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Die Silberlindengasse
Das Sichelseid’ne schleicht sich durch den Nebelregen.
Es legt sich seidig auf die gansgeprägte Haut,
die mich am Körper hält und fern von Todes Segen.
Die Silberlindengasse war uns einst so vertraut :
Wir haben oft an ihrem schmalen Rand gelegen
und zu den großen Zeigern der Turmuhr aufgeschaut.
Nun stehst du reglos unter den geschlag’nen Stunden
und trägst mein Leichentuch um deinen Hals gebunden.
Die Silberlindengasse
(Version 2)
Das Sichelseid’ne schleicht sich durch den Nebelregen.
Es legt sich seidig auf die gansgeprägte Haut,
die mich am Körper hält und fern von Todes Segen.
Die Silberlindengasse war uns einst so vertraut :
Wir haben oft auf ihrem rauen Stein gelegen
und zu den großen Zeigern der Turmuhr aufgeschaut.
Nun stehst du reglos unter den geschlag’nen Stunden
und trägst mein Leichentuch um deinen Hals gebunden.
Das Sichelseid’ne schleicht sich durch den Nebelregen.
Es legt sich seidig auf die gansgeprägte Haut,
die mich am Körper hält und fern von Todes Segen.
Die Silberlindengasse war uns einst so vertraut :
Wir haben oft an ihrem schmalen Rand gelegen
und zu den großen Zeigern der Turmuhr aufgeschaut.
Nun stehst du reglos unter den geschlag’nen Stunden
und trägst mein Leichentuch um deinen Hals gebunden.
Die Silberlindengasse
(Version 2)
Das Sichelseid’ne schleicht sich durch den Nebelregen.
Es legt sich seidig auf die gansgeprägte Haut,
die mich am Körper hält und fern von Todes Segen.
Die Silberlindengasse war uns einst so vertraut :
Wir haben oft auf ihrem rauen Stein gelegen
und zu den großen Zeigern der Turmuhr aufgeschaut.
Nun stehst du reglos unter den geschlag’nen Stunden
und trägst mein Leichentuch um deinen Hals gebunden.
#2
von Don Carvalho • Mitglied | 1.880 Beiträge | 1880 Punkte
Die Silberlindengasse
in Düsteres und Trübsinniges 15.05.2005 11:21von Don Carvalho • Mitglied | 1.880 Beiträge | 1880 Punkte
Hallo September,
Deine Zeilen sprechen mich an, ließen mich beim lesen allerdings leicht stolpern, weshalb ich zunächst etwas malen musste und mich zunächst dem Formalen widme:
xXxXxXxXxXxXx a
xXxXxXxXxXxX b !
xXxXxXxXxXxXx a
xXxXxXxxXxXxX b !
xXxXxXxXxXxXx a
xXxXxXxxXxXxX b !
xXxXxXxXxXxXx c
xXxXxXxXxXxXx c
Während die a - und c - Reimzeilen metrisch korrekt einen Jambus mit weiblicher Kadenz präsentieren, hakt es bei allen b - Reimzeilen. Absicht? Zumindest inhaltlich kann ich bei speziell diesen Zeilen nichts finden, was sie von den anderen abhebt. Und auch die Art des Fehlers divergiert... aber egal, ob beabsichtigt oder nicht, etwas störend empfinde ich es schon. Insbesondere in Zeile 6 bin ich stets versucht, Turmuhr zu betonen und schwupps, bin ich raus!
Ist das eigentlich eine Stanze? Wobei die meines Erachtens hinsichtlich der Silbenlänge gleichmäßig sein und auch weniger Silben haben müsste. Aber das ist ja auch egal, dann wäre es eben ein von der Stanze beeinflusste Gedichtform...
Die verwendeten Worte sprechen mich sehr an, auch wenn ich nicht alles verstehe. Zeile 1 wollte ich zunächst dahingehend deuten, dass der sichelförmige Mond durch den Nebel bricht... aber wie kann es dann das Sichelseid'ne sein? Wofür aber könnte es ansonsten stehen? Hmm.
