#1

Gedanken beim Piano.

in Kommentare, Essays, Glossen und Anekdoten 27.05.2005 11:31
von Arno Boldt | 2.760 Beiträge | 2760 Punkte
noch ein kommentar aus alten tagen.



Gedanken beim Piano.


Es gab nicht mehr viel zu erledigen. Oben im 7. Stock sendeten wird nahezu reibungslos unsere Highlights. Die Menschen kamen, schauten und gingen. Manche kamen und gingen; und wieder andere kamen dran vorbei. Währendessen saß ich für ein paar Minuten hier im 5. und lauschte den Launen des Pianos, während ich eine lockere, aber nicht allzu jugendliche Haltung im Stuhl einnahm. Ja, wer mochte sie nicht – die Museumssommernacht? Allein, in Gruppen oder Rudeln durch ganz Dresden mit eigens dafür bereitgestellten Bussen kutschiert zu werden, mag den einen oder anderen vielleicht in einer verschrobenen Art und Weise an die Nachtwanderung erinnert haben. Ich jedenfalls genoß den Veranstaltungskatalog der Technischen Sammlungen und wähnte mich für ein paar Minuten in Erinnerungen und furiosen Gedanken – dort beim Piano.
Nette Menschen traten heran und fragten mit Augenglanz und leichten Gesten nach leeren Stühlen. Ich nickte zuvorkommend. Nette Menschen, dachte ich, die trifft man überall, flegelhafte nur in den Medien. Der Mann, der fast einen Schnapsnamen zum besten hätte geben können, stand groß im Rampenlicht: Stefano Stefani – ehemals Staatssekretär für Tourismus im schönen Ländle Italia. Nun, was hat er verbrochen, allen Ortens genannt und betitelt zu werden? Es mag wohl ein Anflug von Selbstüberschätzung gewesen sein, der ihn dazu getrieben hatte, uns wohlerzogenen, schönheitsverwöhnten, netten – und hach weiß der Bundesadler nicht noch alles – Deutsche, mit einem häßlichen Bild zu beschreiben. Und um der Krone noch das Ganze aufzusetzen, fühlte er sich danach in der Rolle einer echten deutschen Leberwurst so richtig wohl. Zugegeben: nicht das beste Bild, aber: worauf wollte ich hinaus? Ja, wir waren immer noch nicht beim Punkt. Man muß ja die Frage stellen: was so ein Staatssekretär dazu treibt, hier unzweifelhaft falsche Aussagen zu tätigen? Dazu sollte man wissen, daß sein Chef – der große Sizilianer – Mr. Berlusconi ein paar Tage zuvor ähnliches fabrizierte: Dies war nicht ganz so quantitativ und qualitativ hochwertig – obwohl zugegebener Maßen brisanter. Jedenfalls gab es schon diese vorgefertigte Schneise, die sich Stefani zunutze machen wollte. Er hätte aber wissen sollen, daß Herr Berlusconi nicht gerade saubere Arbeit macht – also grobschlächtig arbeitet – und daher ein paar Dornensträucher und starke Verwurzelungen übrig geblieben waren. Zu viele, um dort ungehindert und frei von jeglicher Anstrengung hindurch zu gelangen. Na ja, das Ende ist ja nunmehr bekannt. Bleibt also nur noch, etwas daraus zu lernen. Fehler sind ja bekanntlich dazu da. Wir hoffen zumindest das Beste.
Und dies natürlich auch in einem anderen Fall; denn jetzt ist es raus. Herr Friedmann ist ein Mensch, da den Menschen Fehler passieren und ihm ein ebensolcher widerfahren sei. Aber: glaubt er das denn selbst? Nun ist Herr Friedmann keiner, der aus seiner Haut heraus kann und sicherlich schon gar nicht bei öffentlichen Stellungnahmen. Aber so einen arroganten Vortragsstil zwecks Eingeständnisse des eigenen Misthaufens, habe ich lange nicht mehr gehört und gesehen. Ich meine, es gab genügend Kameraeinstellungen und Tonübertragungen, die das hätten revidieren können. Doch nix da. Überall derselbe selbstherrliche Ton und das Bekenntnis, was keines war.
Und natürlich sind Drogen keine Hilfe in einer Lebenskrise. Worin bestand oder besteht denn die eigentlich? Was war zuerst da: Huhn oder Ei? Wahrheit oder Einbildung? Koks oder Krise? Und zurecht fragt man: Hätte er das denn nicht auch schon vorher wissen können? Und die Antwort lautet: NATÜRLICH hätte er das! Nicht jeder Junkie ist strohblöd.
Mir persönlich ist es egal, einerlei, nicht erwähnenswert, ob Herr Friedmann nun Drogen schluckt, schnüffelt, säuft, inhaliert, ißt oder sich intravenös geben läßt. Muß ja schließlich jeder selbst wissen, wieviel Schnee man weggraben kann. Ich persönlich hab auch meine Fehler, ich persönlich hab auch meine Fehler: bin herrschsüchtig, intolerant, voller Haß und Neid, neige zur Arroganz, besitze keinen Laptop, bescheiße beim Lotto und schreibe furchtbar schlechte Texte. Aber, hey: Ich bin eben bloß ein Mensch. Eben gesagt – bereits Vergeben und Vergessen. Und schon kann ich mir wieder die sunglasses aufsetzen, nen gescheiten Scheitel tragen und lustvoll in der Menge grölen – irgendwo auf Capri.

