#1

Willkommen, 3. Welt

in Humor und Fröhliches 13.06.2005 17:49
von Don Carvalho • Mitglied | 1.880 Beiträge | 1880 Punkte
Willkommen, 3. Welt

Verdammt, ich habe es verpasst,
(man sagte mir auch nicht Bescheid)
wir haben alles Geld verprasst,
nun herrscht anscheinend Not und Leid!

Erst kürzlich wars im Supermarkt
(vorm Cerealienregal)
ich kaufte, was mich stets erstarkt
und meine Muskeln formt zu Stahl,

als plötzlich um die Ecke bog
(ich kannte es nur vom TV)
ein Ding, das kaum mehr etwas wog,
nicht feststellbar, wars Kind, wars Frau;

(ich dachte einst, dies Phänomen
sei ein Problem der dritten Welt,
ich konnte nicht so recht verstehn
wie man hier ohne Not verfällt!)

und langsam hob die Knochenhand
mal dies, mal das - welch schwere Wahl.
Das Bild hat sich mir eingebrannt:
sie hungert vorm Diätregal!

(c) Don Carvalho
- Juni 2005
edit: einige Änderungsvorschläge von muh-q wahn übernommen


Zeichnung: Donna Carvalho

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#2

Willkommen, 3. Welt

in Humor und Fröhliches 13.06.2005 19:39
von Richard III | 868 Beiträge | 871 Punkte
hehehehe super klasse! Das gefällt mir! Fast schon - trotz dem ganzen Humor - was für Gesellschaft.
Auch eine sehr gute Idde, wie du das Thema darstellst!

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#3

Willkommen, 3. Welt

in Humor und Fröhliches 14.06.2005 18:05
von Wilhelm Pfusch • Administrator | 2.006 Beiträge | 2043 Punkte
Mir hat es auch gefallen, und ist, wie Richard schon sagte, nicht nur witzig, sondern hätte beinah genauso viel Gesellschafstpotential. Ich musste zwar nicht laut lachen, aber das lag einfach daran dass die letzte Strophe ein "nachdenklich machendes" (<- Was kann man dafür sagen ? ) Bild zeichnet., und man das erstmal fassen muss.
Ich freue mich auf mehr Gedichte dieser Art

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#4

Willkommen, 3. Welt

in Humor und Fröhliches 14.06.2005 19:04
von muh-q wahn (gelöscht)
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Hi Don!

Wie wir festgestellt haben, sind Struktur und Form gerade im humoristischen Bereich von großer, wenn nicht entscheidender Wichtigkeit. Das erfüllst du hier formidabel: 4-hebiger Jambus, stark im Kreuz gereimt, sparsamste Elisionen und Syntaxbeugungen: hier stört nichts den Spaß, den der Leser haben soll ... und der einem dann ein wenig im Halse stecken bleibt bzw. nicht ohne Nachwirkungen bleibt.

Wenig gefällt mir nicht und vielleicht – falls ich dich überzeugen kann – gehst du da noch einmal ran:

S1Z3 Das hohle „wohl“ muss wohl oder übel immer herhalten. Ich bin ja selbst nicht frei davon. Daher müssen wir es fortan bekämpfen, wo immer es geht. Wie wäre es einfach mit Geld ?

S2Z4 Syntax error Vielleicht daraus die Zeile in Klammern machen?

S3Z3 Ding ? Grmbl, vielleicht bin ich zu menschenfreundlich aber das gefällt mir nicht. Hier würde ich den Menschen aus S4 gerne sehen.

S4Z4 Ersetze bloß das bloß, das sieht bloß scheiße aus. Vorschlag, auch wegen des Menschenraubes: wie man hier ohne Not verfällt ?

S5Z3 Dies möglichst unterlassen, wenn das genau so gut funktioniert.

Nichtigkeiten. Ansonsten hätte mir noch mehr Spaß gemacht, wenn du eine in Klammern gesetzte Zeile in jeder Strophe gebracht hättest.

Gut gelungen, gern gelesen. Abgesehen von der schön vorbereiteten Pointe ist meine Lieblingszeile S2Z2: Ce-re-a-li-en-re-gal. Silbenschinder, genial.