Wäre der Mond gemeint, ginge ich davon aus, dass mit es in Z2 der Nebelregen gemeint wäre, aber vielleicht hinsichtlich meiner lunaren Zweifel ist es doch auch das Sichelseid'ne was sich auf den Erpelparker legt. Hm Hm...
Z3 deute ich dahingehend, dass nicht die Haut an sich, sondern die Gänsehaut als Symbol der Furcht des lyrIch's dieses vom (Eigen-?) Tod abhält.
Was ist genau die Silberlindengasse? Eine wirkliche Gasse in der nähe einer Kirche mit Uhrturm? An wie kann man am schmalen Rand einer Gasse liegen? Am Bürgersteig etwa? Nee, das ist unbefriedigend. Ist diese Gasse an einem Abgrund gelegen, ist diese Gasse gar gar keine Gasse? Und der Blick auf die Zeiger der Turmuhr ist nur das gemeinsame Sinnen der Protagonisten über die Vergänglichkeit? Denn eines ist für mich klar: Vergänglichkeit ist ja ein Thema in Deinen Zeilen...
Z7 ist sehr gelungen: die Stunden schlagen weiter, doch nicht mehr für das lyrische Du, das nun reglos zu Füßen der Turmuhr liegt. Die letzte Zeile lässt ebenso großen Interpretationspielraum wie die vorherigen, lässt mich aber nun alles in eine bestimmte Richtung deuten:
die Hauptakteure haben sich regelmäßig ihren depressiv-melancholischen Stimmungen hingegeben und ihre Todessehnsucht gemeinsam zelebriert. Doch während das lyrische Ich aus Furcht zurückgeblieben ist, hat das lyrische Du den letzten Schritt gewagt und war erfolgreich. Das lyrische Ich nun erinnert sich an ihre gemeinsamen Todesgrübeleien und verspürt nun, da es zu spät ist, Schuldgefühle: sein Leichentuch (Todeswunsch) hat letztlich zum Tode des lyrischen Du zumindest beigetragen...
Wow, da kann man eine Menge herausholen, ich denke Interpretationen in ganz andere Richtungen sind sicher ebenso möglich. Insbesondere die Bedeutung einiger Termini (die ich nicht immer in der Lage war zu erfassen) helfen da bestimmt weiter.
Wären da nicht diese formalen Mängel, wäre das für mich ein Kandidat für das Gedicht des Monats, doch besonders die Turmuhr verleidet mir die Sache dann doch ein wenig.
Trotzdem sehr gern gelesen,
Deine Zeilen sprechen mich an, ließen mich beim lesen allerdings leicht stolpern, weshalb ich zunächst etwas malen musste und mich zunächst dem Formalen widme:
Zitat: |
Das Sichelseid?ne schleicht sich durch den Nebelregen. Es legt sich seidig auf die gansgeprägte Haut, die mich am Körper hält und fern von Todes Segen. Die Silberlindengasse war uns einst so vertraut : Wir haben oft an ihrem schmalen Rand gelegen und zu den großen Zeigern der Turmuhr aufgeschaut. Nun stehst du reglos unter den geschlag?nen Stunden und trägst mein Leichentuch um deinen Hals gebunden. |
xXxXxXxXxXxXx a
xXxXxXxXxXxX b !
xXxXxXxXxXxXx a
xXxXxXxxXxXxX b !
xXxXxXxXxXxXx a
xXxXxXxxXxXxX b !
xXxXxXxXxXxXx c
xXxXxXxXxXxXx c
Während die a - und c - Reimzeilen metrisch korrekt einen Jambus mit weiblicher Kadenz präsentieren, hakt es bei allen b - Reimzeilen. Absicht? Zumindest inhaltlich kann ich bei speziell diesen Zeilen nichts finden, was sie von den anderen abhebt. Und auch die Art des Fehlers divergiert... aber egal, ob beabsichtigt oder nicht, etwas störend empfinde ich es schon. Insbesondere in Zeile 6 bin ich stets versucht, Turmuhr zu betonen und schwupps, bin ich raus!
