#1

Erlösung

in Gesellschaft 30.01.2005 13:04
von Wilhelm Pfusch • Administrator | 2.006 Beiträge | 2043 Punkte
Es kriechen die Tränen im Fluss von Speichelsaft.
Die Hände grabschen blind, die Augen fassen nicht
verzerrt die Beine sind, verkrüppelt das Gesicht.
Das Geistgefängnis hält die Welt in Schleierhaft.

Vergnüglich war die Zeit, da ich sein Vater war.
Wir herzten uns wickelnd, wir liebten uns kreischend
es gierte so prickelnd, so freundlichkeitsheischend.
Dann lag eines Tages sein stummes Blicken klar.

Im Nebel streichen sanft, die Gitter von dannen.
Der reine Tropfen schwebt in Dämmerung vorbei.
Die Winde hauchen kalt, ihn ins Meer zu bannen.

In steinernen Wäldern, dort schrie ich meinen Schwur
die Raben horchten schrill, "Oh du mein Sohn verzeih
ich starb schon am Leben, am Lebenmüssen nur."


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#2

Erlösung

in Gesellschaft 30.01.2005 16:13
von Feaníl (gelöscht)
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Hallo Willi!

Es kriechen die Tränen im Fluss von Speichelsaft.
Die Hände grabschen blind, die Augen fassen nicht
verzerrt die Beine sind, verkrüppelt das Gesicht.
Das Geistgefängnis hält die Welt in Schleierhaft.

Die sinnveränderung durch vertauschen der sonst typischen adverbien fällt natürlich zuerst auf, und kurz war ich davon so erstaunt dass ich den inhalt aus den augen verlor und diese formulierungen nur anglotzen konnte. Auch das geistgefängnis das die welt in schleierhaft hält ist gewagt und hat mich zunächst ebenfalls vom inhalt abgelenkt. Dann hab ich noch mal S1 gelesen und das bild eines psychopathischen kerls im blick, auch eine anklage (deshalb wohl die rubrik) an eine geistige gefangenschaft welche noch nicht näher beschrieben wurde. Gelungen finde ich V1-3, V4 kam mir wie ein schlechter witz vor bei dem ich ein lächeln rauspressen musste. Etwas schleierhaft!

Vergnüglich war die Zeit, da ich sein Vater war.
Wir herzten uns wickelnd, wir liebten uns kreischend
es gierte so prickelnd, so freundlichkeitsheischend.
Dann lag eines Tages sein stummes Blicken klar.

Diese strophe verwirrt mich etwas. Zuerst das bild des vaters, der seinen kleinen wickelt und hütet usw, dann kommt gier und drängen nach freundlichkeiten welche mit dem tod des sohnes enden (stummes Blicken). Wenn es allerdings ‚klar’ lag, entsteht für mich auch eine gewisse einsicht. Ein klarer blick ist ungetrübt und eben erkennend. Vielleicht kannst du mir das auch erklären und ich meckere wieder nur über kleinigkeiten.

Im Nebel streichen sanft, die Gitter von dannen.
Der reine Tropfen schwebt in Dämmerung vorbei.
Die Winde hauchen kalt, ihn ins Meer zu bannen.

Nun eine andere szene. Das lyr ich befindet sich im gefängnis, darauf könnten die gitter hindeuten. Auch hier bin ich mir nicht sicher, da die Gitter in meiner phantasie nicht von dannen streichen können - ? oder veränderst du hier wieder auf diesmal subtilere weise die verbindung von wind und nebel zu ihren normalerweise anvertrauten verben? Wenn ja, dann kommt es für mich nicht ausreichend zur geltung. Und ohne eine veränderung ergibt sich für mich kein zusammenhängender sinn. Der reine tropfen gibt mir auch rätsel auf, er schwebt in dämmerung vorbei, also halb hell, halb dunkel. Hm, das hilft mir nicht ihn zu verstehen. Zu stark ist er mit dem nebel verschwägert als das er eigenständig betrachtet werden kann. Oder meinst du gar die gitter die nun als tropfen von äußeren einflüssen (wind) ins meer getragen werden? Hilfe, hier verliert es sich für mich!

