische Gliederung und einigen willkürlich anmutenden Zeilenschaltungen die Lesbarkeit und Eingängigkeit. Mir ist daher nicht klar, warum du dir nicht größere Freiheit nahmst. Lediglich die Zeilen 11 bis 14 sind mir in ihrer Einteilung nachvollziehbar und da du nicht reimst, spricht für meine Begriffe nichts für die seltsamen Zeilensprünge.

Sprachlich habe ich kaum etwas zu kritteln. Bis auf die dem Erdboden gleich gemachten Bolzplätze, die früher offenbar hügelig und nicht plan waren, was die Bespielbarkeit sicher erheblich einschränkte, finde ich das alles gelungen. Mich hat es angesprochen. Wenn ich etwas vorschlagen dürfte, würde ich mindestens eine Unterteilung in Strophen vornehmen: Z1-4, Z5-10 und Z11 bis 14.

Beste Grüße
O.





Gedichte und Kommentare in allerbester Absicht

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#3

RE: heimkehr

in Diverse 14.05.2009 11:46
von perry • Mitglied | 1.417 Beiträge | 1417 Punkte

Hallo Oliver,
keine Sorge ich ertrinke nicht in wehmütigen Kindheitserinnerungen, im Moment arbeite ich lediglich an einem entsprechenden Projekt, so dass daraus einige solcher Gedichte entspringen.
Es freut mich, dass der Text für dich nicht in der Wehmutswanne ertrinkt, sondern auch ein wenig Realitätsbezug spürbar war. Die "bunten Röcke" sind ein Steckenpferd von mir und tauchen deshalb immer mal wieder in meinen Geschichten auf. . Der Bolzplatz war übrigens tatsächlich ziemlich hügelig, obwohl das "plan" sich doppeldeutig auf geplant und auf planmachen bezog.
Über die formale Darstellung kann man sicher geteilter Meinung sein. Die Kleinschreibung ist reine Stilsache, die Zeilenbrüche z.T. auch Lesepausen und wenn ich keine passende Stropheneinteilung hinbekomme, dann bleibt es eben in einem Stück.
Ich denke aber gerne über deinen Vorschlag diesbezüglich nach.
Danke und LG
Perry

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