Ist das eigentlich eine Stanze? Wobei die meines Erachtens hinsichtlich der Silbenlänge gleichmäßig sein und auch weniger Silben haben müsste. Aber das ist ja auch egal, dann wäre es eben ein von der Stanze beeinflusste Gedichtform...
Die verwendeten Worte sprechen mich sehr an, auch wenn ich nicht alles verstehe. Zeile 1 wollte ich zunächst dahingehend deuten, dass der sichelförmige Mond durch den Nebel bricht... aber wie kann es dann das Sichelseid'ne sein? Wofür aber könnte es ansonsten stehen? Hmm.
Wäre der Mond gemeint, ginge ich davon aus, dass mit es in Z2 der Nebelregen gemeint wäre, aber vielleicht hinsichtlich meiner lunaren Zweifel ist es doch auch das Sichelseid'ne was sich auf den Erpelparker legt. Hm Hm...
Z3 deute ich dahingehend, dass nicht die Haut an sich, sondern die Gänsehaut als Symbol der Furcht des lyrIch's dieses vom (Eigen-?) Tod abhält.
Was ist genau die Silberlindengasse? Eine wirkliche Gasse in der nähe einer Kirche mit Uhrturm? An wie kann man am schmalen Rand einer Gasse liegen? Am Bürgersteig etwa? Nee, das ist unbefriedigend. Ist diese Gasse an einem Abgrund gelegen, ist diese Gasse gar gar keine Gasse? Und der Blick auf die Zeiger der Turmuhr ist nur das gemeinsame Sinnen der Protagonisten über die Vergänglichkeit? Denn eines ist für mich klar: Vergänglichkeit ist ja ein Thema in Deinen Zeilen...
Z7 ist sehr gelungen: die Stunden schlagen weiter, doch nicht mehr für das lyrische Du, das nun reglos zu Füßen der Turmuhr liegt. Die letzte Zeile lässt ebenso großen Interpretationspielraum wie die vorherigen, lässt mich aber nun alles in eine bestimmte Richtung deuten:
die Hauptakteure haben sich regelmäßig ihren depressiv-melancholischen Stimmungen hingegeben und ihre Todessehnsucht gemeinsam zelebriert. Doch während das lyrische Ich aus Furcht zurückgeblieben ist, hat das lyrische Du den letzten Schritt gewagt und war erfolgreich. Das lyrische Ich nun erinnert sich an ihre gemeinsamen Todesgrübeleien und verspürt nun, da es zu spät ist, Schuldgefühle: sein Leichentuch (Todeswunsch) hat letztlich zum Tode des lyrischen Du zumindest beigetragen...
Wow, da kann man eine Menge herausholen, ich denke Interpretationen in ganz andere Richtungen sind sicher ebenso möglich. Insbesondere die Bedeutung einiger Termini (die ich nicht immer in der Lage war zu erfassen) helfen da bestimmt weiter.
Wären da nicht diese formalen Mängel, wäre das für mich ein Kandidat für das Gedicht des Monats, doch besonders die Turmuhr verleidet mir die Sache dann doch ein wenig.
Trotzdem sehr gern gelesen,
hmm...
"sichel" lässt mich an den Tod denken, "seid´ne" irgendwie an die samtpfoten eines Raubtieres, glänzendes fell, das durch den "nebelregen" noch unwirklicher wirkt. (das "sichelseid´ne" Raubtier, das den Tod bringt/bringen sollte, aber nicht für das lyr.Ich, weil die angst größer als die sehnsucht ist?)
in meinem kopfkino sind die bilder die dein gedicht erzeugt automatisch in der nacht/dunkelheit angesiedelt, obwohl sich darauf kein hinweis findet.
in Z2, stört mich das "seidig" in direkter abfolge zum "sichelseid´ne" in Z1.
in Z5, das "am rand gelegen" verstehe ich auch nicht. am rand der silberlindengasse... haben silberlinden evtl eine besondere mythische/okkulte/metaphorische bedeutung, sodas deren rand eine wie auch immer geartete ausgrenzung/positionierung der lyr. personen ausdrücken soll?
die "turmuhr" in Z6 stört mich nicht, obwohl der Don durchaus recht hat, was die betonung angeht.
die letzten beiden zeilen mag ich besonders gut leiden.
das kopfkino macht daraus einen (vielleicht an der turmuhr direkt)menschen (frau?), der sich erhängt hat und dessen weißer Schal im Wind sich bewegt (vielleicht ein geschenk des lyr.Ich an das nun tote lyr. Du?).
hmm... soviel zu meinem brainstorming und kopfkino auf die schnelle.
hab ich gern gelesen. schöne bilder für´s kopfkino.