Digitally Yours

muh-q wahn


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#5

Willkommen, 3. Welt

in Humor und Fröhliches 15.06.2005 18:17
von Don Carvalho • Mitglied | 1.880 Beiträge | 1880 Punkte
Hallo ihr Drei,

man hätte das gute Stück sicherlich auch in der Gesellschaftsecke unterbringen, denn - und schön dass das nicht unbeachtet geblieben ist - es steckt natürlich auch Gesellschaftskritik in diesen Zeilen. Aber letztlich dachte ich mir, dass man schließlich auf Kosten der Dicken oft genug lacht, da kann man auch mal gegen die (mehr oder minder) freiwillig Abgemagerten höhnisch zu Felde ziehen...


@ muh-q wahn: Viele Deiner Einwände sind berechtigt und einige werde ich mir davon zu Herzen nehmen. Im Einzelnen:

wohl ist tatsächlich eines dieser metrisch bedingten Füllwörter, die man so nach und nach ausrotten sollte, ich werde mich diesbezügich zukünftig auch mehr bemühen. Dein Vorschlag sagt mit im Übrigen sehr zu und ich werde ihn (ich gehe davon aus, mit Deinem Einverständnis) übernehmen.

Bezüglich des Syntaxfehlers stehe ich gerade auf dem Schlauch. Sprachlich schön ist diese Zeile zwar nicht, aber "ich kaufte, was (...) meine Muskeln formt zu Stahl" geht nicht? Ist denn die ungewöhnliche Wortreihenfolge bereits ein Fehler? (Ich kaufte, was meine Muskeln zu Stahl formt...) Ist der Tempuswechsel das Problem? Müsste doch aber dennoch gehen... Du siehst, ich verstehe es einfach nicht, bin eben kein Germanist, nur dummer Jurist .

Was das Ding angeht, kann ich Deine Aversionen verstehen, ich werde darüber auch noch einmal nachdenken. Gewählt ist diese Formulierung aus zwei Gründen: 1. Wirken nicht wenige extrem Untergewichtige auf mich auch extrem erschreckend, den Menschen kann man da zwischen Haut und Knochen allzuoft kaum mehr ausmachen. 2. wird Übergewichtigen in Spottgedichten auch häufig in den Formulierungen die Menschqualität abgesprochen - und mit diesem Gedicht wollte ich beabsichtigt diesen etwas entgegensetzen.
Aber wie gesagt, Dein Einwand ist verständlich...

bloß ist mehr als entbehrlich, auch hier werde ich auf Deine Idee zurückgreifen.

Dies finde ich hier jedoch passend, das sich mir eingebrannte Bild sollte besonders betont werden. Ich denke, dies ( ) werde ich lassen...

Den Klammergedanken hatte ich auch, allerdings habe ich diese erste nach Vollendung des Gedichtes gesetzt. In Str. 4 erschien mir jedoch nichts klammergeeignet außer die Strophe im Ganzen...


@ all: Ich habe diese Zeilen in einem Rutsch während eines (sehr langweiligen) Lehrganges runtergeschrieben, ohne sie anschließend noch sonderlich zu überarbeiten, was man dem Gedicht an den bemängelten Kleinigkeiten wohl anmerkt. Spaß hat es mir dennoch gemacht und es freut mich, dass der auch durchaus angekommen zu sein scheint.

Danke für Eure Kommentare,


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#6

Willkommen, 3. Welt

in Humor und Fröhliches 16.06.2005 10:52
von muh-q wahn (gelöscht)
avatar
Hey-Ho, lieber Pate!

Dein Gedicht gefällt mir immer besser! Allerdings lege ich Wert auf die Feststellung, dass alle Kommentatoren hier eher die Aufgabe von Lektoren übernehmen. Es ist nun einmal so, dass man, je länger man auf sein eigenes Geschreibsel schaut, desto weniger erkennt.

Syntax error: Wie ich sagte, eine lässliche, aber eben eine Sünde. Nebenbei: Ich bin auch kein Germanist, aber kenne welche, die sich im Deutschen schlechter auskennen, als du und ich. Ich kenne übrigens auch Juristen, die sich schlechter im Recht auskennen, als Germanisten aber das ist wieder ein ganz anderes Thema.
Vielleicht ist deine Satzstellung sogar noch persönlich von Konrad Duden abgesegnet, mir schmeckt sie dennoch nicht. Daher wiederhole ich meine Anregung, das wundervolle Cerealienregal aus- und deinen Zusatz einzuklammern. Übrigens: Die Nahrungsmittelergänzungen formen die Muskeln auch nicht „zu Stahl“ (hört sich auch nicht wirklich gut an), sondern (Vorschlag zur Güte) es/und formt mir Muskeln wie aus Stahl.