In steinernen Wäldern, dort schrie ich meinen Schwur
die Raben horchten schrill, "Oh du mein Sohn verzeih
ich starb schon am Leben, am Lebenmüssen nur."

Wieder szenenwechsel: steinerne wälder, plural!, könnte bild für die städte sein. Oder das zuvor vermutete gefängnis. Oder beides. Die raben, man sagt ihnen nach sie beinhalteten die seele der toten, wobei hier das ‚schrill – horchen’ gegensätzlich ist und nicht so klar ist was du denn damit sagen willst.
Die anklage des lyr ich’s an das leben, an seine forderungen denen es nicht gewachsen war (Lebenmüssen), gibt eine weitere, die zweite, referenz für diese rubrik. Es betrauert seinen sohn, den es zuvor vernachlässigte bis zum tod. Darüber hinaus besticht dein gedicht durch oben genannte formulierungen, verwirrungen (für mich) und teilweise nicht nachvollziehbare szenenwechsel. Vielleicht bin ich auch einfach zu blind/blöd oder beides um zu sehen was du mir sagen wolltest. Habe ich schon erwähnt dass es mir gefällt?
Der titel, Erlösung, gibt mir nur eine interpretation: den tod.

Limm

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#3

Erlösung

in Gesellschaft 30.01.2005 17:27
von MrsMerian (gelöscht)
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Danke Limm, für die Vorarbeit.
Auch mir gefällt es... auch wenn ich noch nicht ganz durch komme.

Str. 2:
Ich dachte an eine Krankheit des Sohnes... wegen dem klar.
Als sei er krank gewesen und man habe sich verzweifelt Mühe gegeben alles normal zu halten, die Angst um das Leben des Sohnes... hat die Beziehung verändert, wenn nicht gar zerstört. Und dann hat all das Hoffen und Beten keinen Erfolg gehabt, sein stummes Blicken, der Tod, war klar/ sicher.

In Str. 3 hatte ich die Assoziation: Wald.
Die Gitter im Nebel sind die hohen Baumstämme... dieses Gitter lässt das lyr. ich hinter sich/ versucht es zumindest (ziehen von dannen).
Hier kommt mir schon die Idee, dass die Bäume ja oft mit dem Lauf des Lebens in Verbindung gebracht werden... Lebensbäume, also Gesellschaft. Die Lebenden, die mit ihm gemeinsam blieben, als der Sohn schon ging.
Der Tropfen? Die Seele... die Seelen der Verstorbenen sind das Meer und sein Gemüt drängt ihn dort hin.
Wird aus dem winzigen Nebeldunst in dem die Bäume stehen etwa ein Tropfen im Gehen, der dann ins Meer kommt?

Oder ist der Nebel ein Gequirl aus Erinnerungen der Gesellschaft an Verstorbene in denen das lyr. ich den Tropfen seines Sohnes klar abgrenzen kann?
Dazu würde das Drängen nicht passen, das Drängen zum Meer... Das Meer ist eine riesige Masse... ein Tropfen verschwindet darin... vielleicht ist das Meer die Erinnerung... und das lyr. ich ist in der Phase in der es immer noch konkrete Anhaltspunkte gibt, die an den Sohn erinnern... das Skateboard, das Kinderzimmer, die Schulfreunde die am Morgen am Haus vorbei zur Bushaltestelle gehen?

Hier bin ich mir sehr unschlüssig...

Insgesamt denke ich aber nicht, dass der Vater den Sohn als er lebte vernachlässigt hat... er macht sich sicher Vorwürfe, vielleicht etwas falsch gemacht zu haben, mal zu streng gewesen zu sein oder zu oft gebrüllt zu haben... aber Str. 2 beschreibt doch eingehend, wie sie sich schreiend liebten und tollten...

