Ein wunderbar düsteres Gedicht, dessen Wortwahl und überzeugende Melodie es mir angetan hat. Das liest sich sehr flüssig und die Metaphern sind stark und nicht zu gewollt. Ein ästhetischer Genuss.
Kleinere formale Mängel sind verzeihlich, stoßen aber ungerechterweise um so mehr auf, je gelungener ein Gedicht ist. Mir gefallen folgende Dinge nicht:
Folter gefällt mir als Elision noch weniger als
Folt’re. Geschrieben sieht es zwar gefälliger aus, gesprochen ist es das keineswegs.
Foltere die Fluchtgedanken hätte es vielleicht auch getan ? Bei
Sperr mich ein ist die Auslassung überflüssig, da Sperre mich in Kerkerzellen doch wunderbar und gleich gut funktioniert. Für
schnür mich... gilt das ebenso:
Schnüre mir die Wahnsinnsweste. In der Zeile
Schaff ein Grab mir unter Wiese gefällt mir die ganze Formulierung nicht, da geht die Elision unter. Das Verb
schaffen ist offensichtlich der Alliteration geschuldet (Strophe 2: Schere, schwärze, schnüre / Strophe 3: Schenke, schmücke, schaffe) aber gerade deswegen fällt es so auf. Dadurch fällt auch auf, dass du in Strophe 1 diesen und auch einen anderen Ansatz nicht geschafft hast, so wie die Fülle der Imperative eben auch die einzelnen Auslassungen überbetont. Das mag dir unfair erscheinen aber du setztest die Maßstäbe.
Der Vollständigkeit halber noch die letzte Zeile:
Mache mir den Tod vertraut wäre besser.
Inhaltlich missfällt mir, dass die Todessehnsucht des lyr. Ich unverständlich bleibt. Die Dichterin schreibt zwar (in wunderbarer Art) von
eben dieser (unerfüllten) Sehnsucht, warum sie (das lyr. Ich) sie aber hat, schreibt sie nicht. Immerhin hat es Fluchtgedanken, Freiheitswillen, sehr wohl andere (untergegangene) Wünsche. Welche ? Was ist schief gegangen ? Für mich als nicht-todessehnsüchtigem Leser bleiben zu viele Fragen offen, ich kann nicht mitfühlen, nicht mitleiden, mich nicht identifizieren. Daher bleibe ich nüchtern und distanziert. Und das ist schade, weil es mich gereizt hätte ...