#1

Blässe

in Düsteres und Trübsinniges 03.04.2005 12:23
von kein Name angegeben • ( Gast )
Fessel mich und lass mich fallen,
treibe mich zum Horizont.
Höre deine Worte schallen,
Lachen, Schnurren, dann dein Weinen.
Spür das Kreischen deiner grauen Angeln
und schicke mich an die begehrte Front.
Als Gottes Engel werde ich erscheinen,
erinnern dich an Lieder, die wir sangen.

Die Augen schließend lasse ich verschwimmen,
was mir im Leben dient als Wegesweiser.
Ich halte still und sammle deinen Kuss -
lese deine Träume in den Augen -
meine werden immer leiser,
falten Flügel und verblassen -
viel zu schnell auch der Genuss.
Ich versuche mich zu fassen,

alles wird verblassen.

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#2

Blässe

in Düsteres und Trübsinniges 04.04.2005 03:14
von kein Name angegeben • ( Gast )
Hi, Littleshine!

Die Überschrift deines Gedichts machte mich neugierig - ich wurde nicht enttäuscht. "Blässe" , ein vieldeutiges Wort, das sich auf ganz konkrete Dinge (Stirnfleck beim Pferd) und auf körperliche und geistige Zustände beziehen kann: Blässe im Gesicht nach langen Krankheiten oder Sonnenmangel oder jener aus der lit..Klassik bekannte Zustand: "..von des Gedankens Blässe angekränkelt"...

Dein Gedicht hat von allem ein wenig, es beschreibt, nach meinem Verständnis, eine Beziehung im Schwebezustand, wo man schon Erinnerungen beschwört, kurz vor dem Auseinandergehen. Alles verblasst, man kann es nicht mehr festhalten. Da nützen auch die unerfüllten Träume nichts mehr: sie "falten Flügel und verblassen". Selbst der Genuss in der Beziehung vergeht, "alles wird verblassen". Sehr treffend hast du beschrieben, wie es in der heutigen schnelllebigen Zeit um Dauerhaftes in Beziehungen steht: blass eben. Und diese Perspektive zieht sich bis in die Zukunft. Melancholie klingt aus deinen Zeilen, Resignation ebenso aber auch Sachlichkeit. Ein sprachlich sehr eindringliches Werk (z.B.Metapher des Engels), das sich durchaus aus dem Wehmuts-Herz-Schmerz der sonst zum Thema üblichen Gedichte heraushebt, weil es ehrlich klingt und den Schwebezustand nicht stammelnd beklagt, sondern minutiös beschreibt. Nachdenkenswert, findet

Angel of Berlin

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#3

Blässe

in Düsteres und Trübsinniges 04.04.2005 19:46
von MrsMerian (gelöscht)
avatar
Hallo Mona.

Nun, ich werde es nicht erklären können, aber ich habe es mehrere Male gelesen und seit dem ersten Mal denke ich an Krankheit, Tod, Sterben, Abschied.
Sehr bewegt bin ich und kann es irgendwie nicht fassen, wieso oder was es ist, das meine Gedanken plötzlich lenkt; sie scheinen fremdgesteuert und ich kann sie im vorbeihuschen kaum erkennen.
Vorallem das Sammeln des Kusses ist äußerst schlimm.
Ich sehe das lyr. ich am Krankenbett eines gleichaltrigen, noch (zu) jungen Menschen sitzen und daran zerbrechen zu wollen ihn Sterben zu sehen.
Man erinnert sich an gemeinsame Touren um die Häuser und es schreit und schreit; was alles noch gekommen wäre, wie viel Zeit man selbst noch hat, seine eigenen Träume zu verwirklichen. All diese Ungerechtigkeit und die Machtlosigkeit. Die Betäubung in der man versucht diese letzten Minuten angenehm zu machen. Die Sprachlosigkeit und dieser unendliche Schmerz. Kurze Flämmchen – Hoffnung und der viel zu tiefe Fall.

„Schnell augenschließend“ wirft mich immer wieder aus der Bahn, zurück ins hier, weil es zu schnell ist und irgendwie hingemurkst, finde ich.
Danke Dir. Das hat mächtig reingehaun.

LG
Mrs.

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#4

Blässe

in Düsteres und Trübsinniges 04.04.2005 20:59
von kein Name angegeben • ( Gast )
Hallo Melli, hallo Angel,

vielen Dank für euer Interesse an meinem Gedicht. Erstmal zu Mellis Kritikpunkt: Ich habe es in "Still augenschliessend" geändert. Besser so?
Nun, dass ihr an Tod denkt, ist bei dem Titel Blässe durchaus verständlich. Es freut mich jedenfalls, dass ich euch damit bewegt habe und dass es euch zu gefallen scheint.

Lieben Gruß,
Littleshine

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#5

Blässe

in Düsteres und Trübsinniges 04.04.2005 21:12
von MrsMerian (gelöscht)
avatar
Hi Little, die Zeile bleibt mir immer noch irgendwie zu überladen.
Wie wäre es mit: Die Agen schliessend...?

Ach ja @Angel: heißt es nicht beim Pferd Blesse?

LG
Mrs.

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#6

Blässe

in Düsteres und Trübsinniges 04.04.2005 21:14
von kein Name angegeben • ( Gast )
Noch besser
Danke.

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#7

Blässe

in Düsteres und Trübsinniges 05.04.2005 18:08
von kein Name angegeben • ( Gast )
@Mrs.
Jaaa, du hast ja so Recht, der Stirnfleck bei Tieren wird mit -e-geschrieben, habe gerade nachgesehen. War vom Wortklang ausgegangen. Übrigens: Man kann neuerdings Blässhuhn oder Blesshuhn schreiben, wusste ich auch nicht, hat mich denn doch verwirrt...
@Littleshine
Die Veränderung ist nicht übel, finde ich auch.

lg Angel of Berlin

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#8

Blässe

in Düsteres und Trübsinniges 06.04.2005 22:00
von kein Name angegeben • ( Gast )
Danke

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