Nun komme ich noch einmal zurück zu Str. 1:
Ich frage mich plötzlich um wen es hier geht... tatsächlich das lyr. Ich?
Oder ist es der Sohn, der im Sterben liegt? Vielleicht vorher im Koma... vielleicht doch ein Unfall?
Die Todesursache spielt vielleicht auch gar keine Rolle... Der Vater macht sich Vorwürfe.

An den steinernen Wäldern (Str.4) ist er nun zerbrochen, die versteinerte Gesellschaft, in der alles weiter läuft wie zuvor... in Asien verhungern Kinder und die Menschenrechte werden missachtet, Umweltkatastrophen... nicht einmal der Fahrplan des Busses ändert sich... obwohl der Sohn gestorben ist bleibt alles scheinbar gleich und niemanden scheint es zu interessieren... die Welt bleibt schlecht, ob nun mit oder ohne Sohn. Menschen verachten ihre Kinder und das lyr. Ich liebt es innig und hat es verloren. Nichts passt. So ist es doch immer.

Das Rabenbild hat ja Limm aufgeklärt.
Die Seele seines Sohnes ist also stets bei ihm, dennoch bleibt sie still ... (stille Raben? trotz des Schreis?)
Dass die Raveb nicht schrill schreien bedeutet für mich, dass der schrille Schrei nur ein innerlicher des lyr. ichs war... den Vögel schrecken bei Lärm auf und Raben tun das nciht gerade leise.
Der Sohn ist bei ihm und kann sonst nichts tun... unmerklich nah sein... vielleicht ist es sogar das, woran der Vater letztendlich verzweifelt diese Nähe, die sich beinahe wundreibt und das Fehlen des Angesichts und der Wärme.
Die letzte Zeile finde ich perfekt.
Er kann nicht leben im Sinne von das Leben geniessen, und er kann nicht Lebenmüssen... das ist Phase eins, die man bewältigen muss nach dem Verlust eines Nahestehenden Menschen und er ist daran gescheitert.

Der Tropfen der ins Meer will hat irgendwas mit der Todessehnsucht des lyr. ichs zu tun, es ist die Hoffnung wieder mit dem geliebten Sohn vereint zu sein im Meer.

Gefällt mir sehr gut, aber ohne Limm hätte ich keine Idee gehabt, wie ich anfangen soll.
Diese Verwirrung in Str. 1 hat mich auch sehr durcheinandergebracht, so sehr, dass sie mich abschreckte was zu schreiben.
Die Verwirrung passt aber auch in den völlig verschobenen Blick auf die Welt den man hat, wenn man krank ist, oder wenn jemand Nahestehendes im Sterben liegt und man am Sterbebett Stunde um Stunde über dessen Schlaf wacht.

LG
Mrs.

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#4

Erlösung

in Gesellschaft 30.01.2005 23:36
von Wilhelm Pfusch • Administrator | 2.006 Beiträge | 2043 Punkte
Habt dank für eure intensive Auseinandersetzung mit meinem Gedicht.
Was ich ausdrücken wollte habt ihr beide teils so erkannt wie ich es dachte, und teils habt ihr es auf eure Weise interpretiert, was mir erfreulicherweise die Augen geöffnet hat.
Was ihr nicht wissen konntet ist, das ich im Moment als zivi in einer Schule für Behinderte arbeite. Da ich es als seelisch belastend empfinde Schwerbehinderte pflegen zu dürfen, (was eigentlich nicht legal ist als Zivi) wollte ich mir das von der Seele schreiben.
Das Geistgefängnis soll die Beschränkung des Behinderten darstellen, während er zuvor beschrieben wird.
Eigentlich soll Strophe 2 die Verachtung des vaters ausdrücken, der in gewissem Sinne Ich bin. Zum einen hasst er Behinderte, zum anderen tun sie ihm leid. Aber das wird er erst später erkennen. Der Höhepunkt der Verachtung sollte "es gierte so..." sein, da doch später kar wird das es eigentlich der Sohn war. Auch hier wieder ein Hinweis auf Behinderte "freundlichkeitsheischend", da sie sehr soziale Menschen sind, das kann einen wirklich nerven...
dann wie ihr richtig erkannt habt, stirbt der behinderte.