"sichel" lässt mich an den Tod denken, "seid´ne" irgendwie an die samtpfoten eines Raubtieres, glänzendes fell, das durch den "nebelregen" noch unwirklicher wirkt. (das "sichelseid´ne" Raubtier, das den Tod bringt/bringen sollte, aber nicht für das lyr.Ich, weil die angst größer als die sehnsucht ist?)
in meinem kopfkino sind die bilder die dein gedicht erzeugt automatisch in der nacht/dunkelheit angesiedelt, obwohl sich darauf kein hinweis findet.
in Z2, stört mich das "seidig" in direkter abfolge zum "sichelseid´ne" in Z1.
in Z5, das "am rand gelegen" verstehe ich auch nicht. am rand der silberlindengasse... haben silberlinden evtl eine besondere mythische/okkulte/metaphorische bedeutung, sodas deren rand eine wie auch immer geartete ausgrenzung/positionierung der lyr. personen ausdrücken soll?
die "turmuhr" in Z6 stört mich nicht, obwohl der Don durchaus recht hat, was die betonung angeht.
die letzten beiden zeilen mag ich besonders gut leiden.
das kopfkino macht daraus einen (vielleicht an der turmuhr direkt)menschen (frau?), der sich erhängt hat und dessen weißer Schal im Wind sich bewegt (vielleicht ein geschenk des lyr.Ich an das nun tote lyr. Du?).
hmm... soviel zu meinem brainstorming und kopfkino auf die schnelle.
hab ich gern gelesen. schöne bilder für´s kopfkino.
Hallo Don, Hallo MelenColia,
mir liegt sehr viel an diesem Gedicht. Was die Metrikstolperer angeht, so sind mir diese Bewusst, allerdings fallen sie, wenn ich den Text laut lese, nicht ins Gewicht. Die Silbe in Z6 zu viel wirkt wie eine Zäsur, die andere veranlasst ebenfalls eine besondere Betonung, weswegen ich da nichts mehr ändern werde. An dieser Stelle wirklich Pech für den geneigten Leser, muss er es sich eben von mir vorlesen lassen .
Das „an ihrem schmalen Rand“ habe ich ebenfalls korrigiert und durch „auf ihrem rauen Stein“ ersetzt. Metrisch und Silbentechnisch das Gleiche und den schmalen Rand könnte ich auch nicht sinnvoll begründen.
Ich mag es sonst gar nicht, wenn der Autor sein eigenes Gedicht interpretiert, aber bei diesem Text neige ich ständig dazu dem Leser erklären zu wollen, warum jedes Wort zu wichtig ist in diesen Zeilen. Deine Interpretationsfazit geht vollkommen nach hinten los Don, da du nicht auf die Zeitformen im Text geachtet hast. Die Aufgesang des Textes besteht aus einmal drei Zeilen in Präsens, die nächsten drei Zeilen in der Vergangenheitsform und der Abgesang aus wiederum 2 Zeilen Präsens. Du hast Recht, ursprünglich als Stanze angedacht, aber die eigentliche Form nur „missbraucht“, da schon mein Schlussvers, der als erstes da war, nicht in das Silbenschema einer Stanze passte. Dennoch meiner Meinung nach die ideale Form für den Text, wenn es um die Versanzahl und das Reimschema geht.
Was die „Turmuhr“ angeht, die ja ursprünglich aus zwei betonten Silben bestehen müsste, was aber laut Alternationsregel der deutschen Sprache nicht klappt, ist eher davon auszugehen, dass bei dieser Zusammensetzung die erste Silbe mehr betont wird.
