#1

Abschied

in Düsteres und Trübsinniges 15.07.2005 14:01
von Richard III | 868 Beiträge | 871 Punkte
Die Tageshitze ließ mich fiebernd sehnen,
erlaubte mir der Gitter zu entfliehen.
Die Sonne selbst hat mir den Glanz geliehen
und auch ihr Feuer konnt ich mir entlehnen.

Ich liebte deine Worte, deine Schatten.
Nicht Hohn, nicht Schwüre konnten mich beirren
und selbst die Mißgunst konnte nicht verwirren:
Ich liebte was wir nie und immer hatten.

Ich giere immer noch nach deinen Zeilen,
verirre mich zuweilen noch darinnen.
Du weißt, ich würde nur zu gern verweilen,

doch können weder du noch ich gewinnen.
Getrennt von dir muß ich mein Herz zerteilen
und bin in mir zerrissen wie von Sinnen.

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#2

Abschied

in Düsteres und Trübsinniges 16.07.2005 14:12
von muh-q wahn (gelöscht)
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Mann, Richard, das ist wirklich stark. Man(n) muss sich darauf einlassen, das ist wahr aber wenn man das tut, dann wird man auch mit einem sinnlichen Genuss belohnt, wenn ich allein an die kreuzgereimten Terzinen denke! Wunderbares Sonett in Form und Inhalt.

Ja, du weißt sicher, dass ich dir inhaltslogisch nicht immer folgen kann und hier habe ich an Strophe 1 auch so mein Knabbern: Es ist ja wohl kaum die Hitze des Tages, die dich sehnen lässt, sondern das Fieber des Verlangens nach dem lyr. Du. Diese Hitze aber erlaubt dir, der (?) Gitter zu entfliehen. Dieselbe Hitze, die dich sehnen lässt, erlaubt dir, dich davon zu befreien? O.k., du hast dir den Glanz und das Feuer der Sonne geliehen, um quasi mit der nüchternen Helligkeit des Tages die fiebrigen Träume zu vertreiben. Das ist insgesamt, so wie ich das verstehe, ein gutes und auch schön umschriebenes Bild, nur dass das Exposé in Z1+2 mir nicht stimmig erscheint. Aber ich will nicht zu kleinlich sein, es gefällt mir ja.

Strophe 2 ist wie aus einem Guss, das läuft prima und hier wird klar, dass der Grund für den Abschied in der Problematik dieser Liebe begründet ist. Dein lyr.Ich liebt und hasst die Worte, die Zeilen des lyr.Du gleichzeitig. Offenbar weiß es diese nicht einzuordnen, ist manchmal angezogen, manchmal abgestoßen. Diese Zerissenheit, die in Strophe 2 angedeutet wird, findet in den Terzinen seine Vollendung. Aus den umarmenden Reimen der Quartinen wird der anfangs erwähnte, strophenübergreifende Kreuzreim. Und der mag nicht klassisch sein, ist dafür aber um so aufregender. Inhaltlich auch wunderbar, wie die Zerissenheit umschrieben und auf dem Höhepunkt benannt wird. Hier wirkt nichts bemüht, alles steht wie eine Eins und fließt doch wie von selbst.

Großes (Gefühls-)Kino, sehr gerne gelesen, obwohl man sich besorgt fragt, wie viel Leid ein Dichter persönlich erfahren muss, um derart authentisch davon berichten zu können.

muh

P.S.: Vielleicht könntest du dich doch irgendwann entschließen, den Titel auch noch einmal direkt über das Gedicht zu schreiben und wenn es aus rein optischen Gründen und/oder nur mir zuliebe geschähe. Hier mag es nicht ganz so schlimm sein, weil der (plakative) Titel das einzig Schwache an dem Stück ist aber es sieht so ... lieblos aus.