Im ersten Terzett wird die Gefängnis/schleier(nebel)metapher wieder aufgegriffen, die Gitter sollen darauf hinweisen. Wie Mrs das genau erkannt hat war hier der tod des kindes gemeint. Aber deine Gedanken sind auch sehr interessant Limmerick^^
Im letzten terzett schwenken wir wieder zum Vater, der auf dem Friedhof steht und verzweifelt. Er konnte das Leben und den Tod des eigenen Sohnes nicht verkraften, als auch seinen eigenen Schmerz. die Raben sollen Hiweis auf die tote Seele als auch auf das Rabenelterntum sein, sozusagen als schrille Ankläger.
Ich hoffe ich konnte damit ein wenig erklären was euch bewegte. Habt nochmals Dank für eure interessanten gedanken.

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#5

Erlösung

in Gesellschaft 31.01.2005 00:29
von Feaníl (gelöscht)
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das erklärt in der tat einiges

einige meiner gedanken sind mal wieder zu brutal als dass sie mit deinem hintergrund des gedichtes hand in hand gehen könnten, na ja. ich war selbst auch schon in einer werkstatt für geistig behinderte, sie sind in der tat sehr kontaktfreudig und (ich weiß nicht in wie weit das jetzt diskriminierend klingt) sie tätscheln auch sehr gerne. ich wusste dann nie so recht ob ich sie jetzt freundlich drauf hinweisen sollte dass ich das nicht mag, oder mit etwas energischen worten das klarstellen sollte. nach einigen malen hatte ich mich zu letzterem entschieden, freundlich aber bestimmt. sie sind teilweise wie kinder, verspielt und offen, denen man aber auch die grenzen dann und wann aufzeigen muss. soviel hab ich da gelernt. wirklichen hass, willi, finde ich aber überzogen. da gibt es durchaus andere worte um etwas mehr respekt zu zeigen. respekt habe ich auch vor deiner entscheidung als zivi dort zu arbeiten, wusstest du worauf du dich einlässt?
meine interpretation der zeilen enthält (wie ich befürchtet hatte) leider viele schüsse ins blaue, die sich nun als weniger dramatisch herausstellen als vom autor beabsichtigt. gerade deshalb eine runde sache!

ps wirst du noch änderungen vornehmen oder lässt du es so stehen? einige stellen sind mir noch zu offen, aber gerade dadurch ermöglicht es dem leser immer neue ansätze auszuprobieren.. allerdings bis man mal einen gefunden hat bei dem alles sinn ergibt dauert's doch recht lang..

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#6

Erlösung

in Gesellschaft 31.01.2005 01:26
von Wilhelm Pfusch • Administrator | 2.006 Beiträge | 2043 Punkte
Hm ich bin offen für Änderungen, wenn ich einen Grund dazu sehe. Das mit der Sinnsache ist so eine Sache: Mir ist noch nie die komplette bedeutung eines Gedichtes zugeflogen, es gibt immer eine Stelle an der man Schwierigeiten hat. Wie meinst du zu offen ? Zu wenig dem roten Faden folgend ? Ich habe es eigentlich so konzipiert, das die Szene jeweils vom Kind zum Vater wechselt. Im ersten terzett entfernt sich die "Kamera" vom kind und beschreibt seinen Tod.
Ich habe ja dieses Gedicht hier veröffentlicht, gerade um solche Schüsse ins Blaue zu lesen. Da du deine begründet hast, gefallen sie mir sehr, sie sind absolut legitim. Ja Man will doch wachsen und lernen an jedem Gedicht, das ist der Sinn der runden Sache


