#1

Entfremdung

in Düsteres und Trübsinniges 09.02.2005 22:14
von Ahsil (gelöscht)
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In einem Meer von Schaben wird er baden
Und Fühler werden ihm die Nerven kosen.
Ein Körpersegen für den Körperlosen,
Der nicht den Rückblick wagt gen Heimgestaden.

Mit festem Zuge nehm’ ich meine Route.
Das Schabennass behütet muttergleich
Und bettet meinen Leib in seinem weich,
Dass keine Woge meinen Rachen flute.

Es ist ein muntres Knacken harter Schalen.
Zum Vorschein tritt der warme, grüne Schmant,
Benetzt und reinigt meine Haut von Malen,
Die Blut und Fleisch auf meinen Balg gebrannt.

Den Tod kann ich vor Gliederwerk nicht klaren,
Entfremdet harrt mein Blick auf kalten Scharen.


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#2

Entfremdung

in Düsteres und Trübsinniges 09.02.2005 22:52
von muh-q wahn (gelöscht)
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Und wieder labt sich dieser Dichter in der Sprache, suhlt und aalt sich, dass es eine Freude ist. Nicht wahr, Ahsil, wenns dann noch reimt und metrisch frommt, dann ist es eine wahre Pracht. Reinsetzen und sich wohlfühlen. Ich tus und bade mitten in dem Ungeziefer, sicher frage ich mich auch, wie Körperlose den Leib gebettet bekommen und durch Blut und Fleisch Male auf den Balg (?) gebrannt bekommen, aber so sehr interessiert mich die Antwort gar nicht mehr. Ich zweifele auch, ob Ahsil es klaren kann, doch auch und gerade der letzte Satz ist so eitel Freude, dass mich das alles diesem Werk nicht entfremden könnte.

Wunderbar zu lesen, starke Reime, voller Maß und Wortgewalt, was will man mehr ? Eine Botschaft ? Ach, die ist bestimmt darin, nur fühle ich mich gerade zu sauwohl, um zu suchen.

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#3

Entfremdung

in Düsteres und Trübsinniges 10.02.2005 01:01
von Wilhelm Pfusch • Administrator | 2.006 Beiträge | 2043 Punkte
Muh, ich könnte dich Fauli Schlumpf umtaufen, aber nur wenn ich Clumsy sein darf ^^

Zum Gedicht. Beklemmung, Ekel und eine unappetliche Erinnerungsflut an Hardcore-Horror-Filmen kommt in mir hoch. Wie Muh es schon vortrefflich breit trat, hast du es krachen und die Panzer knacken lassen!
Saubere Metrik, interessante Form. Und die aussage ist subtiler als ich zuerst dachte, Körpersegen/Fühler-> interessantes Konstrukt. Fühlen vieler Körper->Körpersegen, doch die Schaben fühlen auch...
Um es mal derb auszudrücken. Das lyr. Er^^ wagt sich in die ganz grosse Scheisse und hat keine Hoffnung je zurückzukehren. Mutig ist er, denn er überwindet eine der grössten menschlichen Ängste die es gibt und zwar kühlen Geistes (Mund fest verschlossen um nicht zu ersticken)
Das würde aber implizieren die Schaben sind so gross das er sich keine Sorgen machen muss sie krabbeln ihm in die Nase.... den Gedanken vergess ich besser wieder ^^
In Strophe 3 wird durch den Jambus beinahe Schlachtenwut spürbar. Er geniesst es wie die Drecksiecher platzen, genauso wie ein Krieger in der mittelalterlichen Schlacht in Raserei verfallen konnte und dann grinsend seine Gegner schlachtete.
Er überwindet seine Angst und alte Wunden heilen durch die verabscheuneswürdigen Körpersäfte der insekten, die ihn überströmen.
Ein Balg ? ist das nicht in freches Kind ? Sind es vielelicht die seelischen Wunden und Komplexe der Kindheit die geheilt werden ?
vor Gliederwerk ist schwierig, ich dachte zuallererst an die Firma Vorwerk ^^
Es geht aber um die Körperteile, um die Wunden, um das Zerquetschen...
die kalten Scharen heissen für mich, das er sie alle zermatscht hat. Klingt für mich nicht logisch da in Strophe 1 noch anklang er müsste durch die Kakerlaken waten um an ein Ziel zu gelangen. Achja, dass er in der ersten Strophe erwähnt wird heisst wohl jemand hat ihm diese Prüfung aufgetragen.
Er kann den Tod nicht klaren, nicht sehen ?
Das er nicht ans Ziel kam heisst vielleicht das er in Raserei verfiel und jede einzelne Kakerlake getötet hat. Wenn sie ihm bis zum Hals standen muss das sehr lange gedauert haben, lange war er quasi bewusstlos.
Ich vermute wohin der Zug fährt, ich glaube in Richtung Psychologie, aber ich bin mir noch unklar. Später mehr.