gesendet am 15.7.03

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#2

Gedanken beim Piano.

in Kommentare, Essays, Glossen und Anekdoten 27.05.2005 14:25
von Wilhelm Pfusch • Administrator | 2.006 Beiträge | 2043 Punkte
bin herrschsüchtig, intolerant, voller Haß und Neid, neige zur Arroganz, besitze keinen Laptop, bescheiße beim Lotto und schreibe furchtbar schlechte Texte. Aber, hey: Ich bin eben bloß ein Mensch.

Wolltest du deine Signatur nicht mal vermieten? Ich würde für den obigen Mieter plädieren
Achja: Wie soll man beim Lotto bescheissen ?

Sehr amüsant, wobei ich nochmals nachlesen musste was der Herr Stafani sagte; - wie schnell doch gewisse Themen wieder aus dem Gedächtnis entschwinden.
Das war für einen Dresdner Lokalsender oder ? Darf man fragen wie der heisst?
Bei dem anderen Kommentar mit Powell und Co. verstand ich mehr und fand ihn deshalb witziger

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#3

Gedanken beim Piano.

in Kommentare, Essays, Glossen und Anekdoten 27.05.2005 21:54
von Arno Boldt | 2.760 Beiträge | 2760 Punkte
hi schorschen.

die mietsache hat sich irgendwie totgelaufen. von daher bleibe ich erstmal beim lieben tolstoi. manche sachen sind eben nur sekundenhighlights der geschichte - oder vielmehr der medien. *g deshalb ists doch durchaus verständlich und nur natürlich, solcherlei dinge wieder in den hintergrund zu drängen.

der kommentar hier ist charismatischer, als der andere, finde ich.

[werbemodus]ja, das war für einen lokalsender (-->dresden und nähere umgebung). aber leider z.z. noch kabelnetz. hoffe, daß sich das ändern wird, damit man bekannter wird.. ist kein kommerzieller sender. da kann jeder, der ein konzept und gewisse kenntnisse hat, anfangen - wobei man die kenntnisse dort auch in form von kursen bekommen kann. ist also sehr einsteigerfreundlich. --> www.neon425.de[/werbemodus]

danke fürs lesen.
liebe grüße.

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#4

Gedanken beim Piano.

in Kommentare, Essays, Glossen und Anekdoten 28.05.2005 11:33
von Wilhelm Pfusch • Administrator | 2.006 Beiträge | 2043 Punkte
Ich habe mir die Seite mal angeschaut, du hast dich also um deinen Sender verdient gemacht
Das man dich nach dem Sender fragen würde hättest du wissen müssen
In Tübingen gibts übrigens einen Typ, der einen eigenen Radiosender unterhält, der ständig durch die Fußgängerzone marschiert und die Leute zu bescheurten Themen interviewt. Der ist im ganzen Umkreis bekannt und in Tübingen ist es fast ein Sport ihm zu seinen Fragen möglichst grossen Mist zu antworten. Mich hat er z. B. gefragt wie ich dazu stehe, ob Geld ein Tabu-Thema in dieser Gesellschaft ist; bei diesem Radiosender wird also nur geredet.
Warum ich das jetzt erzähle? Keine Ahnung, aber ich mag witzige kleine Radiosender.

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#5

Gedanken beim Piano.

in Kommentare, Essays, Glossen und Anekdoten 28.05.2005 11:52
von Arno Boldt | 2.760 Beiträge | 2760 Punkte
das ist fein, dass du mal nachgeschaut hast. man bemüht sich dort allerdings auch um information. aber mal ein kleines projekt in richtung nonsens zu machen, könnt ich mir gut vorstellen. nimmt der freund der stadt tübingen auch praktikanten?

witzige, kleine radiosender sind zumindest (in meinen augen) besser, als jene, die am laufenden band die charts runterspielen, ohne wortbeiträge zu senden. *brrr*


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#6

Gedanken beim Piano.

in Kommentare, Essays, Glossen und Anekdoten 28.05.2005 13:01
von Wilhelm Pfusch • Administrator | 2.006 Beiträge | 2043 Punkte
Nein dieser Typ läuft immer alleine rum mit seinem uralten Sprachaufzeichnungsdingens mit Mikro. Ausserdem läuft er immer in Lederklamotten rum und ist mir nicht ganz geheuer

Apropos Wortbeiträge: Kennst du Reuschs Wochenrückblick von SWR2? Wahrscheinlich nicht, aber da solltest du mal Probehören, sowas in der Art muss ins Radio Ich habe dir mal 2 beispiele geschickt, als eine Art "Audio-Gruß"

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#7

Gedanken beim Piano.

in Kommentare, Essays, Glossen und Anekdoten 28.05.2005 13:25
von Arno Boldt | 2.760 Beiträge | 2760 Punkte
sehr, sehr witzig. danke.

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