Zu den behinderten. Ja ich muss zugeben ich empfinde gewissermaßen Hass für einige, es mag überzogen sein, aber ich versuche mich ehrlich damit auseinanderzusetzen. Als ich klein war habe ich auch sofort den hitlergruß nachgemacht ohne zu denken, erst durch das damalige immer wiederkehrende Eingehämmertwerden des Geschichtsunterrichtsstoffs habe ich die nüchternen Fakten erkannt. Was ich damit sagen will: Man/Ich ist leider von grund auf eher grausam und muss sich erst durch nachdenken und einsicht zügeln.
Bei den behinderten ist das aber deshalb schwieriger, da ich gewissermaßen über den Tisch gezogen wurde. Ich wurde eigentlich als Fahrer eingestellt und wusste nicht das ich zwischen den Touren Behinderte pflegen muss, das hat man mir nicht gesagt. Auch meine Anträge auf Versetzung wurden abgelehnt, ist dem Herrn zu viel Aufwand... Der Gipfel war das meine leider recht faulen Erzieherinnen sogar schon beleidigt waren als ich mich weigerte eine 20-jährige Behinderte die dort Schülerin war zu wickeln, während die im Gang standen und schwatzten.
Ausserdem haben wir eine in der Klasse, deren Gesicht furchtbar anzuschauen ist (sie hat eine übergroße Zunge und riesige Lippen, ausserdem ein !lila! gesicht) und schreit wirklich IMMER wenn sie irgendetwas will. Desweiteren sabbert sie furchtbar. Mit ihrem Schreien, das halbtäglich mein Ohr füllt, im Ohr, will ich nicht sagen was für morbide Gedanken ich in ihre Richtung schon hatte. Ich möchte nicht jammern, ich möchte nur ein enig verständlicher machen woher mein hass rührt. Wenn man von behinderten abgetrennt lebt, mit ihnen nichts zu tun hat, sich nicht mit den Klagen der eltern und der Härte deren Alltags auseinandersetzen muss, dann ist es sicher leicht, jeden, der Antipathie gegen behinderte äussert zu verurteilen. (Das möchte ich dir gar nicht unterstellen, du hattest ja die erfahrung schon gemacht)
Also wenn ich nicht mehr Zivi bin möchte ich auch abgetrennt von ihnen leben, wie der Großteil der gesellschaft. Ich darf der harten Realität allzutief ins Auge blicken, und dieser Anblick lässt mich des öfteren... würgen.

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#7

Erlösung

in Gesellschaft 31.01.2005 02:04
von Feaníl (gelöscht)
avatar
zum gedicht:
im nachhinein finde ich nun das erste terzett störend, eine zu arge (zu gut gemeinte) verbilderung bei der für mich leider der rote faden samt schleiernebel tropfenhaft im meer versinkt.
aber einen vorschlag kann ich dir nicht bieten, sorry.