Bei dem Ding bin ich sicher zu skrupulös. Ich bin noch einmal in mich gegangen und habe festgestellt, dass es neben dem allzu humanistischen Aspekt (da gebe ich dir unbedingt Recht ) auch einen sprachlichen gibt: ein Dingensbummens benutzen wir regelmäßig, wenn uns die Worte fehlen. Das aber transportiert das Wort wiederum auch: Die Erscheinung ist so skurril, so bizarr, dass dir tatsächlich die Worte fehlen. Ich bin also versöhnt.

So, wie die 4. Strophe sich darstellt, ist das komplette Ausklammern konsequent und gefällt mir. Hierin einen einzelnen Teilsatz auszuklammern, wäre dagegen mutwillig. Nur leider hast du in der letzten Strophe keinen Einschub und daher drängt sich der Eindruck auf, dass du ein Stilmittel verwenden wolltest aber nicht durchhalten konntest. Das ist schade.

Ich meine, dass du das lösen könntest. Ich gehe das in Verbindung mit meiner Mäkelei zum Wort dies an. Ich begreife den Unterschied und auch, dass du dieses Bild betonen wolltest. Auch wenn der Duden mittlerweile alles zulässt, wogegen ich auch nichts habe, so ist aber dies letztlich nur die Kurzform von dieses (recht eigentlich eine Elision) und liest sich nach meinem Geschmack in einem literarischen Text zumindest nicht, ohne bemerkt zu werden. Zudem hast du es nicht nur in Strophe 4, sondern auch in der direkt vorangehenden Zeile bereits in der Kurzform verwendet. In beiden Fällen benötigst du es auch unbedingt, wenn auch die Kurzform in S4Z1 lediglich der Metrik geschuldet ist. Allerdings funktioniert die auch nur bei unserem Kreuzchenmalen perfekt, wie man am Beispiel dieser Zeile gut erkennen kann. Wir pinseln zwar

ich dachte einst, dies Phänomen
xXxXxXxX ,

doch sprechen eher

ich dachte einst, dies Phänomen

weil uns besonders das dies dazu zwingt.

Daher gibt es zwei Gründe, auf das dies in der S5Z3 zu verzichten. Zum einen zur Vermeidung der zweiten Wiederholung, zum anderen der Lese-/Sprechfluss: Du zwingst den Leser ausschließlich in dieser Zeile zur Hebung in der ersten Silbe. Und das ist dann der Grund, warum ich diese Zeile in Klammern setzten würde, weil auch mit dem das die unwillkürliche Hervorhebung eben dieses Bildes unvermeidlich bleibt.

Prima Gedicht, ob du nun ändertest oder nicht. Wie sagte der König einmal? Dickfischempfehlung.

LG

muh-q wahn


P.S.: An einer Stelle hast du jetzt verschlimmbessert: Wortdreher in S4Z4 – wie man hier ohne Not verfällt.

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#7

Willkommen, 3. Welt

in Humor und Fröhliches 16.06.2005 17:13
von Don Carvalho • Mitglied | 1.880 Beiträge | 1880 Punkte
Hi muh-q wahn,

das ist aber ein zähes Ringen mit Dir .

Mit der Verschlimmbesserung hast Du recht, es lag schlicht ein Vertippen vor und war so nicht beabsichtigt. Das ändere ich gleich.

Die Satzstellung in Strophe 2 missfällt mir inzwischen auch, Danke muh ! Allerdings kann mich Dein und formt mir Muskeln wie aus Stahl auch nicht Recht begeistern... wie aus klingt nicht, da würde doch es/ und formt mir Muskeln hart wie Stahl angemessener sein, oder?

Wenn ich jedoch die Klammerzeile verschiebe, wird dieses Stilelement dann übers Gedicht gesehen nicht sehr chaotisch? So findet sich die Klammer regelmäßig in der 2. Zeile - ausgenommen natürlich die letzten Strophen. Da bin ich mir jetzt unsicher...

Deine Argumentation das dies betreffend ist überzeugend, Du hast mich fast . Ein Problem habe ich aber auch hier mit der Klammer:
wenn ich die 3. Zeile der letzten Strophe einklammere, ist dann die letzte Zeile nicht sehr abgehackt? Denn schließlich sollte man die Klammer auch weglassen können:

"und langsam hob die Knochenhand
mal dies, mal das - welch schwere Wahl.
Sie hungert vorm Diätregal!"

Grübel... Aber egal wie: das dies werde ich jedenfalls ändern.

Dickfischempfehlung? Du möchtest doch nur als Co-Autor genannt werden !

Trotzdem Danke, vor allem für Deine Anregungen,


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