Schmand, der: Milcherzeugnis auf Einfach-Rahm-Fettstufe ?
Ich kenne das Wort Schmant nicht, aber Schabenschleim dürfte in etwa die Konsistenz von Schmand haben.

Muh du fühlst dich einfach zu wohl, es wird Zeit dass du deinen Arsch aus dem Massagesessel zwängst und dich in die delikaten Krisenregionen des Forums wagst, in die Ostlande, wo die Schatten drohn. Das Wellness-massage-Bad "999999999 Beine" bleibt ja offen ^^

Man beachte die ehrenwerten Herren

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#4

Entfremdung

in Düsteres und Trübsinniges 10.02.2005 04:53
von Ahsil (gelöscht)
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ach Muh..., Du hast wahrlich viele Wort für: hm, passt scho im Klang . Aber leider vermag ich Ironie und Ernst nicht recht unterscheiden zu können. Nun ja, wenn es denn ernst ist, dann danke ich , sonst frage ich nur nach den Gründen des Unbehagens :D? Und ganz gewiss ist eine Botschaft drin, aber leider für Außenstehende nur schwerlich zu erkunden, ärgert mich auch, aber es muss leider so sein .
Und Mr Bush, ich danke für die Worte. ICh kann dich beruhigen, Schmand = Schmant, es sind die selben Dinge nur einmal mit t und das andere mal eben mit d, aber es gibt beides. Und der Balg ist auch der Leib/Körper etc.. Also nicht nur ein freches Kind, wenn es das exakterweise überhaupt ist...(ICh liebe meinen Duden :D)
Soviel zur Sprache.
Beim INhalt finde ich den ersten Teil von Dir sehr beeindruckend, denn Du hast viel gesehen, also die Bilder. Und ich hoffe auch, dass etwas Ekel erzeugt wurde. Aber gegen ende hin werden deine Worte in meinen Augen etwas wirr , mag auch daran liegen, dass meine eigenen wirr wurden. Ich springe vielleicht zu schlagartig zwischen dem Symbol der Schabe und der Realität, so dass meine Conclusio etwas ungewiss dahergelaufen kommt. Aber mit deinem Schlagwort der Psychologie triffst du es natürlich , wobei das ja fast immer funktioniert.
Ich freue mich, in euch zwei engagierte Leser gefunden habe
Grüße
Ahsil

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#5

Entfremdung

in Düsteres und Trübsinniges 10.02.2005 13:23
von Wilhelm Pfusch • Administrator | 2.006 Beiträge | 2043 Punkte
Hm also für mich gehts hier um die Überwindung tiefsitzender Ängste, aber ich glaube du hast noch eine Sinnebene eingebaut.


In der Plauderecke steht eine Wortschtztruhe da werde ich den Balg und den Schmant mal einfügen ^^
Kennst du nicht: Du kleines freches Balg ? Ich kannte das immer nur als Ausdruck für kleine Satansbraten. Ich informier mich da mal.

Ich glaube was du haben willst ist eine Interpretation die körperlos (so wird er von aussen hergeschrieben) und seine Gedanken (er selbst erwähnt Leib-Balg-Blut-Fleisch) zusammenbringt. Also für mich sind die Male im Fleisch eher Wunden der Seele, ansonsten komme ich nicht darauf was du eigentlich sagen willst. Auch konnte ich einen Wechsel zwischen Symbol und Realität keinesfalls feststellen. Das liegt wohl daran, dass ich den vorletzten Satz nicht verstehe.
vor Gliederwerk klaren heisst für mich, er konnte den Tod bevor er seinen Körper benutzte, seine Glieder, und die Schaben zermatschte, nicht erkennen.
Ansonsten fiel mir noch was auf, rein formal:
Und bettet meinen Leib in seinem weich,
wieder muss ich beckmessern wie Muh sagen würde, aber ich glaube hier müsste man weich grossschreiben, ausserdem ist doch ein Meer von Schaben mit den harten Panzern nicht weich, aber das kann man auch wieder als Ansatz zur Interpretation nehmen, schliesslich sprichst du von der Schabe als Symbol.

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#6

Entfremdung

in Düsteres und Trübsinniges 10.02.2005 14:01
von Ahsil (gelöscht)
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großes "weich"? ICh hätte nach der alten Schulform eine Frage gestellt: Wie bettet das Meer... weich. Weich also ein Adjektiv.
Und die Male sind seelisch . Anders hätte es in meinen Augen kaum Sinn.
ICh denke, man muss wirklich die letzten beiden Verse unabhängig vom Rest lesen, weswegen ich sie auch abtrennte. Du kennst das Sprichwort, man sieht den Wald vor Bäumen nicht..., so ist das mit Gliederwerk zu verstehen.