zum privaten:
ich glaube wir sind doch zwei grundverschiedene menschen. das klingt jetzt plump und bieder, aber ich erkläre mal was ich damit sagen will (ich versuch's zumindest ).
als kinder sind wir alle (pauschalisierung) äußeren einflüssen sozusagen schutzlos ausgeliefert. wir lernen erst nach und nach, was wir wie machen wenn wir nach dem warum hinter unseren handlungen fragen. das kann man aber nur mit einigem selbst-verständnis und wissen. dein beispiel mit dem hitlergruß ist sehr treffend, aus spass habe ich das als unwissender hosenscheißer auch gemacht. irgendwie wusste ich, dass es falsch war, aber ich mochte immer so gerne wenn sich meine eltern über mich aufregten und mir am ende doch zeigten, wie lieb sich mich hatten. (jaja, die zeitform ist gewollt, eben so die verniedlichung. weitere fragen hierzu sollen aber unterlassen werden, bitte.) dass es in deinem fall jemandem zu viel mühen macht deinen fall zu bearbeiten, und dass dieser dich als pflegepersonal (unausgebildet!) mißbraucht ist meines wissens nicht legal und du solltest bei höherer instanz anfragen, ob dies iO geht - oder nicht.
dass deine erfahrungen, die du nun tagtäglich machen musst(!) nicht schön sind und gerade bei dieser frequentierung auf größer werdende abneigung stößt, ist sehr nachvollziehbar, versucht man sich in deine position zu versetzen. dieser druck der entsteht, muss abgebaut werden, aber nicht jedes mittel ist hier recht. gedichte schreiben zählt sicherlich dazu, keine angst
es ist nicht viel mehr als ein gut gemeinter rat, aber lasse all das nicht zu sehr an dich heran. es ist starker tobak und ja, dass wort hass macht mich nachdenklich. da unterscheiden wir uns: ich bin nicht in solcher weise fähig zu hassen, es staut sich vielleicht frust und verärgerung auf, aber zu hass kommt es bei mir nicht. und ja, ich habe das auch erlebt, wenn auch lang nicht so haarsträubend wie du. hier mag sich meine zwanghafte neigung zeigen, in jedem menschen etwas gutes sehen zu wollen. das mag nicht immer stimmen, tut's wahrscheinlich auch nicht, aber so mache ich mir mein leben etwas komplizierter als nötig. lange rede kurzer sinn: wenn jemand hass schreit, reagiere ich allergisch und muss nach dem grund fragen. deiner ist verständlich, aber ich kann ihn nicht nachvollziehen. dieses wort hat für mich all das, was ich immer vermieden habe mein ganzes leben lang, in sich. verzeih mir, wenn ich dir dadurch auf den schnürsenkel trete, aber damit gehe ich sehr vorsichtig um.

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#8

Erlösung

in Gesellschaft 01.02.2005 01:09
von Wilhelm Pfusch • Administrator | 2.006 Beiträge | 2043 Punkte
Naja als Zivi darf man pflegerische Hilfstätigeiten machen, d.h. Vollpflege, also Sachen wie Wickeln und Füttern darf eigentlich nur ausgebildetes Pflegepersonal. Aber die Zivis sind ja billig und willig...

Hass war allerdings vielleicht etwas stark gewählt. Vielleicht auch absichtlich, um eine Antwort zu provozieren^^ Ich hoffe du kannst in mir noch was gutes sehen^^ ne im Ernst, ich würde Hass einfach mal durch "Abneigung" ersetzen, ist sicher ein moderaterer und angenehmerer Begriff. Hass ist ein sehr starkes Gefühl und darf eigentlich im gesunden Menschen nur kurz existieren, um dann aus gesteigerter Abneigung kurzfristig zu entstehen.
Vermeidung ist keine Lösung, eigentlich müsste man jetzt die semantische Bedeutung des Begriffes "hass" reflektieren und ein gedicht darüber schreiben. aber es ist schon zu spät in der nacht dafür^^
Ich finde Vermeidung eigentlich noch viel gefährlicher als Hass, denn wenn das die Vermeidung aller möglichen transportierbaren Inhalte des Begriffes "Hass" sozusagen dein Leben mitbestimmt hat, hat doch Hass dein Leben geprägt.

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#9

Erlösung

in Gesellschaft 01.02.2005 02:25
von Feaníl (gelöscht)
avatar
vermeidung im sinne von beherrschung der handlungen. glaub mir, ich habe mich schon ausgiebig mit diesem wort befasst, um auch die gefahren zu kennen die für mich (!) davon ausgehen. eben eine allgemeine verachtung, erniedrigung, ein übersehen jeglicher menschlichkeit weil's halt nicht passt - sprich passen will.

vielleicht lassen wir's hierbei bewenden und schreiben wieder gedichte und -kritiken.

der hass hat mich sensibilisiert, nicht geprägt. nur das noch dazu.

