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niemand versus keiner
in Arbeitshügel 05.05.2009 22:07von Margot • Mitglied | 3.054 Beiträge | 3055 Punkte
Die Frage ergab sich aus einem Kommentar, in dem man mir riet, 'keiner' durch 'niemand' zu ersetzen. Frage: Kann mir jemand den Unterschied verklickern? Für mich sind diese zwei Begriffe nämlich identisch.
Beispiel:
Keiner fragt nach dem Sinn. und Niemand fragt nach dem Sinn. sagen - für mich - dasselbe aus.
ich hab was dazu gefunden und bin nun auch schlauer. Ich hoffe, es hilft.
Quelle, aktuelle:
Institut für deutsche Sprache und Linguistik, Humboldt-Universität zu Berlin
In Antwort auf:
10. Niemand oder keiner?
Gemeinsam ist ihnen die Unbestimmbarkeit. Deshalb heißen sie Indefinita. Darunter versteht man indefinite Artikelwörter und Pronomen. Das Indefinitum niemand ist wie jemand ein Pronomen – »pro nomen« bedeutet, es steht für einen Namen, ein Nomen, es ersetzt also ein Substantiv. Das Indefinitpronomen bezeichnet eine nicht näher bestimmbare Person, z. B. Niemand ist übriggeblieben. Ein Artikelwort dagegen steht anstelle eines Artikels bei einem Substantiv. Beispiel dafür ist das indefinite Artikelwort kein, z. B. Kein Mensch ist übriggeblieben.
Es wird in seiner Form keiner, keine aber auch als Pronomen verwendet. Insbesondere in der verstärkenden Formulierung, nachgestellt, zeigt sich der Grenzfall zwischen Pronomen und Artikelwort: (Die Menschen hatten den Ort verlassen.) Übriggeblieben waren keine. Oder: Übriggeblieben war niemand. Die Häuser waren niedergebrannt. Übriggeblieben war keins. Oder: Das Haus war niedergebrannt. Übriggeblieben war nichts.
Während niemand oder jemand eine Person ersetzt, steht nichts oder etwas für eine Sache. Umgangssprachlich haben sich neben niemand keiner, neben jemand einer, neben nichts keins und neben etwas eins durchgesetzt.
Indefinita sind ein vielgestaltiges, schwer zu ordnendes Feld. Es gibt indefinite Artikelwörter und Pronomen, die sich dadurch auszeichnen, dass sie nicht nach anderen Artikelwörtern stehen können. Zu ihnen zählt man all, ein bisschen, ein paar, ein wenig, einige, etwas, genug, jeder, man, manch, mehrere, sämtlich, nichts u. a. Man unterscheidet sie von unbestimmten Zahladjektiven.
Alle oder keine sind also Indefinita, dagegen andere, wenige, paar, viele, oder beide Zahladjektive. Das lässt sich über die Artikelprobe ermitteln – die anderen, paar, wenigen, vielen, beiden – denn Indefinita können keinen Artikel führen: andere Menschen – die anderen Menschen, manche Menschen – *die manchen Menschen*. Allerdings gibt es in diesem Bereich Grenzfälle, die sich in unterschiedlichem Auftreten zeigen. Das betrifft insbesondere ein, einer, welches als Indefinitpronomen in der Bedeutung von man oder jemand, als Artikelwort in der verstärkten Form irgendein, irgendeiner auftritt.
Grüße
Auster
huch, wer spricht? Jemand (und nicht einer ), der hier viel liest, der aber furchtbar viel Respekt vor Euch hat und außerdem ziemlich wenig Zeit, so dass er sich nicht traut, sich zu Wort zu melden. Hier aber kann ich weiterhelfen, denke ich:
Heute hat sich der Unterschied so gut wie verflüchtigt, weil er kaum jemandem bewusst ist und beides in der Umgangssprache synonym verwendet wird. Früher benutzte man niemand substantivisch als Pronomen, ersetzte damit also eine Person: Niemand hat geholfen. (als Ersatz für Gegenstände stand nichts: Es ist nichts mehr da.). Niemand kann nur nach dem Kasus, nicht aber in der Zahl oder dem Geschlecht dekliniert werden.
Kein dagegen wurde adjektivisch benutzt, als Ergänzung zu einem Nomen: Kein Mensch hat geholfen. Es ist kein Käse mehr da. Dabei lässt sich keiner, keine, kein eben auch im Numerus und im Genus deklinieren. Immer schon konnte dabei bei bekanntem Bezug das Nomen auch entfallen: Holst du mal den Käse? Es ist keiner mehr da.
Umgangssprachlich hat sich ein solch substantivischer Gebrauch von Formen von kein mehr und mehr durchgesetzt. (Analoges gilt auch für den Gebrauch von jemand und einer, etwas und ein.) Deiner gehobenen poetischen Sprache wäre es daher angemessen "und niemand sieht sich gerne fremde Narben an." zu schreiben Außerdem schließe ich mich Alcedo an: Hier würdest Du das LI durch niemand weniger auf ein Geschlecht festlegen.
Alles klar?
Ich sehe gerade, dass Paul mir schon zuvorkam und dies nun eigentlich überflüssig ist. Ich stells mal trotzdem ein, wenn ich mich schon überwunden hab... Lieben Gruß
Purzel
RE: niemand versus keiner
in Arbeitshügel 06.05.2009 09:01von Brotnic2um • Mitglied | 645 Beiträge | 645 Punkte
RE: niemand versus keiner
in Arbeitshügel 06.05.2009 19:36von Alcedo • Mitglied | 2.708 Beiträge | 2838 Punkte
herrlich herausgearbeitet! bravo! das ist respekteinflössend!
bitte halte dich nicht zurück und schalte dich getrost öfter hier ein.
und danke für die anschließende Meinung.
@Margot:
jetzt bin ich gespannt ob du dein lyr.Ich weniger auf ein Geschlecht festnagelst oder nicht!
@all:
es handelt sich um folgendes Gedicht von Margot: http://www.e-literatum.de/t79573202f16-Rollentausch.html
(zweitletzte Strophe):
In Antwort auf:
Ich lächle dann, weil Tränen ja Erpressung wären, ?und schluck die Schmerzen mit Ponstan. ?Aus Körnern werden irgendwann halt Ähren ?und keiner sieht sich gerne fremde Narben an.
Grüße
Alcedo
Ich habe das anders verstanden, Alcedo: Margot hätte - wollte sie sich nicht der Umgangssprache bedienen - zwei Möglichkeiten:
"und kein Mensch sieht sich gerne fremde Narben an"
"und niemand sieht sich gerne fremde Narben an"
Mit dem Geschlecht des lyrI hat das m.E. überhaupt nichts zu tun, denn auch "kein, keine, keiner" ist keine Anspielung auf Männlein oder Weiblein, sondern bezieht sich lediglich auf das grammatische Geschlecht des Substantives (Genus) bzw. Numerus.
RE: niemand versus keiner
in Arbeitshügel 07.05.2009 10:38von Margot • Mitglied | 3.054 Beiträge | 3055 Punkte
Hallo Leute!
Herzlichen Dank für die vielen Erklärungen.
Soweit ich das Ganze geschnallt habe, besteht - im normalen Sprachgebrauch - heutzutage praktisch kein Unterschied mehr; 'niemand' wäre aber sicher etwas ... ehm ... nobler, und ist demzufolge meiner gehobenen poetischen Sprache zuträglicher . Gut zu wissen!
Nochmals merci und liebe Grüsse
Margot
P.S. Und ein Willkommen im Ö für Schnurzelpurzel. Ich dachte ja immer, du wärst ein Fake.
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