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#3

Abschied

in Düsteres und Trübsinniges 18.07.2005 23:24
von Richard III | 868 Beiträge | 871 Punkte
Muh,

vielen Dank!
Freut natürlich wie immer, dass es gefallen konnte.
Eigentlich schrieb ich hier gerade eine ellenlange Erklärung der ersten Strophe, so wie ich sie intendierte. Aber eigentlich muß das nicht sein. Es ist auch sehr nett, wie du es interpretierst und ich freue mich ja immer sehr über andere Interpretationen.
Vielen Dank für Analyse und Interpretation!

Nur eine Frage: Der Strophenübergreifende Kreuzreim in den Terzinen ist nicht klassisch? Ich dachte, dass wäre er? Klär mich doch bitte auf, was bei einem Sonett klassisch ist. Dies ist mein erstes Sonett und ich bin da etwas überfragt...

Zu deinem letzten Kommentar: Siehst du soviel Leid in diesem Gedicht? Vielleicht definierst du Leid etwas anders als ich oder sagen wir es so: Ich halte Leid für eine sehr heilsame Erfahrung und als Dichter sogar für eine sehr produktive Erfahrung - damit meine ich natürlich ein Leid in Maßen - ich spreche nicht von echten Tragödien.
Nicht, dass ich deinen Kommentar als negativ empfand - im Gegenteil - es freut mich, wenn das intendierte Gefühl des Leides beim Rezipienten auch ankommt.
Nur sprachst du von "dem Dichter" und dieser wollte nur einmal seine Definition des Begriffes erklären!

Liebe Grüße Richard

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#4

Abschied

in Düsteres und Trübsinniges 21.07.2005 09:15
von Margot • Mitglied | 3.054 Beiträge | 3055 Punkte
Hi Rich .... Mann, warst du produktiv! *g

Auch mich spricht dieses Gedicht - wie so viel der deinen - sehr an. Die 1. Str. erschliesst sich mir so:
Am Tage fiebert das lyr. Ich auf das Treffen (real oder in Gedanken) mit dem lyr. Du. Die Gitter sehe ich als Fesseln - vielleicht eine andere Beziehung - denen es durch dieses Sehnen entfliehen kann. Insgesamt steht die 1. Str. für die hoffnungsvolle Erwartung bis zum Zeitpunkt des Zusammentreffens, das wahrscheinlich stets Nachts erfolgt.

Mir gefallen Themen nach dem Motto: .... sie konnten zusammen nicht kommen, das Wasser war viel zu tief. Mir ist fast so, als hätte ich ein ähnliches Thema erst kürzlich hier gelesen.... hm.... wer war bloss der Autor? *überleg*

Schön Richie, du vermagst mich mit deinen Zeilen wieder zu packen.

Grüsse
Margot

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#5

Abschied

in Düsteres und Trübsinniges 21.07.2005 14:24
von Richard III | 868 Beiträge | 871 Punkte
Oh, vielen Dank, meine Liebe! Das freut mich sehr!
Auch deine Interpretation ist sehr schön.
Und, jaja ich mag eben solche Themen auch sehr...

Liebste küssende Grüße Richard

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#6

Abschied

in Düsteres und Trübsinniges 21.07.2005 22:08
von Velazquez | 315 Beiträge | 315 Punkte
Hi Rich,

grosse Worte wurden schon gesprochen, ich zieh' den Hut und bekunde mein Gefallen,

, Vel

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#7

Abschied

in Düsteres und Trübsinniges 21.07.2005 22:28
von muh-q wahn (gelöscht)
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Ja, super, kolossal blamiert. Dieser terzinische Kreuzreim scheint ja doch ziemlich klassisch zu sein... Was hatte ich da vor meinem geistigen Auge? Keine Ahnung. Also klassisch. Und wunderschön. Prima, gefällt mir noch immer.

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#8

Abschied

in Düsteres und Trübsinniges 21.07.2005 22:30
von Richard III | 868 Beiträge | 871 Punkte
Ach was! Und danke!

Kisses

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