Ich wage jetzt einfach mal eine Eigeninterpretation, weil mich das schon lange reizt und weil es dir MelenColia auch zeigen wird, dass der Text durchaus inhaltlich in der Nacht und im Dunkel anzusiedeln ist, auch wenn du es nicht begründen konntest.
Das Sichelseid’ne ist für mich das seidige Mondlicht und gleichzeitig ein Mittel, den angesprochenen Tod in V3 einzurahmen. Der Nebelregen verkörpert für mich zum einen die Traurigkeit und zum anderen das Undurchsichtige, das Unwissen über die Situation (Im Nebel sieht man ja bekanntlich nicht mehr viel). Das Mondlicht versucht also mit seinen klaren seidigen Strahlen sich durch den Nebel zu kämpfen. Also anderes Wort fällt mir hierzu auch nicht „Lichtblick“ ein. Die Ursache der Gänsehaut in V2 erklärt sich durch den Sachverhalt im letzten Vers. Ihm fehlt das Leichtentuch und deswegen friert es oder hat Angst, weswegen das fehlende Leichentuch, dass die Gänsehaut verursachte, auch Ursache für den fehlenden „Todessegen“ ist. Todessegen für mich in diesem Fall ewiger Schlaf, endlich Ruhe. Das aufklärerische Sichelseidne legt sich immerhin seidig auf die Haut und versucht so zu beruhigen.
Die Silberlindengasse ist eine beliebige Gasse, wenn man so will. Das Silber greift wiederum den Mond auf. Dort haben das lyr. Ich und das lyr. Du oft zusammen gelegen. Eine vertraute Atmosphäre und dennoch das Wissen über die Vergänglichkeit der Situation, das betrachten der Uhr am großen Turm, die man nicht einfach so mal zurückstellen kann.
Wieder zurück zur Gegenwart : Das lyr. Ich und das lyr. Du sind getrennt. Das Du steht nun allein unter der Uhr während die Zeit verrinnt. Das lyr. Ich kommt jedoch auch nicht zur Ruhe, hat das lyr. Du doch sein Leichentuch, das ihm die Ruhe geben könnte, um seinen Hals gebunden.
Für mich ist dieses Gedicht die Verarbeitung eines für mich großen Verlustes, der nicht zu verhindern war, was ich schon vorher wusste, als diese zwischenmenschliche Beziehung begann. Mit diesem Text komme ich zur Ruhe. Entschuldigt die Sentimentalität.
Liebe Grüße,
September
mir liegt sehr viel an diesem Gedicht. Was die Metrikstolperer angeht, so sind mir diese Bewusst, allerdings fallen sie, wenn ich den Text laut lese, nicht ins Gewicht. Die Silbe in Z6 zu viel wirkt wie eine Zäsur, die andere veranlasst ebenfalls eine besondere Betonung, weswegen ich da nichts mehr ändern werde. An dieser Stelle wirklich Pech für den geneigten Leser, muss er es sich eben von mir vorlesen lassen .
Das „an ihrem schmalen Rand“ habe ich ebenfalls korrigiert und durch „auf ihrem rauen Stein“ ersetzt. Metrisch und Silbentechnisch das Gleiche und den schmalen Rand könnte ich auch nicht sinnvoll begründen.
Ich mag es sonst gar nicht, wenn der Autor sein eigenes Gedicht interpretiert, aber bei diesem Text neige ich ständig dazu dem Leser erklären zu wollen, warum jedes Wort zu wichtig ist in diesen Zeilen. Deine Interpretationsfazit geht vollkommen nach hinten los Don, da du nicht auf die Zeitformen im Text geachtet hast. Die Aufgesang des Textes besteht aus einmal drei Zeilen in Präsens, die nächsten drei Zeilen in der Vergangenheitsform und der Abgesang aus wiederum 2 Zeilen Präsens. Du hast Recht, ursprünglich als Stanze angedacht, aber die eigentliche Form nur „missbraucht“, da schon mein Schlussvers, der als erstes da war, nicht in das Silbenschema einer Stanze passte. Dennoch meiner Meinung nach die ideale Form für den Text, wenn es um die Versanzahl und das Reimschema geht.