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#10

Erlösung

in Gesellschaft 11.02.2005 07:42
von kein Name angegeben • ( Gast )
Hallo Wilhelm,

ich bin ein wenig aufgebracht, was die Gesellschaft von "Jungen in Deinem Alter" abverlangt. Das einmal im Vorwege. Letztendlich meine ich zu verstehen, was Dich treibt, wenn Du von einem Hassgefühl sprichst.
Ich halte es weder für den Zivildienstleistenden noch für die zu betreuenden Behinderten für richtig, solche Zwangsbetreuungen zu schaffen. Die Entscheidung, derartige Verantwortung zu übernehmen sollte grundsätzlich freiwillig getroffen werden.
Solange Du allerdings dieser Situation nicht entkommen kannst, solltest Du immer wieder einen Schritt aus Deiner persönlichen Betroffenheit hinaus wagen und versuchen die andere Seite zu sehen. Auch wenn der Behinderte für Deine Arbeit oft keine Dankbarkeit zeigt (sie schreit, wenn sie etwas will, also sieht sie ihr Wollen als ihr gutes Recht an), darfst Du nie die dahinter stehende Hilflosigkeit vergessen.
Allein, dass Du dies nicht tust, scheint mir dies Gedicht zu zeigen.

Ein wenig zurücktretend habe ich mir einmal die Metrik angesehen: Ein häufiger Wechsel von Jamben und Daktylen, der mir nur teilweise inhaltlich begründet erscheint (z.B. in Strophe zwei Zeilen eins bis drei). Vielleicht ein Zeichen dafür, dass das Gedicht unter grossen inneren Druck entstanden ist? Ich habe sie jedenfalls einmal festgehalten:

Es kriechen die Tränen im Fluss von Speichelsaft.
Die Hände grabschen blind, die Augen fassen nicht
verzerrt die Beine sind, verkrüppelt das Gesicht.
Das Geistgefängnis hält die Welt in Schleierhaft.

xXxxXxxXxXxX
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xXxXxXxXxXxX
xXxXxXxXxXxX

Vergnüglich war die Zeit, da ich sein Vater war.
Wir herzten uns wickelnd, wir liebten uns kreischend
es gierte so prickelnd, so freundlichkeitsheischend.
Dann lag eines Tages sein stummes Blicken klar.

xXxXxXxXxXxX
xXxxXxxXxxXx
xXxxXxxXxxXx
xXxxXxxXxXxX

Im Nebel streichen sanft, die Gitter von dannen.
Der reine Tropfen schwebt in Dämmerung vorbei.
Die Winde hauchen kalt, ihn ins Meer zu bannen.

xXxXxXxXxxXx
xXxXxXxXxXxX
xXxXxX XxXxXx

In steinernen Wäldern, dort schrie ich meinen Schwur
die Raben horchten schrill, "Oh du mein Sohn verzeih
ich starb schon am Leben, am Lebenmüssen nur."

xXxxXxxXxXxX
xXxXxXxXxXxX
xXxxXxxXxXxX

Solltest Du das Gedicht tatsächlich noch einmal überarbeiten, wäre es gut, ein wenig mehr auf den Rhythmus zu achten, meine ich.

Die dritte Zeile der ersten Terzine verstehe ich inhaltlich übrigens nicht, wenngleich der Rest dieser sich mir auch "nebelhaft" zu erschliessen vermag.

Lieben Gruß
Nina

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#11

Erlösung

in Gesellschaft 11.02.2005 13:38
von Wilhelm Pfusch • Administrator | 2.006 Beiträge | 2043 Punkte
Auf die Metrik gab ich keine Acht. Aber ich glaube ich werde es überarbeiten.
Vielen Dank, dass du deine Meinung äussertest. Es ist schwer sich selbst Hassgefühle als Fehler einzugestehen. Jeder trifft mal einen Menschen dem gegenüber er abgeneigt ist, aber das ist nicht gemein oder schlecht, sondern natürlich.
Auch mit den Gedanken und Gefühlen, die andere und auch einen selbst zu verletzen vermögen muss man umgehen können.
Man muss sie akzptieren als teil der eigenen Natur. Nur dann kann man möglicherweise im richtigen Moment vermeiden, dass sie ausbrechen.
Phantasie, phantastisches, das sind nicht nur Feen und Blümchen, sondern auch Monster und morbide Vorstellungen.

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