Grüße

PS: was für eine Wortschatztruhe? Dsa ist ja mal eine tolle IDee.

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#7

Entfremdung

in Düsteres und Trübsinniges 10.02.2005 15:21
von Wilhelm Pfusch • Administrator | 2.006 Beiträge | 2043 Punkte
Die Wortschatztruhe ist: Unsere kuriose Sprache-Faden in der Plauderecke.
Das Schabennass bettet in seinem weich, naja ich nehms mal so hin ^^
Das mit den seelischen Wunden und dem Gliederwerk habe ich also quasi schon richtig erkannt.
Eine übergreifende Aussage erkenne ich trotzdem nicht, bzw. bleibe bei dem was ich schon sagte.
Hier brauchen wir eine andere Stimme

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#8

Entfremdung

in Düsteres und Trübsinniges 10.02.2005 16:03
von muh-q wahn (gelöscht)
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Hmm, hmm, meine hilft leider auch nicht weiter, da ich mich noch immer mit der Entfremdung herumschlage. Wovon wird das lyr. Ich entfremdet, was entfremdet sich ihm ? Eine ENTFREMDUNG bezeichnet den Zustand, in dem ein Mensch nicht mehr er selbst ist. Badet hier Gregor Samsa vor oder nach seiner Verwandlung ?

Ich sehe den Wald vor lauter Kakerlaken auch nicht. Oder habe ich Schmand auf den Augen ?

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#9

Entfremdung

in Düsteres und Trübsinniges 10.02.2005 16:08
von Ahsil (gelöscht)
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, wenn Du Kafka ansprichst, kann ich mich aus allem herauswinden..., sagen wir es ist kafkaesk und ich habe Ferien
Entfremdung. Man erkennt sich selbst nicht wieder. Eine Tat/Taten haben das lyr. Ich vielleicht verändert.
Diese Schizophrenie in S1 und S2 sollte das auch mit verdeutlichen, weswegen ich auch eine Sonettform gewählt habe.

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#10

Entfremdung

in Düsteres und Trübsinniges 10.02.2005 16:47
von muh-q wahn (gelöscht)
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Bei all dem Unfug hier vergisst man, was man eigentlich schreiben wollte !


Zitat:

Ahsil schrieb am 10.02.2005 04:53 Uhr:
Aber leider vermag ich Ironie und Ernst nicht recht unterscheiden zu können.




Du kannst offenbar besser schreiben, als lesen, wenn du meine Worte ironisch dünktest. Dieser Herr bezog sich auf meine Aussage, zu faul zum Suchen zu sein. Tatsächlich bin ich zu dumm zum Finden.


Zitat:

Ahsil schrieb am 10.02.2005 04:53 Uhr:Und ganz gewiss ist eine Botschaft drin, aber leider für Außenstehende nur schwerlich zu erkunden, ärgert mich auch, aber es muss leider so sein




Ich korrigiere: Schreiben kannst du auch nicht so toll (jetzt absichtlich spaziert dieser Onkel dazwischen: ), denn etwas Putzigeres habe ich in den letzten 50 Jahren nicht gelesen, denn noch immer gilt natürlich:


Zitat:

Lessing schrieb am 10.02.1779 14:27Uhr:Kein Mensch muß müssen ! Und ein Derwisch müßte ?



Digitally Yours

muh-q wahn

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#11

Entfremdung

in Düsteres und Trübsinniges 10.02.2005 17:00
von Arno Boldt | 2.760 Beiträge | 2760 Punkte
ja, das erkennen des sinns ist argumentativ.

ich persönlich empfand es zuerst als zu.. hm.. undurchdringbar.. das ist vielleicht abre auch nur meiner unendlichen müdigkeit anzurechnen.

vermutungen ersten grades:
das lyr. ich hat eine harte schale, so, wie seine schabengenossenInnen.

mit der zeit jedoch - und vielleicht auch der enge/nähe (wie man es sehen mag) wegen - knacken die äußeren schalen und das lyr. ich sieht sich gereinigt durch das innere der schaben. -> naheste nähe.

und nun ist das lyr. ich entsetzt darüber, wie es war (oder auch, wie die anderen (zu ihm) waren). die kalten scharen deuten den tod der schaben an.. aber zugleich auch den weg in etwas neues.. "der neue mensch"... ich weiß nicht, wieso.. aber ich werf das mal so rein.

den tod kann das lyr. ich indes nicht entdecken, da es das leben der vergangenheit betrachtet, entsetzt darüber ist und seinen blick davon nicht abwenden kann.


sind meine ersten gedanken...

grüße.
arno.

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