Was die „Turmuhr“ angeht, die ja ursprünglich aus zwei betonten Silben bestehen müsste, was aber laut Alternationsregel der deutschen Sprache nicht klappt, ist eher davon auszugehen, dass bei dieser Zusammensetzung die erste Silbe mehr betont wird.
Ich wage jetzt einfach mal eine Eigeninterpretation, weil mich das schon lange reizt und weil es dir MelenColia auch zeigen wird, dass der Text durchaus inhaltlich in der Nacht und im Dunkel anzusiedeln ist, auch wenn du es nicht begründen konntest.
Zitat: |
Das Sichelseid’ne schleicht sich durch den Nebelregen. Es legt sich seidig auf die gansgeprägte Haut, die mich am Körper hält und fern von Todes Segen. |
Das Sichelseid’ne ist für mich das seidige Mondlicht und gleichzeitig ein Mittel, den angesprochenen Tod in V3 einzurahmen. Der Nebelregen verkörpert für mich zum einen die Traurigkeit und zum anderen das Undurchsichtige, das Unwissen über die Situation (Im Nebel sieht man ja bekanntlich nicht mehr viel). Das Mondlicht versucht also mit seinen klaren seidigen Strahlen sich durch den Nebel zu kämpfen. Also anderes Wort fällt mir hierzu auch nicht „Lichtblick“ ein. Die Ursache der Gänsehaut in V2 erklärt sich durch den Sachverhalt im letzten Vers. Ihm fehlt das Leichtentuch und deswegen friert es oder hat Angst, weswegen das fehlende Leichentuch, dass die Gänsehaut verursachte, auch Ursache für den fehlenden „Todessegen“ ist. Todessegen für mich in diesem Fall ewiger Schlaf, endlich Ruhe. Das aufklärerische Sichelseidne legt sich immerhin seidig auf die Haut und versucht so zu beruhigen.
Zitat: |
Die Silberlindengasse war uns einst so vertraut : Wir haben oft an ihrem schmalen Rand gelegen und zu den großen Zeigern der Turmuhr aufgeschaut. |
Die Silberlindengasse ist eine beliebige Gasse, wenn man so will. Das Silber greift wiederum den Mond auf. Dort haben das lyr. Ich und das lyr. Du oft zusammen gelegen. Eine vertraute Atmosphäre und dennoch das Wissen über die Vergänglichkeit der Situation, das betrachten der Uhr am großen Turm, die man nicht einfach so mal zurückstellen kann.
Zitat: |
Nun stehst du reglos unter den geschlag’nen Stunden und trägst mein Leichentuch um deinen Hals gebunden. |
Wieder zurück zur Gegenwart : Das lyr. Ich und das lyr. Du sind getrennt. Das Du steht nun allein unter der Uhr während die Zeit verrinnt. Das lyr. Ich kommt jedoch auch nicht zur Ruhe, hat das lyr. Du doch sein Leichentuch, das ihm die Ruhe geben könnte, um seinen Hals gebunden.
Für mich ist dieses Gedicht die Verarbeitung eines für mich großen Verlustes, der nicht zu verhindern war, was ich schon vorher wusste, als diese zwischenmenschliche Beziehung begann. Mit diesem Text komme ich zur Ruhe. Entschuldigt die Sentimentalität.
Liebe Grüße,
September
so wie das gedicht bilder für´s kopfkino erschafft, machen deine letzten sätze gänsehaut.
die verarbeitung eines schweren verlustes ist in meinen auge zwingend notwendig und keinesfalls sentimental, geschweige denn, dass derartiges einer entschuldigung bedürfen könnte/würde/sollte.
Grüße,
MC
die verarbeitung eines schweren verlustes ist in meinen auge zwingend notwendig und keinesfalls sentimental, geschweige denn, dass derartiges einer entschuldigung bedürfen könnte/würde/sollte.
Grüße,
MC
#6
von Don Carvalho • Mitglied | 1.880 Beiträge | 1880 Punkte
Die Silberlindengasse
in Düsteres und Trübsinniges 31.05.2005 16:31von Don Carvalho • Mitglied | 1.880 Beiträge | 1880 Punkte
Hallo September,
Dein Interpretationsansatz deutet darauf hin, dass der Tod für die Protagonisten nicht überraschend kam, schließlich waren sie sich schon zuvor der Vergänglichkeit (Turmuhr) bewusst. Es klingt nach einem eher langsamen Abschied.
Ansonsten denke ich, lag ich doch mit meiner Interpretation hinsichtlich der Abschiedssituation zwischen lyrischem Ich und Du, der Erkenntnis der Vergänglichkeit etc. gar nicht so fern. Denn ich verstehe es nachwie vor so, dass der Tod die beiden getrennt hat, und nicht nur einer einfach gegangen ist.
Etwas irritiert bin ich nun allerdings hinsichtlich der Gänsehaut: es hört sich in Deinen Erläuterungen so an, als würde das lyrische Ich körperlich frieren, weil ihm das Leichentuch entzogen wurde... dabei kann dieses Leichentuch doch nur als Metapher gemeint sein, weshalb mich diese direkten Auswirkungen etwas wundern. Irgendwie passt das in meinen Augen nicht.
Es war aber schön, auch Deine hinter dem Gedicht stehenden Gedanken zu erfahren, bezüglich Deines anscheinend tatsächlich erlittenen Verlust mein Beileid. Ich vermute aber, dass ein Gespräch über Deine Zeilen dennoch in Ordnung ist.
Und...
Gerne, wann und wo?
Dein Interpretationsansatz deutet darauf hin, dass der Tod für die Protagonisten nicht überraschend kam, schließlich waren sie sich schon zuvor der Vergänglichkeit (Turmuhr) bewusst. Es klingt nach einem eher langsamen Abschied.
Ansonsten denke ich, lag ich doch mit meiner Interpretation hinsichtlich der Abschiedssituation zwischen lyrischem Ich und Du, der Erkenntnis der Vergänglichkeit etc. gar nicht so fern. Denn ich verstehe es nachwie vor so, dass der Tod die beiden getrennt hat, und nicht nur einer einfach gegangen ist.
Etwas irritiert bin ich nun allerdings hinsichtlich der Gänsehaut: es hört sich in Deinen Erläuterungen so an, als würde das lyrische Ich körperlich frieren, weil ihm das Leichentuch entzogen wurde... dabei kann dieses Leichentuch doch nur als Metapher gemeint sein, weshalb mich diese direkten Auswirkungen etwas wundern. Irgendwie passt das in meinen Augen nicht.
Es war aber schön, auch Deine hinter dem Gedicht stehenden Gedanken zu erfahren, bezüglich Deines anscheinend tatsächlich erlittenen Verlust mein Beileid. Ich vermute aber, dass ein Gespräch über Deine Zeilen dennoch in Ordnung ist.
Und...
Zitat: |
muss er es sich eben von mir vorlesen lassen . |
Gerne, wann und wo?
Zum Inhalt kann und möchte ich nicht zu viel sagen ... aber es ist unglaublich, welch intensive Bilder du aufbaust. Allein schon der Titel reicht aus, um das Gedicht gut zu machen:)
Einzig schade finde ich es, dass du die Stimmung in der letzten Zeile mit dem Leichentuch ein wenig aufbrichst - da wäre es sicherlich gut gekommen, wenn du die Aussage in eine Symbolik verpackt hättest, die zum Ort des Geschehens passt ... ob man da jedoch wirklich ernsthaft von Verbesserungen sprechen sollte, ist ne andere Frage:)
Einzig schade finde ich es, dass du die Stimmung in der letzten Zeile mit dem Leichentuch ein wenig aufbrichst - da wäre es sicherlich gut gekommen, wenn du die Aussage in eine Symbolik verpackt hättest, die zum Ort des Geschehens passt ... ob man da jedoch wirklich ernsthaft von Verbesserungen sprechen sollte, ist ne andere Frage:)
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